Pierre-Emmanuel hat mit Hilfe der Crédit Agricole du Nord-Est sein Champagnerhaus und die alte Taittinger-Partnerschaft Domaine Carneros zurückgekauft, nachdem Starwood die Mehrheit an der Société du Louvre von Taittinger übernommen hatte. Starwood war glücklicherweise nur am Hotelteil der vormaligen Taittinger-Gruppe (zu der neben dem berühmten Hôtel de Crillon u.a. Bouvet-Ladubay, Baccarat und der Edelparfumeur Annick Goutal gehörten) interessiert und hat in der wenige Monate währenden Eigentumszeit keinerlei Einfluss auf die Geschäftsführung bei Champagne Taittinger genommen. Taittinger ist damit eines der letzten großen Häuser in den Händen der Namensträger, geleitet von Vater Pierre-Emmanuel, Sohn Clovis und Tochter Vitalie. In Reims war ich mit der liebenswürdigen Vitalie Taittinger zum Plausch verabredet.
Der durch die Generation der Kinder verjüngte Familienspirit durchweht das gesamte Unternehmen und setzt sich bis in die einzelnen Champagner fort. Die famosen Entertainerqualitäten von Pierre-Emmanuel Taittinger finden sich in den Champagnern des Hauses wieder, wie ich meine. Der kunstfreundliche Impetus setzt sich bei Vitalie Taittinger fort, Absolventin der École de Dessin Emile Cohl und den für die Champagnerhäuser traditionell wichtigen Export verantwortet Clovis.
Was macht nun den Geist der Familie aus und wie schlägt sich das im Champagner nieder? Ich meine, es ist die Harmonie der Taittingerschen Champagner, die besonders bemerkenswert ist. Freilich: jedes Champagnerhaus nimmt für sich in Anspruch, harmonische oder besonders elegante oder raffinierte Champagner zu machen. Doch immer wieder enttäuschen Champagner bekannter Marken durch einfältige Frucht und zuckrige Schminke. Viele qualitätsbewusste und meist kleinere Erzeuger gehen deshalb den Weg einer biodynamischen oder biologisch zertifizierten Traubenproduktion, der sich eine eingriffsarme Vinifikation mit geringstmöglicher Abschlussdosage anschließt. Auch an Taittinger ist der Trend zur (Re-)Biologisierung des Champagners nicht vorbeigegangen. Auf 3 ha Versuchsfläche wird unter anderem mit biodynamischen Methoden gearbeitet und was sich als tragfähig erweist, wird übernommen; über company carbon footprint und nachhaltige Bewirtschaftung der Umweltressourcen hat sich die Firma schon lange Gedanken gemacht. Mit durchschnittlich 9 g/l sind die Champagner von Taittinger geringer dosiert, als große Häuser vor sagen wir mal zehn Jahren dosiert haben. Doch sind 9 g/l noch weit weg von den Extra oder Ultra Brut dosierten Champagnern der erfolgreichen Nobelwinzer. Das kann auch ruhig so bleiben. Denn keiner der Champagner von Taittinger wirkt aufgesetzt, hohl, mißtönend oder ungleichgewichtig. Stets bildet gesunder Chardonnay den harten Kern um den herum sich die ausgleichend weiche Pinotweinigkeit und Frucht schmiegt. Ein Weniger an Dosage würde hier nicht ohne weiteres einem Mehr an Geschmack, Qualität oder eben Harmonie bedeuten.
a) Millésime 2004
50CH 50PN, mit 9 g/l dosiert.
Zuletzt hatte ich diesen Champagner auf der Meininger-Probe während der ProWein getrunken. Hefige und mandelige Aromen, auch weiße Blüten, eine ganz zarte Nussigkeit, reife Zitrusaromen und eine gewisse Apfeligkeit hatte ich vorgefunden und denselben geschmacklichen Eindruck hatte ich ganz überwiegend auch in Reims. Die Struktur ist im Gegensatz zur ProWein, wo mir der Champagner aufgrund seiner nicht zuletzt dosagebedingten Dichte etwas schwer vorkam, klarer geworden, was zum Glück nicht auf Kosten der Harmonie erfolgte. Um ihn für einen süffigen Champagner zu halten, fehlte mir damals wie heute die für diesen Stil erforderliche Spritzigkeit, der 2004er hat gerade nicht das überschäumende und rein spaßhafte Naturell der Partychampagner und ist nach meiner bisherigen Erfahrung weder vom Jahrgang her dafür geeignet, noch entspräche diese Art von Champagner dem Stil des Hauses.
b) Prélude Grand Cru
50PN 50CH.
Der ursprüngliche Prélude war eine Cuvée für das Jahr 2000, damals gab es sie in Magnums mit einem Aufdruck der unvermeidlichen Grace Kelly. Diese Flaschen sind teilweise heute noch zu bekommen und wenn der Preis stimmt, kann ich nur dringend empfehlen, sie zu kaufen. Der Prélude waren schon vor Jahren hervorragend trinkbar und haben jetzt bei guten Exemplaren eine verführerisch toastige Reifenote hinzugewonnen, aber leider gibt es bei den kursierenden Flaschen auch eine beträchtliche Zahl Ausfaller. Die frische Ausgabe des Prélude ist vom selben Charakter wie der Millésime, er wirkt nur auf den ersten Schluck ein wenig ernster, offenbart aber dann schnell sein freundliches, weichherziges Gemüt und noble Herkunft.
c) Folies de la Marquetterie
45CH 55 PN aus den Weinbergen rund um das Château de la Marquetterie in Pierry, Vinifikation teils in kleinen Eichenfässern
Den überwiegenden Pinotanteil kann man schnell anhand der goldenen Färbung identifizieren. Technisch handelt es sich um einen Premier Cru. Aromatisch ist der Champagner einer der fülligsten von Taittinger, die Zusammenstellung hat etwas rokokohaftes: rundliche Früchte und runde, verspielte Formen, Feigen, Orangen, Strauchrosen; Arkadien im Glas.
d) Cuvée Prestige Rosé
70PN 30CH, Assemblagerosé mit 15% Stillwein aus der Montagne de Reims und aus Les Riceys,
dazu gab es im zauberhaften Jardin des Crayères: Champagnerlinsen mit pochiertem Ei und geröstetem Brotnetz, danach geschmorte Kalbsbäckchen im Sud, sowie Parmesankartoffeln.
Bei Taittinger wird der Rosé zu fruchtigen Desserts empfohlen, was ich nicht unterstützen kann. Es sind im Gegenteil die herzhaften, aber nicht schweren Hauptgerichte und kleineren Speisen, zu denen sich dieser Champagner empfiehlt. Der vergleichsweise hohe Anteil an rotem Stillwein verleiht ihm nämlich eine untergründige Kraft, die zusammen mit den hervortretenden empyreumatischen Noten des Chardonnay bestens zu den Linsen mit Ei und zu geröstetem Brot passen. Eine schwierigere Aufgabe hatte der Champagner mit den Kalbsbäckchen zu bewältigen. Die kamen nicht in dicker Bratensauce, sondern in einem trotz seiner Konzentration leichten Gemüsesud auf den Tisch. Zu einem derart zubereiteten Kalbfleisch sind kräftige Chardonnays eine gute Wahl, doch besser sind meiner Meinung nach Rosés, wie sich dann schnell bestätigte. Die zarten, saftigen Kalbsbäckchen badeten ausgiebig im rötlichen Sprudel und sogen sich am Gaumen voll damit, bis sie von den Parmesankartoffeln abgelöst wurden, die von der kristallinen Struktur des Käses sehr profitierten.