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Bio-Champagner verkostet – Teil II

VIII. Benoit Lahaye, Champagne Benoit Lahaye

Grundweine:

1. Les Monts de Tauxières

Pinot-Noir aus dem Holzfassl. Voll und weinig, mit viel profilgebender Säure und einem Duft wie in der Sauna nach dem Aufguss.

 

2. Les Grosses Pierres

Pinot-Noir und Chardonnay von achtzig Jahre alten Rebanlagen. Sehr anstrengend. Steine, Steine, Steine, nichts als Steine, darunter auch ein paar Feuersteine. Dann auch noch die viele Säure und das ganze in einen Aromenmantel klassischen Zuschnitts gesteckt – ich bin auf den Champagner gespannt.

 

3. Bouzy Rouge 2009

Herb, mit einem leichten Restprickeln. Erinnert an abgestandene Cherry Coke.

 

Champagner:

1. Rosé de Macération 2007

Reife Kirsche, die ich ja schon vom Bouzy Rouge kannte, nur eben nicht als Colanorgerl, sondern in einem duftigen Kirschkuchen verarbeitet, der ganz ohne Schokolade auszukommen scheint. Im Mund noch sehr aggressiv und sauer und noch – oder vielleicht für immer? – kein Spassgewächs.

 

2. Brut Nature Grand Cru

90PN 10CH. 2007er Basis, mit 2006er und 2005er. Bromjodidnase, erinnert an Krankenhausflur. Im Mund sehr viel schlanke Säure, Geschmack von sehr gutem Verjus. Griffig, mit Apfelpektin, erst gegen Ende leicht mürbe.

 

3. Coteaux Champenois Bouzy Rouge 2007

Am Samstag zuvor gefüllt; nicht unproblematisch. Nussig, mit Kirsche, aber auch einer Tendenz in Richtung Eichelpudding und Pinzgauer Käse.

 

IX. Vincent Laval, Champagne Georges Laval

Wenn es eine lebende Vorlage für Kapitän Haddock aus Tim und Struppi gibt, dann ist es Monsieur Laval. Der hat seine 2,5 ha am Fuss der Abtei von Hautvillers, im schönen Cumières. So wie Kollege Bliard überlässt auch Laval der Natur die Entscheidung darüber, ob seine Weine einen BSA durchlaufen, oder nicht. Jedenfalls steckt er sie gern ins 300l-Fass, wo sie sich wohlzufühlen scheinen.

 

Grundweine:

1. Chardonnay Les Chênes Premier Cru 2009

Kein ganz so saures Kaliber wie die Mesnilchardonnays, aber mit Ambitionen in diese Richtung. Klassisches Format, das hohe Erwartungen schürt.

 

2. Pinot-Noir Les Hautes Chèvres Premier Cru 2009

Fein gemahlene Haselnusssplitter und viel unterlegte Säure. So könnte Hanuta für Erwachsene schmecken.

 

3. Cumières Rouge 2009

Veilchen, Rosenblätter, alles, was floral ist. Sonst eher kurz, dafür griffig.

 

Champagner:

1. Cumières Premier Cru Brut Nature

2006er. 50CH 25PN 25PM. Dégorgiert im Mai 2009 und damit einer der wenigen schon eingegliederten Champagner. Für einen Brut Nature schon recht schmeichelhafte, beinahe handzahme Aromatik, ganz ohne Kaktusgefühl am Gaumen. Gleichzeitig herb, mit Verbene und Zitronenmelisse unterlegt, wie sich vor allem mit mehr Luft zeigt.

 

2. Cumières Premier Cru Brut Nature 2002 en Magnum

Derselbe Mix wie der 2006er, im Februar 2009 dégorgiert. Fein, weich, haselnussig, mittelgewichtig. Ich bin mir nicht sicher, ob der Champagner jahrgangstypisch ist oder ob sich hier schon ein Magnumeffekt bemerkbar macht. Mit Luft zeigt er sich durchweg schlank, am Zungenrand teilweise fast wässrig, im Kern dagegen konzentriert.

 

3. Les Chênes Premier Cru Brut Nature 2004

100CH. 1776 Flaschen gibt es von diesem Stoff, das ist immerhin genau doppelt so viel, wie es noch vom 2002er gab. Der erste Schluck war trocknend und sandig, beim zweiten Schluck blieb noch das Gefühl, als würde der Gaumen mit einem Frotteetuch abgerubbelt, der dritte Schluck hätte eigentlich schon das rohe Fleisch freilegen müssen – aber siehe! Nichts dergleichen, sondern eine balsamische, an Marillenkernöl erinnernde, leicht apfelige, kühl-minzige und glatt auslaufende Chardonnayigkeit, die ich nicht erwartet hätte kam zum Vorschein. Ungewöhnlicher Start für einen bilderbuchmäßigen Blanc de Blancs, der mit jeder Minute immer noch eine Schippe mehr auflegte; beobachten, bzw. reifen lassen und nicht zu kalt trinken!

 

X. David Léclapart, Champagne David Léclapart

Im Vorfeld für mich bereits ein Highlight der Verkostung war der Champagner von Leclapart. Juhlin hat volle 98 Punkte für den 2004er Apôtre gegeben und nicht nur er gehört zu den Umjublern dieses völlig unselossemäßigen Winzers mit gerade einmal 3 ha in Trépail. Die Champagner sind immer Blanc de Blancs, tragen stets ihren Jahrgang mit Stolz, durchlaufen die malolaktische Gärung und werden nicht dosiert.

 

Grundweine:

1. Amateur 2009

Die Trauben der zugrundeliegenden Parzelle waren komplett im Stahltank. Der Wein schmeckt sehr mostig, wirkt etwas steif, wie ein zu grell angestrahltes Kunstwerk wird hier der nackte Chardonnay zur Schau gestellt und klingt herbbitter aus.

 

2. Artiste 2009

Der Grundwein von zwei Parzellen war halb im Fass und halb im Tank. Hier macht sich eine erste individuelle Regung in Form frischer Säure bemerkbar, sonst bleibt der Grundwein schwierig, ebenfalls sehr mostig und seltsam unnatürlich, wie unter dem Vergrößerungsglas.

 

3. Apôtre 2009

Grundwein von nur einer Parzelle, der komplett im Holzfass war. Dabei handelt es sich um ca. 15 Jahre alte, mit Puligny belegte Fässer. Sehr viel Kraft und Frische kommt da durch, holzig im Sinne der typischen Holzfassaromatik wirkt der Wein keinesfalls, auch nicht wirklich burgundig, vielmehr am Ende leicht metallisch.

 

Champagner:

1. Amateur 2006

Wenn ich nicht gewusst hätte, dass der Amateur kein Holz gesehen hat, hätte ich schwören können, dass diese warme, buttrige Tönung vom Holz kommt. Wie Milchschaum füllt der Champagner den Mund aus und setzt am Gaumen seine Spotlights, die im Gegensatz zum Grundwein nichts grelles mehr haben. In dieses warme, sehr gediegene Ambiente hinein knallt dann eine brettharte, nicht endenwollende Attacke vom Chardonnay und lässt einen verblüfften Trinker zurück. Daran ändert auch ein zweites und drittes nachprobieren nichts, dieser Champagner ist kompromisslos und ein wenig rätselhaft. Wieder ein Kandidat für die Langstrecke.

 

2. Artiste 2005

Ganz anders dagegen ist der Artiste. Langsam, säureärmer, weiniger, in sich geschlossener. Trotz des teilweisen Holzfassausbaus riecht und schmeckt der Artiste überhaupt nicht holzig, nur der leicht salzige Schmelz könnte das Fass verraten. Gleichzeitig ist dieser dezente, Neugier weckende Schmelz nicht stark genug, um sicher auf Holz zu tippen, er könnte auch ganz andere Erklärungen haben. Und so kreisen die Gedanken um den Schmelz dieses Champagners, der eigentlich gar nicht so sehr die Aufmerksamkeit auf sich ziehen will, mit seiner ruhigen und diskreten Art aber dennoch im Mittelpunkt steht.

 

3. Apôtre 2004

Das Flaggschiff der Kollektion erinnert anfangs entfernt, wirklich entfernt an die Champagner von Vilmart. Völlig unaufgetakelt und ohne Tamtam kommt der Wein daher, ist weinig und rund, hat fassweise beste Sahne an Bord, gute Butter ist dabei, aber – und das erweist sich bei der Verkostung als schwierig – auch ein halbes Kalkgebirge. Dass aus diesem Kalkgebirge kein Steinbruch wird, sondern Skulpturen von höchster Plastizität und Originalität, daran besteht kein Zweifel. Ich frage mich nur: wann? Denn im Moment ist der Wein zwar erkennbar gross, aber noch so unübersichtlich und bei allem Vorschusslorbeer so schwierig, dass ich ihn jetzt lieber noch nicht beurteilen möchte.

 

XI. Pascal Leclerc, Champagne Leclerc-Briant

Pascal Leclerc-Briant macht immer BSA mit seinen stahltankvergorenen Weinen, weil der Wein dadurch eine höhere biologische Stabilität erhält und weniger Schwefel braucht. Seine Champagner liegen deshalb zwischen 6-7 mg/l SO2. Soziales Engagement ist ihm ebenfalls nicht fremd: auf dem Weingut arbeitet er mit einem Resozialisierungsprojekt für Menschen in schwierigen Verhältnissen zusammen.

