Die ehemals unter dem Namen Terroirs et Talent de Champagne firmierende Winzertruppe hat sich auch 2014 wieder im Obergeschoss des Theatre in Epernay eingefunden, um die Leistungsfähigkeit der Mitgliedsbetriebe unter Beweis zu stellen. Bei den Mains du Terroir Winzern triftt man die Vins Clairs oft in Form der schon bereiten Cuvées an, die sich demnächst zur zweiten Gärung in die Flasche verabschieden. Das ist vor allem dann sinnreich, wenn man die aktuelle Version dieser Champagner unmittelbar danach probieren kann, was überwiegend möglich ist. Neben den Vins Clairs und zwei bis drei fertigen Champagnern gibt es an den Ständen dieser Winzer hier eine freestyle Cuvée, also eine Experimentalcuvée, einen alten Jahrgang oder einen besonders lehrreichen Champagnervergleich.
Von Champagne Aspasie haben aufmerksame Leser meiner Mitteilungen schon vor Jahren gehört und der Betrieb arbeitet unentwegt konstant gut, großes Auf und Ab habe ich hier nie feststellen können, insbesondere ein dynamisches Auf würde ich mir gleichwohl wünschen. Nicht, weil die Qualität so weit am Boden ist, sondern weil diese fortgesetzt saubere Arbeit es verdient hätte. Mit den Cépages d'Antan, die mir auf der diesjährigen Prowein wieder mal sehr positiv aufgefallen waren, hat der Betrieb einen schönen Joker im Blatt; Blanc de Blancs und Millésime 2008 sind frisch, klar und leicht, der jahrgang etwas individueller, kakteeiger, will sagen stachliger. Der 2009er Jahrgang wirkt auf mich leichter als der 2008er und ist mit 3 g/l Dosage schon reichlich bedient. Wahnsinnig rasant macht ihn das nicht und zum Langläufer taugt er ebenfalls nicht. Deshalb würde ich ihn jetzt trinken und den 2008er liegen lassen, bis der sich zu voller Größe aufgerichtet hat, im Idealfall ist das zu der Zeit, wenn der 2009er abzubauen beginnt.
Champagne Maxime Blin liegt nicht ganz so weit ab vom Schuss, aber Trigny sagt trotzdem nur den wenigsten Champagnebesuchern etwas. Schade, denn die Champagne von Maxime Blin tragen eine schöne, nicht zu schwülstige Handschrift, die der Neigung zur Dosage im oberen Bereich unterhalb der 10 g/l Grenze geschuldet sein mag. Der Drittelmix, die Cuvée Maxime Blin, besteht aus 08er und 07er, der erste Eindruck ist nussig und krautig, dann zeigt sich der zusammenfügende Einfluss der Holzfassvinifikation und des Ausbaus im Fassl. Der Champagner wirkt trotz der beiden verschiedenartigen Elemente wie aus einem Guss, solide, dicht, mit feiner Frucht und etwas Brot. Die beiden Rosés Authentique (Saignée) und Rosé d'Assemblage sind beide aus 100% Pinot Noir, wobei mir der Assemblagerosé ganz gegen die sonstige Machart der Blin-Champagner nicht wie aus einem Guss erschien, was er ja auch tatsächlich nicht ist. Die ca. 17% Rotwein aus 2009 wirken in der Cuvée aus 10er und 11er Pinot wie ein Fremdkörper. Viel besser gefiel mir demgegenüber die Cuvée Onirique Extra Brut aus 90PN und 10CH, basierend auf 2011 mit 2010. Die ist gegenüber den stets empfehlenswerten Jahrgängen von Blin eine Spur fetter, was überhaupt nicht schlimm ist, weil die Champagner aus dem Massif St. Thierry ruhig etwas Fett vertragen können, vor allem, wenn es mit so schönen Noten von Orangenmarzipanfüllung, Krokant und Quittenmus daherkommt.
Natürlich ist auch die Aube in den Winzergruppen immer angemessen vertreten. Bei den Mins du Terroir Winzern ist Jerome Coessens der Mann fürs Grobe. Oder eben auch nicht fürs Grobe, sondern für das ganz Feine, ganz grundeigentlich für das Gegenkonzept zum klassischen Champagner. Monocru, Monocepage, jahrgangsrein, ich habe nur wenige Tage vor den Grands Jours das vergnügen gehabt, Jerome in Ville sur Arce in Keller und Weinberg mit meinen Fragen und meinem Durst auf die Nerven gehen zu dürfen. Die Lrgilliers als Brut Nature, normaler Blanc de Noirs, Rosé de Saignée und mit Holz als Les Sens Boisés teilen sich immer wiederkehrende Aromen von Mandeln, Marzipan, Blüten und mildestem Akazienhonig. Sanft, gefügig und gleitend schienen mir die Champagner, der brut Nature mit einer spritzigen Zitrusnote, der Rosé besonders seidig und dieses Mal am beeidnruckendsten der Sens Boisé. Jahrgangsbasis 2008, mit 7 g/l dosiert und so burgundisch, pulignyhaft, wie aus dem Bilderbuch.
