Im Sichelschnitt in der Gardaregion, von Verona über Soave und Trento hin zum westlichen Ufer des Gardasees nach Moniga del Garda, habe ich mir einige Norditaliener zu Gemüte geführt, die nach der on- und offline publizierten Weinliteratur Italiens zu den besten ihrer Art gehören.

1. Vigna Dorata Saten, Franciacorta

100CH, 20% Holzeinsatz, Batonnage, 8 g/l Dosage

Feine Kaffeekakaonase, im Mund weinig, mit schnell abbauender Perlage, die gesundeSäure durchscheinen lässt. Gefiel mir gut und schlug sich bravourös zu Pilzrisotto, Polenta, luftgetrocknetem Schinken und scharfem Octopus.

2. Villa Franciacorta Brut Emozione 2009

85CH 10PN 5PB; Vinifikation im Stahltank.

Kastanienhonig, wenig Säure, mittelgewichtig, ein Franciacorta von der nussigen Seite, dem der Pinot-Blanc Anteil nicht guttut, wie ich meine. Zum Zander auf gebackenem Polentariegel mit glasiger Zwiebel, Rosine und Malaga, dazu Haselnuss und Pinenkernkrümel eine gute Idee, solo etwas öde.

3. Abate Nero Cuvée dell'Abate Riserva 2004, dég. 2008

Blanc de Blancs aus ca. 500 m Höhe

Klarer, etwas süsslicher Chardonnay, dem man das Flaschenalter nicht anmerkt, höchstens, dass er nur wenig Säure hat. Entwickelt mit Luft eine leichte Sellerie-Milchnote, die ganz apart ist, dazu passt genauso apart ein Risotto mit süsser Peperoni und gorgonzolaartigem Blauschimmel wie dem Blu del Moncenisio.

4. Ferrari Reserva Lunelli 2002, dég. 2009

Blanc de Blancs, von steinigem Kalkboden in 400 m Höhe

Holznase, Vanille, darunter Gebirgsbachfrische, sehr schlank und flott; was mir erst etwas unpassend dünn zum fetten Holz vorkam, fand sich mit etwas Luft, so dass Schnittigkeit und Eleganz wie beim Gulio Ferrari wirken können. Guter, aber noch sehr ungezogener Wein.

5. Cavit Altemasi Graal 2003, dég. 2010

CH/PN von fetteren Böden, wobei der Chardonnayanteil überwiegt (ca. 70/30), davon 20-25% BSA, in Stahl und Barriques vinifiziert, mit ca. 6 g/l dosiert

Vielversprechende Rumtopfnase, dann Cognac, ein voller und reifer Eindruck, der im Mund von der etwas zu kurz geratenen Aromatik getrübt, die sich dann als Korkschleicher entpuppte. Schade, denn ich war schon bei vorherigen Begegnungen mit dem Schäumer nicht sehr angetan und hätte ihm eine neue Chance gern gegönnt.

6. Istituto Agrario Provinciale San Michele all'Adige Riserva del Fondatore Mach 2006, dég. 2010

70CH 30PN, Einzellage mit Kalkboden und Porphyr, Trauben aus 700-800 m Höhe

Zurückhaltende Nase, im Mund dafür voll, saftig, rund, schwungvoll und vibrant, könnte allerding etwas mehr Länge und/oder weniger Dosage vertragen, die dem Wein seine Geschwindigkeit nimmt

7. Istituto Agrario Provinciale San Michele all'Adige Riserva del Fondatore Mach 2005, dég. 2009

Die Zusammensetzung ist wie beim 2006er; bei beiden sind übrigens 50% vom Chardonnay im Holzfass vinifiziert und gereift;

Winzeriger, vollmundiger, reifer, dabei dichter, mehr charmante Fassnote als beim 06er.

8. Fratelli Dorigati Methius Riserva 2002, dég. 2007

60CH 40PN; Kalkboden in ca. 600 m Höhe

Ein Wein für Fruchtfreunde und Hüftschwinger. Üppige Mon Cheri Note in der Nase, im Mund sehr stark ausgeprägte Kirsche und frisch unterlegte Säure, die den Wein vor dem Umkippen in den Kitsch bewahrt, aber um Haaresbreite; ebenfalls nur um Haaresbreite wirkt er nicht überfrachtet und lahm, sondern zwar wie ein Bergwanderer bepackt aber noch beweglich und mit Kraftreserve ausgestattet.

