Im Champagnerleistungszentrum treffen nicht nur junge Talente aufeinander und messen sich im friedlichen Wettstreit, nein, auch die alten Kämpen müssen zeigen, ob sie noch Dampf haben. Selbst alter Adel wie der einer Grande Dame und einer Belle-Epoque schützt nicht vor dem unerbittlichen Blick unter den Rock.
Veuve Clicquot, Grande Dame 1985: wuchtig, herb und sehr füllig. Im Glas war der Champagner dann weniger alte Witwe, als vielmehr ziemlich knackiges, wenngleich nicht mehr ganz taufrisches Mädel. Ein schicker Twen, was ja auch zum Jahrgang paßt. Verhaltene Säure und sehr viel weinige Würze, Andeutungen von Milchkaffee, Karamell, Buttertoffee und Kakao, aber alles wirklich nur hauchfein und in den nächsten Jahren sicher immer stärker werdend. Dieser elegante, noch herzhaft jugendlich wirkende Champagner spricht sehr für das Haus, bzw. die Kunst des seinerzeitigen Kellermeisters Peters. In der Jugend sind die Champagner immer haarscharf zu hoch dosiert für meinen Geschmack – passen dafür aber zu zahlreichen Speisen sehr gut, dazu gleich mehr -, im Alter zeigt sich dann, was die Réaction Maillard alles vermag. Korrespondierende Speisen waren:
– Brunnenkressesuppe mit pochiertem Wachtelei: definitiv kein dreamteam zur Grande Dame, die beiden standen sich in respektvollem Abstand gegenüber, bzw. einander zur Seite, gingen aber keine harmonische Allianz ein. Getrennt voneinander am besten, zusammen war mir die Mixtur zu spannungsvoll.
– Jakobsmuschel mit hauchdünnem Cräcker auf blanchiertem Kohl: sehr schmackhaft, Jakobsmuschel und Champagner sowieso, in Verbindung mit dem kleingeschnipselten Kohlgemüse und dem Keks dann noch einmal bereichert.
– Kaninchen mit Linsen und Speckschaum: eine Spitzenkonstellation, für Liebhaber von herzhaften Variationen rund um den Speck ein besonders schönes Erlebnis. Dankenswerterweise war das Kaninchenfilet mit einem schützenden und gut harmonisierenden Teigmäntelchen versehen, zusammen mit den reifen Noten der Grande Dame wundervoll.
Es folgte
Perrier-Jouet Belle-Epoque 1983. Ein erstes kleines Stinkerle im Glas wich schnell, mit Zeit und Luft wurde ich dann auf Kosten der von vornherein optisch müden Perlage Zeuge eines kleinen Chardonnaywunders im Glas. Bei älteren Belle Epoques zeigt sich eben immer wieder die grandiose Standfestigkeit der Cramantchardonnays. Die Nase betörend mit kandierten Zitrusschalen, der Mund von stahlharter Säure ausgekleidet, mit langem, feinstprickelndem Nachhall. Dazu gab es:
– Stubenküken mit Knoblauchconfit: Köstlich! Punkt.
– auf der Haut gebratenen Zander samt Fenchelgemüse: ebenfalls eine ausgezeichnete Kombination und ein würdiger Platzhalter für das als Auftakt genossene 2005er Leitz'sche Magdalenenkreuz.
Die crème brûlée hatte mit den Champagnern nichts mehr zu tun und vertrug sich dementsprechend bestens mit Barbeitos 1978 Madeira Verdelho, nach dem Käffchen gab es dann Reisetbauers Elsbeere, ein Brand den man am liebsten inhalieren will, bis das Glas leer ist. Schmeckt aber auch so ganz gut, wenn man Schnaps mag.
Fazit: Beide Prestigechampagner verwöhntem auf sehr hohem Niveau, zeigten sich den Speisen überwiegend gewachsen, wobei die Grande Dame in der Konfliktsituation mit dem Ei weniger gut abschnitt, als die Belle-Epoque mit dem Knoblauch.