Vor 100 Jahren gründete Eugène Aimé Salon sein eigenes Champagnerhaus. Salon ist seither der Archetyp des Monocepage-Champagners lange vor (und mittlerweile zusammen mit) Krugs Clos du Mesnil und Bollingers Vieilles Vignes Francaises bildet der "S" de Salon nach Meinung vieler, immer vorneweg das Gros der champagnerinteressierten Bordeauxtrinker, so etwas wie die Champagner-Dreifaltigkeit.
Sehr glücklich war ich, im Geburtstagsjahr mit dem dynamischen und sympathischen Chef der Häuser Delamotte und Salon, Didier Depond, über seine dergestalt hoch- und wohlgeborenen Babies plaudern zu dürfen. Der relativierte das mit der Dreifaltigkeit gleich ein wenig, als er verriet, dass die Trauben aus dem Clos du Mesnil bis zum Verkauf an Krug in den "S" de Salon wandern durften; und auch sonst ist das Bild von der Dreifaltigkeit krumm. Platz zum Geraderücken wird freilich an anderer Stelle sein, heute geht es um das Gespann Salon-Delamotte.
Im überschaubaren zweigeschossigen Keller von Salon liegt noch eine ganze Reihe alter Champagner und selbst von famosen 1966er ist ein ansehnlicher Stapel vorhanden. Besonders interessant macht diesen Jahrgang, dass es sich um das Jahr der Umstellung von Agraffenverschluss auf Kronkork handelt – von beiden ist genügend da, um im Herbst, wenn Didier Depond zur Sommelierverkostung einlädt, eine Vergleichsprobe zu machen. Am Markt greifbarer sind natürlich die jüngeren Salons; seit dem 1996er trägt jede Flasche eine Lasergravur, die Aufschluss über das Dégorgement gibt. Die ersten beiden Ziffern nach dem L geben den Jahrgang an, der freilich auch auf dem Etikett steht, sofern das bei der berühmten Langlebigkeit von Salon zum zukünftigen Trinkreifehöhepunkt noch vorhanden sein wird, danach folgt die Tageszahl im Jahr des Dégorgements, das zum Schluss kommt (L 99 341 10 steht für das Dégorgement eines 1999ers am 341. Tag des Dégorgierjahrs 2010). Im Tiefkeller gedeihen nicht nur die verschiedenen Jahrgänge von Salon – es sind freilich nicht alle, aus Platzmangel liegt ein Teil bei der Mutter Laurent-Perrier -, sondern auch einige langstielige Pilze, wachsen keck vor den Flaschen in die Höhe und mich hätte sehr interessiert, ob reifer Salon und diese Pilze ein ähnliches Aroma haben. Aus lauter Ehrfurcht habe ich dennoch keinen der Pilze zu pflücken gewagt.
Nach einem Blick in den knapp 1 ha großen Rebgarten, der seinerzeit von Monsieur Salon für sein Projekt "S" erworben wurde, ging es im Obergeschoss des Hauses unerbittlich an die Verkostungsarbeit, von draußen beaufsichtigt von einer rötlichen Katze, die in den Weinbergen von Salon umherzustreifen pflegt.
Delamotte
1. Delamotte, Blanc de Blancs NV
Aus dem Schoße von Lanson ging das damals schon alterwührdige Haus Delamotte zwischen den Weltkriegen in den Besitz von Marie-Louise de Nonancourt über. Die Visitenkarte des Hauses ist der jahrgangslose Blanc de Blancs, noch vor dem eigentlich klassischeren jahrgangslosen Brut aus 50CH 30PN 20PM, den kaum einer kennt. Ich habe schon einmal davor gewarnt, Delamotte nur als die kleine Schwester von Salon anzusehen, denn das ist grundverkehrt, wie sich hier erneut zeigte. Mit etwas Luft ist der BdB NV von Delamotte bereit für den Genuss. Die Aromatik ist kompakt, die Säure zunächst überraschend mild, überlagert wird die hellfruchtige bis weißblühende Grundnote stellenweise von korpulenter Dosage und herzhafter, konzentrierte Reife, die nach hinten ruhig etwas länger ausgleiten dürfte.
