Degustation Clos de la Coulée de Serrant 1964 – 2008 am 19. März 2010

Weinforum Ruhrgebiet mit Nicolas und Virginie Joly, organisiert von Uwe Bende, dem dafür ewiger Dank gebührt.

 

Opener: Confrèrie des Chevaliers du Tastevin, Chantal Michelot, Meursault 1978

Ein Champagner aus diesem Jahrgang oder zumindest aus dem Bereich plusminus drei Jahrgänge hätte sich sehr ähnlich gezeigt. Als erstes dachte ich tatsächlich an eine 81er Belle Epoque, die verblüffend, bzw. eben doch gar nicht so verblüffend ähnlich schmeckte. Reif und entwickelt, aber noch mit angriffslustiger Säure. Schmeckte mir zum Essen.

 

A. Clos de la Coulée de Serrant

 

I.1 1964

Gleich der Starter im Startflight wäre eine weitere Anreise als die von Essen nach Bochum wert gewesen. Viel verblüffender, als die Champagnerähnlichkeit des Meursault war die Jugendlichkeit dieses doch schon gereift wirken sollenden Serrant-Weins. An Altersmilde, Reife und Mäßigung war jedoch nicht zu denken, der Wein wirkte unwahrscheinlich jutgendlich. Dazu trug sicher die erst bei jüngeren Joly-Jahrgängen abflachende Säure bei – bis 1990 haben die Weine keinen BSA durchlaufen. In der Nase reife, weiche Maulbeere, am Gaumen saftige Moosbeere; Milchkaffee und vereinzelte Toffeeanklänge. Aufmerksamkeit heischend immer wieder die knackige, aber nicht stachlige Säure, von der ich mir vorstellen kann, dass sie vor paar Jahren noch wesentlich aggressiver und anstrengender war. Bis zum letzten Tropfen hell scheinend, klar, transparent und lang. Einer meiner Favoriten des Abends. Punktemäßig bequem bei 94, eher 95.

 

I.2 1977

Schwierig dagegen die Nase des 1977ers. Metallisch und bluttriefend, laut Joly aus einem der schwächeren Jahre. Im Mund angebuttert, mit lebhafter, properer Säure, knisternd karamellig, ja leicht salzig, am Ende etwas herb und insgesamt der schlankste Wein des flights, der alles in allem sehr gehaltvolle und konzentrierte Weine versammelte.

 

I.3 1979

Wiederum anders die Nase des 1979ers. Ein Korb frischer Austern, jede Menge Jod und herbes Meerwasser. Am Gaumen zunächst eine kompromisslose Wiederholung dieses Eindrucks, nur quälend langsam entblättert sich der Wein und lässt eine zarte, nackte Säure schutzsuchend durchschimmern. In zehn Jahren, so auch die Einschätzung von Joly, ist der Wein vielleicht ein bisschen weiter.

 

II.1 1983

Milde, zurückhaltend mineralische Nase, Kinderlakritz und Zitronensaft, aber ohne einen medizinalen Eindruck zu erwecken. Der hellste Wein des flights. Schlank, mit sehr langer, überschiessender Säure.

 

II.2 1985

Dunkler als der 83er, mit metallischer wirkender Nase, im Mund dagegen spannungsvoll, trotz einer gewissen Alkohollast. Mit Luft zeigt sich, dass die runde, noble Säure ein gutes Gegengewicht zum Alkohol abgibt, der Wein schien mir die meiste Komplexität im flight zu besitzen.

 

II.3 1986

Dichte, konzentrierte, dadurch fast schon wieder tümmelige Nase, die zwar mehr zu bieten hat, als der 83er, aber hinter dem 85er zurückbleibt. Dunkelster Wein des flights. Im Mund schöne, weiche Stilistik, buttrig, auch kräuterig, weich und verschmust. Wenn man es so sehen will, kann man das auf die einsetzenden Effekte der Biodynamie zurückführen, ähnlich, nur nicht ganz so verschlafen gab sich bereits der 85er und dieses Stilistik setzt sich in den Grundzügen fort. Gegenüber den harten, daher immer noch sehr jugendlich wirkenden Weinen aus der Zeit vorher haben die biodynamischen Weine an Dignität gewonnen.

