Vor einem halben Jahr war ich zuletzt im Louis C. Jacob, wo es unter der Wein-Leitung von Markus Berlinghof und seiner Generalin Dagmar Willich so recht champagnerfreudig zugeht. Selbst oder gerade der Koch, Thomas Martin, hat einen besonderen Bezug zum Champagner. Seine letzte Station vor dem Jacob war in der Traube von Dieter Kaufmann, der sich nach ca. 20 Jahren Ansage nun tatsächlich auf das Altenteil zurückgezogen hat. Vor etwa genau so langer Zeit war das mal die Adresse schlechthin für Champagner und Kulinarik zumindest in NRW, wenn nicht in Deutschland, mittlerweile haben mehr, aber immer noch nicht genug Restaurants und Sommeliers ihr Herz für den Champagner entdeckt.
So wie das Jacobs. Da steht der unaufgeregte Mannheimer Martin im Küchenkeller unter dem Restaurant und kultiviert eine klassische Küche mit frischen regionalen Akzenten. Seine Kreationen werden von den Kellnern per Rolltreppe nach oben gebracht, das mindert die Gefahr von Kollisionen auf der statischen Treppe und selbst obwohl Martin nicht zum Türmchenbauen auf dem Teller neigt, werden die Kreationen bis zur Lieferung am Gasttisch geschont. Soweit so gut.
Nachdem der Wettbewerb der Ambassadeurs du Champagne sich 2014 zum zehnten Male gejährt hat, war es an der Zeit für einen Aussetzer, für einen Rückblick und für eine Vorschau. Das deutsche Champagnerinformationsbüro hatte dafür an die Elbe geladen und weil ich in der Riege aller Champagnerbotschafter wahrscheinlich der einzige untalentierte Küchenwerker bin, einen Kochkurs unter der Leitung von Thomas Martin organisiert.
Zur Erfrischung gab es vorweg Gurke aus den Marschlanden: Gurkencoulis, Gurkenblüte mit Minigurke, Mayonnaise, dazu Ruinart, eine Kombination die sich sehen und schmecken lassen kann, wobei Ruinart und Mayonnaise zusammen schon sehr eigen schmeckten. Dafür ist vor allem die Gurkenblüte von einer Delikatesse, die ich bei dem weiterhin in der Gourmetküche geschätzten grünen Gemüse zu oft vermisse. Mit Champagner wird das zarte Vergnügen dann richtig sexy.
Jacques Lassaigne Les Vignes de Montgueux Extra Brut begleitete sehr gekonnt eine unter meiner Mitwirkung entstandene Hummerbisque, zu der sich auch der Deutz Blanc de Blancs Brut 2007 gut schlug. Besser schien mir der Deutz aber zur warmen Eismeerforelle mit Gemüsevinaigrette geeignet. Denn Lassaigne wog den aromaschweren Hummer und die gut gelungenen Röstaromen der Karkassen auf, während der viel höher dosierte Deutz sich vor allem auf dem Vinaigretteterrain mit der Forelle messen konnte, bzw. musste und reüssierte.
Danach gab es Henriots Brut Millésime 2005, einen Champagner, den man viel zu selten sieht – obwohl er, wie die Jahrgangschampagner von Häusern wie Henriot, Piper-Heidsieck, Taittinger und Alfred Gratien, ganz fabelhafte Möglichkeiten in der Kombination mit Speisen offeriert. Zum Glattbutt mit Bearnaise Aromen waren ihm beide Anspielstationen gleichermaßen gut geläufig wie einem Fussballer, der mit recht und links Tore schießen kann. Vielleicht liegt das Geheimnis in dem lechten Räucherton und dem zarten, haustypischen Toast.
Die auch mir nur schwach bekannte Amazone de Palmer von der für ihre alten Jahrgänge bekannten Genossenschaft sieht man in Deutschland eigentlich nur beim Selbstabfüllfranchise "Vom Fass", in Frankreich dagegen vielfach in gut sortierten Boutiquen, wo sie zu erträglichen Preisen zu bekommen ist. Der hälftige Mix aus Pinot und Chardonnay gefällt nicht jedermann, dafür mischen sich wahrscheinlich zu viele Reifetöne, Trockenfrüchte und klebriger Honig rein. Zum Essen kann man den Champagner freilich wärmstens empfehlen, der Seeteufel auf Cocobohnen vertrug sich jedenfalls vorbildlich damit. Das mag an den pikanten Bohnen gelegen haben, die den Champagner herausforderten, denn einen agilen, zugespitzten Gegenpart auf dem Teller muss die Amazone schon haben, damit ihr Jagdtrieb erwacht.
Den anschließenden Rehrücken mit Mairübchen und Pfifferlingen begleitete Gosset Grand Rosé mit großer, einladender Geste, ganz weltmännisch, gekonnt und glatt, professioneller als die besten Escortladies. Gosset Rosé und Wild kann ein untalentierter Koch nicht kaputtmachen und in der Zweisterneküche wird, unter Zuhilfenahme speziell der köstlichen Mairübchen, ein Gaumenkitzel daraus, der noch nach dem elften Gang beeindrucken würde.
So lange tafelten wir aber nicht, sondern schlossen mit Beaufort und Mimolette, die sich beide mit den letzten drei Champagnern zu einem Aromenringelreihen vereinten, der schlussendlich von Drappiers Cuvée Quattuor, Beeren und Kräutern fürstlich beendet wurde.
Nach dem hochoffiziellen Arbeitsessen ließ mich die wohlsortierte Champagnerbar des Hauses nicht in Ruhe und umgekehrt konnte ich den dotigen Glashumidor mit seinem provokanten Inhalt nicht einfach ungeschoren davonkommen lassen. Deshalb musste unbedingt noch eine Flasche Charles Dufour Oeuil de Perdrix Tirage Limité (311 Bouteilles), dég. 25. Juli 2011, meinen Bauchinhalt veredeln. Mit entschiedenem Behagen ließ sich dieser anfang sperrige Rosé erst nach viel Frischluftzufuhr genießen, doch wenn es erstmal soweit ist, gehört er zu den bereicherndsten Champagnern, die man trinken kann. Knarzig, aber nicht unbeholfen, beerenaromatisch, aber auf ungewohnte Weise, frisch, mit Eukalyptus, Minze, ätherischem Öl und weißem Pfeffer, mit Wacholderbeere, abgrenzenden, herben Aromen und ungewöhnlicher Entwicklungsfreude.