Menu au Champagne, 2. Akt
Zum Auftakt des zweiten Akts bestellte sich Hausmatador Patrick Büchel, dessen Restaurant Spices im A-Rosa allem Anschein nach erhalten bleiben wird, selbst wenn man mit dem Stern weiterhin nicht hausieren gehen will, wie es wohl aus der Geschäftsleitung heißt.
Patrick Büchel, Spices, */16
Heilbutt, Bouillon, Meerrettich, dazu
Billecart-Salmon Cuvée Nicolas-Francois Billecart 1999
Perfekter Heilbutt in tüchtig salziger Bouillon mit traumhaft sahnigem Meerrettich traf hier auf einen röstigen Billecart, der endlich Mut zum Dreck zeigte, vielleicht dank der (teilweisen) Vinifikation der CH- und PN Grand Crus im Fuder; so kennt man Billecart-Salmon nämlich gar nicht, üblicherweise sind die Billecartchampagner geschniegelt und ohne jedes Staubkörnchen. In den letzten zwei Jahren hat sich Nicolas-Francois Billecart 99 sowieso schwer verändert. Anfangs war er noch dem Abschluss der ersten Reifephase verhaftet, mit süffigem, fruchtnahem Trinkfluss, dann kamen die fortgeschrittenen Reifenoten immer stärker zum Vorschein und das genau zur rechten Zeit, so dass mir um die Zukunft dieses Champagners nicht bange ist. Wer mit Röstnoten nicht viel anfangen kann, sollte die Finger von diesem Champagner lassen, Freunde dieser Aromatik dürfen sich hingegen freuen. Die Fähigkeiten von Patrick Büchel sind im Fischbereich wahrscheinlich kaum noch weiter auszubreiten, das zeigt sein Dashi auf der einen Seite und das belegt der herrliche Heilbutt auf der anderen Seite. Dass die Bouillon recht salzig daherkam, hat mich nicht gestört und passte bestens zum Champagner, andere hätten sich vielleicht eher dran gerieben.
Jörg Müller, */18
Algengemüse, Nordseekrabben, Lachs-Zander-Klösschen, dazu
Lanson Extra Âge Blanc de Blancs Brut
So wie im ersten Akt das Dashi von Patrick Büchel mit dem Bollinger klappte dieser Gang leider genau nicht. Die Lachs-Zander-Klösschen erinnerten zwar an besonders gutes Sujebi-Guk, aber die Kombination der Klösschen (in Wirklichkeit waren das zwei ausgewachsene Klösse, die aber trotz ihres beängstigenden Formats fluffig leicht wirkten, so als seien sie viel kleiner) mit Algen und Krabben war einfach zu viel für den bemühten Lanson, der nur auf süßer Ebene überhaupt operativ tätig und dabei eher störend war. Das mag auch daran liegen, dass der Extra Âge Blanc de Blancs (eine reiner Grand Cru aus Oiry, Avize, Cramant, Oger und Le Mesnil – die anderen Champagner der Extra Âge Serie sind nicht unbedingt reine Grand Crus sondern enthalten auch Premier Crus) sich aus den Jahrgängen 2003, 2004 und 2005 zusammensetzt. Dann ist der 2003er Anteil in Verbdinung mit einer hoch gewählten Dosage, die hier auch nicht durch den Verzicht auf die malolaktische Gärung aufgefangen werden konnte, schuld an der Disharmonie. Die Küche von Jörg Müller stach trotz der nicht ganz so gelungenen Kombination als die bei allem Feinsinn geschmackigste heraus.
Holger Bodendorf, */18
Variation vom Kalb, dazu
Louis Roederer Cristal 2002 en Magnum
Köstlich, nein köstlichst war das Kalb von Holger Bodendorf, der damit gleich zwei hervorragende Wein-Speisen-Kombinationen an diesem Abend auf sich verbuchen konnte. Nichts hätte besser zu diesem unglaublichen Kalb passen können, als der punktgenau gereifte Cristal (Erfolgsrezept 55PN 45CH), dessen generöse Art und hochsubtile Süße mit dem Babyfett vom Kalb eine so königliche Liasion einging.
