1. Paul Dethune Blanc de Noirs, dég. Juni 2010
Üppiger Winzerchampagner mit leichtem Fassausbau, immer wieder eine sichere Bank, leider nicht mehr zum Kleinerwinzerpreis zu bekommen. Tip: die Lotnummern geben bei den Champagnern von Dethune das Dégorgierdatum an. Die Großbuchstaben stehen für die Cuvée, danach kommen die mit (T) gekennzeichneten beiden Endziffern des Jahrs der Tirage. Das (D) steht für das Datum des eigentlichen Dégorgements.
2. Marc Hébrart Premier Cru Reserve
Handgerüttelt, ca. 80% Pinot aus Bisseul, Avenay Val d’Or und Mareuil, aus Weinbergen direkt neben dem berühmten Clos des Goisses von Philipponnat; der Rest ist Chardonnay. Zu diesem Champagner habe ich mal Apfelspass notiert und genau das ist die zutreffende Bezeichnung auch nach einiger Flaschenreife. Nicht mehr ganz so ausgelassen tobend, aber mit einer immer noch frappierenden, von lieblicher Säure begleiteten Apfelfülle.
3. Janisson-Baradon Brut
50PN 40CH 10 PM.
Eigentlich so etwas wie die Visitenkarte des Hauses, dessen Portfolio sich nach oben hin etwas auszufasern beginnt. Dort steht die meist etwas knorrige Großvatercuvée George Baradon neben der Special Club Einzellage Les Toulettes und beide Champagner sind gut, die Toulettes ohne die Oxidationsneigung vom Opa und mit längerem, stärkerem Griff. Man ist beim Durchkosten erstmal geneigt zu fragen, wo denn das Verwandtschaftliche Element steckt. Wahrscheinlich in der Weinigkeit aller Champagner des Hauses. Denn flirrige Flitterbrause ist nicht das Metier dieses Erzeugers. So ist denn der Brut kein belangloser Appetitanreger, sondern ein hefig-röstiger, für seine Preisklasse sehr fordernder und dabei mit nur wenig Früchteaufwand antretender Champagner.
4. Maxime Blin Vintage 2000
Das Massif St. Thierry ist die Heimat der Blin-Familie und eine der ersten Gegenden, die für den Weinbau kultiviert wurde, eine der zahlreichen Wiegen der Champagne, wenn man so will. Reine Schwerkraftpressung ergibt bei Maxime Blin (es gibt eine ganze Reihe Blins in der Gegend, daher obacht bei der Planung von Besuchen auf dem Weingut) einen leichten, fruchtigen, auch blumigen Wein mit nobler Säure und sehr viel Engagement im Mund. Trinkt sich zur Zeit besser als der 2002er.
5. Baillette-Prudhomme Reserve
Dreimädelhaus in Trois-Puits. Marie-France, die Witwe von Jean Baillette und ihre Töchter Laureen und Justine führen das unscheinbare Haus mit dem erstaunlichen Keller. Belebend, jugendlich, trotz des Reserveweinanteils, der bei Baillette-Prudhomme meist ziemlich hoch ausfällt und auch mal 70% betragen kann. Palatschinken mit Marille; Kräuter. Nach dem Preisanstieg der girls in jüngster Zeit greife ich am liebsten auf diesen noch bezahlbaren Sprudel zu, bei den Töchtern verkneife ich mir das zugreifen, da muss schauen genügen.
6. Leclerc-Briant Chèvres Pierreuses
40PN, 40CH, 20PM. Biodynamisch.
Hat sich scheinbar wieder etwas gefangen, kam mir aber erneut zu hoch dosiert vor.
7. Lamiable Grand Cru Extra Brut
60PN, 40CH. 5 g/l Dosagezucker.
Verführerisch, saftig, rein, aber nicht unschuldig. Sehr weltlicher, genussfördernder Champagner. Von Lamiable habe ich bisher nur Gutes getrunken, mich wundert etwas, dass das Haus nicht dieselbe Aufmerksamkeit erfährt, wie andere, ähnlich gut und konsistent produzierende Erzeuger. Besonders schön finde ich, dass die Auswahl der Champagner nicht verfranst ist, sondern überschaubar, mit sinnvollen Dosageabstufungen, einem anständigen Special Club und einem exzellenten Einzellagenchampagner mit sechzig Jahre alten Rebstöcken: Les Meslaines. Die neue Chardonnaycuvée Phéérie aus dem Pinot Grand Cru Tours sur Marne muss ich erst noch probieren. Ich erwarte eine weitere Bereicherung für die Nische der Blanc de Blancs aus dem Pinot-Eck östlich von Dizy.
8. Remy Massin, Rosé
Voilà, die Aube. Nicht ganz die Avantgarde, die Aubewinzer wie Bertrand Gautherot, Cedric Bouchard, Emmanuel Lassaigne oder Thierry de Marne repräsentieren, aber ein Champagner, der das Image der Gegend sicher nicht beeinträchtigen wird. Mollig, eingängig, freundlich, unkompliziert, aber nicht banal, von breiterer Statur als die kühlen Pinots, die man z.B. bei Lamiable finden kann. Überdurchschnittlich guter Aubechampagner, dem das täppische, bäuerliche fast ganz fehlt.
9. J.-F. Launay, Cuvée Grain de Folie
Wenn Künstlers Kirchenstück der Pinot unter den Rieslingen ist, dann ist die Cuvée Grain de Folie das was der Elbling unter den Moselrieslingen darstellt oder so ähnlich. Sympathisch-frecher Außenseitercharakter aufgrund seiner stichelnden bis blanken Säure und ein Trinkerlebnis so brenzlig wie ein heißer Flirt mit der Personalchefin.
10. Grongnet, Carpe Diem Extra Brut
70CH 20PN 10PM.
Einer der unbekannteren Special Club Erzeuger, ähnlich wie Lamiable. Der Chardonnay gibt hier klar den Ton an und wirkt so bubenhaft, tatkräftig und unverbraucht, wie der Freiherr zu Guttenberg in seinen besten Tagen.
11. Bérèche Père et Fils, Réserve
Von fast allen Champagnern hat Rafael Bérèche immer zu wenig, das ist leider so. Den besten Zugriff und Einstieg in seine Geschmackswelt kann man sich aber durch intensives Verkosten seiner langjährig erprobten und stets für gut befundenen Réserve sichern. Für fortgeschrittene Ultrabruttrinker ist der Réserve natürlich nichts, die stören sich an den 9 g/l Dosage und warten lieber auf ihre Miniallokationen an "Beaux Regards", "Reflets d'Antan" oder "Le Cran" – ich ja eigentlich auch, aber irgendwas muss man in der Wartezeit zwischen Zuteilung und erster Flasche, bzw. während der selbst besorgten Flaschenreife ja trinken.
12. Yves Ruffin, Premier Cru Élevé en Fûts de Chêne
75PN 25CH, vinifiziert von von Laurent Chiquet (Jacquesson).
Man weiß nicht, ob und wie lange die Witwe von Thierry Ruffin das Haus in dieser Form führe wird. Sollte sie sich dagegen entscheiden, wäre das ein Verlust. Die Spezialität von Ruffin sind nämlich fassausgebaute Champagner, bei denen jetzt schon viel los ist und bei denen sich gute Önologen sicher noch so richtig schön austoben können, auf der Suche nach dem letzten Schliff. Kraftvoll, holzwürzig, mit nahtlos angesetzter Frucht und frischfröhlichem Ausgleiten.