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Tag Archives: champagner

Ruhr-Karussell Teil III

Dritte Station war Knut Hannappels Restaurant in Essen.

Amuse Gueule: Entenleberpraline mit Zwiebelconfit

Die Entenleberpraline ist einer von Knut Hannappels Klassikern. Immer zartschmelzig, immer ziemlich süss und fast immer schon so sättigend, wie ein Hauptgang. Aber gestern hatte ich reichlich Appetit mitgebracht und die kleine Nascherei vorweg machte Lust auf mehr. Dazu gab es Casparis restsüßen Enkircher Moselriesling, den ich auch zum ersten Gang beibehielt. Der ebenfalls angebotene Champagner von Veuve Pelletier war grauenhaft und schmeckte nach gewaltvoll abgepressten Schlusenresten. Schlimmes Massenzeug. Bloss schnell vergessen, das!

 

I. Duett vom Kaninchen mit Sellerieschmand und Speckluft

Das Kaninchenduett war gut. Einerseits eine feste, leicht säuerliche, aber nicht wie Sauerfleisch angelegte Sülze mit schönen festen Fleischstücken und Möhrchen, dazu passte gut die dünn gehobelte, erdig-würzige Rote Bete und eigentlich auch der besonders luftige Speckschaum, der leider wiederum so luftig war, dass das Speckaroma sich praktisch nicht entfalten konnte. Andererseits gab es eine Galantine vom Kaninchen zu deren zartem Fleisch der würzige Sellerieschmand sehr gut passte. Auch über Kreuz schmeckten Sülze mit Sellerieschmand, bzw. Galantine mit Roter Bete und Speckluft gut. Schön war auch der Riesling dazu.

 

II. Roulade von der Lachsforelle auf Blutwurst-Graupenrisotto mit Schwarzwurzelmousseline

Die Lachsforelle sah innen eher roh als glasig aus und war gleichzeitig zu weich, was mich nicht zufriedenstellte. Das Blutwurst-Graupenrisotto konnte die Forelle leider auch nicht mehr retten, weil es nur eine untergeordnete Rolle spielte. Es war zwar leidlich gut und hatte zusammen mit der Schwarzwurzelmousseline einige aromatische Akzente auf seiner Seite, aber die misslungene Lachsforelle wog zu schwer. Dem Weissburgunder aus der Ruhredition war's natürlich egal, der passte zu beidem ganz gut, ist ja auch eine erprobte Kombination.

 

Entr'Acte: Mangosorbet mit Knisterzucker

Gleichsam als Versöhnung kam das Mangosorbet. Das war ausgezeichnet. Nicht zu süss, sondern ganz auf der Mangolinie mit einer natürlichen Herbe, ziemlich dick und auch mit grobem Knisterzucker dekoriert, der mehr als nur knisterte, indem er förmlich knallte.

 

III. Gefülltes Haustäubchen auf Steckrübenpurée mit Buchweizencrêpes

Hier kam der Teller besonders schlön angerichtet, die Stücke von der Taube waren dunkelrosarot und bildeten zusammen mit einem Taubenschlegel und dem Buchweizencrêpe den Umriss einer fliegenden Taube nach – mit etwas Phantasie. Einwandfrei gebraten das Taubenfleisch, sehr aromatisch und erdig das Steckrübenpurée, vorbildlich dünn der Buchweizencrêpe, dessen dunkle, an verschmutzten Kaffeefilter erinnernde Färbung nicht nur gut zum Ruhrgebietscharakter des Menus passte, sondern auch dezent nach Vollwertkost schmeckte. Dazu gab es etwas Rahmwirsing, der sich ebenfalls harmonisch einfügte. Der Spätburgunder aus der Ruhredition ließ auch hier nichts anbrennen.

 

IV. Hüfte vom Ruhrwiesenlamm mit Schnibbelbohnenconfit und Kartoffelcharlotte

Die Kartoffelcharlotte war etwas arg mild gewürzt, mag aber von manchen als passender Hintegrund für das kräftige Lämmchen und die sehr konzentrierte, gute Sauce empfunden werden. Gut, aber keineswegs originell war das Schnibbelbohnenconfit dazu. Der junge Pigmentum, Cahors, machte zum Lamm keine Probleme, solo wäre er mir zu einseitig gewesen.