 

Grundweine:

1. Cuvée de Reserve 2008/2009

Dieser buttrige Wein wirkte wie eine leere Zuckerwattemaschine, in die jemand paar Marshmallows hineingeworfen hat. Null Säure. Ging so.

 

2. Chardonnay La Croisette Epernay 2009

Hier dann der reinste Chablis Premier Cru Montée de Tonnerre. Herb, kalkig, leicht fruchtig mit Apfel-Birne-Marille.

 

3. Pinot-Noir Les Quatrièmes Verneuil 2009

Dieser Weinberg liegt weit, weit im Westen, praktisch schon auf dem Flughafen Charles de Gaulle. Auch dieser Wein war buttrig, zeigte etwas Kirsche, aber sonst wenig Frucht, klang minimal salzig aus und machte dann die Vorhänge wieder zu.

 

Champagner:

Die teils braune Etikettenfarbe hat Pascal Leclerc-Briant gewählt, weil sie der Bodenfarbe im Erntegebiet entspricht, Champagner mit grünem Etikett sollen hingegen biologische Frische und dynamisches Auftreten ankündigen.

 

1. La Ravinne Brut

2006er und 2005er, Blanc de Noirs von Pinot-Noir aus Verneuil, mit 6 g/l dosiert, wie die folgenden Champagner von Leclerc-Briant im Dez. 2009 dégorgiert. Aromtaisch schwer zu fassen, mineralisch und kalkig, auch mit etwas Frucht und wenig Säure, wirkte ausdrucksschwach, düfte aber einfach nur zu kalt gewesen sein.

 

2. La Croisette Brut

Blanc de Blancs, daher mit grünem Etikett -> Frische. Basis hier wieder 2006 und 2005, Dosage betrug 5 g/l. Waldmeister machte sich bemerkbar, ausserdem viele andere grünliche aber nicht unreife Noten. Säure habe ich nicht wahrgenommen, dafür wirkte der Champagner über die ganze Länge bemerkenswert frisch, auch kräuterig und sauber. Meiner Meinung nach zu jung.

 

3. Cuvée de Reserve Brut

70PN 30CH aus 06, 05 und 04. Mit 8 g/l dosiert. Dieser Champagner sagte mir gar nicht zu, weil er nur Anklänge von Lakritz zeigte und danach sofort die Schotten dichtmachte. Keine große Länge, keine kauzigen Eigenheiten, keine Schrullen, nichts. Zwiwschenfazit: keinesfalls jung trinken und sich langsam annähern.

 

XII. Bruno Michel

Grundweine:

1. Chardonnay Premier Cru Pierry 2009

Sehr chardonnayig, mit einem Eindruck wie von trockenen Holzspänen, überhaupt viel trockenem Holz, bei stachliger Säure. War witzigerweise gar nicht im Holz.

 

2. Pinot Meunier aus Moussy 2009

Grapefruit, exotische Früchte, Säurearmut lassen den jungen Meunier erkennen.

 

3. Rosé 2009

80% Pinot Meunier de Saignée mit 20% Chardonnaystillwein, also praktisch ein verkehrt herum gemachter Rosé d'Assemblage. Der Wein wurde klar vom Chardonnay dominiert, war aber nicht kratzbürstig, sauer oder übertrieben buttrig, sondern von einer prinzessinnenhaften, nur minimal zickigen Schmiegsamkeit.

 

4. Cuvée Blanche

Je hälftig Meunier und Chardonnay, zu 70% aus 2009, zu 30% aus 2008 und aus altem, ca. fünfzehn bis zwanzig Mal belegten Barrique. Mild, weinig, nicht wirklich säurearm, aber mit einer verdeckt operierenden Säure, die nicht an der Zungenspitze angreift, sondern nach dem trinken am Gaumen.

 

Champagner:

1. Cuvée Blanche Brut

Aus der Cuvée von Grundwein 4. Mit 8 g/l dosiert. Kleiner Waldbodenstinker, milde, morchelige Pilzaromen, elastische, gegenüber dem Grundwein sehr aparte Säure.

 

2. Cuvée Blanc de Blancs Premier Cru

2006er. Auch hier ein Stinkerle, das jedenfalls nicht vom Holz stammen kann, denn der Grundwein kommt aus dem Stahltank. Recht bald nach dem allerersten Eindruck öffnet sich ein gelbfruchtiges, von angemessen unterstützender Säure getragenes Bouquet, das sehr stark für Pierry-Chardonnay spricht.

 

3. Cuvée Rosé

Andouillette-Champagner. Beim ersten reinschnuppern meinte ich, gleich würden die berühmten Würstl aufgetragen, dann wich der charakteristische Innereienduft einer stahlig-rotfruchtigen, dabei schlank angelegten und verdauungsfördernden Cuvée mit hohem Trinkbarkeitskoeffizienten. Diesen Champagner würde ich jedem empfehlen, der erstmals in seinem Leben Andouillettes bestellt und etwas zum runterspülen braucht, bzw. einen Champagner sucht, dessen Aromatik mit dem Würstlduft versöhnt und sogar Lust drauf macht.

 

4. Cuvée Rebelle Extra Brut

2006er Basis. Je hälftig Chardonnay und Meunier von vierzig Jahre alten Reben, mit 2 g/l dosiert. Sehr griffiger, mit Tannin ausgestatteter Champagner, der lang am Gaumen bleibt und dort ich-weiss-nicht-was bekämpft, das aber mit Inbrunst.

 

XIII. Franck Pascal

Grundweine:

1. 80CH 20PN

Ob Monsieur Pascal da wirklich Chardonnay drin hat, oder ob er versehentlich die Salzsäure aus dem Chemiebaukasten seines Sohnes erwischt hat – ich bin mir nicht sicher. Scharf, brennend und rachenreinigend schmeckte der Grundwein jedenfalls.

 

2. 60PM aus 2008 und 20PM + 20PN jeweils aus 2007

Spontanvergoren, ohne Klärung, Schönung, Filterung und völlig ohne Schwefelzusatz. Dieser Wein strotzte vor Pfeffer und Muskat, hatte wie sein Vorgänger eine hohe Säurelast zu tragen, die ihn zur Essenz einer Limonen-Pfeffer-Sauce machte. Er wirkte dennoch viel ausgeglichener und schien, vielleicht wegen seines Reserveweinanteils, sich insgesamt auf einem guten Weg zu befinden.

 

3. Chardonnay sur argiles à calcaires dur

Der drite Säuerling im Bunde, zusammen mit Grundwein 2 liess er die besten Ambitionen erkennen.

 

Champagner:

1. Sagesse

57PM 38PN 5CH. Sans Dosage.

Naiv und mit dickem Pinselstrich angemalte Etiketten sind in der Champagne derzeit Mode. Überhaupt nicht naiv, sondern von brachialer Kraft und urschreistarker Säure war der Sagesse. Von der auf dem Etikett angekündigten Tugend ist dieser Champagner noch sehr weit entfernt, aber vielleicht hat sich Monsieur Pascal bei der Namenswahl nur am Euphemismus für die Erinyen als Eumeniden orientiert.

 

2. Tolérance Rosé

Aus Assemblage entstanden, bilden 96% Sagesse und 6% Pinot-Noir + Pinot Meunier die Cuvée. Immerhin sind hier als Referenz an den Namen der Cuvée großzügige 6 g/l Dosage enthalten. Weich und lang wirkt er dann im Vergleich mit dem puren Sagesse, aber am Ende auch etwas zehrend und lakritzig.

 

3. Harmonie Mill. 2005

100PM von vierzig Jahre alten Rebanlagen, mit 3,7 g/l dosiert. Ein merkenswerter Meunier, leicht und fruchtig, wie Meunier sein soll, aber mit einer für alte Reben typischen Konzentration und Besinnung auf den Rebsortenkern. Leider gegen Ende wieder etwas zehrend, wie ich es sonst nur von zu trockenem deutschem Sekt kenne.

Bio-Champagner verkostet – Teil I

 

I. Ardinat-Faust

1. Cuvée Brut

Ist ein supersüffiger Champagner zum weggluckern. Völlig anders als die meist sehr strengen, dosagelosen Bio-Avantgarde-Champagne. Moderner, trotzdem barock anmutender Trinkspass im altmodischen Gewand, das nicht jedermanns Sache ist. Gefiel mir sehr gut.

 

2. Blanc de Blancs Millésime 2004

Den süffigen Hausstil konnte man gut wiedererkennen, wegen der Konzentration auf den Chardonnay stand bei diesem Champagner die Säure stärker im Vordergrund. Flüssige Bonbonfüllung, Nimm2-Aromatik, schon mit ersten Reifeanklängen, mit intensiver werdenden rotfruchtigen Aromen.

 

II. André Beaufort/Jacques Beaufort

Das Haus ist seit Anfang der 90er Jahre in Ambonnay Grand Cru und an der Aube, in Polisy, vertreten. Die Keller sind getrennt, vermarktet wird zusammen. Die Grundweine werden im Stahltank vergoren und im Holzfass ausgebaut.

 

Grundweine:

1. Grand Cru 2009

80 PN, 20CH – das ist der Basismix des Hauses. Entwickelte Nase mit Zuckerwatteduft, am Gaumen pektinige Trockenheit.

 

2. Blanc de Blancs 2009 aus Polisy

In der Nase mineralisch und stahlig, am Gaumen zuvorkommend, ja servil. Angenehme, säurearme Frucht.

