Der Präsident der Deutschen Sommelierunion, Bernd Glauben, unterhält in Coburg ein hübsches Hotel mit kleinem, erst neulich renoviertem Gourmetrestaurant: die Goldene Traube in deren Esszimmer Stefan Beiter u.a. mit den Produkten der ägeschtzten Koblenzer Gewürzspezialisten Pfeffersack & Söhne kocht. Einmal im Jahr nun schart Max Hendlmeier seine Getreuen um sich und die folgen dem Ruf gerne, in berechtigter Erwartung großer Weinunterhaltung. Die sollte sich diesmal zu einem nicht ganz unwesentlichen Teil um Champagner drehen und an dem Punkt komme, ohne dass es besonderer Aufforderung bedarf, ich ins Spiel. Los ging's aber mit einigen gereiften Sächelchen wie dem Wegelerpaar

Wegeler Spätlese Rheingau 1995 und

Wegeler Spätlese Mosel Vintage Collection 1994,

wobei der Rheingauer noch sehr präsente Jugendlichkeit anzubieten hatte, bei reichlicher Süße, die mit der knackigen, frechen Mosel auf gutem Niveau konkurrierte.

Château de Beaucastel Châteauneuf-du-Pape Blanc 2006

wirkte auf mich schnapsig, breit, hatte keinerlei merkliche Säure und war für mich nur schwer zu trinken, um nicht zu sagen schwer erträglich. Deutlich besser gefiel mir die

Karthäuserhofberger Orthsberg Riesling Spätlese von 1971,

deren Oxidation, Butter, Öl und Firne jegliche Süße übertönten und verabschiedeten, aber noch ein wenig Mandarine übrigließen, was für einen immerhin versöhnlichen Abschied sorgte.

Als Überleitung zum ersten Gang gab es den Standardbrut von

Laurent-Perrier,

ein Champagner, der fein zum Tomateneis, Walnussbrioche, Beurre d'Isigny und zu Thymianpanettone passte, wobei ich das Tomateneis als die beste Kombination empfand, wegen der Kühle, Salzigkeit, unvermerkten Süße und weil die an sich für Weißweine aller Art nur schwer zu bewältigende Tomatigkeit hier glänzend eingefangen wurde.

Dann wurde es ernst.

Familia Rovira Carbonell Mas d'en Gil Coma Alta Priorat 2012,

brachte schubkarrenweise Kautschuk, Vulkanisationsaromen und den von mir nicht so sehr geliebten, als südeuropäischen Weissweincharakter verunglimpften Mix aus Hitze und Säurearmut. Fand ich solo nur solala, aber erstaunlicherweise tiptop zum Brioche.

Jean Thévenets Domaine de Bongran Macon Village Quintaine 1999,

ist der Wein aus alten Reben eines Weinverrückten, der in der Nase viel mit verbranntem Gummiboot gemein hatte, dann Brotkruste und Trockenfrüchte, vor allem Birne, Apfelringe aber auch Khaki offerierte, im Mund wirkte der Wein dann überraschend alkoholisch mit moderierender Erdnuss und diskreter, wenngleich überraschend hoher Süße, was wiederum fein zum Gänselebermuesli und zu der Kaffee-Apfelsphäre mit konzentriertem Maracujajus aus Stefan Beiters Küche passte. Denn speziell die Süße des Weins trat nun komplett zurueck und gab dem Kaffee Gelegenheit, kräftig in die Saiten zu greifen.

Raumland Blanc de Noirs Cuvée Marie Luise 1991, dég. 10. Januar 2005

war saftig, hatte nur noch wenig Sprudel, wirkte deshalb vielleicht besonders gewürzig, erinnerte mich vor allem an Lebkuchengewuerz und Rowald Hepp neben mir raunte etwas von Dosenchampignonwasser wahrgenommen zu haben, ein Eindruck den ich, einmal darauf gebracht, sogar teilen konnte; später zeigte sich noch Honig und die erste Ausgabe der Raumlandschen Geburtstagscuvée schmeckte ansprechend frisch, allerdings war sie auch mit merklicher Dosage versehen.