9. Bellaveder Natur Riserva 2009

100CH teils im Stahltank, teils im Barrique vergoren 

Klar, ausgewogen zwischen mäßiger Frucht und verschwommenem Mineral, wohl zu jung und zur Salami di Turgia, also frischer Salami vom Fleisch besonders alter Kühe, nur eingeschränkt gut. Dafür umso schöner zur sprödschönen Holzapfelmarmelade und zum gekräuterten und  geschmolzenen Käse aus dem Val Susa, ebenso zum leicht brüchigen und geschmacklich recht eigenwilligen, wenngleich indifferenten Castelmagno aus dem Val Grana.

10. Letrari Riserva Zero

CH/PN

Clean, frisch, aber etwas angetrocknet, muss dieser TrentoDOC erst geöffnet werden. Mit einem saftigen Schweinefilet zum Beispiel, viel Rosmarin, einer geschmorten Käsegemuesetasche, oder eine leicht herben Käsesauce aus Formaggella del Luinese, einem traditionellen Gamskäse.

11. Rotari Flavio 2005

100CH Stahl-/Fassausbau.

Hier begesterte mich mal wieder nichts. Dünne Nase, dünner, milchiger Mund. 

12. Costaripa in Moniga del Garda ist der Ursprungsort für Metodo Classico Schäumer, die in mehrfacher Hinsicht zwischen Franciacorta und Gardaregion, zwischen dem Veneto und der Lombardei angesiedelt sind. Die Trauben stammen aus beiden Gegenden und der verantwortliche Weinmacher ist ebenfalls in beiden Regionen zu Hause. Mattia Vezzola, als Önologe des Franciacortaschwergewichts Bellavista verantwortlich für den überragenden Erfolg des italienischen Schaumweinzugpferds hat nämlich mit der Leitung des Familienweinguts Costaripa ein Herzensprojekt ins Werk gesetzt, das wiederum in doppelter Hinsicht diesen Namen verdient. Ein Herzensprojekt ist die Leitung eines Familienweinguts ja immer, erst recht, wenn dort der erste Rosé Italiens erzeugt wurde und Pinot-Mutationen wie die kapriziöse Groppello gepflegt werden. Der bemerkenswerte Rosé Stillwein von Costaripa ist heute einer der bekanntesten und längstlebigen Rosés überhaupt, als Beispiel dafür, wie seriös dieser Nischenwein sein kann, gehört er eigentlich in jede bessere Sommelierschulung. Ein Herzensprojekt ist Costaripa aber auch, weil das Weingut die Arbeit der Stiftung des südafrikanischen Herzchirurgen Christiaan Barnard unterstützt – Barnard hatte 1967 die erste erfolgreiche Herztransplantation am Menschen durchgeführt und setzte sich zu Lebzeiten mit dem eigenen Körper für einen unverkrampften Umgang mit Wein ein. Und schließlich lässt der Schaumwein von Costaripa die Herzen aller Metodo Classico Trinker höher schlagen.

Die Grundweine werden überwiegend im Stahltank vergoren, aber das Weingut beherbergt auch eine stattliche Anzahl mehrfach belegter Barriques aus verschiedenen Eichensorten. Die Grundweine fallen sehr gediegen aus, zeigen aber verglichen mit jenen der Champagner praktisch keine Säure. Alles wirkt sehr gesetzt und schon so, als wollte der Grundwein sich auf ein Stillweindasein einrichten. Diese ruhige, sehr abgeschlossene Art bemerkt man später auch im Schaumwein. 

12.1 Costaripa Brut

100CH aus der Gardaregion und aus Franciacorta, 35% Vinifaktion im Holzfass mit 228 l, ca. 8 g/l Dosage

Marillig, kräuterig, balsamisch, mit feiner Honignoteund Apfelaroma, das in der Gegend sowieso heimisch ist. Im Mund gefällig bis schmeichlerisch süß, mit Butter Brioche, blanchierten Mandeln und Toast. Für meinen Geschmack könnte der Wein mehr Säure vertragen, das würde dem etwas allzu ausgeruht wirkenden Schaumwein Spannung verleihen. Ich verstehe allerdings, dass man damit die typischen Käufer dieses Produkts eher verschrecken würde, ein ähnliches Problem haben die Schaumweinerzeuger ja weltweit. 