 

3. Blanc de Noirs 2009

Stahliger, etwas einfacher Pinot.

 

Champagner:

1. Grand Cru Mill. 2005

Mit 9 g/l dosiert, dégorgiert im November 2009. Hier kommen Dosage, Reifegrad und Konzentration zusammen und lassen den Champagner aus meiner Sicht doch sehr süß wirken. Andeutung von Laugengebäck in der Nase. Im Gegensatz zum Ardinat ist mir das aber zu anstrengend süss, etwas mehr Säure hätte dem Champagner sehr gut getan.

 

2. Mill. 2005 aus Polisy

Brausepulveraromatik und Ki-Ba zeichnen den sehr ansprechenden, auch eher süßen und offensichtlich noch ganz jungen Champagner aus. Bei dem sehe ich aber wegen seiner offensiveren Art mittelfristig mehr Potential, als beim Grand Cru, der wiederum langfristig die Nase vorn haben mag.

 

3. Grand Cru Mill. 2000

Auch im Nov. 2009 dégorgiert. Wieder etwas Laugengebäck, wieder recht süß und sehr deutlich mit dem 2005er Grand Cru verwandt, aber hier zeigt sich, wie diese Champagner sich mit der Zeit entwickeln. Sie werden nämlich zu schläfrig-süßen, einlullenden Boudoirchampagnern, die man nicht mögen muss, die aber einen ganz eigenen, morbid-erotischen Charme haben.

 

III. Françoise Bedel

Die Großmeisterin hatte einige ihrer überzeugendsten Grundweine ausgewählt, die zwar nicht zu ihren Cuvées passten, aber dennoch viel über ihre Arbeit verrieten.

 

Grundweine:

1. 100% Pinot Meunier aus dem Stahltank

Mandeln und Aprikosenkerne, niveacrèmig, mit einer Mischung aus Litschi und Pitahaya, sehr wenig Säure, wieder mal ein überrschandes und beeindruckendes Zeugnis von der Wandlungsfähigkeit dieser oft als einfältig abgetanen Traube.

 

2. 100% Pinot-Noir

Kirsche, dunkler Traubensaft, schärfende Acerola, leicht tanninig, ein Grundwein mit viel Rückgrat

 

3. 100% Pinot Meunier aus dem Holzfass

Das Holzfass entpuppt sich als gnadenloser Turbolader für den Pinot Meunier. Die Mandeln bleiben, aus den Aprikosenkernen wird ein hochkonzentriertes Marillenkernöl, die wenige verbleibende Säure ist rotzfrech und gibt dem Wein nochmals Schwung

 

Champagner:

1. Dis, Vin Secret, 2003, non dosé

86 OM 8 PN 6CH. Apfelmetamorphosen. Vornerum noch jung, knackig und grün, hintenrum der reinste Bratapfel mit Rumrosinennote und einer Aromatik, die entfernt an sehr guten Eierlikör erinnert.

 

2. Entre Ciel et Terre 2002

100PM. Weizenmehlnase. Dann ein geradezu klassisches Champagnerpanorama mit einer sehr langen, ausdauernden Säure und viel Lust an der Entwicklung mit Luft. Die sauberen, frischgewaschenen, an exzellente Duftseife erinnernden Aromen überwiegen. Mein Favorit aus dieser Kollektion.

 

3. Origin'elle 2004

78PM 9PN 13CH. Die lustigen Cuvéeeckdaten resultieren aus der mit aller Ernsthaftigkeit und Strenge vorgenommenen blinden Zusammenstellung der Cuvée. Die Assemblage ist also nicht festgelegt, sondern variiert von Jahr zu Jahr. Bei diesem säurearmen Champagner führte das zu einem Dufteindruck von runzlig gewordenem Cox Orange, am Gaumen war er mürbe, mehlig und mir etwas zu fad.

 

IV. Vincent Bliard

Bliard, der in Hautvillers zu Hause ist, hat keine festgelegte Malo-Politik, sondern überlässt die Entscheidung der Natur, was ich vollkommen richtig finde. Seine Grundweine baut er in Fässern mit 205 – 4600 l Fassungsvermögen aus.

 

1. Brut Prestige

50PM 30PN 20CH. 2006er Basis mit Reserve aus 2005 und 2004, dosiert mit 8 g/l, dég. Ende Februar 2010. Ein Champagner, der mich schon bei früheren Gelegenheiten angesprochen hat. Sofort sehr präsent und bis in die entlegensten Fasern erfrischend. So fühlen sich Blumen, wenn sie gegossen werden.

 

2. Rosé

2006er Basis, mit 8 g/l dosiert, Cuvée, wie der Prestige. Aus Assemblage entstanden, dazu verwendet Bliard Pinot Noir von 56 Jahre alten Reben, den er kalt mazeriert, um möglichst viel Frucht und Leichtigkeit zu erhalten. Das sollte er vielleicht mal überdenken, denn gegenüber dem Prestige wirkt der Champagner gedämpft und unnötig gezügelt. Könnte mehr bieten.

 

3. Grande Réserve Héritage

1997er, in alten Fässern ausgebaut, mit 6 g/l dosiert und erst im Februar 2010 dégorgiert. Voll, weinig, griffig und lang. Dabei trotz des sehr späten Dégrogements keine überbordende Jugendlichkeit und paradoxe Frische, sondern – vielleicht jahrgangsbedingt – schon jetzt eine reife, auf den Punkt gebrachte Art von Champagner, die sich nicht mehr lange halten wird. Sollte innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre getrinken werden, meint Bliard. Ich würde ihm ein kleines bisschen mehr geben, aber wir waren uns einig, dass die Champagnerbestandteile ab jetzt langsam auseinanderdriften werden.

 

V. Thierry de Marne, Champagne Frison Demarne

Dieses Haus existiert noch gar nicht. Das heisst, es existiert natürlich schon seit 2007, aber die ersten Champagner kamen im Juli 2009 in die Flasche, dürfen also frühestens ab November 2010 vermarktet werden. Ausgebaut wird im Barrique. Einen Grundwein habe ich probiert, ein Pinot Noir aus 2009. Der hatte eine leichte Lakritznase, war auch sonst kein Schwergewicht, hatte dementsprechend eine mittlere Säure und kam mir ganz geschmeidig, aber nicht bedeutend vor.

 

1. Chardonnay/Pinot-Noir non dosé, 2007er Ernte

Dégorgiert im Dezember 2009, wurde dieser Champagner inmitten seiner Entwicklung wachgerüttelt. Er gab sich kämpferisch, etwas aufgekratzt aber ich werte das als gutes Zeichen. Im Auge behalten!

 

2. Chardonnay non dosé, 2007er Ernte

Auch zu jung, auch mit Potential. Merklich war hier nur eine sehr vielversprechende Aromatik von rotem Johannisbeersaft – ein Fall für die Merkliste.

 

VI. Jean-Pierre Fleury, Champagne Fleury

Vom Biodynamiepionier habe ich nur den "Doux" getrunken, ein 1995er mit 52 g/l Dosagezucker. Diesmal gefiel er mir nicht so gut wie sein Vorgänger, der eine spritzigere Säure hatte. Trotzdem merkt man von den 52 g nicht so viel, wie man meinen könnte.

 

VII. Bertrand Gautherot, Champagne Vouette & Sorbée

Alle Champagner dieses shooting stars haben etwas Holz gesehen. Die Champagner stammen von einer Domaine auf der Domaine, wenn man so will, die beiden namengebenden Weinberge gehören Monsieur Gautherot, der die Kinder dort spielen lässt. Die machen das mit Hingabe, die Champagner sind alle extra brut oder non dosé, durchlaufen den BSA und zu meiner Freude geben die Kinder auch das Dégorgierdatum ihrer Champagner an.

 

Grundweine:

1. Fidèle 2009

100PN. Kirsche und Nuss, poliertes Edelholz, sauber, fruchtig, schlank, ein agiler, Fidelität ausstrahelnder Grundwein.

 

2. Blanc d'Argile 2009

100CH. Die milde, dünne Nase täuscht: im Mund geht die Dose mit den gelben Früchten auf, und gleichzeitig täuscht die einladende, sofort trinkbare Art dieses Chardonnays über die zugrundeliegende, tragende Säure hinweg.

 

3. Saignée de Sorbée 2009

100PN. Das könnte auch ein leichter Spätburgunder vom Mittelrhein sein. Zart, mit ein paar Rosenblättern und hemmungsloser, aber nicht aufdringlicher Säure.

 

Champagner:

1. Fidèle

Faktisch ein 2007er. Dégorgiert am 14. Dezember 2009. Die quietschvergnügte Fidelität hat sich hier sehr zum Vorteil des Champagners in eine längere, dabei auch rassigere Schönheit umgewandelt. Von der Pippi Langstrumpf zur jungen Nicole Kidman.

 

2. Blanc d'Argile

Faktisch wieder 2007er. Am 9. Dezember 2009 dégorgiert. Deshalb noch viel Ki-Ba und merkliches Holz. Schmeckte mir schon sehr gut, braucht aber noch viel Zeit, um wirklich auf die Probe gestellt werden zu können.

 

3. Saignée de Sorbée

Ein 2006er. Dégorgiert am 12. Januar 2010. Ein noch sehr unausgewogener Champagner, der in der Gaumenmitte plötzlich einen Buckel macht. Dabei kommt starkes Eau de Vie de Quetsch zum Vorschein, was mich denken lässt: hier handelt es sich um eine noch nicht ganz integrierte Versanddosage. Also später nochmal reinchecken.

