Tarlant
Ein kurzer Besuch bei Benoit Tarlant war wieder mal jede Minute wert. Die erst vor wenigen Jahren angeschaffte Coquard-Presse mit 6000 kg Fassungsvermögen versieht nach wie vor in nur 1,5 Minuten ihren Dienst, was gegenüber der alten Pneumatikpresse mit ihren 15 Minuten eine wesentlich Verbesserung darstellt. Nicht nur die Pressdurchgänge sind viel einfacher und sauberer, auch die Vinifikation nach Einzellagen ist einfacher, denn die Presse muss im Gegensatz zum Vorgängermodell nicht proppenvoll sein. So lassen sich auch kleine Teilstücke gesondert vinifizieren und müssen nicht in Cuvées verschwinden. Für einen experimentierlustigen Winzer ist das natürlich prima.
Grundweine 2009
I. Pinot Meunier, 1. und 2. Pressung des ersten Pressgangs aus der Lage Haut de Four Chaux, Tankgärung
Nicht nur in der Pfalz gibt es Kalköfen, auch in der Champagne heissen die Lagen manchmal so. Dieser Meunier war noch ziemlich frisch, hefig-bananig, mit einer milden Säure. Zu leicht für einen eigenständigen Champagner, aber ein guter Cuvée-Partner für den Brut Zéro, sicher auch als Reservewein noch zu gebrauchen.
II. Selbe Lage, nächste Pressung, wieder Tankgärung
Rundlicher, mit einer abgeflachten Säure, da war fast gar kein Profil mehr übrig.
III. Pinot Meunier aus der Lage Echaudé, Tankgärung
Ein schlanker, spritziger Meunier mit wenig Frucht und mittelmäßiger Säure. Strukturiert – ja, haltgebend – nein.
IV. Aus einer Reihe von Chardonnays, die biodynamisch behandelt werden, gab es einen Grundwein, der am Stock noch unter Mehltau gelitten hatte; Tankausbau.
Sofort macht sich Apfel bemerkbar, der Grundwein ist gegenüber den Meuniers körperreicher, voluminöser, aber nicht sehr säurestark.
V. Pinot Meunier von 35 Jahre alten Reben, Fassausbau
Diese Reben stehen zusammen mit ein paar Pinot-Noirs von der Mitte des Bergs bis nach oben hin, zwischen Boursault und Oeuilly, dort wo der Kalk mit Tonerde durchsetzt ist. Das zehn Jahre alte Fass gab dem Wein eine sehr milde Holznote, die bei einem pH-Wert von 2,95 und ca. 8 g/l Säure beileibe nicht im Vordergrund stand.
VI. Pinot Meunier von 60 Jahre alten Reben, Fassausbau
Dieser noch leicht prickelnde Kandidat gab die besten Empfehlungen für eine Verwendung als Vigne d'Or ab. Konzentrierte, herbe, an Grapefruit und Pomelo erinnernde Frucht ruhte auf einem beeindruckend festen Säuregerüst.
VII. Pinot-Noir vom Mont de Martin
Diesen Wein aus Celles-lès-Condé hätte man so wie er war schon glatt als einen kernigen, unverspielten, gut gelungenen Blanc de Noirs verkaufen können.
VIII. Pinot-Noir aus der Lage Les Haules in Oeuilly
Das hier waren die Freunde von Nr. V., im Gegensatz zu den Meuniers war dieser Pinot im Dezember in der Gärung stecken geblieben und machte danach nur sehr langsam weiter. Deutlich daher ein Zuckerschwänzchen, das dem sonst im herbfruchtigen Saft stehenden Wein regelrecht Esprit verleiht.
IX. Biodynamischer Chardonnay aus der Lage Fargots, wieder an der Aisne, in Celles-lès-Condé, wo etwas mehr Kalk im Boden ist. Die vier unterschiedlichen Fässer enthalten denselben Chardonnay, der einzige Unterschied besteht darin, dass der Rhythmus in dem die Bâtonnage stattfindet, ein jeweils anderer ist.
1. Fleur
Dieser Chardonnay hatte eine fruchtige, aber vor allem buttrige Art.
2. Racine
Schlanker, feiner, eleganter und mit etwas mehr Säure ausgestattet, als der im Fleur-Rhythmus gerührte Chardonnay.
3. Noeud
Der dickste, prallste, weinigste, an Kirschen, Kalk und Meursault erinnernde Wein aus der Serie.
4. Fruit
Hier zeigte sich am meisten kräuteriges Naturell, im Mund eine einengende, adstringierende Säure.
Insgesamt eine interessante Erfahrung, welchen Einfluss der Rührrhythmus auf die Weinentwicklung hat.
X. Chardonnay non-greffée
Körper, Extrakt und die Präsenz eines Dritten strahlte dieser Wein aus. Der Butteranteil überwog den der Säure deutlich.
XI. BAM – 20% Pinot Blanc, 10% Arbane, 70% Petit Meslier
Hinter diesem kleinen Stinker verbarg sich ein Mix aus drei der in Vergessenheit geratenen Rebsorten der Champagne. Zwar macht gerade Peter Liem Furore mit kryptischen Andeutungen über einen rot und still vinifizierten Gamay mit nur 9% vol. alc., der aus Montgueux stammen soll und von einem Toperzeuger für den privaten Bedarf gemacht wurde, aber von mengenmäßig herausgehobener Bedeutung sind diese Rebsorten für die Champagne alle nicht. Trotzdem ist es interessant, einen BAM, Six Cepages, Quatuor und wie die Rebellenchampagner sonst so heissen, im Glas zu haben. Dieser zeigte eine vegetabile, ins Kräuterige hinüberspielende Aromatik mit präsenter, aber oberflächlicher Säure.