Domaine Leflaive Puligny-Montrachet Les Flatiers 2007,

war ein Win mit klassischem Burgunderzuschnitt, schlank, nussig, zum Essen mit dem Maß an Spannung und Lebhaftigkeit, das eine gelungene Paarung ausmacht,

Domaine Jacques Prieur Puligny-Montrachet Les Combettes 2002,

hingegen war deutlich eigensüchtiger, brachte schwere Ladungen von Kuchen, Safran, Kardamom, brauner Butter, hellem Karamell und Apfel mit, was ihn schwierig als Essensbegleiter machte, solo jedoch deutlich stärker und spaßhafter als den Leflaive.

Champagne Grongnet Carpe Diem Rosé,

hatte ich erst vor wenigen Wochen im Rahmen eines Rosé-Rundumchecks geöffnet und für einen saftigen Champagner gehalten, dessen recht dunkle Färbung einen gehaltvollen Wein auswies. Er wirkt hochdosiert, obwohl im schwachen extra Brut Bereich angesiedelt, passte aber genau deshalb spitze zum weissen Balsamicoessig mit Kasslerwürfelchen, Speck und Zander auf Linsenschaum mit Croûtons.

Keller Morstein 2008,

schien erst fett, dann wieder ausgedünnt und so ging es hin und her, bis zum Schluss hätte ich nicht sagen können ob der Wein nun mastig oder nicht doch eher schlank ist. Positiv fiel mir eine Note von schwarzem Tee auf, dazu eine elegante Süße, trotzdem war es der bäuerlichste Wein in diesem flight, bei aller durchscheinenden Gelehrtheit.

Kühling-Gillot Rothenberg 2008,

war ohne jeden Zweifel vom Start weg schlank, geschwind, leicht grasig, mit einem Charakter von Tee aus Bambusblättern, gleichzeitig kühlend, fliessend, wenn nicht sogar reißend, ein sehr starker Wein.

Heymann-Löwenstein Uhlen 2008,

war der filigranste von den dreien, leichtes Prickeln ließ ihn dabei noch leichter wirken, der feine Schieferstinker gab ihm aber die nötige Bodenhaftung und kompliziert ist der Wein bei aller Leichtigkeit trotzdem. Das unbeschwertere Trinkvergnügen bot für mich der Rothenberg.

Champagne Vincent Charlot Rosé Le Rubis de la Dune

war einer der von mir mitgebrachten Champagner vom jungen Biowinzer Vincent Charlot, bei dem ein Besuch sich allemal lohnt. Der Champagner braucht sehr viel Luft, um Blütenblaetter, vor allem Rose, zu zeigen, wirkt dann aber nicht trivial floral, sondern sehr glatt, sehr gekonnt und sehr eingängig; zum Lango mit 1a-Salzeinsatz von Stefan Beiter sind meiner Meinung nach Heymann-Löwenstein mit seinem Schieferstinker, Kühling-Gillot wegen seines enormes Durchzugsvermögens und Charlot als Komplexitätszusatz am besten gewesen.

Pommery Louise 1999,

gehört zu den Champagnern, die ich im letzten Jahr sicher mit am häufigsten getrunken habe. Das liegt daran, dass diese Cuvée so unverbrüchlich lang, fein, biscuithaft und konstant ist, wenn ich das richtig wahrnehme sich zudem auch noch verfeinert hat und auf diesem Niveau gerne noch ein paar Jahre verweilen darf.

