I.1 Raumland, Blanc et Noir Brut Nature 2005

Umgeben von Champagner fühlt der Raumland sich wohl, was für den Sekt ebenso gilt, wie für seinen Schöpfer, dessen Sekte im Laufe des Abends noch einige Auftritte hatten und den ich in Person zwei Tage später wie durch Zufall in der Champagne traf. Der Blanc et Noir ist erkennbar kein Champagner, ohne dass er dadurch jedoch deplaziert wirkt, zumal wenn es der Auftaktsprudler einer Probe ist. Der Sekt war ruhig, souverän, mit Beerenobst dekoriert und einer aus dem Lesegut selbst stammenden Fruchtigkeit und Süße, die Dosagezucker entbehrlich werden lässt.

I.2 Gimonnet-Henry, Blanc de Blancs Cuis Premier Cru

Mit 8 g/l dosiert.

Im Gegensatz zum Raumland war der von Pierre Gimonnet gefertigte Champagner als solcher erkennbar, mit der Erkennbarkeit von Cuis habe ich dagegen meine Probleme, weil mir dafür einige wichtige Marker fehlen. Weder ragte eine besondere Feinheit, Nervosität und tänzelnde Unruhe heraus, noch die für nördliche Crus kennzeichnende Exotik oder die typisch südliche Mineralität. Wenn dieser Champagner eine Eigenschaft hat, dann die, dass er zwischen all diesen Eigenschaften liegt.

II.1 Leclerc-Briant, Les Chèvres Pierreuses

Sehr süß, sehr fortgeschritten und sogar etwas plump kam der sonst so phantastische Chèvres Pierreuses ins Glas. Kochbanane, mehlige Textur, überreifer, kopflastiger Charakter, so kannte ich das Meisterwerk von Leclerc-Briant gar nicht und bin deshalb sicher, dass mit der Flasche etwas nicht stimmte.

II.2 deMarne-Frison, Cuvée Goustan Brut Nature

Dass wir von Thierry und Valerie de Marne-Frison noch viel Gutes hören und trinken werden, scheint mir gewiss. Von Beginn an habe ich deren Grundweine probieren dürfen und der einnehmende Gesamteindruck bestätigte sich mit dieser erstmals vermarkteten Jungferncuvée auf hohem Niveau. Schlank, rasant, nervös, wie poliert, platinartig dunkel schimmernd, der Silver Surfer – und damit meine ich nicht die älteren Herrschaften unter der Internetbenutzern – des Abends. Heute gegenüber seiner Schwester im Vorteil, ich habe sonst immer den umgekehrten Eindruck gehabt; auch das ein gutes Zeichen für den sportlichen Ehrgeiz der beiden.

III.1 Ayala, Brut Majeur

Einen guten, straff gefederten Eindruck vermittelte der Standardbrut von Ayala, der mir im Vergleich zum großen Bruder Bollinger vorkam wie ein 3er BMW mit M-Paket gegenüber einem mäßig durchzugsstarken Serien-5er: bisschen assiger, aber mehr Fahrspaß.

III.2 Bollinger, Special Cuvée

Behäbig, nicht ganz so ausdrucksvoll und pinotkräftig wie ich ihn erst kurz zuvor bei Bollinger getrunken habe, wirkte die eigentlich zuverlässige Special Cuvée. Oder vielleicht war das auch das Problem: er wirkte eben allzu zuverlässig und unaufregend.

IV.1 Dönnhoff, Pinot Brut 2004

Schwach war der Dönnhoff-Sekt, Fenchel und Anis im Vordergrund, gefolgt von gähnender Leere am Gaumen und einem zehrenden, etwas stechenden Trigeminalgefühl. Volker Raumland räumte zwei Tage später ein, dass er damals schon mit dem Grundmaterial nicht völlig glücklich war. Schade, vom 2004er Dönnhoff hatte ich mir im Vergleich mit dem laut Gault Millau besten deutschen Sekt mehr erwartet.