Die Preisträger des Concours Générale Agricole

Die Ergebnisse des Concours Générale Agricole 2010 sind da. Die Wettbewerbsbedingungen der erstmals 1870 durchgeführten Prämierung stehen unter der Kontrolle des französischen Landwirtschaftsministeriums. An die 2000 Degustateure aus Weinwirtschaft, Gastronomie und privatem Interesse sind an der Prämierung beteiligt. Die Medaillenvergabe liegt mit einer Quote von 23% nicht so hoch, wie bei ähnlichen Wettbewerben, 8% erhalten im Durchschnitt Gold. Das ist noch weit von einer inflationären Preisvergabe entfernt, was zum Ansehen des Wettbewerbs beiträgt.

Unter den Jahrgangslosen haben dieses Mal Gold bekommen:

– Colin aus Vertus, mit seiner Cuvée Alliance, der Blanc de Blancs wurde noch mit Silber honoriert
– Fallet Dart aus Charly-sur-Marne, mit der Cuvée Grande Sélection und für den Rosé ebenfalls Gold
– Bernard Naudé, auch aus Charly und zusätzlich mit einer Bronzemedaille geehrt
– Leredde aus Crouttes-sur-Marne, mit seiner Cuvée Carte Blanche, sowie im Rosébereich noch einmal mit Gold
– René Collet aus Fontaine-Denis-Nusy, mit der Cuvée Empreinte de Terroir
– Beaumont des Crayères aus Mardeuil, mit ihrer Grande Réserve

 

Bei den Blanc de Blancs:

– Chassenay d'Arce aus Ville-sur-Arce setzten sich mit ihrem Blanc de Blancs 2002 durch und bekamen für ihren Rosé Bronze
– Doquet-Jeanmaire aus Vertus konnte mit seinem Blanc de Blancs 2002 überzeugen
– Guy Larmandier ebenfalls aus Vertus überraschte nicht mit seiner Cuvée Cramant Grand Cru
– Agrapart aus Avize brachte die Cuvée Terroirs mit Gold ins Ziel

 

Im Bereich der Demi-Secs

stahl

– Jacques Beaufort aus Ambonnay allen anderen die Schau, indem er mit Lot 97Pdeg und Lot 04Pdeg sowie Lot 98Adeg zweimal Gold und einmal Silber abräumte

 

Die Jahrgangschampagner sahen einige Cooperatives ganz vorne,

– Coopérative Vinicole de Colombé le Sec nahm Gold für ihren Charles Clément Millésime 2002 mit
– Coopérative de Fleury-la-Rivière setzte mit Erfolg auf Champagne F.P. Arnoult Millésime 2004
– Vazart-Coquart aus Chouilly erhielten für die Cuvée Grand Bouquet Millésime 2005 Gold
– Philippe Fourrier aus Baroville darf sich über Gold für seine Cuvée Millésime 2004 freuen
– Michel Furdyna, wieder aus Celles-sur-Ource, konnte für seinen Prestige Millésime 2002 Gold mitnehmen

 

Der Rosé

– Fallet-Dart hatten ja schon beim Jahrgangslosen Gold kassiert, hier dann nochmal
– Le Brun de Neuville aus Bethon auch mit Gold für den Rosé
– Leredde ebenfalls mit Doppelgold
– Gaec le Hordon aus Bouzy mit Champagne Maurice Vesselle Rosé gülden

 

Pannier aus Château-Thierry kam mit der Egerie Rosé auf Bronze, konnte sich aber noch mit dem 2004er Mill. eine Silbermedaille sichern. Beim Rosé des Riceys gab es kein Gold und nur einmal Silber für SCEA Val du Cel – Guy de Forez aus, natürlich, Les Riceys.

Zu den vollständigen Wettbewerbsergbnissen geht es hier.

Zwei 2002er im Champagnerleistungszentrum

A. Marx-Barbier, Millésime 2002

25% Chardonnay, 35% Pinot-Noir, 40% Meunier.

In einem Nest zwischen Damery und Reuil, am rechten Ufer der Marne, oben am Berg liegt Venteuil. Von dort aus ist es nicht mehr weit bis zur Statue von Kreuzzugspapst Urban II. in Villers-sous-Châtillon. Wir sind in Pinot-Meunier-Country. Diese allenthalben unterschätzte Rebsorte wächst bevorzugt hier und nimmt in den Cuvées der Erzeuger viel Platz ein. Platz, den Marx-Barbier in Form dieses 2002ers genutzt haben. Zu den gedünsteten Jakobsmuscheln passte der Campagner eher zufällig, denn das kurz nach dem Öffnen noch sehr dominante Raucharoma gab der Kombination einen gewissen Reiz, auch vertrug sich die Quittenaromatik gut mit den Schalenbewohnern. Richtig gut schmeckte der Champagner zu dem Zeitpunkt aber trotzdem nicht, vor allem nicht allein. Das änderte sich zum Cassolette vom Flusskrebs. Der hat nämlich ein angenehm süsslich schmeckendes Fleisch, das sich schön mit dem Quittenaroma und der leicht hervortreteden Herbe des Champagner vetrug. Die Gambas in Zitronen-Käse-Sauce schienen mir eine zu große Herausforderung für den Champagner zu sein, so recht ineinanderpassen wollte da nichts. Zu den Tournedos Rossini war mir der Champagner dann zu simpel. Die sehr konzentrierte Sauce bügelte alles weg, was der Champagner an Säure, Frische, Finesse oder Aromatik zu bieten hatte, entsprechend flach schmeckte er zum Trüffel. Allenfalls zur Foie Gras und zum Filet machte die Paarung ansatzweise Spass. Als Dessert gab es Vanilleeis, Crème Brûlée und Schokomousseline, alles keine Speisen, die ich dem Champagner jetzt auch noch hätte zumuten wollen. Ein Test ergab aber, dass er den Schwanz nicht ganz eingekniffen hatte, zur Schokomousseline zeigte er noch etwas gönnerhafte kandierte Aromen und zur Crème brûlée war der Ofen ebenfalls noch nicht ganz aus. Die schöpferische Pause nahm ihr Ende zum Käsegang, die vorher noch von Quitten und kandierten Zitrusfrüchten geprägte Aromatik entwickelte sich zum Ziegenkäsetaler und zum alten Schafsmilchbrie (ein alter, nach Salmiakpastillen riechender Camembert hätte es hier nicht sein dürfen) in Richtung Pomelo, pink Grapefruit und von mir aus auch Blutorange, war jedenfalls wieder sehr alert. Zum Roquefort riss er aber dann nichts mehr.

 

B. Maxime Blin, Blanc de Noirs, Millésime 2002

100PN.

Der Ort Trigny im Massif St. Thierry verfügt über 550 Einwohner (die aber nicht alle Blin heißen). Dort wohnt Jungwinzer Maxime Blin und dort stehen auf 12 ha alle seine durchschnittlich ca. 20 Jahre alten Reben. Das macht ihn zum Monocru-Winzer, eine ziemlich seltene Situation in der Champagne. Blin arbeitet mit biologisch orientiertem Ansatz und hat eine moderne Coquard-Presse mit einem Fassungsvermögen von 6000 kg in der Garage stehen; der Saft läuft allein durch Schwerkraft ab, sein 2002er Blanc de Noirs lag ganze sieben Jahre auf der Hefe, bevor er für den Handel freigegeben wurde. Gute Bedingungen also für einen guten Champagner. Im Glas dick, golden und einladend, mit vorbildlicher Perlage und feinem Schäumchen. In der Nase gelbe Pflaumen, Birne und Johannisbeeren, im Mund wieder saftig, klar, lustvoll und mit einer Säure, die bis hinter den Augen kribbeln verursacht. Sehr gute Arbeit! Ganz getan war die Arbeit indes noch lange nicht, denn im Champagnerleistungszentrum gibt es nichts geschenkt. Die Jakobsmuscheln nahm der Blin großzügig unter seine Aromenfittiche. Das Flusskrebscassolette als Herausforderung für diesen Champagner zu bezeichnen, wäre verkehrt gewesen. Die beiden vertrugen sich nicht nur, sondern waren sogar richtig gute Freunde. Dieses sparring war natürlich nur der Auftakt zu den Gambas, mit denen sich Blin schwertat. Zugegeben, die Sauce war schon in ihrer Anlage recht eigenwillig, so wie Milch und Säure nunmal nicht gern in einem Topf schwimmen, und dann noch die Gambas! Diese spannungsvolle Grundkonstellation traf Maxime Blins 2002er BdN an und er muss sich gefühlt haben, wie Peter Zwegat oder die Supernanny. Dass er das beste daraus zu machen versuchte, ist rühmlich, das Resultat war es nicht so sehr. Der Gentleman stiess hier leider an seine Grenzen und bewies, dass Säuremonster aus der Côte des Blancs durchaus ihre Daseinsberechtigung haben. Mit dem Trüffel von den Tournedos tat sich der Blin nicht so schwer, das war wieder die gewohnte Trainingsgröße. Der zugehörigen Sauce musste er sich unterordnen, was ohne Murren geschah und der Sauce sehr zugute kam. Die konnte auf dem eleganten Blanc de Noirs Teppich ihre Konzentration etwas entzerren und wirkte dadurch gleich doppelt appetitlich. Zu Dessert und Käse trumpfte der Champagner nicht auf, die Süßspeisen waren ihm zu mächtig und beim Käse war mir die Kombination allzu gewöhnlich.

