Das Sternefestival des Ordre des Côteaux de Champagne fand letztes Jahr in Salzburg statt, dieses Jahr geographisch ausgleichend auf Sylt. Das war eine gute Entscheidung, denn dort schließen gleich zwei Gourmetläden ihre Pforten. Der Jörg Müller haut, wie schon länger bekannt, in den Sack und im Hause A-Rosa leistet man sich den Zweisterneluxus ab Januar 2015 nicht mehr, wie erst kürzlich überraschend vermeldet wurde.
Menu au Champagne 1. Akt
1. Aufzug, kalte Speisen
Johannes King, Söl'ring Hof, **/17
Herbstlicher Gemüsesalat, dazu
Delamotte Blanc de Blancs Millésime 2007
Wurzelgemüse, leicht gebundene, feincrèmige Sauce mit einem Delamotte (Stahltankvinifikation der Trauben aus Avize, Cramant, Oger und Le Mesnil), den ich solo nicht als Jahrgang einsortiert hätte. Der Delamotte unterstützte den herbstlichen Charakter der kleinen Leckerei, die Süße und Konsistenz von blanchierter Pastinake scheint überhaupt dem Charakter des Champagners sehr nahezukommen.
Jörg Müller, */18
Gänseleberpraline, dazu
Veuve Clicquot La Grande Dame 2004
Eine Paarung auf Augenhöhe, ideal für Esser mit besonders gutem Appetit, durch die gargantueske Kalorienfülle, die sich auf wenigen Kubikzentimetern ballt. Die Grande Dame, deren körperliches Format ja selbst einer übergroßen Gänseleberpraline geähnelt haben muss, tat nichts, aber auch gar nichts, um den kleinen Happen von Jörg Müller zu relativieren, ihn aus seiner unanständigen Schlemmerhaftigkeit in Richtung gebremster und kontrollierter Nahrungsaufnahme zu ziehen. Ganz im Gegenteil, befeuerte die üppige Dame den kleinen Racker noch mit ihrem schmeichelnden Pinotaroma, das als Stillwein ganz unmöglich zu kombinieren gewesen wäre, aber in Champagnerform optimal passte. Nichts für Asketen und ehrlich gesagt war ich nach der dritten Praline eigentlich schon satt.
Sebastian Zier, La Mer, **/17
Kaisergranat, dazu
Nicolas Feuillatte Palmes d'Or 2004 en Jéroboam
Wie dankbar war ich, dass nach der Praline nicht etwas noch konzentrierteres kam, sondern ein kleiner Badeausflug. Der Kaisergranat, selbst ein nachtaktives Tier, weckte in mir schlummernde Essensaufnahmekräfte und bereitete auf die lange Nacht vor. Eingerahmt wurde er vom ungewöhnlich fein geschwungenen Palmes d'Or 2004 (50PN 50CH, wobei man bei Nicolas Feuillatte luxuriöserweise auf Chardonnays nicht nur von der Côte des Blancs, sondern auch aus Montgueux zurückgreift), der mit seiner Schwungkraft und Robustheit nie hinter dem Berg hielt, der aber manches Mal allzu prompt seine kräftige Botschaft auslieferte und deshalb nicht gerade ein Vorbild in Sachen Eleganz ist. Dass er auch elegant kann, zeigt er 2004 und zu einem nicht geringen Anteil wird das außerdem am Großformat gelegen haben. Liebhaber der klassischeren, mächtigeren, wärmeren Palmes d'Or sollten bei diesem Jahrgang aufpassen, er könnte hinter den erwartungen zurückbleiben. Wer die Palmes d'Or dagegen immer zu direkt und vordergründig fand, sollte sich mit dem 2004er auseinandersetzen.
2. Aufzug, warme Speisen
Sebastian Zier
Austernvelouté, dazu
de Saint Gall Blanc de Blancs Grand Cru "Orpale" 2002
Aus der Küche von sebastian Zier kam der nächste Schwimmausflug, eine kleine Auster auf einem vorbildlichen Austernsamtsösschen, hinzukombiniert war wieder ein Kooperativenchampagner, diesmal der andere Klassiker, die Cuvée Orpale von de Saint Gall (Chardonnays aus Avize, Cramant, Oger und Le Mesnil, teilweise ohne BSA, mit 7 g/l dosiert). Wirklich überzeugend fand ich diesen Champagner, bei dem immer nur technisch alles zu passen scheint, auch dieses Mal nicht. Weder zur Sauce noch zur Auster selbst wollte sich eine Kommunikation aufbauen lassen, die kleine Auster mit ihrem bisschen Jod und Meerwasser riss gleich alles an sich und wies dem Champagner eine Nebenrolle zu. Der Saucenespresso schlug sich in das Lager seiner Herrin und so hatte der Champagner insgesamt keine Chance, mit unterwürfigem Zuckerschwänzchenwedeln zog er von dannen.
Holger Bodendorf, */18
Wachtelravioli, dazu
Duval-Leroy Blanc de Blancs Grand Cru "Prestige" Millésime 2006
Ein beinahe übersehenes Vergnügen kurz vor dem Beginn des zweiten Akts offerierte Holger Bodendorf, der mit verschwommenem Blick betrachtet ein wenig so aussieht wie ein um Jahre jüngerer Charles Schumann. Beträchtliche Freude bereitete der Raviolo, was in Teilen an dem wohlig-kindheitlichen Gefühl liegen wird, das Raviolispeisen bei mir sowieso immer erzeugen. Überzeugend fand ich dazu den Jeahrgangschardonnay von Duval-Leroy (Oiry, Chouilly, Avize, Cramant, Oger und Le Mesnil), den ich leider etwas aus dem Blickfeld verloren hatte, nachdem er mir als 2002er Brut Nature und als 2004er Brut doch immer wieder gut gefallen hat. Sowohl Ravioli als auch der Champagner bekamen dadurch etwas vom hidden champion des 2. Aufzugs, bzw. um es vorweg zu nehmen: gefielen mir sogar am besten; dicht gefolgt vom Kaisergranat.
Patrick Büchel, Spices, */16
Home Style Asia – Hamachi, Dashi, Aubergine, dazu
Bollinger Special Cuvée en Magnum
Was sich hinter dem Hamachi jetzt genau verbarg, habe ich nicht ergründen können. Ob und welche Makrelenart oder, weil ich auch etwas von Sébaste murmeln hörte, resp. las, Barsch eine Rolle spielte oder ob es sich, was nun wirklich auf der Hand, bzw. auf der kleinen Küchenkreation obenauf lag, im wesentlichen um Seeigel handeln sollte, den ich nicht besonders mag, hier aber immerhin erträglich fand – ich werde dem nicht weiter nachgehen. Klar war immerhin, dass ich den Seeigel essen konnte und das Dashi gut zum Bollinger passte. Mehr braucht's ja eigentlich gar nicht für den Erkenntnisgewinn. Der war vor allem: Bollinger und Umami sind eine gute, aber anstrengende Kombinbation, die mit einem leichteren Champagner trotzdem nicht funktionieren würde.
Der erste Akt überzeugte vor allem im ersten Aufzug. Der Gemüsesalat war vollkommen adäquat zur Jahreszeit und leitete glänzend zur Gänseleber über, die einen ersten, buchstäblichen Schwerpunkt setzte, bevor der Kaisergranat die einsetzende Gemütsschwere leichtflossig aufhob.