Sekt, Schaumwein, Perlwein

Bach/Troost/Rhein

Ulmer, 3. A. 2010

448 Seiten

69,90 €

ISBN: 3-8001-6412-7

 

Nach fünfzehn Jahren und zahlreichen Gesetzesänderungen – die nicht vollumfänglich in der Neuauflage berücksichtigt werden konnten, weil der Gesetzgebungsprozess noch in vollem Gange war – gibt es manche Neuerung nicht nur für den deutschen Schaumweinpraktiker. Ebenfalls geändert hat sich die Bearbeiterstruktur des Standardwerks. Von der bisherigen Autorentrias ist als Alleinbearbeiter Hans-Peter Bach übriggeblieben, die beiden anderen sind zwischenzeitlich leider verstorben. Die nicht ganz einfache Aufgabe, das umfangreiche Werk überarbeiten und anpassen zu müssen, hat Bach gut gelöst. Freilich, der Veröffentlichungszeitpunkt ist ungünstig, denn gerade im Angesicht einer vor dem Abschluss stehenden Weinrechtsnovellierung mag es fruchtbringender erscheinen, noch ein wenig mit der Veröffentlichung abzuwarten. Andererseits ist gerade das Europarecht ständig im Fluss und eine Neuauflage war längst schon überfällig. So mag denn an der einen oder anderen Stelle das Werk nicht nahtlos an das neue Recht anknüpfen, doch zumindest ich kann dafür Verständnis aufbringen.

Der deutsche Sektmarkt wird bekanntlich dominiert von Großerzeugern, die im Tankgärverfahren gewaltige Mengen Prickelstoff produzieren. Demgemäß richtet sich ein Sektbuch tunlichst an jene, die sich mit den Eigenheiten und Problemen dieser Methode bereits jetzt täglich auseinandersetzen oder vorhaben, das zu tun. Diesem Ansatz ist Hans-Peter Bach treu geblieben. In den letzten Jahren kam jedoch die Winzersektszene merklich in Bewegung. Dieser Tendenz wollte sich der Verlag offenbar nicht verschließen. Daher ist in der Neuauflage dem flaschenvergorenen Schaumwein ein breiterer Platz eingeräumt, als bisher. Ich begrüße das sehr. Überaus begrüßenswert ist zudem die Preisanpassung nach unten. Statt wie bisher 99,00 € schuldet der Erwerber seinem Vertrauensbuchhändler für das neu aufgelegte Werk nur noch 69,90 €, muss jedoch eine Verringerung des Buchumfangs von ehemals mehr als 600 Seiten auf nunmehr knapp 450 Seiten hinnehmen. Die Aufmachung ist behutsam modernisiert worden, viele bewährte Graphiken hat Bach aus dem Vorgänger übernommen – schade nur, dass er z.B. auf S. 44 nicht die gesamte Graphik übernommen hat. Im Vorgänger wird nämlich noch die Schwankungsbreite beim Flaschendruck gezeigt, die zum Teil bedenklich unterhalb des gesetzlich festgeschriebenen Mindestdrucks liegt. Gerade im Angesicht der Diskussion über Flaschenminderdruck, bzw. zugesetzte Industriekohlensäure in deutschen Schaumweinen wären ein paar erläuternde Worte nicht schädlich gewesen.

Der Aufbau ist noch immer übersichtlich und zerfällt in sieben statt bisher sechs Teile. Der erste Teil ist eine kurze, allgemein gehaltene Einführung in das Thema, im zweiten Teil geht es um die Grundweine, im dritten sodann um die Hilfsmittel der Schaumweinherstellung. Teil Vier befasst sich mit den verschiedenen Methoden der Schaumerzeugung und der fünfte Teil ist komplett der Flaschengärung nach klassischer Methode gewidmet. Dem schließt sich ein Kapitel über Kohlendioxid an und zum Schluss folgt ein Kapitel über betriebliches Qualitätsmanagement.

Lag im Vorgängerband der Schwerpunkt ganz klar im Bereich der Schaumweinerzeugung unter industriellen Bedingungen mit einer ausführlichen Vorstellung von Geräten, Maschinen und Apparaten, so hat sich in der Neuauflage der Akzent wohltuend verschoben. Für viele Weinerzeuger, die mit einem Qualitätsschaumwein nicht mehr nur als Abfallprodukt der Stillweinproduktion, sondern als Aushängeschild liebäugeln, bietet das Werk eine solide Handhabe. Für die Produktion von Winzersekt aus dem Stegreif sind die Ausführungen freilich nicht geeignet, Anfängern sei das Buch mehr als Lehrwerk denn als Praxisleitfaden anempfohlen. Winzer mit Stillweinerfahrung und ausgeprägtem Interesse an den Grundlagen einer guten eigenen Sektproduktion dürfte das Buch schon wesentlich bessere Hilfestellung bieten. Dem wichtigen Thema "Schwefelung" wird im gesamten Werk ausreichend Platz eingeräumt. Wie bedeutsam die Schwefelfrage ist, zeigt übrigens der gerade erst an dieser Problematik gescheiterte Biowein-Entwurf von EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos.

Die Punkte Abwasser/Abwasseraufbereitung, Unfallschutz und Produktionsplanung am Ende der 2. Auflage sind zugunsten einer auf kleinere Betriebe zugeschnittenen Betrachtung des Qualitätsmanagements weggefallen. Das ist einerseits der, um mit Schumpeter zu reden, verzweifelten Kürze des Buches geschuldet, andererseits ein mutige und nicht mutwillige Schwerpunktverlagerung, die vor allem in jungen Betrieben auf offene Ohren stoßen wird. Angesichts der ebenso umstrittenen wie an Fahrt aufnehmenden und selbst in Geisenheim schon angekommenen biodynamischen Wirtschaftsweise habe ich Ausführungen zu diesem Thema leider vermisst.

Lob verdient das Werk schließlich noch für seinen korrekten Umgang mit dem Hinweis auf Gesetze und Verordnungen. Nur zu oft liest man selbst in Fachpublikationen vage Umschreibungen des jeweils betroffenen Gesetzestexts und ist insofern, wenn man sich darauf verlassen wollte, dem geisteswissenschaftlichen Hörensagen hilflos ausgeliefert. Bach benennt die Regelwerke und ermöglicht es so jedem interessierten Leser den Blick ins Gesetz.

Fazit: Nach wie vor liefert "Sekt, Schaumwein, Perlwein" eine zuverlässige, von langjährigem Praxiswissen an vorderster Forschungsfront geprägte, önologisch-technische Aufbereitung der Schaumweinherstellung. Man könnte sie sich vielleicht umfassender aber kaum nutzbringender vorstellen. Die Bach'sche Diktion macht das Lesen darüber hinaus zu einem Vergnügen. Geringe Schwächen auszubessern sollte das nicht allzu fern liegende Ziel der nächsten Auflage sein.