 

C. Auswertung

Zwei unterschiedliche 2002er mit unterschiedlichen Stärken und Schwächen. Solo war der Marx-Barbier der eindeutig unterlegene Champagner, was auch an seinem reduktiven, stinkigen Start gelegen hat. Zum nachfolgenden Essen hatte der Blin schon einen Vorsprung aufgebaut, den einzuholen der Marx-Barbier sich sichtlich schwertat. Zwar schmeckte er nach und nach immer besser, konnte aber nicht Schritt mit der Speisenfolge halten. Das änderte sich erst zum Schluss, wo er den Blin sogar noch überholte. Mein Favorit bleibt wegen seiner überlegenen Solotrinkbarkeit und des tadellosen Starts der Blin.

Notizen von der Valentinstour in die Champagne

I. Fabrice Roualet, Premier Cru Extra Quality, Champillon

Nicht weit von Epernay, im malerischen Nest Champillon, ist Champagne Roualet zu Hause. Den Premier Cru Champillon kennt man eigentlich nur vom Blick aus dem oben am Hang gelegenen Relais & Châteaux Hotel-Restaurant Royal Champagne. Dieser mir bis dahin völlig unbekannte Champagner stellte sich mit seinen reifen, saftigen und vollmundigen Aromen als die richtige Wahl zum Gazpacho heraus. Allein genossen zeigte er sich etwas oxidativ und behäbig und es mangelte ihm an Säure.

 

II. Ariston Père et Fils, "Aspasie", Blanc de Blancs

Einzellagenchardonnay.

Der Champagner ist schlank und zitrusfruchtig, sauber, aber nicht sehr lang, keineswegs schwer. Mit Rose de Reims Biscuits und Erdbeereis hatte er erhebliche Schwierigkeiten und machte sich allein viel besser. Brouillet selbst ist ein Örtchen noch hinter Serzy-et-prin, also da, wo normalerweise nur noch Aliens landen oder Psychodramen gedreht werden.

 

III. Philippe Martin, Cuvée Special

70PN, 20-25CH, 5-10PM.

Der kleine Erzeuger ist im Premier Cru Cumières zu Hause und verfügt dort, sowie in den angrenzen Terroirs von Hautvillers und des Marnetals über 10 ha Rebfläche. Der Champagner kann sich nicht mit dem Authentis Cumières von Duval-Leroy messen, zeigt aber auch schon die kräftigen, erdigen Anlagen der Pinot Noirs aus diesem seit Jahrhunderten für seine Rotweine berühmten Ort. Unverspielt und herb, ist er sicher nicht jedermanns Sache.

 

IV. André Delaunois, Cuvée Royale

25PN, 25PM, 25CH, 25 Reservewein aus Drittelmix, drei Jahre Hefelager.

Aus den ca. 8 ha im Premier Cru Rilly-la-Montagne stammen die Champagner von Delaunois. Dieser hier hat gleich zwei Sternchen im Guide Hachette bekommen, Grund genug, ihn mal zu probieren. Mir gefiel der sterile, an Krankenhaus und Kühlschrank erinnernde Geruch nicht. Auch sonst kein Sonnenschein, am Gaumen mürbe, etwas müde, mit breit geratener Säure, nicht sehr lang, dafür ziemlich herb, am Ende mit Salbeinoten. Ob's ein Flaschenfehler war?

 

V. Daniel Moreau, Brut Carte Noir

50PN, 50 PM.

Im mittleren Marnetal, in Vandières, sitzt Daniel Moreau und hat auf der Jahrgangsbasis eines 2003ers mit Reservewein aus 2002 Champagner hergestellt, den ich nicht hätte haben müssen. Salzig und süss zugleich, mit einer Note von gekochtem Fleisch, die auch mit viel gutem Willen und jeder Menge Frischluft nicht verschwinden wollte.

 

VI. Carré-Guebels, Rosé

70CH, 30PN.

Sehr willkommen war mir daraufhin der Rosé von Carré-Guebels aus dem Premier Cru Trépail in der Montagne de Reims. Das Haus hat immerhin 22 ha, die zum Teil in der Aube liegen. Die sonst so balancierte Art des Rosé verschob sich hier zu Gunsten einer hervortretenden Säure, die den Blanc de Blancs dieses Erzeugers sehr probierenswert erscheinen lässt. Dass mir die Säure hier so pointiert vorkam, lag wahrscheinlich eher am Kontrast zum Vorgänger. Rosé mit weißer Seele habe ich mir notiert und werde den Champagner im Auge behalten.

 

VII. Remy Massin, Brut Tradition

100PN.

Dieser Erzeuger hat seine 20 ha südöstlich der Andouillettes-Hauptstadt Troyes. Der Blancs de Noirs ist männlich, kräftig und herb, lässt Tannin und Struktur durchscheinen, könnte aber ruhig noch etwas liegen. Ich denke, dass er nach 24 Monaten Flaschenreife eine positive Entwicklung gemacht haben wird.

 

VIII. Voirin-Jumel, Cuvée 555

Seit sechs Jahren vinifiziert Patrick Voirin diese Holzfasscuvée. Was als Experiment begann, gehört heute zur Spitze des Portfolios und wird von Tom Stevenson ebenso wie von Richard Juhlin mit Punkten überhäuft. Dabei hat der Name der Cuvée nichts mit der Größe des Holzfasses zu tun, sondern kommt aus der Zeit, in der die Häuser des Örtchens numeriert wurden. Der Fasskeller von Voirin-Jumel befindet sich im Haus mit der Nummer 555. Daher lag es nahe, für diesen Champagner, der an die traditionelle Herstellung im Holzfass anknüpft, diesen schlichten Namen zu wählen. Patrick nutzt insgesamt fünfzehn mehrfach belegte und aufgearbeitete Fässer aus Burgund, um den für diesen Champagner so typischen, aromatischen Holzton zu erzielen. Die Nase wird von charmanten Früchtebrotaromen, kandierten Früchten und sanften Röstnoten umschmeichelt. Melange aus Apfel und Mineral, Holz und Säure. Die zwischendurch aufscheinenden fülligeren Aromen bilden einen guten Hintergrund für die aromenfreudige Küche.

 

IX. Legras & Haas, Brut Tradition

20 – 25PN, 20 – 25PM, 50 – 60CH.

Das junge Haus aus dem Grand Cru Chouilly gehört schon zu den größeren und hat Négociant-Status, darf also Trauben zukaufen. Das erklärt, wie ein Familienbetrieb die stattliche Menge von bis zu 400000 Flaschen pro Jahr absetzen kann – viele davon freilich aufgrund einer für die Champagne nicht untypischen Lohnversektung im Auftrag großer Häuser. Der Brut Tradition ist, wie man es von einem Champagner aus dem nördlichen Zipfel der Côte des Blancs erwarten kann, mit einem überwiegenden Anteil Chardonnay vinifiziert. Der trägt aber nicht allzu dick auf, sondern gehört zu den sanftmütigeren Vertretern. Deshalb verträgt er sich gut mit den Pinotanteilen und wirkt dadurch meiner Meinung nach sogar eine Spur interessanter, runder und sogar komplexer, als viele einfache Blanc de Blancs aus der Côte des Blancs. Das ist übrigens etwas, was mir oft auffällt: die Standardbruts von Erzeugern aus Chardonnaygegenden profitieren davon, wenn ein Anteil Pinot enthalten ist. Zu Weissbrotstullen mit Senf und Blutwurst war dieser sozusagen hundsgewöhnliche Champagner ein gute Wahl, das Brot fand sich gut eingebettet, der Senf zischelte nicht dazwischen und die Blutwurst schmeckte in der Kombination nicht metallisch. Auch zum Jakobsmuschel-Cassoulet konnte der Champagner überzeugen. Cassoulet esse ich sehr gern zum Champagner, weil es, wenn es richtig gemacht wird, überaus aromatisch und würzig ist. Eine Herausforderung für jeden Wein und besonders für den Champagner. Dieser hier war gut gekühlt und brachte seine frische Chardonnaynote zum Einsatz, auch war die Prüfung gar nicht soo schwer, denn ein Jakobsmuschelcassoulet ist geschmacklich nicht ganz so brachial wie eines vom Lamm oder von der Gans. Schliesslich noch der Test zum "bleu" gebratenen Rinderfilet. Das war eindeutig die Grenze, mit der Kombination aus scharf angebratenem Rind aussen und rohem Fleisch innen kam der Champagner nicht mehr zurecht. Aber gut geschlagen hatte er sich für einen Standardbrut allemal.

Vermischte Champagnernotizen

A. Vilmart, Premier Cru Rilly-la-Montagne, Grand Cellier d'Or 2002

80CH, 20PN, 8-9 g/l dosiert, 10-monatiger Fassausbau, kein BSA. Der Maître weiss nicht nur, wie man Kirchenfenster kunst- und eindrucksvoll anmalt, sondern er kann auch ebensolchen Champagner machen. Die Nase ist schon ein Vergnügen, Aprikose, Marille, Walnuss und immer ein paar eingesprenkelte Zitrusfruchtakzente duften wie eine altwienerische Konditorei, im Mund kommt der Eindruck von Kokosnuss, natürlich auch wieder von saftig reifen Zitrusfrüchten, Bratapfel, Calvados und Mandelgebäck hinzu. Für einen 2002er schon ein ziemlich wuchtiges Geschoss, aber eins mit enormer Präzision. Tip: kaufen und lagern.