XII. BAM Reserve aus 08 und 07
Ganz anders wiederum der Mix aus 2008 und 2007. Bis zum 25. Dezember hatte der noch satte 20 g/l Restzucker und ließ sich viel Zeit bei der Gärung, bei einem pH-Wert von 2,8 überrascht aber gleichzeitig nicht, dass er sich gerade mit einer extrem scharfen Säure zeigt, die sich erst noch abmildern muss. Hinzu kommt eine Ahnung von Butter, die den Wein wie einen Weissburgunder aus der Pfalz – nicht von der übelsten Sorte, ich denke da z.B. an die Weissburgunder aus der Ruhr-Edition von Buhl – wirken lässt.
XIII. Pinot Meunier, rot vinifiziert
Abschließend gab es eine rot und still vinifizierten Meunier, den Benoit am letzten Tag der Ernte gelesen hat. Der wirkte frisch aus dem Fass total reduktiv, stank nach Räucherkerzen und Paraffin. Im Mund entwickelten sich mit großer Geschwindigkeit und viel Tannin im Schlepptau rote Beeren, der Wein wirkte paradox, reif, aber nicht mit UTA, gesund und gleichzeitig noch völlig unfertig. Benoit hat noch keine Ahnung, was er mal draus machen wird, der Wein selbst weiß es wahrscheinlich noch viel weniger. Er könnte mal ein schöner, angenehm trinkbarer, vielleicht sogar ganz anspruchsvoller Coteaux Champenois werden. Auch als Rotweinzugabe für den Rosé könnte er sich eignen – dann aber nicht für irgendeinen, sondern vielleicht für eine Cuvée Louis Rosé. Und schließlich könnte ihm auch das Schicksal der Destillation bevorstehen. Ich hoffe, dass mal was anständiges aus ihm wird.
Die Champagner:
I. Brut Zéro Blanc
50% 2005, Rest aus 2004, 2003, 2002. Schlank, pur, aber auch schon reif und gar nicht gezehrt. Beim Zéro zeigt sich doch immer wieder, ob der Winzer mit seinem Wein umzugehen versteht, oder nicht. Benoit jedenfalls weiss, was er da macht.
II. Brut Zéro Rosé
80% 2004er, überwiegend Chardonnay, kleiner Anteil Pinot-Noir. Dieser Rosé ist durch Assemblage entstanden. Der Grund dafür ist ganz einfach: Rosé, der ganz ohne Zucker auskommen soll, muss Tannin und Säure unter einen Hut bringen. Ohne ein vermittelndes Element kann das sehr schwer werden. Bei den 2004ern, die Benoit hier verwendet hat, war stets zu viel Tannin in den Trauben, so dass die Säure dazu ziemlich schräg wirkte. Deshalb entschied er sich für die Assemblage mit einem gemäßigteren Rotwein. Eine Traumhochzeit sind Tannin und Säure noch nicht eingegangen, im Gegensatz zu früheren Rosé Zéros wirkt dieser hier weiniger, der Rotwein schlägt stärker durch und er ist nicht so verspielt, explosiv fruchtig und unbeschwert wie sonst.
III. Millésime 1998 Extra Brut, dég. Nov. 2009
60CH, 40PN. Reif und frisch in einem – ob das an den nur 4 g/l Dosagezucker liegt? Man hat den Eindruck eines runden, ausgewogenen, in sich ruhenden Weins, der auf Anforderung brachiale Kraft abrufen kann. Der Steven Segal unter den Champagnern. Für mich ein spannender Essenbegleiter und ein Kandidat für das Champagnerleistungszentrum.
IV. Millésime 1996 Extra Brut, dég. Mai 2009
Hier noch mehr unverhohlene Kraft und ungebändigte Power. Wer vor einigen Jahren vom 96er Winston Churchill geblendet war, kann denselben Eindruck hier noch einmal nachvollziehen, mit einem etwas gestählteren Körper allerdings. Honig, Brot, Eukalyptus-Menthol bis zu Minztoffee-Bonbons, Schafgarbe, Weißdorn und eine beeindruckende Länge zeichnen diesen Wein aus, dem jedes Jahr zusätzlicher Flaschenreife gegenüber dem ersten Dégorgement sehr gut getan hat.
V. Vigne d'Or, dég. Juli 2004
1999er Basis. Der Champagner wirkt gemütlich, reif und rund, dabei nicht unverschmitzt. Wenn der 98er Vintage Steven Segal ist, dann ist der Vigne d'Or der Meister Eder aus Benoits Kollektion. Ein etwas vergranteltes, aber herzliches Goldstück.
VI. Cuvée Louis
1998er Basis (80%), Reserve 97er und 96er. Das ist der Spitzenwein der an Charakterstärke und Individualität nicht armen Kollektion des Hauses. Mir hat er etwas zu viel Holz, aber Freunde dieses Aromas werden genau das loben und zu preisen wissen. Und in der Tat ist hier nicht herumgeholzt worden, sondern der Ausbau erfolgte ganz ohne unangebrachten Eifer oder Knalleffekt. Die apfeligen Aromen werden nicht zu einer Art Analogcalvados in einer Ecke zusammengedrängt und weder Säure, noch Alkohol wirken vermatscht. Ich habe andere Favoriten in der Kollektion, empfehle dennoch die Cuvée Louis dem sensiblen Holzfreund.