Im Vorfeld der großen Verkostungstage in der Champagne tummle ich mich gern schonmal bei den Erzeugern, um mir einen ersten Eindruck von der letzten Ernte zu verschaffen und mir ein paar Vins Clairs zu Gemüte zu führen. Bei manchen Winzern bin ich ganz gezielt, weil ich um den Rummel weiß, der bei den Verkostungen immer herrscht, weil dort für manche Detailbetrachtung einfach kein Raum ist und manches Gespräch auf der Strecke bleibt. Zu manchen Winzern zieht es mich aus reiner Neugier oder weil ich bestimmte Eindrücke verfestigen oder in Frage stellen will.
Zu Fabien Grumier aus Venteuil zog es mich, weil ich seine Champagner immer sehr homogen und dicht beieinander fand, aber notgedrungen nur einen sehr schmalen Einblick hatte und nun endlich das ganze Programm erforschen wollte. Einen geeigneteren ort dafür, als sein Haus in Venteuil gibt es nicht. Es liegt direkt gegenüber dem Château de Boursault am Hügel von Venteuil und bietet eine fast unschlagbare Sicht über das an dieser Stelle mitunter schon recht zugige Marnetal. Diese Zugigkeit (auf die sogar der Ortsname schon hinweist) ist von Vorteil, wenn es um die Rebstockgesundheit geht, führt jedoch in schwächeren Jahren zu Reifeproblemen und der ungeliebten grünen Note beim Meunier, der hier überwiegend steht. Bei Maurice Grumier (gegründet 1743, im selben Jahr wie Moet et Chandon) stehen die Reben nicht nur in Venteuil, sondern auch auf der gegenüberliegenden Seite, im berühmten Festigny, was an der geschützteren Lage liegen mag. Ganz gleich, es galt, zu trinken:
Brut 80PM 20PN Festigny und Dormans, mit 9g/l dosiert, war nussig, leicht und fein, wegen der nicht gerade sparsamen Dosage aber etwas klebrig am Gaumen. Für einen Brut Traition völlig in Ordnung. In Ordnung aber auch, weil diese gemütliche, aber nicht breiige, sondern eher barockisierende Art sich durch das ganze Programm zieht und mit den weiteren Cuvées in unterschiedlicher Fassung herausgearbeitet wird.
Brut Reserve ist ein Drittelmix und liegt drei Jahre auf der Hefe, 40% Reserve stammen aus Solera, dosiert ist mit 7,5 g/l, der Reserve ist gegenüber dem Brut Tradition schon deutlich komplexer, aufgespreizter und aufreizender im Duft, der leicht minzig und leicht brotig rüberkommt, als würde man das Innere von After Eights auf Stullen geschmiert haben, was mir sehr gut gefiel.
Der Ultra Brut ist an sich genau wie der Reserve gemacht, nur mit zwei Flaschenjahren mehr, d.h. aktuell auf der Basis von 2009 mit 2008 und Solera, wobei mir hier eine individuelle Herbe auffiel, die sich oft in Ultra bruts wiederfindet und einer der Gründe dafür ist, manchmal vielleicht doch lieber noch ein winziges bisschen mehr Dosage zu verwenden.
Blanc de Blancs mit Chardonnay aus Venteuil, 2010er mit 09 und 08, dosiert mit 6 g/l ist ein eleganter, leichter Vertreter mit hellwacher Säure. Dieses Konzentrat Alter Reben (vom Vater 1975 gepflanzt) lässt sich schwer einschätzen. Die Säure ist voll da, nur verhält sich der Champagner ganz anders, als man bei dieser Präsenz vermuten würde. Für südliche Côte des Blancs fehlt die Härte, für nördliche Côte des Blancs Exotik, Frucht und Blumigkeit. Für Montagne de Reims reicht die Athletik nicht. Als Gebietsmix geht er wiederum auch nicht durch, so dass man blind auf die Idee kommen könnte, es handle sich um einen der Chardonnays aus der Côte des Bar oder aus dem kürzlich und tatsächlich zeitlich auch erst wenige Tage vorher entdeckten bzw. bereisten Vitryat. Nur auf Vallée de la Marne kommt man nicht so leicht, es weiß schließlich sowieso kaum jemand, dass hier brauchbarer Chardonnay wächst.
