Von Florence Duchêne aus Cumières habe ich mittlerweile ca. fast die Hälfte der Produktion augetrunken und bin erstens noch nicht zu einem endgültigen Urteil gekommen, zweitens ist mein Eindruck aber weiterhin positiv. Das Weingut hat sich gegenüber meinem letzten Besuch außerdem vergrößert und zwar von drei auf nun stattliche vier Hektar. Die Cuvée Kalikasan aus 50CH 45PN und 5M, die außerdem einen Winzanteil von ca. 0,01PB enthalten (die Pflanzen sind einfach dazwischen gerutscht und wurden erst spät durch Zufall als Weißburgunder identifiziert), hat 0 g/l Dosage, was der einzige Unterschied zur Cuvée DiMangan ist (3 g/l Dosage aus Traubenmostkonzentrat). Erstaunlich, wieviel das bisschen Zucker ausmacht. Von hart, unerbittlich und trotzdem nicht ohne Charme hin zu offen, fruchtbar und spendabel mit nur 3 Gramm Dosage. Am besten gefiel mir diesmal die RoséCuvée Bathala aus 45CH 43PN 4M und 8% Rotweinzugabe. Lebhaft, mit voller Fruchtentfaltung, bei einem leicht oxidativ-milchschokoladig gehaltenen Stil, der mich außerdem an Trüffel mit Marc de Beaujolais Füllung denken ließ. Hagebutte, Konditoreiaromen und Veilchen rundeten das Erlebnis ab.

 

Der Schöpfer von Champagne Tristan H., der allezeit friedvolle, hintergründige und leicht verschmitzte Tristan Hyest brachte mit der Cuvée Brut Mature aus 55CH und 45PN aus dem Jahr 2004, 2012 dégorgiert, mal wieder eine Besonderheit mit, die ihm niemals auszugehen scheinen. Rauch und Röstnote von langem Hefelager, milde Laktik, etwas Brombeere, viel Körper, in den man sich hineingraben will. Preiselbeerkompott und Wildscheinpâté drängten sich dazu im Geiste förmlich auf, und ich in der Folge mich dem armen Tristan, um ihm am nächsten Tag einige Fläschelchen davon aus dem keller zu ent- und mit mir heimzuführen. Sein Rosé mit dem schönen Namen Iseult, der Blanc de Blancs und sein trotz des schwierigen Erntejahrs 2011 überaus gut gelungener, hiermit allseits nachdrücklichst empfohlener Brut nestätigten einmal mehr den früh, d.h. von Anfang an gehabten positiven Eindruck. Für mich bleibt jetzt nur abzuwarten, wie sich die verschiedenen Parcellaires und Spezialsachen über die Jahre entwickeln, wenn ich sie nicht vor der Zeit austrinke, was nicht unwahrscheinlich ist.

 

Benoît Déhu aus Fossoy brilliert nun schon etwas länger mit seinem Einzellagenprojekt La Rue des Noyers und macht die Leute verrückt, weil diese Form von Meunier (2012er Brut Nature, eichenfassvinifiziert und dort elf Monate verblieben) so vitalisierend und köstlich ist. Wichtig für mich: bei der Rue des Noyers lässt sich wie unter dem Mikroskop verfolgen, wie jede Änderung sich im Champagner auswirkt. Der Extra Brut 2011 mit zehn Monaten Fassausbau zum Beispiel ist mit einem (!) lachhaften Gramm dosiert und wirkt gleich viel langsamer, breiter, wenngleich immer noch sehr gut. Den Vorzug verdient aber 2012. Bei den Stillweinen ergibt sich ein ähnliches Bild, vor allem der Unterschied zwischen 2013 und 2011 ist frappant. Sehr eindrucksvoll sind auch die Unterschiede zwischen den verschiedenen Sektionen derselben Parzelle, auf die ich hier nicht näher eingehen muss, weil sie nur zu Demonstrationszwecken und nicht mit der Absicht jeweils eigener Vinifikation (was wohl ziemlich einzigartig wäre) vorgestellt wurden.

 

Pierre Amillet von Robert Moncuit aus Le Mesnil hat sich in Deutschland langsam aber stetig eine gewisse Gefolgschaft vor allem unter den sonst Stillweinfexen errungen und verdient. Sein Brut Grand Cru (mit 6 g/l dosiert und daher schon Extra Brut) und vor allem der Grand Cru Extra Brut (mit 3 g/l dosiert und daher schon Ultra Brut) haben schon lange meine Aufmerksamkeit und mehr noch die Jahr für Jahr gelungenen Jahrgänge. Jetzt kam krönend ein Parcellaire hinzu. Nicht aus irgendeiner Lage, sondern aus der Lage Les Chétillons. Die, so schien es immer, wurde einzig bespielt und dominiert von Pierre Peters. Doch das ist nun vorbei. Guy Charlemagne hat einen Chétillons rausgebracht und jetzt auch Pierre Amillet. Seiner ist Jahrgang 2008 und non dosé, bzw. bei Marktfreigabe im september 2015 wird er ausschließlich in Magnums und mit 2 g/l Dosage erhältlich sein. Wer da nicht zugreift, mach einen Riesenfehler. Bombastische Säure, Gojibeere und Himbeermark machen eindrucksvoll Weerbung für Robert Moncuit und bringen Leben in das sonst sehr abgesteckt wirkende Le Mesnil.