IV.2 Ökonomierat Rebholz, R – Pi No Gold Brut 2004

Schon im letzten und vorletzten Jahr hatte mir dieser Sekt gut gefallen, blind erkannt hätte ich ihn allerdings nicht – damit teilt er freilich dasselbe Schicksal wie fast alle Schaumweine, was nicht an deren bemängelnswerter Qualität liegt, sondern an meinen begrenzten Verkosterfähigkeiten. Dem namengebenden Pi No Gold machte der Sekt alle Ehre, Farbe und Mundgefühl ließen an sich keinen Raum für Chardonnay, der folglich strukturbildend im Hintergrund wirkte und dort, wo sonst vielleicht die Frucht allzudick aufgetragen wirken könnte, eine korrigierende Säure bereitstellte und so dem Sekt seine vorbildliche Balance verlieh.

V.1 Larmandier-Bernier, Blanc de Blancs Premier Cru Extra Brut

Chardonnay aus Cramant, Avize, Oger, Vertus, 2007er Basis.

Sieht man sich an, aus welchen Örtchen die Trauben kommen, kann man schon erahnen, dass es sich selbst bei kleiner Dosage nicht um ein Säureungeheuer handeln wird, sondern um einen Champagner, der mit dem Terroir seiner Herkunftsgemeinden spielt, wenn nicht kokettiert. Kaum verwunderlich, wenn sich das im Glas bewahrheitet und keinerlei aggressive Säurespitze den Rachen aufreißt, sondern kalkiges, zerstoßenes Gestein die gediegene Mineralität von Grand Crus der Côte des Blancs repräsentiert, darübergegossen eine feine Crèmeschicht und locker auch darüber noch gestreut appetitanregende Vertus-Frucht.

V.2 deMarne-Frison, Blanc de Blancs Brut Nature Cuvée Lalore

Mit Larmandier-Bernier hatte die schon in jungen Jahren selbstbewusste Tochter des Hauses de Marne ihre Schwierigkeiten. Im direkten Vergleich ist ihr Chardonnay der aufgekratztere, exotischere und trotz der relativen Zurückhaltung des Larmandier-Bernier nicht ganz so säurehaltige. Das wiederum zeigt, wieviel versteckte Säure die Chardonnays aus der Côte des Blancs haben und wenn man das mal so deutlich wie hier vorgeführt bekommt, weiß man auch, warum die Crus der Côte des Blancs so phantastisch reifen (können). Meine hohe Meinung von der Lalore bleibt davon unberührt, schließlich sind nicht alle Blondinen gleich und ob man es mit Drew Barrymore oder Catherine Deneuve zu tun hat, spielt im Dunkeln ja auch nicht unbedingt die führende Rolle.

VI.1 Alfred Gratien, Blanc de Blancs

Ein gutes Match lieferte die jüngste Cuvée von Alfred Gratien. Das mittelgroße Haus aus Epernay ist bekannt für seine konservative Vorgehensweise mit viel Holz, ohne BSA und den Einsatz von Pinot Meunier bis hinein in die Spitzencuvée. Der Blanc de Blancs war nicht der logisch zwingende nächste Schritt bei der Weiterentwicklung des Portfolios, aber da man sich offenbar dazu entschlossen hat, muss er zumindest wohlüberlegt gewesen sein. Expertise im Umgang mit Holz und BSA sind insofern gute Voraussetzungen. Unter diesen Umständen hätte ich erwartet, einen wenn nicht burgundischen Typ, so vielleicht doch einen irgendwie charakteristischeren Chardonnay vorzufinden. Der Blanc de Blancs entzieht sich aber jedem Kategorisierungsversuch. Verwandtschaft mit der Côte des Blancs sehe ich überhaupt keine, mit Burgund wie gesagt auch nicht und mit den wenigen reinen Chardonnays aus der Montagne de Reims gibt es wenn, dann nur eine sehr entfernte Verwandtschaft. Dass er sich nicht schubladisieren lässt, macht ihn wohlgemerkt nicht gut oder schlecht. Womit er aufwarten kann, ist eine reife, milde, nicht sehr säurebetonte, bzw. nur untergründig säurehaltige Komposition, die sich zwischen Frucht und Mineralität noch nicht recht entschieden hat. Wenn diese Entscheidung mit zunehmender Flaschenreife einmal fallen wird – womit ich rechne -, dürfte sich die Nachverkostung lohnen.