B. Jean Baillette-Prudhomme, Premier Cru Trois Puits, Vieille Cuvée

80 PN, 10CH, 10PM. Marie-France, die Witwe von Jean Baillette und ihre Töchter Laureen und Justine tragen die Firmenphilosophie weiter. Deren wichtigster Inhalt ist, mit einem hohen Anteil an Reserveweinen zu arbeiten, meist um die 50%. Das führt unweigerlich zu Champagnern mit stark entwickelten Aromen und der Gefahr allzuvieler Oxidationsnoten. In dieser Cuvée ist aber nichts schiefgelaufen, sondern alles ist an seinem Platz. Da nervt kein überreifer, raumgreifender Apfel, da ist noch genug Frische und jugendliche Säure, neben leicht grasigen und an Trockenkräuter erinnernden Noten finden sich getrocknete Aprikosen, Sternanis und eine Mineralität wie von gemahlenen Steinchen.

C. Marquis de Marmontel, Blanc de Noirs

Eine seltene oder untypische Art von Champagner musste ich da blind konstatieren. Das war mir nachher gar nicht recht, war doch die Flasche auf Empfehlung hin gekauft. Aber egal, nun musste dieser im Vergleich mit dem Goria Ferrer wasserhelle Blanc de Noirs eingeschätzt werden. Die Perlage war nur bemerkenswert hinsichtlich ihrer untypisch tumb-groben Bläschen. Zum Glück gebe ich auf Äußerlichkeiten und speziell die Bläschen nicht sehr viel, ein gutes Zeichen war es trotzdem nicht. In der Nase schwer einzuordnen, die weinige, auch etwas mehlige Art sprach für Pinot Noir, wobei ich auf einen Anteil im 80%-Bereich getippt habe. Im Mund nun auch nicht gerade everybody's darling, sondern ein etwas verstockter junger Adliger. Mittlerer Druck am Gaumen und ein immerhin sehr ordentlicher, mittellanger Säureteppich ohne Bruchkante am Schluss. Mit Luft und Zeit zog sich der ganze Champagner am Ende noch gerade, aber das Zeug zum Publikumsliebling hat er nicht.

D. Doquet-Jeanmaire, Coeur de Terroir 1996, dég. 6. Okt. 2008

60 CH, 40 PN Das Haus ging 2004 an Laurent-Perrier; der Junior Pascal Doquet führt einen Teil des Betriebs unter seinem in der Biowinzerszene schon jetzt ganz klangvollen Namen weiter. Im Glas also ein Champagner, dessen Grundweine seine Eltern im Jahr 1996 gelesen hatten, dessen Cuvée 1997 in die Flasche kam und nach einer luxuriösen Lagerzeit von elf Jahren dégorgiert wurde. Farblich noch sehr hell, in der Nase dagegen die eigentümlich reife Art noch nicht so lang dégorgierter älterer Jahrgänge. Diese Spötdégorgements sind ja alle ein wenig paradox angelegt, von der Feinhefe gegen Oxidation geschützt und aromatisch verfeinert, wenn nicht sogar überfeinert, wie ein Messer, dessen Klinge so lange scharf gewetzt wird, bis es mangels Masse schartig wird. Der als Terroirchampagner annoncierte Jahrgangsblubber hatte das angereifte, aber bei weitem noch nicht reife Auftreten einer schwangeren Vierzehnjährigen. Haselnuss, Milchschokolade und Äpfel konnte man erkennen, Säure war in gewissem Umfang da und trug dazu bei, dass der Champagner aromatisch nicht ins Infantile kippte. Mit Luft legte der Champagner merklich zu und füllte die noch vorhandenen Reifelücken gut auf.

E. Gerard Littière, Mill. 2004

Der Name Littière ist in Oeuilly allgegenwärtig, wenngleich in der champagnertrinkenden Öffentlichkeit nicht annähernd so bekannt wie der Name Tarlant. Dieser Jahrgangsvertreter war noch ersichtlich jung und keiner von den phantasievollen, geheimnisumwitterten oder gar magischen Champagnern. Solide gemacht, mit sauberem Lesegut, bisschen mineralisch, bisschen fruchtig, mit einer etwas angelernt wirkenden Eleganz, ohne besonders herausragenden Jahrgangscharakter. Man muss vielleicht dazu noch sagen, dass Jahrgänge wie 2002 und 2004 für die meisten Winzer und großen Häuser Fluch und Segen zugleich sein dürften. Denn diese leichten, ätherischen, elfenhaften Jahre werden in der Hand eines untalentierten, industriell oder nachlässig arbeitenden Kellermeisters schnell zu austauschbarer und gesichtsloser Ware. Nur derjenige, der erstens über erstklassiges Lesegut und zweitens über das notwendige feine Gespür für diese Art von Jahrgang verfügt, wird daraus sagenhaft langlebige, schwerelose Champagner komponieren können.

F. Voirin-Jumel BdB Cuvée 555 élevé en fûts de chêne

Die Cuvée hat ihren Namen nicht etwa vom Fassungsvermögen der für den Ausbau verwendeten Holzfässer; sondern daher, dass Cramant ein ganz kleines Nest mit nicht einmal tausend Feuerstellen ist. Die paar Häuschen wurden einfach fortlaufend durchnumeriert und der Sitz von Voirin-Jumel bekam die Nummer 555. Tochter Alice spricht sehr gut deutsch, was den Besuch vor Ort für viele Altsprachler komfortabler macht – und was Komfort betrifft, gehört Voirin-Jumel zusammen mit Eric Isselée zu den beiden einzigen Anbietern des Örtchens, die ein modernes Apartmenthaus für zehn und mehr Gäste anzubieten haben. Fragen lohnt sich, die Kurse sind human. Der Champagner zeigte sich zurückhaltend, mineralisch, mit spürbarem, aber unaufdringlichem Holz, Apfelaromatik und einigermassen eleganter, langer Säure. Kein Knaller, der auf Verkostungen erstaunte Gesichter hinterlässt, aber ein solider Holzfasslchampagner, der in ambitionierten Restaurants übers amuse gueule hinaus eine gute Figur zum Essen macht.

G. Lemaire-Rasselet Brut

Reif, oxidativ, etwas einfach, aber vollmundig. Der Winzer, der am westlichen Ortsausgang von Boursault in Richtung Oeuilly am Waldesrand wohnt, macht einen von einer flüchtigen Holzandeutung und beachtlichem Reserveweinanteil geprägten Champagner. Dem Dreimädelchampagner von Baillette-Prudhomme insofern nicht unähnlich, aber etwas grober gestrickt.

Champagner-Umfrage: die Ergebnisse

Hier sind die Ergebnisse meiner kleinen Schaumwein-Umfrage

the results of my sparkling-survey

1. bei der Frage nach Champagner oder einem Alternativsprudler war die Tendenz deutlich

the majority went for champagne instead of alternative sparklings

– Champagne 76,47%
– anderer Schäumer/other sparkling 5,88%
– manchen war es auch egal/don't care 17,65%

2. Noch klarer ist die Farbpräferenz

colour preferences were even clearer

– weiss/white 84,31%
– rosé 5,88%
– beides gleich gut fanden/both 9,80%

3. die Liebhaber des Blanc de Blancs überwogen

blanc de blancs rules

– BdB 47,06%
– BdN 29,41%
– beides gleich gut oder egal fanden/both 23,53%

4. auch die Jahrgangsfraktion ist stark

vintage, too

– mit Jahrgang/vintage 66,67%
– jahrgangslos/NV 15,69%
– mal so mal so mögen es/depends 17,65%

5. die jungen Früchtchen kommen nicht so gut an

nolita

– jung und sexy/barely legal 19,61%
– reif und schön/milf 58,82%
– mal hier und mal da naschen wollten/nibble on both 21,57%

6. die Winzer sind beliebt

growers have strong support

– Grande Marque/big house 17,65%
– vigneron indépendant/grower 56,86%
– auch hier gab es viele Wechselwähler/changelings 25,49%

7. knochentrocken lautet die Devise

dosage: the lower the better

– Ultra Brut 88,24%
– zum sugardaddy bekannten sich nur/candy shop's almost closed with a mere5,88%
– und das ganze Spektrum wollten ebenfalls nur/take 'em all no matter how much sugar's in there 5,88%

8. die Einzellagenfreunde waren in der Mehrzahl

single action strikes

– Monocru/single vineyard 49,02%
– Gebietsverschnitt/blend 25,49%
– aus Kosten- oder anderen Gründen nicht festlegen wollten sich/not sure 25,49%

8. Freunde der Kathedralenstadt fanden sich nicht so viele, Krug-Fans dafür um so mehr

looks like the krugists did not support the city of reims

– Reims 19,61%
– Epernay 49,02%
– unentschlossen oder egal/whatever 31,37%

10. trotz des Bekenntnisses zum Winzerchampagner konnten sich nicht so sehr viele zum Starwinzer durchringen. Vielleicht deshalb, weil Krug ja selbst so etwas wie ein grosser Kultwinzer ist

Krug defeats Selosse

– Krug 41,18%
– Selosse 29,41%
– einige konnten zu einem oder beiden Champagnern nicht so viel sagen und blieben deshalb unentschieden/some haven't had enough drinking experience with any or both of the producers 29,41%