 

Laurent Vauversin von Champagne Vauversin aus Oger konnte mich nicht für seinen Brut Original Grand cru begeistern. Der war einfach zu hoch dosiert, 7 bis 10 g/l kann ich selbst ohne BSA nur schwer durchgehen lassen. Viel besser gefiel mir der Grand Cru Extra Brut Millésime 2008 von alten Reben, mit vollem BSA, einem minimalem Anteil Fassnutzung und 3 g/l. Da war der Zugriff, wie ich ihn mir bei der Basis gewünscht hätte. Unangefochten an der Spitze und Ausdruck seines Könnens ist nach wie vor die Réserve Orpair Grand Cru 2008. Schon im letzten Jahr war dieses freche Biest (damals noch 2007er Jahrgang) kaum zu bremsen. So versaut schmiegt und presst sich der Champagner an den Gaumen, dass man sich ganz verboten vorkommen muss. Zum Glück darf ich solche Champagner trinken, ohne gegen geltendes Recht zu verstoßen.

 

Champagne Denis Salomon aus Vandières hat mittelfristig einfach etwas mehr Biss nötig, um bei mir auf der Einkaufsliste zu landen. Gewiss: sein Inédite Brut Nature 2010 ist speichelfördernd und keineswegs schlecht, vor allem nicht zehrend oder übermäßig trocknend; was mir fehlt, sind bei dieser Cuvée aus 50PN 50CH Ideen, die den Selbstläufer, bei dem man nichts falsch machen kann, zum Iron Man oder sonstwas mit Merkcharakter machen. Der Millésime 2009 war mir mit 8 g/l deutlich zu hoch dosiert, Carte Noire (100M) und Rosé de Saignée (100M) leider ebenfalls. Im Restaurant und zu einer Küche, die keine Angst vor starken Aromen und reichtlich Salz hat, sind diese Champagner am besten aufgehoben, da gibt es die schönsten Paarungen.

 

Auf Fabien Grumier von Champagne Maurice Grumier habe ich mich gefreut, weil ich die Art, wie er die Champagnerklaviatur bespielt, sehr mag. Blanc de Noirs und Blanc de Blancs stehen gleichberechtigt nebeneinander, von hoch (9 g/l, die Cuvée Aline als weibliches gegenstück zum Amand sogar noch deutlich höher) bis niedrig dosiert (3 g/l), von aktueller Ernte bis zurück in das Jahr 2005 findet sich alles. Die Cuvée Amand bildet die Spitze und war dieses jahr mit nur noch 3 statt 6 g/l dosiert, was ihr sehr gut bekam. Dadurch verschwand etwas von der puttenhaften Pausbäckigkeit und der Holzeinsatz wirkte nicht mehr wie eine Babyschaukel, sondern schmückend wie ein dezenter Bilderrahmen. Schön war weiterhin der Rosé de Saignée Les Rosiers Extra Brut, ein 100PN ohne BSA, in dem verbindliche Freundlichkeit und herbe Strenge sehr passend vereint sind.

 

Jérôme Bourgeois von Champagne Bourgeois-Diaz aus Crouttes sur Marne hat letztes Jahr vor allem im Rosebereich gezeigt, was er kann. Dieses Jahr gab es seine Vins Clairs nach Rebsorten getrennt aus den Lagen Les Justices (Meunier aus dem 500-Liter Fass), Les Bien Aimées (PN, 600 Literfass) und Les Saint Méloirs (CH im 225-Liter Fass vinifiziert), beim Champagner gab es den 3C, naheliegenderweise aus allen drei Hauptrebsorten (40CH 35M 25PN), der trotz seiner nur 2 g/l Dosage uneingeliedert und unrund schmeckte, wie ich leider anmerken muss. Auch der Meunier "M" wusste nicht zu überzeugen. Zu bekannter Stärke fand erst der Blanc de Noirs "N" aus 40PN 60M mit 4 g/l Dosage zurück, Erde, Hagelzucker und schwerer Vorhangstoff, sehr schön umgesetzte Idee vom dunklen, schwarzen Charakter eines Blanc de Noirs.

 

Nathalie Falmet zeigte mit dem ZH 302 (das ist der Katastername der Parzelle) einen reinsortigen Meunier aus dem Erntejahr 2010, der im Holzfass vinifiziert wurde und undosiert geblieben ist. Nachdem die letzten Falmet-Champagner mir etwas lädiert vorkamen und auch in diesem Jahr weder der brut Nature noch der Brut auf Anhieb überzeugen konnten, ja sogar leicht käsig wirkten, war der ZH 302 genau das, was ich sonst mit dem Namen Falmet verbinde: schlank, schnittig, zestig, der BMW 507 unter den Champagnern.

 

Patrick Renaux von Champagne Soutiran aus Ambonnay versteht sich naturgemäß auf Pinot Noirs. Das mag in Ambonnay nich schwerfallen. Was mir dafür schon vor Jahren auffiel, ist sein Umgang mit Chardonnay. Statt sich nämlich auf die guten Ambonnaypinots zu verlassen, baut er in viele seiner Champagner erhebliche Anteile Chardonnay ein, so dass sich ein glückvolles Gleichgewicht ergibt. Etwas ähnliches muss der alte Dom Pérignon vorgehabt haben und sehr ähnlich, wenn auch mit einer Vielzahl an Parzellen aus einer Vielzahl verschiedenster Lagen, geht der Macher der heutigen Cuvée Dom Pérignon vor. Was zeigt, dass Patrick Regnaux mit seiner Arbeit so verkehrt nicht liegen kann. Womit man leben können muss, ist die hohe Reife und Süße seiner Champagner, selbst wenn zB in der Collection Privée Grand Cru Mis en Cave 2010 aus 53PN 47CH weit überwiegend aus dem Jahr 2008 und nur wenig (10%) 2009er lediglich 5 g/l Dosage zugegebn wurden. Am besten gefiel mir die Säure in dem dafür sowieso am besten geeigneten Jahrgangschampagner Millésime Grand Cru 2008 aus 47PN 53CH, die Perle Noire Grand Cru aus dem Jahr 2006 konnte verständlicherweise nicht mithalten.