 

III.1 1987

Sehr hell nun dieser Wein, den Jahrgang hält Joly für solala. Mir gefiel die ausgeprägte Verbenenaromatik überaus gut, dazu noch Ingwer, mit seiner Mischung aus Schärfe und zitroniger Frische, eine dünne Schicht Kalkpuder darüber, fertig ist die kleine Erfrischung für Zwischendurch.

 

III.2 1988

Dunkler als der 87er dann dieser Wein. Zusammen mit 86, 99 und 2002 ein Jahrgang mit niedriger Hitze, wenig Regen und geringem Ertrag. In der Nase zeigten sich Kräutertee, Fenchel und Sellerie, mit Luft eine schlanke, melissige Zitronigkeit. Mit noch mehr Luft zeigt sich die ganze vollendete Schönheit des Weins, der nach innen wie nach außen sehr konzentriert, aber nicht verspannt wirkt. gegenüber dem 89er eleganter, subtiler, ausdauernder und mit jedem Atemzug frischer Luft immer noch besser und facettenreicher. Mein Liebling in diesem flight und vielen 88er Jahrgangschampagnern nicht unähnlich.

 

III.3 1989

Der dunkelste Wein des flights, laut Joly Jahrgangskonditionen wie 1983. Hier konnte man sich einbilden, einen weiteren Schritt auf der Biodynamieleiter nach oben erklommen zu haben. Jedenfalls zeigte sich der Wein mit einer völlig anderen Aromenstruktur in der Nase. Sehr rotbeerig, wie Rote Grütze oder eine von diesen köstlichen rotschaligen Birnen, weich, aber noch nicht teigig. im Mund derselbe Eindruck von roten Früchten und einer müde werdenden Säure, mit zunehmender Luft geht der Wein leider langsam den Bach runter. Gegenüber dem 88er also etwas schwächer und trotz seines sehr einnehmenden Anfangseindrucks unterlegen.

 

Scampi mit Roter Bete und Brunnenkresse, dazu IV.1 und IV.2

 

IV.1 1990

Anfangs metallisch und verschlossen, mit Luft und zum Essen dann immer runder, intensiver und animierendere Mischung aus alkoholischem Gewicht, Aromenkonzentration und einer das alles tragenden Leichtigkeit. Pendelt sich irgendwo zwischen dem 85er und dem 88er ein. Erster Jahrgang, der den biologischen Säureabbau durchgemacht hat.

 

IV.2 Grivelet Père et Fils, Abzug Vaucher, Chablis 1952

Erinnerte mit seiner metallischen Nase und dem mürbe gewordenen Fruchtfleisch an etwas zu alten Blanc de Noirs Champagner, da war mir der 90er Serrant lieber.

 

V.1 1994

Der spannendste flight war meiner Meinung nach dieser hier. Drei Weine so verschieden wie nur irgend möglich. Der 94er mit einer Zitronen-Kernseifen-Nase, sehr adrett, sauber und hygienisch rein, dabei nicht steril, sondern luftig und stets balanciert. Für mich der Wein der Mitte. Mittlere Säure, mittleres Aroma, mittlere Länge und Konzentration.

 

V.2 1995

In der Nase erstmal nur Bienenwachs, dann eine ganze Abfolge grüner, weisser, roter, gelber Tees. Im Mund zu Beginn Wachs, das sich in Richtung Apfel entwickelt und ein Sträusschen Thymian, Oregano und Pizzagewürzmischung mitnimmt. Mit Luft die schönste Entwicklung im flight und 92+ Punkte sicher wert.

 

V.3 1997

Dieser Kollege aus einem Hitzejahr blendete erst mit reifer, toastiger, röstiger Gaumencourtoisie, schob botrytisverwöhnte weiße Schokolade, Honig, Rumkandis und schokolierte Früchte nach, verzögerte seine Enttarnung sogar mit kecker Acerolasäure, driftete dann aber doch in Richtung Äppelwoi und älteres Nussaroma ab. Sicher ein schmackhafter Wein, insofern mit dem 89er recht eng verwandt, aber gleichzeitig der Wein mit dem geringsten noch verbliebenen Reifepotential, was letztlich wahrscheinlich auf die erstmalig aufgetretene Botrytis zurückzuführen ist.

 

VI.1 Ropiteau Frères Bienvenues Batard-Montrachet 1975

Buttergebräunter Apfel, braune Butter, Honig, etwas Sherry, leichte Alterssüße, insofern schon angealtert, aber noch auf der guten Seite, sogar mit einer röstig-kratzigen Facette, die gut zum Essen passte.