Aussergewöhnliche Champagner: 2XOZ

Elodie und Fabrice Pouillon produzieren seit 2004 Champagner von ca. 15 ha Weinbergbesitz. Einen kleinen Teil der Premier Cru klassifizierten Weinberge bei Eceuil hat das Paar ausgewählt, um ein Seitenprojekt zu realisieren. Dessen Produktion ist winzig, 2547 Flaschen insgesamt. Die beiden schwimmen dabei unter anderem auf dem Dosagetrend und arbeiten ganz ohne Zugabe von Saccharosezuckern. In den aus 100% Pinot-Noir von 47 Jahre alten Reben produzierten Champagnern sollen ausschliesslich die fruchteigenen Fructosen und Glucosen, die wegen ihrer sechs Kohlenstoffatome zu den Hexosen gehören, enthalten sein. Daher auch der Name des Projekts: Deux-Hexozes oder 1337-speak-abgekürzt: 2 XOZ. Vinifiziert wird mit Naturhefe, der Ausbau erfolgt in Barriques. Die Non-Vintage Version liegt 24 Monate auf der Hefe, der Jahrgang bekommt 36 Monate. Darüber hinaus wird es dem Vernehmen nach 300 Flaschen von einem roten Champagner geben – wobei mir noch nicht gank klar ist, wie das Paar diesen Champagner durch die INAO-Prüfung bringen will. 

Zur website der beiden geht es hier: http://www.2xoz.fr/

Champagne-Kurztrip: Ledru, Bonnaire, Diebolt u.a.

I. Marie-Noelle Ledru, Ambonnay

Die sehr resolut wirkende Mme. Ledru öffnete

1. Extra Brut 85PN/ 15CH mit 50% 2003 und 50% Reserveweinen aus den

Jahren 1999 und 2002. Die holznahe Nase wies in die falsche Richtung,

Holz kam bei diesem Champagner nicht zum Einsatz. Der Wein wirkte

angenehm und fruchtig, ließ aber etwas rondeur vermissen. Kraft, die

er zu besitzen scheint, ist eben nicht alles.

2. Brut, gleiche Cuvée, jedoch mit 8g dosiert. Hier zeigte sich die

ganze Stärke des Spätburgunders aus gutem Hause und guter Lage.

Weich, rund, sanft, schon gut zugänglich und mit sanft kandierten

Fruchtaromen schon ein interessanter Champagner, dessen

Chardonnayanteil die nötige Portion Frische und etwas belebende Säure

einbringt.

3. 99er Brut Nature. Hart und karg, mit einer hauchzarten Chlornote,

die sich bis ins Lakritzige erstreckt, durchgängiger Säure und

rundlicher Frucht, erscheint so gar nicht brut nature; das mag für’s reife Lesegut sprechen.

4. 00er Brut. Wie der 99er, die etwas an Gougères erinnernde Note

störte mich allerdings. Mit Luft wurde der 00er dann feiner und eleganter als sein

Vorjahrescousin. Ein Champagner, der wie alle Champagner des Hauses

gewöhnungs- und luftbedüftig ist. Für eilige Proben nur schlecht

geeignet.

5. Goulté 2002, Blanc de Noirs. Weinig und rund, lecker-gschmackig und

stoffig im Mund. Ein Wein, der zwar nicht die Gaumenauskleidung

herunterreißt, aber mit etwas Temperatur, Flaschenreife und Luft zu

großer Form auflaufen kann, speziell in diesem guten, die elegante

Seite noch betonenden Jahr. Mittlerweile ist schon die sehr gelungene 2004er Cuvée de Goulté auf dem Markt, die beiden werde ich mir mal nebeneinander vorknöpfen.

II. Paul Déthune, ebenfalls Ambonnay.

Viel zu trinken gibt es bei Sophie meist nicht, im Lagerchen herrscht nämlich das ganze Jahr über ziemlicher Durchgangsverkehr mit nur sehr kurzer Verweildauer. Aber es gab zumindest:

1. Brut (2003-basiert, zzgl. Reservewein), 10g/l. Frisch, säurebetont,

kann Temperatur vertragen, die zart holzige Nase und die lebhafte

sonstige Art dieses Champagners vermitteln den Eindruck einer

besonders gut gelungenen Pomeloschorle.

2. Cuvée Prestige. Holzfaßgereift. Kandierte Zitrusfrüchte,

hintergründig etwas nussige Noten, stabiler und langgezogener

Säureteppich, im Mund von warmer, gemütlicher, fast anheimelnder Art,

gleichzeitig seidig, mit der Zeit kommt eine feine Silexnote zum

Vorschein.

Mme. Déthune erklärt übrigens gern, wie die Lotnummern

ihrer Champagner zu lesen sind: Die Großbuchstaben stehen für die

Cuvée (z.B. PR für Prestige), danach kommt die Nummer (3) und das Jahr

der Tirage (T), in unserem Fall 00 für 2000. Es folgt D für das Datum

des Degorgements und ein Kürzel für Monat (01) und Jahr (07).

III. Yves Delozanne, Serzy et Prin (86% auf der échelle, ein

Meunierspezi), Vallée de l’Ardre.

1. Brut Tradition, 80PM, 10CH, 10PN. Saftiger, süßlich wirkender

Champagner mit gut eingebundener Säure und leichter Metallnote.

Unbeschwert zu trinken und wegen seiner einfach strukturierten

Aromatik ein bequemer Essensbegleiter selbst zur Gorgonzolapizza.

2. Rosé, selbe Cuvée wie oben. Hefig, brotig, rindig. Krosse, mit Bier

behandelte Holzofenbrotrinde, dazu bananige Aromen und ein paar

Tröpfchen Rosenwasser im Bouquet. Wirkte angenehm mürbe, wenngleich

zu jung. Kann noch was werden. Dosage wirkte im übrigen recht hoch,

scheint um 11g gewesen zu sein.

3. 97 Cuvée d’Exception, je 1/3 PM, PN, CH. Quitten, Cranberry,

Sauerkirsch und zum Schluß etwas Schokolade. Eine Art Edelmoncheri

mit strammer Säure und spannendem Potential. Mittlerweile hat ja die junge Generation das Ruder bei Delozanne übernommen, die Cuvée d’Exception wird jetzt unter dem Label V. Delagarde verkauft.

IV. Pol-Roger, Epernay

wie immer eine freundliche Führung, in deren Verlauf dies und das

erklärt wurde. Zu den Champagnern gibt es nicht viel Erstaunliches zu vermelden:

1. Extra Cuvée de Reserve schmeckte wie immer, ziemlich gut.

2. Blanc de Chardonnay (im Hausjargon: flüssiger Diamant) 1998, ein

reiner Grand Cru (was viele gar nicht wissen) und der letzte dieser Art, seit dem 99er Jahrgang

heißt der „Blanc de Chardonnay“ wie alle 100%CH-Champagner „Blanc de

Blancs“. Zuerst toastig und vollzuversichtlich blnacdeblancig,

dann mit plötzlich auftauchender, schockierend häßlicher Krautnase und dann erst ganz langsam wieder als vernünftiger Chardonay erkennbar. Merkwürdige Flasche.

3. Vintage 1998, 60PN, 40CH. Kraftvoll, ja wuchtig, ausgewogen und

typisch. Zwischen kräuterigen Noten und schmelzigem Karamell. Mein

Favorit.

4. Rosé 1999, Cuvée wie der weiße Vintage, jedoch mit 10% Rotwein.

Erdbeerchen, fast leichtfertige Fruchtnase, im Mund Rote Grütze,

dunkle Kirschen, wegen fehlender Säure leider etwas kurz – und im Handel leider auch viel zu teuer.

5. Sir Winston Churchill 1996. Dunkel, machtvoll, fordernde Säure und

eine Andeutung von Cognac und angebrannten Waffeln in der Nase. Wunderwunderwundervoll.

Im Table Kobus dann nochmal 98er Pol-Roger (zum Steak, bzw. zum

Zander). Genuss ohne Worte.

V. Bonnaire, Cramant

Monsieur Bonnaire zeigte uns seine beeindruckende, sehr moderne

Anlage und öffnete

1. Non Dosé

Vorbildliches, sehr schönes Äußeres. Springlebendige Nase, im Mund

unbeschwert schorlig, Durstlöschercharakter. Unaufdringliche,

jederzeit diskrete, aber spürbare Säure und milde Mineralität.

2. 2002er BdB GC 10-11g/l

Saftig, weinig, rund und lecker. Orangenmarzipan, Grand Marnier,

feine, cremige Textur. Sehr schöner Champagner und mein Favorit aus dem gelungenen Program von Bonnaire.

3. Variance (Boisé), enthalten ist ein Drittel zweimal belegtes Holz,

10-11g/l. Holzige, nicht zu schwere Nase, Minze, Eukalyptus und

freche Zitrusnoten kitzeln in der Nase. Säure satt, jedoch nicht

ermüdend. Länger, dafür auch schwerer als der 2002er. In gewisser

Hinsicht eine Steigerung zum 2002er, an dem sehr warmen

Verkostungstag und bei gehoben-frivoler Laune aber etwas zu

herbstlich.

VI. Diebolt-Vallois, auch in Cramant

Monsieur Diebolt war anfangs wie immer etwas zugeköpft, kam aber schnell ins

rollen.