Im Sézannais, dieser kaum wahrgenommenen Region, ist Jacques Copinet ansässig. Chaptalisiert wird nicht, es gibt dafür immer vollen BSA und was es leider wiederum nicht gibt, ist ein Degorgierdatum auf dem Etikett, dafür steht ein Code auf der Flasche. Das Sézannais ist so etwas wie eine südwestlicher gelegene Côte des Blancs ohne die Harschheit und Entschiedenheit, die der Chardonnay von der Côte des Blancs an den Tag legen kann. Die Champagner von Copinet geben das wieder. Die Blanc de Blancs Brut, Brut Integral und Marie Etienne sind alle im Extra Brut Bereich oder eben Brut Nature, wirken aber vermittelnd, weich, sehr milde, teilweise primörfruchtig, mit hervorstechenden Tafeltraubenaromen, blanchierter Mandel und Sahne. Die Cuvée Surprise inedite sensation hatte einige Bananen- und Birnennoten, die beim Publikum ja gerne begeisterten Anklang finden.
Altmeister de Sousa aus Avize kennt man schon, da weiß man, es ist fast egal was von ihm ins Glas kommt, das ist eigentlich immer gut, ich räume sogar ein: er übetrifft meine Erwartungen sogar meistens. Schon der einfache Brut Réserve mit 7 g/l war schön und gefiel mir besser, als der Dosagewert vermuten ließ. Avize, Oger und Mesnil, Säure und Süße spielen da schön miteinander, die Süße gewinnt am Ende. Die Cuvée 3A, mit der de Sousa seit ein paar Jahren am internationalen Gaumen reüssiert ist ein Mix aus Chardonnay und Pinot Noir (Avize, Ay, Ambonnay), die im Barrique zeigen müssen, was sie können. Ihnen werden 3 g/l Dosage zur seite gestellt, aus denen sie einen sehr schönen und ausgewogenen Champagner machen. Doch ist der nichts im Vergleich mit dem "Mycorhizes" getauften Wein aus Uraltreben, die in Avize und Oger stehen. Das ist starker Tobak, richtig dickes Zeug, das ich schon im Vin Clair Stadium als kommenden Star der Region ansehe. Ein anderer großer Wurf ist die Cuvée Umami von der Negociantlinie Zoémie de Sousa. 2009er Basis, 70CH 30PN, auf erst einmal 6000 Flaschen limitiert. Herbe, Limone, Hefe, Tiefe, Komplexität, Ausdauer, nebelhafte Verteilung der Aromatik am Gaumen, ein rätselhafter, schöner, großer Champagner.
Und wieder nähern wir uns Eric Rodez, der nach Jahren nun endlich die Aufmerksamkeit zu bekommen scheint, die ihm zusteht, jedenfalls in Deutschland. Die Vins Clairs des Jahrgangs 2013 waren die helle Freude. Der Chardonnay öffnete sein Nussherz und zeigte die kraftvoll darin pulsierende Wildkirsche, der Pinot Noir daneben elegant, zurückhaltend und fein wie russischer Zobel, aber unwahrscheinlich kraftvoll auch dieser Wein. Die Champagner sind kleine Denkmäler. Der Blanc de Blancs aus 2008, 07, 06, 05, 04, 03 war so vollmundig, vorbildlich und weit weg vom Klischee, dass man fast eine neue Kategorie innerhalb des Genres für ihn aufmachen müsste. Der Blanc de Noirs aus den gleichen Jahren mit Ausnahme des 2003ers, der hier durch 2002 ersetzt wurde, ruht buddhistisch in sich selbst, ein Pinot, der völlig unaufgeregt sich seiner Schönheit selbst bewusst ist. Sowas gelingt nur ganz selten, einen ähnlichen Eindruck hatte ich nur einmal bei einem Domaine Prieuré-Roch Chambertin Clos de Bèze, den ich (natürlich, möchte ich fast meinen) in der Champagne getrunken habe. Die neue Dosage Zéro aus 30CH 70PN, gemixt aus 2006, 05, 04 und 02 hat völlig richtig keinen Zucker zugesetzt bekommen, weil auch diese neue Cuvée im perfektionistischen Rodez-Stil so gebaut ist, dass alles notwendige bereits aus den verwendeten Grundweinen genommen werden kann und Zugaben des Winzers weitestgehend unnötig, ja störend erscheinen. Die Cuvée des Grands Vintages aus 05, 04, 02, 00, 99, 98 zeigt das ganz deutlich und befindet sich JETZT auf Nöchstniveau. Eine vollere Ausprägung von Jahrgangskomplexität habe ich in einem Multivintage noch nicht erlebt. Anders ja, aber nie so, dass einzelne Merkmale greifbar werden und zu sprechen scheinen. Die Empreinte de Terroir Champagner von Eric Rodez aus dem Jahr 2003 gehören wie die Vorgänger aus dem Jahr 1999 als Pinot und als Chardonnay zu den Denkwürdigkeiten des Champagnergeschäfts und zu den Champagnern, die man getrunken haben muss, um ernstlich mitreden zu können. Archetypischer geht es eigentlich nicht, ohne Abstriche zu machen.