Diebolt-Vallois Vintage 1999,

schien mir zuerst mit einem großen Fragezeichen versehen und weit davon entfernt, die beste Wahl zu sein. Nach der Louise hatte ich die Befürchtung, dass der normale Vintage es vielleicht nicht schaffen könnte oder dass ein Blanc de Blancs doch der geeignetere Champagner gewesen sein könnte. Aber sachte – auf Meister Diebolt ist Verlass und sein Jahrgang war nur kräftiger, nicht rustikaler als die Louise. Zum Steinbutt mit Kalbslunge, Kalbsherz, Sardellenkapernpesto, fritierter Steinbutthaut, passte die Louise weil sie eine Art Allzuständigkeit hat, wie sie den großen Prestigecuvée nunmal eignet. Aus dem genetischen Material hunderter Crus können diese Champagner quasi auf jede Speise eine passende Antwort geben. Anders ist das bei den kleineren Winzern, die müssen vom Kombinatuer passgenau in Stellung gebracht werden, was bei diesem schwierigen Gang hervorragend glückte. Der Steinbutt holte wirklich alles aus dem Diebolt raus und die verschiedenen Innereien wirkten zusammen mit der fritiertern Steinbutthaut als zusätzlicher Ansporn, wobei vor allem der Apfel eine klasse Vorstellung abgab.

Elio Altare Arborina 1998,

war erst verspielt wie ein Kätzchen und hatte auch eine unkomplizierte Eingängigkeit, die an Miracolispaghetti erinnert, ein absoluter Selbstläufer eben. Das änderte sich mit der Zeit und aus dem verspielten Kätzchen wurde ein eleganter, donnahafter Wein.

Marques de Murrieta Castillo Ygay Gran Reserva Especial Cosecha 1998,

war die ganze zeit zurückhaltend, ohne besonders vornehm dabei zu wirken, sondern eher verengt und konzentriert; war nicht sein Tag oder er braucht viel Luft.

Château La Nerthe Châteauneuf-du-Pape 1993,

bestach mit einem gewissen Bordeauxparfum, war aber nicht gerade das was man ein powerhouse nennen würde, im Endeffekt beschränkte sich der Wein auf eine brombeerige Wirkung.

Champagne Paul Bara Rosé 2008,

wollte in den ersten Augenblicken nach dem einschenken kaum mehr offenbaren, als eine medizinale Herbe, besann sich dann aber anders und offerierte sein ganzes ultrafeingestricktes Innenleben, das ihn als erstklassigen Champagner auswies, mit nur wenig und sehr gekonnt eingesetzter Haselnuss.

Champagne Maurice Grumier Rosé Les Rosiers,

war danach viel dunkler, so dass eine Kombination mit dem grongnet zumindest optisch nahegelegen hätte. Diese Entscheidung wäre aber grundfalsch gewesen, denn die Champagner sind grundverschieden. Der von Maurice Grumier ist einer, der sogar mit frischem Liebstöckel aufwarten kann, ohne gleich alt und kaputt zu wirken, im Mund ist er kompromisslos trocken, hat ein wenig Cassis und ein geradezu fränkisches Gemüt, was die Lakonik angeht, mit der er so entzückend wie kommentarlos trocken ist. Perlhuhn mit gebackenem Kalbskopf und Albatrueffel ist dazu natürlich nur eine von vielen denkbaren Kombinationen und eigentlich ein Leichtes, ja zu leichtes Spiel. Aber vergessen wir nicht, dass der Champagner nicht alleine stand, sondern noch weitere Mitspieler sich abzuarbeiten hatten. Das gelang dem Altare sehr gut, bei dem man so etwas wie heimatliche Verbundenheit aufkommen sah, der Marques wirkte weiterhin beleidigt und der La Nerthe überfordert. Paul Bara hingegen schlug sich schnell in das Lager von Maurice Grumier und spielte den ganzen Charme seiner milden haselnussigkeit gegen den Trüffel aus, woraufhin beide gewannen. Zum Huhn wie zum Kalbskopf bedarf eigentlich keiner Erwähnung, dass beide Champagner brillierten.

Pirat, Pichon-Comtesse 1986,

das war der eindeutig maskulinere Wein und ich habe in Richtung Pichon-Baron getippt, was soo verkehrt ja nun auch wieder nicht ist.

Pirat, Pichon Comtesse 1989,

klassische Schönheit, wollüstig ausgeprägt. Ein köstlicher Wein, der noch lange Spass machen wird.

Zur Sättigung gab es gebratenes Lamm mit Quinoa und Chorizo, in Thymiankruste und mit Auberginenpuree.

