Probleme bei der Verbalisierung

Während die Verkostungsarbeit an sich selten Probleme bereitet, hapert es oft genug an der zutreffenden Beschreibung des Wahrgenommenen. Das mag daran liegen, dass Fachzeitschriften und werblich aufbereitete Weinbeschreibungen zu einem gewissen Erwartungsdruck führen. Viele Laien-Verkoster sind enttäuscht, wenn sie nicht spontan das gesamte Beerenspektrum, exotische Pflanzen, extrem kontrastreiche Aromenzusammenstellungen und kuriose Erlebnisse mit einem Champagner oder Wein verbinden können. Sie vergessen dabei, dass zwischen Werbeanpreisung und oft genug selbst zwischen fachredaktionellen Beiträgen und dem tatsächlichen Erleben des Verbrauchers vielfach Kluften liegen, die so tief sind wie die zwischen industrieller Hardcore-Pornographie und dem Ehealltag. Angemessen ist bei der sensorischen Prüfung von Champagner also nicht, möglichst ausgefallene oder viele Eindrücke zu benennen, sondern die – manchmal diffusen, manchmal nicht sehr originellen oder abwechslungsreichen – Grundaromen zu identifizieren. Das gelingt im Übrigen am besten, wenn man sein Aromengedächtnis trainiert. Hier muss jeder seine eigene Methode finden, erfolgreich sind hier in aller Regel Techniken, bei denen konkrete Geschmackswahrnehmungen in komplexere Abläufe eingebunden werden, die mehrere Hirnareale ansprechen.

Champagneraromen und Champagner-Rebsorten

Champagner darf aus allen Pinot-Rebsorten (zu denen weingesetzlich auch Chardonnay gehört), sowie Arbane und Petit Meslier hergestellt werden. Die mit großem Abstand am häufigsten verwendeten Rebsorten sind Chardonnay, Pinot Noir und Pinot Meunier. Deren Aromen sind untereinander sehr kombinationsfreudig und verleihen dem Champagner im Zusammenspiel mit autolytischen Aromen und Flaschenreife die typische Komplexität. Chardonnay entwickelt meist Aromen, die an Fruchtsorten wie Apfel, Bratapfel, Granny Smith, Stachelbeere, Zitrone, Zitrusfrüchte, je nach Gärführung und Herkunft innerhalb der Champagne auch Grapefruit und exotische Früchte erinnern, häufig treten auch Walnüsse und Nüsse hinzu. Der Gegenpol zur rassigen Chardonnay ist der weinige, meist deutlich burgundisch geprägte Pinot Noir mit Aromen von Brombeeren, Erdbeeren, Himbeeren, Cox Orange, Veilchen, Rauch, Waldboden, Pilzen und Nougat. Das Scharnier zwischen beiden Rebsorten bildet Pinot Meunier. Hier finden sich oft etwas einfacher ausgeprägte Aromen von schwarzen Kirschen, Pflaume, Rauch und exotischen Früchten, aber auch Nüsse und an Kaffee erinnernde Aromen.

Weinfehler

Selbst ein Wein, der so hohen Qualitätsanforderungen unterliegt wie der Champagner ist nicht vor Weinfehlern gefeit. Nicht alle Weinfehler sind so stark ausgeprägt, dass sie stören und bei manchen Weinfehlern wandelt sich in den letzten Jahren die Wahrnehmung. War ein buttriger Ton oder ein allzu oxidativer Ausbau auf manchen Märkten verpönt, wird das heute weithin differenzierter gesehen.

1. Untypische Altersnote (UTA) – Aminoacetophenon

Der untypische Alterungston ist aufgrund der nur selten auftretenden Stress-, bzw. Mangelsituation in der Champagne nicht weit verbreitet. Er äußert sich als wachsiger, auch in Richtung Bohnerwachs gehender Fehlton, kann sich aber auch deutlich stärker mit unangenehm gerbender, fruchtloser bis allenfalls seifig schmeckender Fehler manifestieren, selten hat man ihn auch in Form von Toilettenstein, Naphthalin und feuchter Wäsche, eine häufiger anzutreffende Ausprägung, die aber nicht immer nur auf UTA zurückzuführen ist, dürfte ein milder Akazienton sein. Das oftmals vordergründig seifige Aroma und die sich anschließende Leere am Gaumen beruht oft auf einem Zwischenprodukt aus der ersten Schwefelung. Während der Reduktion entstehen freie Radikale, die Stresshormone des Rebstocks in 2-Aminoacetophenon umwandeln. Bei den phenolischeren Rotweinen ist dieser Fehler nur ganz selten anzutreffen.