2. Delamotte, Blanc de Blancs 2002
Brandneu, lang erwartet, ja ersehnt, ist der demnächst in den Handel gelangende 2002er Delamotte. Strahlend, leichtgewandet und verführerisch ist der charakterstarke Jahrgang bei fast allen Erzeugern, bei Delamotte hat er einen zackigen Auftritt. Intensiver Duft von reifen Äpfeln, Ananas, Bergamotte, Limette und Orange, erfrischend wie eine Kaltwasserdusche im Hochsommer, mit vergleichbarem Nachprickeln. Wenn sich die schwebenden Nussaromen in den nächsten Jahren mit den Früchten vereinigen, wird der 2002er Delamotte fraglos zu den Stars seiner Preisklasse gehören.
Salon
1. "S" de Salon 1999
Auf Vorschlag des englischen Importeurs Corney & Barrow wurde der neue "S" de Salon kürzlich in einem Londoner Restaurant zu fish'n'chips vorgestellt. Der Trick war, den Essig wegzulassen, so dass der noch sehr schüchterne Champagner nicht von der englischen Delikatesse überrollt wurde. Schüchtern nämlich ist der passende Begriff. Anders als die lautstark polternden 1988, 1990, 1996 von Salon ist der 1999er ein ruhiger und gelassener Vertreter, der für meine Begriffe nicht recht in die Ahnenreihe passen will. Das Jahr mag reif gewesen sein, doch teilt sich diese Reife nicht zuletzt wegen der sehr diskret agierenden Säure beim Trinken kaum mit, sondern ist mit der momentan nur zu vermutenden übrigen Aromenfülle wie ein Origami zusammengefaltet. Mandelmilch, Äpfel, Ylang Ylang, Vetyver, Waldmeister habe ich mir zögernd notiert, denn auf den Kopf zusagen könnte ich diesem Champagner nur, dass ich im Moment den 1997er bevorzuge.
2. "S" de Salon 1997Was hat sich dieser Champagner doch gemacht. Agrûmes, Walnuss, Zimt, Mandeln,, Ghee, appetitliche Röstnoten, eine mittelgebirgige Säurestruktur mit festem Griff und Länge, dazu eine Affinität zum Salz, die man als mineralisch bezeichnen könnte, was mir in diesem Zusammenhang aber zu beliebig und austauschbar vorkommt. Bei Salon sagt man naturellement sophistique, was ein genausolcher Wischiwaschi ist, aber wenigstens gut klingt. Als der 1997er Salon rauskam, dachte ich erst an einen schlechten Scherz, weil mir das Jahr ungeeignet vorkam, aber gut, Michel Fauconnet wird sich ja was dabei gedacht haben und ist sowieso viel näher an den Reben als ich, so meine Überlegung. Dass er seinen Job exzellent versieht, zeigt er meiner Meinung im Umgang nach tim Umgang mit dem trotz allem schwierigen 1997er Material. Bei wie vielen 97ern ist jetzt der Trinkhöhepunkt erreicht oder schon überschritten – bei Salon beginnt er gerade erst. Das allein zeigt, dass der "S" eine Sonderstellung im Reich der Blanc de Blancs für sich in Anspruch nehmen darf. Ein weiterer Punkt ist, dass der 97er Salon zu Beginn einen untypischen, frühreifen Beigeschmack hatte, der sich zum Glück nicht mit zunehmender Reife vertieft hat, sondern auf stand-by geschaltet war, bis der restliche Champagner aufgeschlossen hat, was jetzt der Fall ist. Das ganze Arsenal der salontypischen Noblesse und Überlegenheit zeigt sich jetzt symphonisch orchestriert und vom allegro maestoso geht es jetzt in den nächsten Satz mit beginnendem allegro cantabile, hin zum vivace con brio.