Im Champagnerleistungszentrum wird nicht immer nur erbittert trainiert und gekämpft, es gibt auch freundschaftliche Zusammenkünfte. So wie zwischen der älteren Cousine von Champagne Salon und dem gravitätischen Herrn Baradon.

 

A. Delamotte Blanc de Blancs

Bei Delamotte muss man sich davor hüten, ihn mit der Vorstellung zu trinken, einen kleinen Salon im Glas zu haben. Denn die Verwandtschaft ist zwar da, aber doch nur wie bei zwei zärtlichen Cousinen. Für prüd-mürbe Gemüter schon ein verbotenes Prickeln, aber nach den Wertungen von § 173 StGB und § 1307 BGB quasi business as usual. Und doch lässt einem die jüngere von beiden, die Venus im Pelz (von Eugène-Aimé Salon, einem Pelzhändler) regelmäßig die Brille beschlagen. Wir hatten es dennoch auf die Ältere abgesehen. Eine gute Entscheidung, wie sich nach einer halbstündigen Wartezeit zeigen sollte. So lange dauerte es nämlich, bis sich die feine Dame entblättert hatte. Und was sich da offenbarte, war mitnichten ein barfüssiger Bauerntrampel, sondern eine hochgewachsene, aristokratische, wenngleich öffentlichkeitsscheue Schönheit. Vergessen war die kühle, distanzierte Begrüßung, die so charmant war, wie eine Mischung aus kaltem Zigarettenrauch und Minzbonbon. Fast unbemerkt hatte Delamottes jahrgangsloser Blanc de Blancs sich mit einem eleganten Rumrosinenparfum und einer Schleppe köstlicher, saftiger kirschwassergetränkter Früchtebrotstücke appetitlich hergerichtet. Bei aller Frugalität und langsam zelebrierten Verführungskunst war Delamottes BdB aber leider stets kurz angebunden und hinterließ dann doch keinen auch nur annähernd so langen Nachhall, wie der große Auftritt vermuten ließ. Vielleicht kommt das noch.

 

B. Janisson-Baradon Cuvée George Baradon 1999

Nachdem Tom Stevenson und Richard Juhlin leider keine eigenen Verkostungsnotizen zu Janisson-Baradon zu bieten haben, ist es unbedingt an der Zeit gewesen, in diese Lücke hineinzustossen. Ein guter Ansatzpunkt ist dafür stets die Cuvée du Fondateur eines Hauses. 1922, also ein Jahr nachdem Salon seine Champagner erstmals kommerzialisierte, gründete George Baradon das heute unter Janisson-Baradon firmierende Haus. Nach ihm ist die Spitzencuvée benannt. Mittlerweile muss sie sich den Platz an der Spitze des Sortiments mit dem nach den Regeln des Club des Trésors de Champagne kreierten Einzellagen-Jahrgangschardonnay "Les Toulettes" teilen. Das macht aber nix, die beiden Champagner sind unterschiedlich genug, um das Portfolio nicht zu zerfasern. Der George Baradon ist ganz im Stil der damaligen Zeit ein Mix aus den beiden Edelreben, 70% Chardonnay und 30% Pinot-Noir, aktuell wird der 2001er verkauft. Verkostet wurde der reifere, schon zugänglichere 99er. Der tat mit weltmännischer Gebärde auf, war mit einem sehr gentlemanhaften Parfum angetan und duftete deshalb unaufdringlich nach einer Mischung aus Edelholz, Armagnacpflaumen, rotem Apfel und Blutorange. Mit Luft verfeinerte sich das Gemisch zusehends und unterstütze die ebenso leb- wie gewissenhaft am Gaumen arbeitende, schlanke und unaufdringliche Säure bei ihrem erfrischenden Werk.

 

C. Auswertung

Zwei sehr unterschiedliche Champagner. Herkunft und Alter wirkten trennend, verbindend dagegen der hohe Qualitätsanspruch und die ausdrucksvolle Performance. Bei Delamotte könnten gern noch ein paar Jahre der Reifung hinzukommen, beim Baradon sass jetzt schon alles so gut und präzise, dass man sich nur wünschen kann, es möge möglichst lange so bleiben.