2. Böckser – insbesondere Ethylmercaptan und Schwefelwasserstoff

Der Duft fauler Eier ist klassisch für den Schwefelböckser, doch sind am Böckser auch Aromen beteiligt, die aus dem Bereich von Zwiebel und Knoblauch kommen. Fleischige und faulige Aromen gehören ebenfalls in diese Kategorie. Ursachen für die zwiebeligen Mercaptanböckser können Trubzersetzung und Aminosäuremangel sein, vor allem aber der Schwefelböckser spielt beim fehlerhaften Champagner eine Rolle. Aufgrund seiner hohen biologischen Stabilität kommt Champagner oft mit sehr geringen Schwefelgehalten von 5 – 7 mg/l freiem SO2, bzw. zwischen 35 – 50 mg/l Gesamt-SO2 aus. Eine Überschwefelung findet deshalb nicht oft statt, kann sich aber dann bemerkbar machen, wenn der unbedingt steril zu haltende Dosagelikör großzügig geschwefelt wurde und sich noch nicht völlig mit dem Champagner vermählt hat. Charakteristisch ist in solchen Fällen eine ausgeprägte Schwefelnote unmittelbar nach dem Öffnen frisch in den Handel ausgelieferter Champagner; diese Böckser verfliegen meist innerhalb sehr kurzer Zeit. Unangenehmer und zäher, aber auch seltener sind die fleischigen Böckser. Verwechslungsgefahr besteht mit Feuerstein/Silex. Die in der Champagne beliebte Kaltgärung in relativ hohen Stahltanks kann eine weitere Ursache für Schwefelböckser bei den Grundweinen sein. Durch die kältebedingt langsamere Gärung bildet sich weniger CO2, mithin weniger Turbulenzen, die sonst für den Austrag von Schwefelwasserstoff sorgen. Mercaptanböckser lassen sich auch mit Spritzmitteln auf Mercaptanbasis in Verbindung bringen. Der selten Mistböckser beruht hingegen wesentlich auf der Ausbringung von Mist im Weinberg unmittelbar vor der Lese – der Duft wird von der Wachsschicht auf der Traubenhaut umschlossen und gleichsam konserviert.

3. Acetaldehyd

Der Acetaldehydton wird vor allem in Deutschland beim Schaumwein als Fehler wahrgenommen. Er macht sich als oxidative Note in Form von Dörrobstaromen, leichter Sherrynote und hefig-brotigem Aroma bemerkbar und kann auf Unterschwefelung beruhen, aber auch wenn Fässer hohlliegen, entstehen. Meiner Ansicht nach handelt es sich beim Acetaldehydton erst um einen Fehler, wenn der Champagner/Schaumwein von ihm dominiert wird, bzw. wenn er firnig und abgestanden wirkt oder wenn Kahmhefearomen hinzutreten.

4. Kork – Trichloranisol (TCA)

Den typisch korkigen Muffton gibt es in steigendem Maße auch in der Champagne, leider darf bislang kein Alternativverschluss verwendet werden. Besonders schlimm sind auch beim Champagner die Korkschleicher, die dem Champagner jegliche Raffinesse rauben.

5. Flüchtige Säuren/Essigton – Ethylacetat

Der Essigton ist zusammen mit dem Uhuton kein geliebter Gast im Champagner, kommt aber, da Fäulnis selbst in Form von Botrytis in der Champagne ein gefürchtetes Problem ist, nur selten vor.

6. Butterton – Diacetyl

Der bloße Butterton ist nach meiner Auffassung nur im roten Stillwein und bei Rosés überhaupt als Fehler anzusehen und bedarf jeweils einer entsprechend hohen Konzentration. Er tritt nach überlangem biologischem Säureabbau in Form von Joghurtaroma auf und kann sich bis hin zum säuerlichen Stich oder Sauerkrautton entwickeln. Dann erst handelt es sich um einen Weinfehler. Aufgrund des in der Champagne weithin üblichen biologischen Säureabbaus gibt es allerdings immer wieder Champagner, die mit einem Aroma zwischen Joghurtdrops, Fruchtzwergen und Buttermilch hart an der Fehlergrenze rangieren.

7. Bittermandel – Benzaldehyd

Auch das charakteristische Mandel-Marzipanaroma wird von mir in geringer Dosis als Bereicherung für strukturstarke und körperreiche Champagner empfunden und ist bei vielen still vinifizierten Burgundern vorzufinden, darf aber natürlich ebenfalls nicht überhand nehmen. Als Weinfehler ist der Ton vom Aussterben bedroht, da dem Wein nur noch selten mit gelbem Blutlaugensalz Eisen entzogen werden muss.

8. Brettanomyces (Ethylphenol)

Seltener Weinfehler, dessen Pferdeschweiß- und Stallgeruch mir im Champagner noch nicht aufgefallen ist, dessen verwandte Ausprägungen anderer Phenolcarbonsäuren jedoch z.B. in Form von Heftpflastergeruch (Vinylguajacol) und karbolischen Noten gelegentlich auftauchen.

9. Mäuseln

Eine ausgeprägt oxidative Note mit starken Anklängen von Brotteig, Hefe, nassem Getreide, Porridge und minderwertigen Nüssen zusammen mit einem mehr oder weniger stark stechenden Ammoniakton und einer überraschend trocknenden Wirkung am Gaumen macht diesen gar nicht so seltenen Weinfehler aus.

(Fortsetzung folgt)