Leclerc-Briant ist in Bio-Kreisen ein wohlklingender Name. Im 17. Jahrhundert, genauer: schon 1664, in Ay ansässig, hat sich die Familie über Cumières nach Epernay bewegt, wo auch Nachbar Janisson-Baradon zu Hause ist. Die Keller unter dem Anwesen am Hang gehen 30 Meter in die Tiefe und machen damit schonmal in Fragen der Spektabilität den großen Häusern Konkurrenz.
Inhaltlich ist das nicht wesentlich anders. Bernard Leclerc, der Vater von Pascal, gehörte in den Sechzigern zu den Vorreitern der Biobewegung und Pascal hat zu Lebzeiten ganze 30 Hektar auf Demetertauglichkeit getrimmt; leider verstarb er 2010 überraschend und hinterließ seinen vier Töchtern (Ségolène, Astrid, Sonia, Diane) ein gut aufgestelltes Haus, das in Hervé Jestin (ex Duval-Leroy und önologischer Kopf hinter der Cuvée Sapience) einen exzellenten Kellermeister an seiner Seite hat. Eine Schwächephase gab es nach dem Tod von Pascal Leclerc dennoch. Erklären lässt sie sich nicht so recht. Vielleicht haben die Champagner den Todesschock mitbekommen und deshalb die Köpfe hängen lassen, wahrscheinlicher ist aber, dass der Einfluss von Hervé Jestin, der das Unternehen seit 2009 berät, sich unmittelbar in den Freigaben nach dem Tod von Pascal Leclerc erstmals bemerkbar machte. Heute hat sich alles konsolidiert und nach einer längeren Reihe schwacher Flaschen habe ich bei meiner letzten Champagnetour bei Leclerc-Briant endlich wieder eine sehr schöne Kollektion probiert.
So selbstverständlich wäre das nicht gewesen, denn Lanson-BCC schnappte sich natürlich sofort knappe 18 Hektar, den anderen Teil mit Weinbergen überwiegend in Cumières, Damery und Hautvillers holte sich Roederer im Jahr 2011, verkaufte dann aber weiter an die heutigen Inhaber, Denise Dupré (die in Harvard Hospitality Management lehrt) und Mark Nunnely (Managing Director bei Bain Capital, wo gut und gern 80 Mrd. Dollars verwaltet werden, so dass für den Kauf eines stattlichen Champagnerhauses genügend Geld in der Portokasse gewesen sein dürfte). Mit Roederer wird weiter kooperiert, im Keller liegen gut fünf Ernten und die Marke von jährlich 300000 Flaschen ist ein realistisches Ziel, das aus dieser Positione heraus gemächlich erreicht werden kann. Am wichtigsten ist für mich, zu wissen, dass Leclerc-Briant nicht ausgeblutet ist.
Den aktuellen Trend hin zum Einzellagenchampagner hat Pascal Leclerc übrigens schon früh vorweggenommen. Schon 1994 schuf er die Reihe der Einzellagenchampagner aus Cumières, Les Chèvres Pierreuses, Les Crayères und Le Clos des Champions, mit der er meine Begeisterung auf seine Seite ziehen konnte und mit den später hinzugekommenen La Croisette und La Ravinne noch verstärkte. Diese als Authentiques etikettierten Champagner sind das, was ich seit Anfang der 2000er Jahre im Kern mit Leclerc-Briant verband, nicht wissend und kaum ahnend, dass dort noch ungeheuer viel mehr Ideen und Potential schlummern. Umso schlimmer und trauriger ist es, dass der Schöpfergeist dahinter abberufen wurde.
Lehrreich ist bei den Champagnern von Leclerc-Briant, die gerade erst eine Auffrischung des Etikettendesigns erfahren haben und nun sogar ein wenig an die neuen Charles Heidsieck Etiketten erinnern, die Einzellagenserie. Bei den einzelnen Champagnern sind die Unterschiede besonders liebevoll herausgearbeitet. Dem Clos des Champions sagt man eine typische Frische und jugendliche Agilität nach, der Crayères gilt als reifr, weicher und gesetzter und die Chèvres Pierreuses sind regelmäßig Rieslingtrinkers Favorit. Der Chardonnay aus der oberhalb vom Haus gelegenen La Croisette ist durch einen kleinen Weg von der – naheliegenderweise – La Chaude Ruelle gennanten Kleinlage direkt am Haus mit 40 Jahre altem Pinot Meunier getrennt, wo ein Versuchsanbau mit Kräutern stattfindet und demnächst tüchtig massenselektiert wird, denn der Winter und sonstige natürliche Einflüsse versetzen in diesem Rebgärtlein so manchen Rebstock in die Vergangenheitsform.
Neue Entwickliungen gibt es darüber hinaus reichlich. In drei Jahren ist ein Cramant Chardonnay ohne Dosage und ohne Sulfit geplant, in vier Jahren ist ein Clos in Rilly la Montagne bereit für die Öffentlichkeit. Dann kommt ebenfalls in vier Jahren mit den Basses Prière, einer Lage in Hautvillers mit 100PN, ein weiterer reinsortiger Pinot Noir, der das Zeug zum Chefpriester haben soll.
Brut
70PN 30CH, 95% 2010, 5% Reservewein, mit 7 g/l dosiert, Trauben aus Cumières, Hautvillers, Verneuil; 100%
Stahl
Sehr ansprechend, reichhaltig, etwas schlanker als ein eben zuvor getrunkener Blanc de Noirs von Soutiran
La Croisette BdB
dosiert mit 5,5 g/l
In der Nase Anis, Fenchel, im Mund unerwartet schlank, aufgeschossen und klar, keine Lakritznoten, die ich nach der Naseneröffnung vermutet hätte, außerdem mehr gelbe Frucht als gemutmaßt, vor allem aber eine ganz verblüffende Marillearomatik, die den Champagner schwelgerisch macht.
Les Chèvres Pierreuses
Wie habe ich diese Aromatik vermisst. Reich, von klassischem Cuvéecharakter, was daher kommt, dass alle drei Reben zusammen abgepresst werden; ein mineralisch geartetes Element steht bei diesem Champagner hier meistens im Vordergrund, so muss man das auch hier immer wieder sehen. Nasse Kreidekellerwand, wie ca. 35 Meter unter dem verkostungsraumfussboden, am Gaumen dann knalliger als die Vorgänger, exotisch, aber nicht papageienhaft, quirlig, aber nicht crazy. Ganz großartiger Champagner, der als Solitär getrunken werden will und viel von seinem Zauber einbüßt, wenn man zu schnell davor oder danach etwas anderes isst oder trinkt.
Rubis de Noirs 2004
Pinot pur, sehr dunkel, ein Barbecuewein, der auch so etwas wie einen rotsektigen Charakter hat, vermischt mit leichter Candynote, also definitv nicht jedermanns Sache. Für Sparkling Shiraz Fans zu milde, für Eleganztrinker zu plump, zum Grillen ziemlich genau richtig.
Divine Solera
Fett und flott zugleich ist diese noch junge Solera, dicklich, saftig, rundlich, mit den weichen, aber nicht wabbeligen Rundungen einer sehr erfahrenen Frau. Wer meint, über Leclerc-Briant schon alles zu wissen, sollte sich mit dieser Cuvée beschäftigen.