VI.2 Diebolt-Vallois, Blanc de Blancs Prestige

Seit Jahren der unangefochtene Meister des Terroirs von Cramant. Weißes und gelbes Fruchtfleisch, Apfel, Honig, Birne, Pfirsich, Blütenduft, stimmige Säure, fließende Übergänge, Beherrschtheit und Entspannung wie beim Tai-Chi.

VII.1 Paul Bara, Special Club Grand Cru Brut 2002

70PN 30CH

Dunkle Früchte prägen das Bild, Haselnüsse und feiner, schmiegsamer Gerbstoff unter dem elegant geschwungenen Jahrgangsdach des 2002ers.

VII.2 Marie-Noelle Ledru, Grand Cru Brut Nature 2002

Im Vergleich zum schwerpunktmäßig feinnoisettigen reinen Bouzy-Champagner von Paul Bara ist Viticultrice Mme. Ledru bei ihrem Grand Cru Brut Nature 2002 mit Trauben aus Ambonnay und Bouzy darüber hinaus im Bereich der erdigen, kräftigen und würzigen Aromen anzutreffen. Der Champagner ist noch immer jugendfrisch, verliert aber langsam seine Ungebärdigkeit, seine manchmal unbeholfenen und eckigen Bewegungen werden geschmeidiger, harmonischer und ansehnlicher, neben der in frühen Stadien ungewöhnlich mächtig wirkenden Säure schälen sich jetzt ebenbürtige Frucht- und Nussaromen heraus.

VIII. André Clouet, Silver Brut Nature

100PN

Auch Clouet besitzt Reben in Ambonnay und Bouzy, dort sogar in Nachbarschaft zu Bollinger. Die Nähe ist nicht allein räumlich, sondern auch aromatisch nachvollziehbar. Der Silver Brut Nature ist wie eine Special Cuvée auf Dope.

Marco Henschel vom gleichnamigen Dorstener Restaurant brachte dann noch auf den Tisch:

IX. Georg Breuer, Brut 2002 (mit Kachel)

Spätburgunder, Weißburgunder, Grauburgunder

Ausbau teilweise im kleinen Fassl, Dosage mit Riesling-Auslese. Starker, eigenständiger Sekt und der einzige nicht von Volker Raumland hergestellte Sekt des Abends. Tatsächlich war es hier noch Georg Breuer selbst, der das Ruder führte. Weißer Pfirsich, ankaramellisierte Apfel, Lindenblüten, ein Hauch Bittermandel, ein touch Anisette, ohne dass ich den Eindruck hatte, dieser Sekt würde in die Niederungen zehrender Lakritznoten abrutschen, die sich nämlich bei Brut oder noch geringer dosierten Sekten so ähnlich ankündigen und für mich zu den unschönen Sektnoten gehören.

X. Dom Pérignon 1995

52CH 48PN.

Einer der stärkeren Doms der letzten Jahre und zur Zeit zusammen mit gesunden Exemplaren vom 1996er wahrscheinlich der beste "normale" Dom Pérignon, den man oft sogar noch zu recht vernünftigen Preisen bekommen kann. Hier gab es noch nicht die überhandnehmende Jodigkeit, Strenge und Mineralität der 1998, 1999, 2000, die für mich bestenfalls Ausdruck einer Japanisierung des Dom-Geschmacks sind – und weniger schmeichelhaft formuliert: eine marketingbedingte Qualitätsinflation. Leichtigkeit und Mühelosigkeit spielen bei diesem klassischen Dom tragende Rollen, unter den Elementen würde man ihn der Luft zuordnen; ein gut gedeckter Frühstückstisch im Garten eines Manoir tief in der sommerlichen France profonde duftet so, Croissant, Kaffee, Sahne, Butter, verschiedene Marmeladen, Blütendüfte vom Gras und vom Laubwerk der Bäume, der Duft von frischem Obst und Honig kommt noch dazu und alles changiert und schwebt munter über der Tafel.