Jedes Jahr ist Valentinstag, jedes Jahr weiß keiner so recht, was er seinem significant other schenken oder Gutes tun soll. Doch jedes Jahr ist Champagner eine gute Idee. Rebellisch ist sie obendrein. Denn der Quatschfeiertag ist ureigentlich dem, pardon: den Vögeln gewidmet, oder noch genauer: der englische Erzpoet Chaucer soll am 14. Februar 1383 ein Werk mit Namen "Parlament der Vögel" vorgestellt haben, in dem es um die Liebe geht, usw.usf., das Verhängnis nahm seinen Lauf. Irgendwann kaperten erst die Amerikaner und dann die sonst nicht wegen ihrer Marketingpfiffigkeit berühmten Blumenhändler das jährlich wiederkehrende Ereignis. Seitdem muss man Blumen oder anderen Beziehungsschnickes kaufen, wenn der eigene Chromosomenvorrat im Rennen oder zumindest der Hormonpegel händelbar bleiben soll. Kenner schenken eine ungerade Anzahl Rosen. Könner schenken Blumen in ihrer schönsten Form: als Weinbouquet. Und Echte Könner greifen auf Rosé zurück, den es als Stillwein praktisch nur in schlecht gibt, der aber als Champagner gleichzusetzen ist mit dem önologischen Korrelat romantischer Liebe. Die bewährtesten Valentins-Roséchampagner habe ich gerade bei CaptainCork vorgestellt, hier geht es zum Artikel. Die Rosés, mit denen sich nach einem trotz aller redlichen Mühewaltung, d.h. Beachtung meiner Champagnerempfehlungen, aus welchem unerfindlichen Grund auch immer völlig verpatzten Valentinstag dann die Partnerschaft noch retten und der beste Versöhnungssex nach einem handfesten Beziehungskrach einleiten lässt, sind diese:
1. Coessens Largillier Brut Rosé, dég. Feb. 2013
100PN Saignée, 2009er Ernte, mit vollen 10 g/l dosiert
Weil ich in der Champagne weile, während ich diese Zeilen tippe, und weil ich just den aufstrebenden Jerome Coessens besucht habe, dessen Rosé ich seit einiger Zeit schon beharrlich lobe, beginnt der Empfehlungsreigen mit dem Rosé Saignée, dessen Trauben fussgestampft werden, obwohl Coessens zwei megateure Coquardpressen, also den Bentley unter den Pressen, für jeweils 8000 kg zur Verfügung hat. Wenn es schon nicht die eigenen Füsse sein können, mit denen die Trauben unvergleichlich schonend bis sinnlich-vergnüglich zusamengestampft werden, dann ist es doch immerhin eine irgendiwe romatische und valentinsmäßige Vorstellung, dass zumindest Jerome und seine Familie Freude dabei hatten. Das Resultat ist energetisch, tonisierend und nimmt den Geist gefangen. Kirsche, Eukalyptus, Kiefernnadelessenz, wie ich sie mal infam gut im Essigbrätlein bekommen habe und die mir bis heute nachgeht, so gut wie sie nunmal war. Den geradezu abartig hohen Dosagezucker steckt der Wein einfach weg. Denn bei Coessens überdeckt nicht der Zucker die weineigene Aromatik, sondern das, was man aus lauter Verlegenheit und mangels einer besseren, ebenso griffigen wie zutreffenden Beschreibung als Kimmeridgemineralik bezeichnen könnte, überdeckt mühelos den Zucker. Wenn die Liebste nach diesem Champagner nicht wieder in der Spur läuft, ist die Trennung unausweichlich.
2. André Clouet Brut Rosé
100PN, < 10% Rotweinzugabe
Alle guten und auch schon die allermeisten schlechten Argumente sind ausgetauscht, die Stimmung dennoch im Eimer, Versöhnungssex wider erwarten und trotz ärgster Bemühungen, ganz zum Schluss den Streit noch mal ins Lächerliche zu ziehen längst nicht in Sicht? Dann hilft nur die retrograde Brachialmethode. André Clouet, den man nicht mit Paul Clouet verwechseln sollte, ist hier schon gelegentlich wegen seiner stets zu jung getrunkenen Cuvée "Un jour de 1911" in der Strohumwicklung gepriesen worden, auch den Jahrgang und den Silver aus Sauternesfassausbau habe ich schon vorgestellt. Jetzt der bei Tageslicht betrachtet lange fällige Rosé. Diesem ungewöhnlich fruchtstarken und nur wenig von bouzytypischer Haselnuss begrenzten Champagner kann keine Kratzbürste widerstehen, denn hier geben sich alle Dinge die rot sind und gut schmecken ein zärtliches Stelldichein. Blanchierte Mandeln, ein keckes Kräutersträusschen, aber vor allem eine so zauberhafte Beerig- und Schmelzigkeit, dass auch das im langjährigen Beziehungsstress abgenutzte Herz und verhärtetste Gemüt spontanen Kinderwunsch an den Restkörper aussendet. Der Champagner schmeichelt dem Herzen also in einem Maße, dass selbst der Widerspenstigsten Zähmung gelingen muss. Falls auch das nicht klappen sollte, bitte Vitalfunktionen prüfen oder vom Umtauschrecht Gebrauch machen, sollte die Herzdame im einschlägigen Versandhandel erworben sein.
3. Olivier Horiot Sève en Barmont Rosé Saignée
100PN, immer < 2 g/l Dosage
Die Liebste schluckt mehr als der Lambo Murciélago auf dem coolen Monstertruck Unterbau von Dartz, den Sie sich kürzlich selbst geschenkt haben? Dann muss was stopfendes her, und zwar schnell. In den Sinn kommen mir bei der Gelegenheit immer die Apparate von Leclapart, der 2003er Terres Rouges von Jacquesson oder der Saignée de Sorbee von Vouette & Sorbée. Doch teuflischer, weil vertrackter, ist der Rosé von Horiot aus Riceys, dem ich vor gut und gerne zwei Jahren einen Nachbesuch nach Zweijahresfrist angedroht und nunmehr wahrgemacht habe, mit der schönen Erkenntnis, dass dort alles in geordneten Bahnen verläuft und die von mir anfangs argwöhnisch betrachteten Champagner sich in Bestform befinden. Der Rosé, für den die Trauben ähnlich wie bei Coessens mit den Füssen in die Pressform gestampft werden, wirft mit seinen Wildkirschen, Erdbeeren und sonstigen vollreifen Beeren nicht bloss wie ein tüchtig angetrunkener Karnevalsprinz seine Kamelle in die Menge, sondern feuert das reife Obst mit einer Steinschleuder in Gesicht und Mund, ein Champagnerfacial der Extragüte also. Doch ist es damit nicht getan; der Rosé sperrt sich gegen allzuschnelles Geschlucktwerden und stemmt sich gegen jedes noch so geniesserische Schmatzen, saugen und in den Hals hinabziehen. Bei dieser ganzen Prozedur wird jeder Tropfen Champagner notgedrungen so lange an Zunge und Gaumen gewendet, bis das sensorische Inventar ausgelastet ist. Danach gibt kein Mund dieser Welt mehr Widerworte.
Die Champagner sind im gut sortierten Fachversandhandel locker zu bekommen und jeden Expressaufschlag wert. Gutes Gelingen!