Mit den Champagnern von Fallet-Dart bin ich noch nie in Gänze so recht warm geworden. Mal zu griesgrämig, jetzt zu bunt und zuckrig. Mir sind die durchgehend 9 g/l Dosage wahrscheinlich einfach zu dick aufgetragen, von der Substanz, so gut sie im Zweifel sein mag, merke ich da einfach zu wenig, vereinzelt zucken Mentholspitzen durch. Der verführerische erste Naseneinruck hilft da wenig, als Trinker fühlt man sich buchstäblich an der Nase herumgeführt, wie als würde sich der schicke Aufriss aus der Hotelbar dann im Zimmer plötzlich als Ladyboy entpuppen. Im Gegensatz zu früher würde ich heute die Cuvée des Clos du Mont bevorzugen.
Aus Le Mesnil kommt mit Chantal Gonet immer eine Geheimwaffe zu den Verkostungen. Sie bringt viel Schalk und die Champagner aus dem Hause Philippe Gonet mit, das sattsam bekannt sein dürfte. Daher nur kurz die Eindrücke vom Auffrischungstrinken. Der Signature wirkte etwas lahm, was am direkten Vergleich mit dem Extra Brut 3210 gelegen haben wird, der sich in alter Form und Frische präsentierte. Meine Sympathien hatte aber vor allem der Roy Soleil, der so souverän wirkte, wie es seinem Namen ansteht. Die sechs Monate seiner Fassausbauzeit hat der Champagner bestens genutzt, um Klasse und Würde zu produzieren, der Trinkfluss ist nochmal deutlich einfacher, als beim 3210, der stärker analysiert werden will. Die Spitzencuvée, der Belemnita 2004 aus Reben, die 1929 gepflanz wurden, ist ungeher dicht und konzentriert, fließ aber nicht lahm oder zähflüssig in den Rachen, sondern geht wie der Wirbelwind hinunter, um wie ein Hohlspitzgeschoss im Körper aufzupilzen.
Ein alter Bekannter ist natürlich auch Janisson-Baradon, dessen Toulette als Vin Vlair schwer Eindruck bei mir gemacht hat. Der hätte für mich allein schon das Tagesziel markieren können. Der Extra Brut, den ich mir auch gern im neuen Laden von Cyril genehmige, mitten in Epernay am Kreisel, dort, wo es zu den großen Häusern hinauf geht, der griff nach Kräften in die dargebotenen Aromenangebote und weil er aus Pinot und Chardonnay gleichermaßen besteht, machte er den Übergang zu den sprudelnden Toulette, Conges und Tue Boeuf 2006 leicht. Am weitesten stach der Toulette 2006 heraus und nahm damit dem von mir für eine ganze weile favorisierten Tue Boeuf wieder Punkte ab, der unter Conges firmierende Meunier kommt da nicht ganz mit, gehört aber zu den stärksten Meuniers der Region. Anschauen kann man sich die Reben übrigens ganz einfach vor Ort, den Chemin de Conges erreicht man, indem man einfach rechts am Anwesen von Janisson-Baradon vorbei nach oben geht und sich dann hakenförmig nach links wendet, als quasi Richtung hinterer Garten des Hauses, dort stehen auch die Trauben vom Nachbarn Leclerc-Briant.