12.2 Costaripa Brut 2008

100CH aus dem Valtenesital am Gardasee 

Vollmundig, weich, mit Honig, Yuzu, Limone und zarter Räuchernote, bei ausgeprägter Süße, wirkt der Wein wieder wie aus einem Guss. Nahtlos, fugenlos, schmechelnd und verführerisch, so dass man gar nicht merkt, wie sich im Hintergrund eine pikante Nussnote entwickelt. Erst mit Temperaturanstieg fällt die Süße deutlicher auf. Ich würde den Wein reifen lassen.

12.3 Costaripa Rosé

80CH 20PN – rosé und rot vinifiziert – aus der Gardaregion und aus Franciacorta, 35% Vinifaktion im Holzfass mit 228 l, ca. 8 g/l Dosage

Helles Rosé, zwischen Pfirsich und melone. Angebutterte, delikate Nase. Beerengelee. Durch die für meinen Geschmack zu hohe Dosage wirkt der Wein im Mund aromatisch stärker aufgeblasen als er sein sollte und daher in der Mitte ausgehöhlt und fleischlos. Die süßholzigen Noten, die für mich oft Ausdruck einer leichten Überreife sind, haben deshalb leichtes Spiel. Den Wein muss man kühl trinken, insbesondere, da er mit Luft noch softer wird.

12.4 Costaripa Rosé 2008

Am besten gefiel mir der Jahrgangsrosé. Druck, Gewicht und Volumen sind ausgewgen, die bei allen Costaripaschäumern nur schwach vorhandene Säure ist hier am schönsten spürbar und gibt dem Wein seine herausgehobene Eleganz. Zum Hecht mit Vollkornpolenta und Majoranöl ist der Rosé ein Gedicht, auch zum Stör macht er sich ausnehmend gut.

13. Cantina Soave, Lessini Durello, Cchia

100 Durella

Die autochthone Rebe war den deutschen Sektproduzenten lange eine willkommene Auffrischung für ihre übrigen, wohl denkbar laffen Europaimportgrundweine. Reinsortig vinifiziert, ergibt sie einen schlanken, spritzigen, sehr animierenden Wein, der die Leichtigkeit vom Prosecco, das Aromenprofil zusätzlich vom Weißburgunder und die Rasse von Riesling oder Chenin Blanc aufnimmt. Passt sehr gut zum lokalen Stockfisch und zu kräftigem, schön batzigem Risotto.   

14. Blaxsta Vidal Blanc Eiswein, Schweden, 2011

18 g/l Säure, 185 g Restzucker, 11% alc.

Vidal ist ein Mix aus Seval und Ugni Blanc. Göran Amnegard, der Kopf hinter Blaxsta, hat sich in seiner Zeit als schwedischer Spitzenkoch in Kanada vom dortigen Eiswein begeistern lassen. Mit Vidal Blanc werden dort gute Ergebnisse erzielt und so lag es nah, dass Göran sich mit dieser Rebe auch in Schweden versuchen würde. Mit ebenso gutem wie seit Gründung vor zehn Jahren anhaltendem Erfolg, den er nicht zuletzt Karl Kaiser von Inniskillin verdankt. Der von Göran jüngst vinifizierte 2011er versammelt Aprikose, Schokolade, Honig, Karamell, Haselnuss, Krokant, weissen Nougat, Trockenfrüchte und Vanillafudge. Die Säure hält sich im Hintergrund und im Vergleich mit den üblichen Verdächtigen zB von der Mosel wirkt der Eiswein daher reichlich schwerfüssig. Verglichen mit anderen Eisweinen internationaler Herkunftschlägt er sich aber sehr respektabel. Ob man sowas haben muss? In Deutschland wohl nicht. Auf den Abnehmermärkten für kanadischen Eiswein hingegen ist das ein Wein, der spielend Bestand haben kann.