 

VI.2 Olivier Leflaive St. Aubin Premier Cru En Remilly 1996

Mischung aus Erbsensuppen- und Erdnussnase, im Mund dafür reichhaltig, buttrig, mit reifem Apfel und etwas Quittenmus.

 

VII.1 2002

Ein Wein des Lichts, der von einem Wein der Hitze gefolgt werden sollte. Für mich überwiegend mineralisch und jodig, einige frische Austern dürften dabei gewesen sein, die nach und nach mit einer Limetten-Pfeffer-Mischung beträufelt werden. Ein Wein, der sofort Lust auf mehr, viel mehr macht und mit jedem Schluck mehr zeigt. Aus Limette wird Orange, aus Orange entwickelt sich Granatapfel, dank hoher Griffigkeit rutscht der Wein nicht ins Kitschige ab. Einer meiner Lieblinge des Abends und mit Sicherheit auch in den nächsten jahren ein Wein mit viel Potential. Aus dem Stand 93 Punkte mit viel Möglichkeit nach oben.

 

VIII.2 2003

Anstrengende 15,5% vol. alc. zeigt der Tacho an. Die nase bekommt davon erstmal nix mit. Sorglos, zwar nicht leicht, aber munter und apfelig ist der Wein, wie ein gedeckter Apfelkuchen im Sommer. Im Mund wäre mit etwas Prickeln so mancher Winzer an der Côte des Blancs sehr stolz auf diesen Wein. Die Stahligkeit vom Anfang wird leider schnell durch eine alkoholische, auch holzige Art verdrängt, die mich an weissen Portwein erinnert. Baut dann leider schnell in Richtung ältlicher Scotchigkeit ab.

 

IX.1 2005

Erdnussnase. Warm, etwas spritig und etwas schwermütig, vielleicht der richtige Wein für einen Saunaabend im tiefsten winterlichen Finnland.

 

IX.2 2007

Zuckerwattenase mit Toffee, Milchkaffee und Kandis. Am Gaumen hohl, oberflächlich und leer, die ersten Schlucke sind enttäuschend, der Wein so komplex wie eine zerplatzende Seifenblase. Mit Luft gewinnt er dann an Stabilität und fängt sich immer besser ein. Deutlich zu jung.

 

IX.3 2008

Weinig. mit viel Volumen und eingesperrt wirkender Kraft. Gesunde, sehr selbstbewusste Herbe wie exzellenter Birnenschaumwein und mit Luft kommt immer mehr Schwung in den Wein. Kann man jetzt schon mit mehr Freude trinken, als den 2007er, sollte aber noch liegen.

 

B. Burgunderparty

 

X.1 Domaine Baron Chénaud, Remoinesset Père et Fils, Givry 1978

Minzig, leicht balsamisch, Kräutersträusschen, darunter Wildkirsche und ein gelinde wärmender Alkohol.

 

X.2 Flouch Fils Chambolles-Musigny 1917

Kork.

 

X.3 Nuits St. Georges 1945

Duftet wie eine Mischung aus Napoli-Sauce mit getrocknetem Sellerie, Knallbonbon und Brühwürfel; mit süsslicher Note. Liess sich trinken und auf 45 hätte ich ihn nicht geschätzt, war aber wesentlich schwächer als der Clos de Vougeot.

 

X.4 Moillard-Crive(?) Clos de Vougeot 1945

Ein langsam erwachender Riese, oder zumindest Halbriese. Nachdem der sandige, ungelenke erste Eindruck verflogen ist, steht da ein machtvoller, saftiger, sehr fitter Wein im Glas.

 

X.5 Jean-Claude Boisset Beaune Premier Cru Les Grèves 2006

Nussige Nase, Cashewkerne, Mandeln, Erdnüsse. Trankn sich unbeschwert und gut.

 

X.6 Nuits St. Georges 1947

Mandelaroma, Sauerkirsche, glatte, botoxfreie Haut mit einer verschmitzten, ausdrucksstarken Mimik. Jede Filmdiva dieses Jahrgangs kann sich ein Beispiel an dem Wein nehmen.

 

X.7 SA Huet Vouvray Le Haut-Lieu Le Mont Moelleux 1961

Überwiegend nussig und nicht besonders, bzw. schon allzu moelleux.