Der 2006er Extra Brut, den ich zuletzt zu meinem großen Ärger korkig erleben musste, wurde mir als Problemcharge wegen schlechter Korken von Fabien bestätigt und sein Ärger darüber wird noch viel größer sein als meiner, Dieser 06er ist aber ok. 75CH 25PN, die Jahrgänge von Fabien liegen immer mindestens sechs Jahre und das hier ist sein erster nach Abschluss des Lycee in Avize selbst verantworteter aus dem Jahr der Betriebsübernahme. 4 g/l Dosage reichten völlig aus, denn das Zucker-Säure-Gleichgewicht war naturbedingt nur auf niedrigem Niveau. Bei reicher Ernte im heissen Jahr hätte mehr Zucker nur geschadet, in den Jahren 2005, 06, 07 war das in der Gegend regelmäßig ein Problem. Der 2006er von fabien ist aber gelungen, kein Champagner für die Ewigkeit, aber ein geschickt zusammengestellter Mix, dessen Chardonnayfrische, Pinotweinigkeit und Reife einen freundlichen Wein ergeben, der vor allem Neulinge im Extra Brut Bereich begeistern wird.
Nun zur Cuvée Amand, eine Großvaterhommagecuvée, 50/50 PN/CH mit Barriqueeinsatz und batonnage, Basis 2006 mit 05, ohne Kaltpassage und Filtration. Ganz schön üppig, ganz schön schön und wenn man sich durch die anderen Cuvées bis nhierhin vorgearbeitet hat, der logische Schlusspunkt. Danach ist nach jetzigem Stand erstmal nichts weiter zu erwarten, die Cuvée Amand vereinigt voraussichtlich für die nächste Zeit alles, was den Grumier-Stil ausmacht in sich.
Ein anderes Thema und wie bei den meisten Erzeugern eher eine Seitenlinie ist der Rosé. Der Rosé Assemblage auf Basis der Reserve mit 10% Rotwein aus der Lage Les Rosiers, gepflanzt 1956, hat eine leicht alkoholische Nase, die sich wegen der immerhin 8g/l Dosage im Mund nicht fort- oder durchsetzt und vor allem nicht stark hervorschmeckt, wobei der Zucker wiederum eine Art Candykruste erzeugt. Kein ganz leicht zu kombinierender Rosé, den ich solo nicht empfehlen würde, sondern immer mit etwas Essbarem dazu, am besten wahrscheinlich mild gesalzenen Schinken.
Der Rosé Les Rosiers ist das Mutterschiff zum Assemblagerosé, auf 2012er Basis ohne BSA, 4g/l, Saignée 100PN, hat er eine hohe Aromenkonzentration, viel rote Frucht, Power, Länge, und eine ganz andere Art von Gastrofreundlichkeit, nämlich eine im doppelten Sinne: der unauffällig eingearbeitete Hagebuttentee, die Blüten und das unaggressiv-quirlige Element stimmen den Magen freundlich und den auf Magenverwöhnung gerichteten Gastronomensinn gleich mit, weil die Kombinationsmöglichkeiten hier sehr vielfältig sind.
Die Cuvée Aline ist dieselbe Cuvée wie Amand aber demi sec mit 40g/l dosiert, was auf hohem Niveau balanciert wirkt, wie ein Veuve Clicquot Riche Reserve Klon, wobei hier Holz, Reife und Zucker das Dreigestirn bilden.
Abschließend gab es noch einen umwerfend schönen 1996er, deg. 2006, stark, reif, saftig, reichhaltig, mit Bienenwachs, weissem Pfeffer und Honig, ein Paradeexemplar für gelungene Vinifikation des anstrengenden Jahrgangs 1996.