Johannes King, Söl'ring Hof, **/17
Hirsch, dazu
Pommery Les Clos Pompadour
Johannes King, zu dem die königliche Liaison ebenfalls gepasst hätte, war der Mann für die dichten, zusammengepackten Aromen und für die Küche der schreitenden Gangart. Auch bei ihm zwei erstklassig abgestimmte Kombos und vor allem im zweiten Akt ein brillant gegarter, ultrazarter Hirsch, der sich so eng an den Clos Pompadour (eine der ganz wenigen Spitzencuvées, die einen Anteil Meunier enthält: 75CH 20PN 5PM von reben zwischen 25-30 Jahren Durchschnittsalter; 9 g/l Dosage) schmiegte, dass mir beinahe Tränen der Rührung gekommen wären. Der Clos Pompadour wirkte auf mich so herrschaftsvoll und freundlich zugleich, wie man es nur von guten Königen im Märchen kennt. Kleiner Wermutstropfen war lediglich eine gewisse Laktizität, die mir nicht recht zum Champagner passen wollte, so wie Milch auch nicht recht zu Apfelmus passt. Von der Sauce und vom Champagner hätte ich anstelle des desserts jeweils noch tassenweise weiterschlürfen können.
Aus der A-Rosa Pâtisserie von Gastgeberkoch Sebastian Zier gab es zwei Themenbuffets:
Aromawelt Erde mit
Deutz Cuvée William Deutz 1999 (65PN 25 CH 10PM (!)) en Jéroboam und
Aromawelt Frucht mit
Alfred Gratien Brut Rosé
Den Abschluss bildete Laurent-Perrier Brut Rosé.
Die unzähligen Maccarons, Schokosachen und Kleinigkeiten aufzuzählen, würde unnötig zeilen füllen. Entscheidend ist: Champagner und Dessert ist etwas was man machen kann, aber nicht muss und nach meiner Meinung ohne Not nicht sollte. Dann lieber eine schöne Käseauswahl. Die Champagner habe ich, obwohl ich mich unvernünftig wie ich nunmal bin durch die Dessertsachen durchgenascht habe, lieber solo getrunken. Der Deutz war die richtige Wahl für den Abschluss und kam dem gerade zuvor getrunkenen Pommerygiganten nicht ins gehege, was erstaunlich genug ist. Ein Riesenvorteil von Deutz ist sicher, dass man dort den Umgang mit Großflaschen liebevoll kultiviert hat und deshalb immer topfitte Kandidaten ins Glas bekommt. Die über Jahre gepäppelte Säure konnte sich nach dem ungewöhnlich langen Essen richtig austoben, wie man es sonst nur von Werbespots für Wunderreinigungsmittel kennt, deren Wirkung in Mund, Wohnzimmer oder WC stets mit munter wirbelnden Zeichentrickfiguren dargestellt wird. Danach war im Laufe des Abends schon sturmreif gemachte Gaumen bereit für die betäubende Frucht der beiden Rosés, die sich durchaus auf Augenhöhe begegneten. Ich sage das extra dazu, weil der Rosé von Laurent-Perrier (Mazerationsrosé mit Pinot aus Ambonnay, Bouzy, Louvois und Tours-sur-Marne) so weithin bekannt und beliebt ist, ja wahrscheinlich bei einer Befragung interessierter Kreise immer noch als einer der drei bis fünf besten Roséchampagner im Nonvintagebereich gelten dürfte und der Rosé von Alfred Gratien (erste Gärung im 228-Liter Fässchen, Assemblagerosé mit Rotwein aus Bouzy) dagegen so völlig unbekannt scheint, was ungerecht ist, angesichts seiner offenkundigen Güte.
Zusammen mit Ingo Holland und einer kleinen Truppe besonders hartnäckiger Champagnerfreunde habe ich mir dann an der Bar des A-Rosa noch einige Pilschen und hernach einige der verbliebenen Champagnerflaschen genehmigt, bevor mich endgültig der Schlaf übermannte. Um die beiden Restaurants von Sebastian Zier und Jörg Müller ist es, das wurde als Fazit für mich klar, schade. Aber um Jörg Müller muss man sich wahrscheinlich keine Sorgen machen. Der ist sowieso schon gut aufgestellt und seine Küche lässt sich bequem im Nichtsternebereich adaptieren, was einigen Charme hat. Was Sebastian Zier als nächstes macht, weiß ich nicht. Mit seinen zuletzt 2 Maccarons kann er es leicht, aber auch unerwartet schwer auf dem Festland haben. Zu wünschen ist ihm jedenfalls nur das beste und egal wo es ihn hinzieht, ich werde zum Essen gern dorthin kommen.