1. Prestige

Blitzblanke Säure, Tannenholz, Harz, Lindenblüten, Weißdorn, Honig.

Frisch, schön, sauber, zugänglich, von ruhiger Had gemacht und schon

jetzt sehr gut zugänglich.

2. Blanc de Blancs 2002, 6g/l

Süffiger als der Prestige, etwas schlanker und filigraner. Weißdorn

und Lakritzanspielungen, dabei saftig, kräuterig und voller

Kelleräpfel, abschließend warme, nussige Töne, die den gut reifenden

Großchardonnay ankündigen.

Im Keller von Monsieur Diebolt griff er en passant eine

3. Fleur de Passion 2002 heraus. Wir leerten diesen gigantischen Wein

an Ort und Stelle. Sagenhaft schöner Champagner. Potenzierter Burgunder mit feinsten Bläschen.

Zum Schluß probierten wir noch die 2006er Grundweine aus den Tanks

und die Grundweine für die Fleur de Passion 2006 aus dem Holzfässchen

(53 Fässer getrennt nach lieu dits, bzw. zum Teil bereits im Faß

vereint). Am beeindruckendsten und einer großen Tafel würdig war Faß

5, „Grosmonts“.

VI. Bollinger, Ay

Im Garten des Hauses gedeiht das Miniversuchsfeld mit den Rebsorten (Teinturier, Pinot Meunier, Pinot Blanc und Pinot Gris, Arbane und Gamay).

1. Special Cuvée: wie immer: sehr gut! Was soll man da eigentlich noch groß schreiben?

2. Grande Année 1999 (einmal im September, einmal im Dezember 2006

degorgiert), dasselbe: auch sehr gut, jetzt deutlich harmonischer als beim letzten Mal und beispielsweise für Silvester 2009/2010 ein würdiger Trunk, wenn man nicht das Glück hat, die noch bessere 2000er Grande Année zur Hand zu haben.

3. RD 1996. Immer noch zu jung (degorgiert im Dezember

2006), aber zweifellos großer Wein, der noch eine ganze Weile laufen kann.

VII. Regis Fliniaux, Ay

1. Blanc de Blancs Grand Cru (Ay). Die Flasche wurde a la

volée vor unseren Augen degorgiert, Dosage hatte er deshalb natürlich

keine, vorgesehen ist eine Dosage von ca. 8g/l. Ein außergewöhnliches

Erlebnis, einen Blanc de Blancs aus der Pinot-Hochburg zu trinken. Ähnlich wie etwa der Chardonnay von Billecart-Salmon erstklassig gediehen und

von einer für die gegend von Dizy bis Mareuil exemplarischen exotischen Fruchtfülle, der nur ein ganz kleines bisschen Säure fehlt.

2. Cuvée des Signataires 50PN/50CH. Ananas, KiBa, Vanille, verspielte Säure, trinkbare gute Laune, der perfekte Abschluß eines großartigen Kurztrips.

Kleine Champagnerprobe auf Schloss Westerholt

I. Flight
Pierre Peters Perle de Mesnil Blanc de Blancs Grand Cru NV
150000 Fl. p.a.
Liebling der französischen Sternegastronomie. Viel Le-Mesnil-Säure, mit Frucht und Malo abgedämpft. Champagner für Feingeister.

Yves Delozanne Cuvée d’Exception NV (1997)
60000 Fl. p.a.
Je 1/3 PN, CH, PM
Archetypischer Vallée de la Marne Champagner. Mürbe, biscuitig, sehr ausgewogen und schon gut reif, solo besser als mit Begleitung; sympathischer, etwas rustikaler Stil nach Art der Pfalzrieslinge

II. Flight
Michel Gonet Blanc de Blancs Grand Cru 1998, btl. no. 3801
300000 Fl. p.a.
handbemalt
Klassischer Avizechampagner mit einer Perlenkette freundlicher Aromen, von Weissdorn über Nashibirne, Ananas, Weinbergpfirsich hin zu Mandarine, Nektarine und einem Mineralrückgrat, das den Champagner immer aufrecht stehen lässt.

André Clouet Un Jour de 1911 Blanc de Noirs Grand Cru, btl. no. 800, degorgiert am 27. Feb. 2007
65000 Fl. p.a.
25% 1997, 50% 1996, 25% 1995
Grosser Champagner nach Art der Grossväter. Ein Abgrund von Pinot Noir: Erotik im Glas, würzig, weinig, warm, fast schwül, ein richiger Burlesque-Champagner.

III. Flight
Bernard Hatté Rosé NV
40000 Fl. p.a.
100% PN
Winzerrosé aus der östlichen Montagne, Verzenay Grand Cru ist zusammen mit Ay und Ambonnay eines der mächtigsten Pinotterroirs der Champagne – und bernard Hatté macht das Beste draus, je nach Jahr mit Stahltank oder Holzfass, aber immer bis ins Letzte ausgeleuchtete Aromatik, präzise sitzende Säure und ein ruckelfreises Weinvergnügen zum kleinen Preis, leider auch nur in kleiner Menge

Larnaudie-Hirault Rosé Premier Cru NV
30000 Fl. p.a.
20% Rotweinzugabe
Winzerrosé von der westlichen Montagne, Premier Crus aus Trois Puits und Rilly-la-Montagne kommen in diesem Rosé zusammen. Gaumenschmeichler mit viel Rosenblättern, Zitrusschale, Kräuterwürze. Reiner Wein aus dem Stahltank, unverkitscht auf die Flasche gebracht.

IV. Flight
Tarlant Brut Zéro Rosé NV, degorgiert Juni 2006
100000 Fl. p.a.
15% PN, 85% CH
holzfassausgebaut, Rotweinzugabe
Parkers Liebling mit einem innovativen Geschoss. Dass die Tarlants schon seit 50 Jahren mit Extra-Brut hantieren, weiss fast keiner. Deshalb staunt alle Welt immer über diese aus dem Handgelenk geschüttelten Cuvées von Jean-Mary und Benoit Tarlant. Aber diese mühelose entfachte Fruchtexplosion verdankt sich nicht dem Zufall, sondern langer Erfahrung und harter Verkostungsarbeit.

Taittinger Comtes de Champagne Rosé 1997
4,7 Mio. Fl. p.a.
70% PN, 30% CH
Maischekontakt
Der alte Adel unter den grossen Rosés und einer der besten Prestigerosés überhaupt. Trinkt sich hervorragend und kostet im Gegensatz zu den edelrosés der anderen Grosskopfeten nicht die Welt. Taittingertypische Eleganz, sportliche Sehnigkeit, der perfekte Triathlet: gut aussehen, gut duften, gut schmecken.

V. Flight
Regis Fliniaux Cuvée des Signataires NV
20000 Fl. p.a.
50% PN, 50% CH
holzfassausgebaut
Das Genie aus Ay, leider ständig ausverkauft, aber wenn man Regis mal vor dem ersten Hahnenschrei in seiner Heimstätte beim Dégorgieren (alles von Hand!) überrascht, dann darf man auch ein paar Flaschen mitnehmen. Die Signataires sind ein Wahnsinn aus Kirsche, Banane, Ananas, Mango, Passionsfrucht, mit spritziger Säure und gutem Kehlenprofil.

2003 by Bollinger
1,3 Mio. Fl. p.a.
70% PN, 30% CH
holzfassausgebaut
Hommage an ein desaströses Jahr. Einer der merkwürdigsten Champagner der letzten Jahre, hing zuerst wie ein toter Wellensittich im Glas, entwickelt sich aber seit etwa einem jahr immer besser und rollt unaufhaltsam auf seinen wahrscheinlich recht baldigen Reifehöhepunkt zu. Kaffee, Toffee, viel Apfel, wenig Säure, Mürbeteig, mineralisch-jodige Noten. Sicher nicht für jeden ein Genuss, aber auf jeden Fall eine Besonderheit.

VI. Flight
Moet et Chandon – Dom Pérignon 1998
26 Mio. Fl. p.a.
50% PN, 50% CH
Der Mönch und die Mode – von Lagerfeld aufwendig in Szene gesetzt und von den Stars und Sternchen weltweit mehr oder minder besinnungslos weggeschlürft. Dabei verdient dieser Champagner und dieser Jahrgang eine genauere Betrachtung und eingehendere Würdigung; sicher: als überragend werden 98, 99, 00, 01 nicht in die Geschichte der Champagne eingehen – aber das gilt auch für 1987, 1995 und 1997. Und aus diesen Jahren gibt es sensationelle Champagner. Das wiederum zeigt: der Könner im Keller kann was draus machen. Beim Dom hat es geklappt. Kein Dom vom Kaliber eines 90 oder 96, aber einer mit einem eigenständigen, bodennahen Profil, fast ein wenig back to the roots. Mineralisch, sehr viel Toast, Kräuter, die typisch dommige Leichtigkeit und die ständige Verwandlung und weiterentwicklung im Glas machen aus diesem Champagner dann doch noch einen würdigen Dom.

Gosset Celebris 1998
900000Fl. p.a.
36% PN, 64% CH
kein BSA; Holzfassausbau
Champagner vom ältesten Weinhaus der Champagne. Völlig anders als der durchgeistigte Mönch. Von Anfang an präsent, mit starker Stimme, starken Aromen, starker Säure, von allem etwas, ohne dass man das Gefühl des non multa sed multum bekommt. Starke performance dieses etwas aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit gerutschten Hauses.