Die in Deutschland anzutreffende Eiche, so habe ich von jemandem vernommen, der es wissen muss, eignet sich zum Möbel- aber nicht zum Weinausbau. Von der Spessarter Eiche abgesehen, seien die deutschen Eichen zu dicht, zu kleinporig und taugten nicht für die Küferei. Was ein Glück für die Champenois, dass sie den Argonnerwald direkt vor der Nase haben. Die dortigen Eichen eignen sich nämlich sehr gut zum Fassbau; Troncais eben. Claude Giraud, der schon immer eine gewisse Sonderstellung unter den Champagnererzeugern einnahm und in den letzten fünf Jahren mit besonderer Agitationskraft hervorgetreten ist, weiß das und er weiß, von diesem Wissen, das er sich höchstens noch mit den Jungs von Château Latour teilt, Gebrauch zu machen. Zwar findet sich bei ihm auch das eine oder andere Betonei, aber vor allem der Wald hat es ihm angetan. Seine Champagner sind merklich davon beeiflusst.
Seit ich mal eines seiner Ateliers besucht habe, versuche ich verstärkt darauf zu achten, was nicht immer leicht ist, denn die Giraud-Champagner sind alle von hypnotischer Überzeugungskraft, jedenfalls sofort an allen Schaltstellen des Bewusstseins präsent, was eine ungetrübte Wahrnehmung sehr erschwert. Bemerkenswert außerdem: sie entziehen sich der derzeitigen Dosagediskussion ebenso wie sonst nur noch die Weine von Laurent Champas aus dem Hause Vilmart, der, wenig verwunderlich, ebenfalls ein großer Holzspezialist ist.
Die Annäherung an Ay-Pinot ist ja schon schwer genug. Dieser Ort ist einer der prominentesten in der Champagne und automatisch einer, dessen guter Name zum önologischen Schindludertreiben verführt. Dass es in Ay wenig bis keine ausgesprochen schwachen Erzeuger mit eigener Marktpräsenz gibt, erfreut dafür umso mehr und spricht für die Selbstreinigungskraft der Region, wobei nicht ausgemacht ist, dass nicht vielleicht doch sehr viel schwaches Grundmaterial in größere Kellereien abfließt. Wobei ich auch da skeptisch bin, denn auf Käuferseite wird in der Champagne nicht minder scharf hingesehen, als im Kreise der Selbstvermarkter.
Was macht den Ay-Pinot aus? Er ist eher kleinbeerig und bringt gern Veilchennoten mit, würde ich sagen, ohne damit ganz allein zu stehen. Und was macht das Argonner Eichenholz aus? Nun, das hängt von den verschiedenen Holzterroirs ab. Claude Giraud führte das ganz eindrucksvoll anhand desselben Weins vor, den er in zwei unterschiedliche Holzarten steckte. Im Gaize-Wald mit Chatrices, Haut Bati und Controlerie bilden sich sehr typisch holzfassige Noten aus, Vanille vor allem. Salz und Säure haben hier gute Chancen für ausgiebige Selbstdarstellung. Im Beaulieu-Wald kommt die Säure nicht so sehr durch, der Wein oxidiert stärker und wird etwas bulliger, dafür kürzer angebunden im Mund.
Chardonnay verhält sich bei unterschiedlicher Holzherkunft wieder ganz anders. Chatrice fördert Orangenblüte, lackierten Knusper-Schweinebauch, Haut Bati macht den Chardonnay, waldiger, dunkler, mehr wie kalte Butter mit weicher Säure und sanfter Oxidation, während Controlerie den Wein zwischen Pflanzennoten, Röstigkeit und Feuerstein pendeln lässt.
Das alles dient als Vorspiel für die Zubereitung der Cuvée Argonne, Basis 2012, die mit 75PN 25CH einmal in einem Fassmix aus Controlerie und Chatrice, einmal aus Controlerie und Haut Bati jeweils völlig anders schmeckt. Die erste Version ist elegant, rassig, mit vor allem viel Veilchen und Salz, also genau den Kernelementen, die für Pinot und Chardonnay eine tragende Rolle beim Giraud-Champagner spielen. Die zweite Version ist süßer, süffiger, leichter zugänglich und schneller wieder vergessen. Nach zehn bis zwölf Jahren auf der Hefe dürfte der erste Mix also den Vorzug verdienen und mir war das Ganze mal wieder ein weiteres wichtiges Verstehenserlebnis, eine ganz wichtige Hilfe auch beim Verständnis von Champagnern wie sie Benoit Dehu mit der Rue des Noyers oder Pythie macht und dank der großzügigen Gastfreundschaft Claude Girauds ein Besuch, der in Erinnerung bleibt und von dem ich bis heute zehre.