Michel Loriot ist als Meunierspezi aus dem Marnetal weithin geachtet, seine Etiketten haben ein kleines Re-design erlebt und der Bezug zur Musik wird jetzt deutlicher. Das ist sowieso ein allgemeiner Trend, der scheinbar in der Mains du Terroir Gruppe besonders viele Winzer begeistert. Eric Rodez versteht sich schon seit jeher als Komponist und weiß das gut verständlich zu erläutern, Jungtalent Sélèque verwendet Hendrix-Themen bei der Flaschenaustattung, Fleury von der Aube legt eine ganze Sonate hin und Michel Loriot hat mit der Monodie en Meunier Majeur nicht nur der Wortspielvorliebe vieler Winzer Reverenz erwiesen, sondern eben auch dem Musiktrend. Die Inspiration de Saison 2006 Extra Brut ist kaum als Extra Brut zu erkennen, was an den schon tiemlich reifen Früchtchen liegen wird, die der Meunier abliefert, aber man kann diesen Fruchtkorb ohne Mühe trinken. Die Sources du Flagot sind ein rustikaleres Gewächs, kräftiger, ruppiger Blanc de Blancs aus dem Jahrgang 2004, der stellenweise so unberechnbar wie ein kleiner Wildbach, aber alles in allem ungefährlich ist. Die Monodie ist wieder Multivitaminspektakel für die ganze Familie. Die hohe Konzentration macht ihn schon beinahe wieder scharf und fast meint man, einen belehrenden Zeigefinger vorzufinden, der über die Vorzüge einer ausgewogenen Ernährung informiert und zugleich dazu mahnt, aber zum Glück bleibt der aus und die Monodie kann langsam ausklingen, wofür sie einige Zeit braucht. Den hochgelobten 1975er Meunier, der gerade erst am Vortag degorgiert worden war kann ich leider nicht positiv beurteilen, meiner Meinung nach hatte die Flasche Kork.
Die Terminator-Champagner von Penet-Chardonnet wirken auf mich, wie aus der Zukunft, wie aus einer Zeit, in der man mit überlegenen Werkzeugen um ein Vielfaches präziser arbeiten kann, als heute. Der Reserve Grand Cru Extra Brut aus 70CH 30PN ist mit leichten 3 g/l dosiert und wirkt deshalb stramm, ohne großes Gepäck, stahlig und mit einem Hauch von blanchierter Mandel. Die Cuvée Parcellaire Les Fervins aus Verzy ist ein 2009er Champagner, mit 70PN 30CH, mit etwas zeitlichem Abstand wirkt er süßlicher auf mich, als vor wenigen Monaten noch. Am beeindruckendsten ist der Pacellaire Les Epinettes, ein Verzy Grand Cru 2009 aus 100% Pinot Noir, dessen Aroma von gesalzenen Nüssen mir doch sehr dicht an dem zu liegen scheint, was man das Terroir von Verzy nennen könnte. Formal noch höher anzusiedeln ist die Cuvée Diane Claire, Grand Cru Brut Nature 2002 mit zwei Dritteln Pinot Noir und einem Drittel Chardonnay, alles aus Verzenay. Hier kommen Butter, Hefe, Honig, Seide, Balsam, Akazien und Apfel in einen Bottich, woe sie kundig vermengt werden und in schönster Balance am Gaumen begeistern. Und dennoch: wenn ich gefragt werden würde, ich würde den Epinettes vorziehen.
Mit die schönsten Vins Clairs hatte das junge Talent Sélèque dabei. Sein Meunier aus Pierry, Les Gouttes d'Or und sein Rosé de Saignée, beides 2013er hatten allerbeste Anlagen. Vanillekipferle, Krokant und Traubenmost hier, Mandel, Frische und Schlürfigkeit da – und das schon nur beim Vin Clair! Comédie 2008 war brotig, mälzelte etwas und hätte nicht höher als mit den hier verwendeten 4 g/l dosiert sein dürfen. Partition 2008 und 2009 sind saftig, flott, ja rockig (2008), bzw. klarer, klassischer, förmlicher (2009). Einmal mehr wird hier gelten, dass der 2008er ruhig liegen darf, bis der 2009er seine Vorzüge voll verausgabt hat und sich auf dem absteigenden Ast befindet – das sieht Sélèque ganz ähnlich, weshalb er den Verkauf der 2008er gestoppt hat und erst in ca. fünf Jahren wieder aufnehmen will, mit Spätdegorgements. Überhaupt nicht kindsköpfisch, rebellisch oder aufmüpfig war der 2009er Rosé de Saignée, der auf mich saftig mit leichtem Halskratzen, sonst aber herbfrisch und ziemlich erwachsen wirkte.