Solaia 1995,

lief dazu gut rein, war easydrinking von der bequemsten Art, das einzig komplexe an diesem Wein war eine gewisse Moncherienote, die aber nicht alkoholisch wirkte und eben Resultat eines sehr gute Weintechnik ist, die es zudem noch schafft, die Fleischigkeit von Schaschlikspiessen und rote Grillpaprika aromatisch zu verbauen. Nobrainer zum Lamm.

Ridge Zinfandel 1995,

hatte eine Nase voll flüchtiger Säure, wirkte auf mich etwas barock durch seine Wucht, den vielen Alkohol und die sofortige, drängende körperliche Präsenz. Zum Glück nimmt sich der Wein mit Luft zurück, bleibt aber fett; für mich ist das ein authentischer, klarer Stoff, dessen Tannin spät aber prononciert durchdrückt und alles in allem ist der Wein der ideale Ersatz für ein eigenes Selbstbewusstsein, da er selbst so viel davon hat. Zum Lamm eine sehr gute Wahl für starke Esser.

G.D. Vajra Kyè Freisa 2010,

zurückhaltend, im Gegensatz zum Ygay aber gentlemanlike, leider zum Essen etwas profilarm, beim Fleisch wirkt die Nase spritig, je mehr Luft und Temperatur er bekommt, desto schokoladiger wird der Wein, wobei die Schokolade hier kakaoig und gesund ist, nicht ausgezehrt, milchschokoladig wie bei toten Altweinen.

Seghesio Sonoma Zinfandel 2011,

der Wein war nix. Er roch wie eine Dornfelderneuzuechtung riechen könnte, samtig, blumig, sehr weich bis matschig und so schmeckte er auch, straffte sich mit Luft etwas, blieb aber wenig bemerkenswert.

Champagne Paul Bara Rosé Special Club 2008,

war zum Lamm und vor allem zur Jus perfekt, für mich vielleicht sogar die Kombination des Abends.

Margaux 1994,

stellte sich etwas verrückt an, erst mit schwarzem Tee, Graphit und Gemüse, dann wild rotierend und zum Schluss überlegen, könnerhaft und dank einer sehr stabilen Struktur ragend. Bordeauxfexe sollten da mal genauer hingucken, einige werden sich sicher wundern und freuen.

Château d'Yquem 1986,

war schön und gut, aber ist überhaupt nicht meine Art von Wein. In der Nase schlug mir erst ein unschöner Schwimmbadgeruch entgegen, danach Privatjet mit Rosenholzausstattung und crèmfarbenem Leder, also eigentlich alles, was ich aus Gründen des Klassenkampfes ablehnen müsste, wenn ich mich denn für Kommunismusfolklore interessieren würde. Tu ich aber nicht; mir war der Wein trotzdem zu viel, ein bisschen, als würde man ein kleines Kind in einem Hussel-Laden einsperren und es sich dort überfressen lassen. Dass man nach einem Gläschen davon nicht platzt, ist eigentlich ein Wunder und liegt sicher auch daran, dass der Yquem unter allen mir bekannten Sauternes doch immer noch derjenige ist, dem man seine Dichte schier nicht abkaufen will, so schmetterlingshaft leicht gibt er sich. Da bleibe ich, bei aller Achtung vor dem Kunststück, die gewaltsame Vielzahl an kandierten Fruchtaromen, feinstem Gewürz und Gebäckzutaten in einen Wein zu bringen, ohne dass er zu einem Stück festen Nougats gerinnt, am Ende aber doch lieber an der Mosel.

Ferreira Vintage Port 1982,

wirkte auf mich erst gar nicht wie Port, altersmäßig hätte ich ihn sowieso nicht auf 1982 geschätzt; wobei ich im schätzen ohnehin nicht besonders gut bin. Die Aromatik irritierte etwas, ich gebe auch zu, den Wein gar nicht für Port gehalten zu haben, sondern irgendetwas ganz anderes, aber was soll's. Es war eben Port und einer, der mir zum Zitronenschaum mit Kreuzkümnel Rote Bete, Zitronenmarshmallow, Schokopraline, Bananensorbet, ja sogar zum Whiskyschaum, zu Nougat, gelierter Schokolade mit weißem Trüffel und Cassiswürfel sehr gut gefiel.