Der Westdeutsche Rundfunk hat in Irland ein TV-Konzept entdeckt. Das fand er so gut, dass er es gleich übernommen hat und am 16. November 2010 fanden die Dreharbeiten für die Pilotfolge von "Sternekoch für einen Tag" statt. Das Konzept ist folgendes: Ein Sternekoch stellt einem Promi die Küche zur Verfügung und der Promi stellt zwei Drei-Gänge-Menus auf die Beine, mit denen er meint, eine Jury aus drei anderen Promis und normalen Restaurantbesuchern von seinen Kochfähigkeiten überzeugen zu können. Wer der Promi ist, wird nicht verraten – dadurch entsteht ein munteres Raten über die Identität des Promikochs an allen Tischen.
Nun könnte man glauben, das sei ein müßiges Unterfangen; ist es aber nicht. Denn schon die Menuzusammenstellung verrät doch eine ganze Menge über den geheimnisvollen Koch. Hat man dann die ersten Kochresultate auf dem Teller vor sich stehen und kennt man zudem bereits den vom Koch dazu ausgewählten Wein, so wird der Kandidatenkreis anhand dieser Daten merklich enger.
So war es auch hier. Zwar habe ich die Identität des Kochs nicht auf den Kopf zusagen können, aber immerhin habe ich mit meiner Einschätzung richtig gelegen, dass es sich um einen Koch aus der Region handeln müsste, dessen Kochstil von norddeutscher Küche beeinflusst ist. Das ließ sich am Aal festmachen. Das Alter des Kochs habe ich zutreffend mit 45+ geschätzt, denn die Zutaten Aal, Kabeljau und Reh schienen mir einer etwas länger zurückliegenden recht bürgerlichen kulinarischen Prägung zu entstammen. Dass es sich überhaupt um einen Mann handelte und nicht etwa um eine Frau, beispielsweise Landemutter Hannelore Kraft oder die gar nicht so weit weg von Dorsten beheimatete Dolly Buster, schloss ich aus dem völligen Fehlen von Schokolade beim Dessert.
Ein weiterer wichtiger Hinweis war die Art, wie die Speisen auf den Tellern angerichtet waren. Der Koch hatte es ganz und gar unterlassen, auf Kontraste zu achten, oder überhaupt farbliche Abstimmungen vorzunehmen. Der weiße Kabeljau auf hellem Sauerkraut mit weißlich-gelben Kartoffeln sah nämlich ganz schön blass aus. Die einzigen, jedoch im Keim erstickten Anfälle von Dekorationswut konnte ich bei der Maronensuppe ausmachen. Dort waren in der Mitte des Tellers vier Hirsch-Schinkenscheiben quadratisch um einen Crème-Klacks gelegt. Der andere Ausreißer waren zwei (sic!) Schnitlauchhalme, die neben dem Aal mit Kräuter(i.e.: Schnittlauch)Rührei lagen. So karg dekoriert nur ein Mann mit einem entsprechenden Job, dachte ich mir. Künstler kamen demnach nicht mehr in Frage. Sportler dachte ich noch kurz, oder Politiker, aber keinesfalls wiederum Wirtschaftsboss.
Als Tischwein gab es den 2009er Weißburgunder/Chardonnay von Hensel und von Marques de Murrieta eine 2001er Ygay Gran Reserva, beides blind serviert. Den Weißbugunder konnte man recht gut identifizieren, wegen des leichten Buttertons hätte man auch noch den Chardonnayanteil benennen können. Mir schien es sich um einen Weissburgunder oder einen eher schwachen Riesling aus Rheinhessen zu handeln. Nicht ganz daneben, aber auch nicht besonders gut, mein Tip. Ok. Zum Süppchen passte der Weißburgunder dann gut, vor allem weil das Süppchen ziemlich konzentriert schmeckte und auch etwas zu viel Zucker, dafür etwas zu wenig Salz abbekommen hatte. Zum Hauptgang gab es den Rotwein, der einen massiven Essigstich hatte und dem weder langes Dekantieren noch heftige Belüftung im Glas halfen. Einzig der Durst trieb ihn rein. Zum Burgunderreh passte der Wein natürlich nicht und war ein denkbar katastrophaler Fehlgriff. Nicht nur, weil die Burgundersauce mehr Mondamin als Burgunder zu enthalten schien, sondern auch, weil die Aromen von Wein und Sauce einander förmluch bissen. Dafür war das Rehfleisch nah an der absoluten Perfektion, ehrlich gesagt wüsste ich – von einer höheren Serviertemperatur abgesehen – nicht, wie man das Reh noch besser auf den Tisch hätte bringen können. Über Kabeljau und dessen fehlende Daseinsberechtigung in der gehobenen Küche spreche und schimpfe ich oft genug und muss es also hier nicht wiederholen. Die in geschlängelten Olivenschalen servierte Crème brûlée enthielt, surprise-surprise, einige kühle Himbeeren, das Quarksouffléetörtchen war fluffig und gut, wenn auch auf manchen Tellern nicht sehr standfest. Von den angeblich literweise verkochten Rotweinen des Rotwein-Pflaumensösschens habe ich nichts bemerkt, wahrscheinlich sind die auf andere Weise verschwunden.
Zusammenfassend: es herrschte gepflegte Langeweile auf dem Teller, herausragend war einzig das Reh. Vom Sternekoch war unser Promi so weit entfernt, wie Privatfernsehen von den Öffentlichrechtlichen Sendeanstalten, bzw. umgekehrt. Wer es denn nun tatsächlich war und wie die Jury letztlich entschied, wird der WDR Anfang 2011 zeigen.
Das hier war die Speisenfolge:
I. Vorspeise
1. Maronensuppe mit Hirsch-Schinken
2. Räucheraalfilet auf geröstetem Vollkornbrot mit Kräuterrührei
II. Hauptgang
1. Reh mit Burgundersauce und Chutney von grünen Tomaten
2. Kabeljaufilet, gedünstet, auf Apfel-Rahmsauerkraut
III. Dessert
1. Crème brûlée mit Himbeeren
2. Quarktörtchen in Rotwein-Pflaumensauce