Die an guten Erzeugern reiche Aube hat in Avirey Lingey einen Produzenten, der in Deutschland schon auf eine treue Anhängerschaft blicken und zurückgreifen darf. Zu recht, wie ich finde. Unter den Namen Serge Mathieu machen Isabelle Jakob (geb. Mathieu) und Michel Jakob sonnenklare Champagner, die jugendlichen Übermut und jugendfreie Lebensfreude transportieren. Der Extra Brut aus 100PN hätte auch von Billecart-Salmon nicht sauberer gemacht werden können, der Prestige aus 70PN und 30CH drängt nach vorne und will der Erste sein, sein Spiegelbild ist der Select aus 70CH und 30PN, der Kalk statt Nuss hat, mit seiner behenden Leichtigkeit auch mehr zu schweben als zu stürmen scheint. Den 2008er Jahrgang gab es mit zwei unterschiedlichen Dosierungen und Schwefelgraden zu probieren. Die niedriger geschwefelte Variante hatte den höheren zuckergehalt und wirkte auf mich um eine Spur muffiger, während der höher geschwefelt Champagner Verbene, Zitronenmelisse, Apfel und kräuterige Würze aus dem Glas entließ, die mir so gut gefielen, wie schon beim Besuch vor Ort.
Aus dem Gänseort Chouilly stammt Vazart-Coquart, Jean-Pierre Vazart ist einer der praktisch immer gutgelaunten Winzer, denen man zunächst gar nicht abnehmen will, dass sie sich schon seit Ewigkeiten mit Sachen beschäftigen, die erst seit Kurzem en Vogue sind. So hat Vazart-Coquart zB eine Solera, die 1982 begonnen wurde, mithin eine der ältesten zumindest mir bekannten Soleras der Champagne. Die bringt naturgemäß jetzt einige pilzige Aromen mit sich, die sich voraussichtlich noch dieses Jahr in Kleinstauflage en mousse beweisen müssen. Der Rest geht wie gehabt zu 25% in den jahrgangslosen Champagner von Vazart-Coquart ein. Der Extra Brut auf 09er Basis punktet mit Früchten und bekommt für seine leichte Candynase keine Abzüge, da sie sich so vorzüglich in das Aromenbild einfügt und nicht kirmeshaft wirkt. Eine feine Exotik durchzieht den Champagner, der bittermandelig ausklingt. Grand Bouquet 2007 und 2008 sind sich nicht sehr ähnlich. Einen Eindruck von Gänseflaum kann man sich vielleicht bei beiden einbilden, aber danach hören die Gemeinsamkeiten auf. 2007 ist der Typ gewaltbereiter Kumpel, 2008 ist der wortgewandte Kumpeltyp, also im Trio mit vier Fäusten der Denker. Ein scharfsinniger, freilich und ein wenig schmecjt der Grand Bouquet 2008 so, wie ich mir viele 1996er gewünscht hätte. Mein Liebling ist aber der gerade degorgierte 1989er, mit 3 g/l Dosage. Frittengewürz, Kurkume, Curryblätter, Safran, Pilze und trotzdem habe ich nicht den Eindruck von Imbissbude, sondern von spitzenmäßiger Gourmetunterhaltung.
Bouzy ist ein Ort, der unter der Last seines Namens zusammenzubrechen droht. Alle Welt prahlt und prunkt mit den Bouzy-Pinots, aber nur zu oft sind die einseitig haselnussig und ohne wirkliche Finesse. Für Terroirfetischisten sicher toll und für Verkoster, die auf hohe Trefferquoten in Blindverkostungen setzen, ein gefundenes Fressen. Aber eigentlich wünscht man sich von einem Grand Cru mehr als das. Der Brut Réservée Grand Cru von Maurice Vesselle liefert genau das. Noblesse und Raffinesse vom Grand Cru, ohne das plum-wiederkehrende und ermüdende Hanutaaroma, das die weniger gelungenen Champagnr aus Bouzy brandmarkt. Dass sowas Bestand haben kann, beweist der 2000er von Maurice Vesselle, in dem sich eben nicht die Haselnuss etwa am Ende doch noch durchgesetzt hat, sondern schön im Glied neben Honig, Pilz und Reife bleibt. Ganz große Klasse ist dann schon der Blanc de Noirs Les Haut Chemins 2005, mit 3 g/l dosiert und ein Pflichtkauf für Eleganztrinker. Ingwer, Honig, Verbene, Zitrone, Toast. So viel Spass für so – vergleichsweise – wenig Geld. Danach hat es der Rosé Saignée wieder mal schwer, vorziehen würde ich soweiso den vom Vetter mit Vornamen Jean – dessen Oeuil de Perdrix ist ein Mordsspass für ganz, aber ganz kleines Geld.