Jahrgangschampagner haben ein längeres Flaschenleben, als gemeinhin für möglich gehalten wird. Gerade die Achtzigerjahre zeigen abseits des unsterblichen 1988ers momentan sehr erfreuliche Resultate und sind noch in genügender Menge auf dem Markt zu haben, so dass die Schnäppchensuche sich lohnt. Über das Vergnügen am reifen Jahrgangschampagner hinaus ist es in mehrfacher Hinsicht besonders lohnend, die Jahrgänge in der gewöhnlichen und in der Prestigeausgabe nebeneinander zu probieren – so gewaltig sind die Unterschiede nicht und bei einem Preisverhältnis von ca. 1 : 3 kann es auch wegen der Korkgefahr ratsam sein, lieber drei Flaschen vom Jahrgang zu kaufen, als ein Fläschchen Prestigecuvée.
I.1 Moet & Chandon Millésime 1980
Putzmunter, mit einer Weite und Fülle, die ich dem alten Knaben um ein Haar nicht hätte zutrauen wollen und die mich besonders deshalb glücklich stimmte, weil ich mir, noch ganz unter dem Eindruck des einfachen Jahrgangsmoet, vom Dom Pérignon aus demselben Jahr noch ein Schippchen mehr versprechen zu dürfen einfach annahm. Wie eine Tennisballkanone schoss der Champagner Apfelaromakugeln ab, alle reif, aber alle mit so viel Druck, dass es für ein internationales Turnier mit großen Namen locker gereicht hätte. Bratapfel, Honig, weiße Blüten, jugendfrische Säure, etwas Zimtstange, viel Toast und kaffeesatzartiges Röstaroma nebst ein paar Nüsschen. Mit Luft sogar noch wohlgeformter, aber auch mit einem etwas kürzeren Mundgesamteindruck.
I.2 Moet & Chandon Dom Pérignon 1980
Dieser Champagner hatte es vorher noch nicht geschafft, mich zu begeistern. Ich hielt im Gegenteil das Jahr für mäßig, das Potential auf der Flasche für eine Sache der Vergangenheit und den 80er Dom für eine nicht maßlose, aber doch mittlere Enttäuschung. Das kann so nicht stehenbleiben. Der 80er Dom legte noch die erwartete Schippe an Weltläufigkeit auf den Jahrgangsmoet drauf, wirkte aber nicht nur aromatisch komplexer, weniger mit explosivem Druck, als vielmehr mit hydraulischem, sanfter wirkendem Druck ausgestattet, der sich vornehmlich als sahniges Mousseux äußerte. Und leicht war er, so tranceerzeugend leicht, einem außerkörperlichen Nahtoderlebnis gleich. Für diese Art von Champagner kann man gar nicht dankbar genug sein.
II.1 Veuve Clicquot Millésime 1983
Meine letzten Flaschen dieses reifen, aber noch nicht zu Ende gereiften Champagners habe ich nun endgültig Bacchus geopfert. Jede einzelne davon hat sich gelohnt und nicht ein einziger Korker war dabei, leider ganz im Gegensatz zu den Grandes Dames mehrerer Jahrgänge. Stämmig ist die 83er Veuve, auf kräftigen Beinen, aber mit knackiger, schnittiger Säure, ganz der Typ selbstbewußte und nicht auf den Kopf gefallene Bürgersfrau mit scharfem Mundwerk. Weinig, mit Champignon, Toast und einer aromatischen Konzentration von gutem Bratensaft.
II.2 Veuve Clicquot La Grande Dame 1983
Eine der zu vielen Flaschen, die mit einem Korkschleicher versehen waren und spontan Größe zeigten, mit jeden genaueren Hineinriechen aber einesteils Hoffnung, andernteils Zweifel und Enttäuschung wachsen ließen. Die Verwandtschaft zur 83er Veuve war überdeutlich und wie bei den 80er Moetchampagnern war mit jedem Schluck spürbar, dass die Prestigeversion in Hochform ein Unterhaltungspaket der Extraklasse abzuliefern gehabt hätte. Leider war die Grande Dame verschnupft und ließ ihre herrlichen Formen nur unter einem kaschierenden und jede Form von Sexyness weitgehend vernichtenden TCA-Mantel ahnen.
II.3 Pommery Millésime 1983 en Magnum
Versöhnlich stimmte der einwandfreie Pommery, den ich gleich hinter dem 80er Dom ansiedeln würde. Was für ein feiner Champagner, Kim Basinger kann in 9 1/2 Wochen nicht erotisierender auf das Publikum gewirkt haben. Voll zur Geltung kam hier der Großformatvorteil, die zeitbedingt höhere Dosierung hätte in der Normalflasche den Champagner vielleicht etwas simpel wirken lassen, in der Magnum ist der Eindruck dagegen nicht überkanditelt oder überfrachtet, der Champagner kommt nur reicher, nicht pompöser daher, die Aromenvielfalt verteilt sich optimal und gibt der Säure Gelegenheit, sich auch mal zu zeigen, ohne dass sie sich durch eine Lage zusammengepresster Aromen hindurchschlängeln muss und müde wirkt, wenn sie am Gaumen ankommt.
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