 

V. Warmer Quittenpudding mit Ziegenkäse-Panna-Cotta und geeistem Apfelsaft

Der Quittenpudding entpuppte sich als Quittenschlupfer, was mir recht war. Noch schön warm und mit reichlich saftigen Quittenwürfelchen belegt, hätte ihn auch mein k.u.k. Großmutter aus dem Ofen gezaubert haben können. Das Apfelsorbet stand dem Mangosorbet in Qualität und Aromentiefe nicht nach, es war allenfalls etwas flüssiger, passte aber exzellent zum Quittenschlupfer. Schwierig, aber meiner Meinung nach gelungen war die Ziegnkäse-Panna-Cotta mit Minze. Ich weiss, dass Ziegenkäse mit seiner stalligen und salzigen Aromatik schon so nicht exklusiv auf Zuspruch stösst; dann das ganze noch in Dessertform? Nun, das geht sehr gut, wenn man sich auf eine Menge von ca. eineinhalb Esslöffeln beschränkt und zum Beispiel ein fruchtigfrisches Apfelsorbet dazu anbietet. Ich fand die Panna Cotta jedenfalls sehr gelungen, genau richtig dosiert und war mit dem Dessert sehr zufrieden. Weniger zufrieden war ich mit dem dazu angebotenen lieblichen Gutswein aus der Literflasche von Caspari – es hätte auch ein adäquater Stoff sein dürfen.

Freundschaftsspiel Delamotte ./. Janisson-Baradon im Champagnerleistungszentrum

 

 

Im Champagnerleistungszentrum wird nicht immer nur erbittert trainiert und gekämpft, es gibt auch freundschaftliche Zusammenkünfte. So wie zwischen der älteren Cousine von Champagne Salon und dem gravitätischen Herrn Baradon.

 

A. Delamotte Blanc de Blancs

Bei Delamotte muss man sich davor hüten, ihn mit der Vorstellung zu trinken, einen kleinen Salon im Glas zu haben. Denn die Verwandtschaft ist zwar da, aber doch nur wie bei zwei zärtlichen Cousinen. Für prüd-mürbe Gemüter schon ein verbotenes Prickeln, aber nach den Wertungen von § 173 StGB und § 1307 BGB quasi business as usual. Und doch lässt einem die jüngere von beiden, die Venus im Pelz (von Eugène-Aimé Salon, einem Pelzhändler) regelmäßig die Brille beschlagen. Wir hatten es dennoch auf die Ältere abgesehen. Eine gute Entscheidung, wie sich nach einer halbstündigen Wartezeit zeigen sollte. So lange dauerte es nämlich, bis sich die feine Dame entblättert hatte. Und was sich da offenbarte, war mitnichten ein barfüssiger Bauerntrampel, sondern eine hochgewachsene, aristokratische, wenngleich öffentlichkeitsscheue Schönheit. Vergessen war die kühle, distanzierte Begrüßung, die so charmant war, wie eine Mischung aus kaltem Zigarettenrauch und Minzbonbon. Fast unbemerkt hatte Delamottes jahrgangsloser Blanc de Blancs sich mit einem eleganten Rumrosinenparfum und einer Schleppe köstlicher, saftiger kirschwassergetränkter Früchtebrotstücke appetitlich hergerichtet. Bei aller Frugalität und langsam zelebrierten Verführungskunst war Delamottes BdB aber leider stets kurz angebunden und hinterließ dann doch keinen auch nur annähernd so langen Nachhall, wie der große Auftritt vermuten ließ. Vielleicht kommt das noch.

 

B. Janisson-Baradon Cuvée George Baradon 1999

Nachdem Tom Stevenson und Richard Juhlin leider keine eigenen Verkostungsnotizen zu Janisson-Baradon zu bieten haben, ist es unbedingt an der Zeit gewesen, in diese Lücke hineinzustossen. Ein guter Ansatzpunkt ist dafür stets die Cuvée du Fondateur eines Hauses. 1922, also ein Jahr nachdem Salon seine Champagner erstmals kommerzialisierte, gründete George Baradon das heute unter Janisson-Baradon firmierende Haus. Nach ihm ist die Spitzencuvée benannt. Mittlerweile muss sie sich den Platz an der Spitze des Sortiments mit dem nach den Regeln des Club des Trésors de Champagne kreierten Einzellagen-Jahrgangschardonnay "Les Toulettes" teilen. Das macht aber nix, die beiden Champagner sind unterschiedlich genug, um das Portfolio nicht zu zerfasern. Der George Baradon ist ganz im Stil der damaligen Zeit ein Mix aus den beiden Edelreben, 70% Chardonnay und 30% Pinot-Noir, aktuell wird der 2001er verkauft. Verkostet wurde der reifere, schon zugänglichere 99er. Der tat mit weltmännischer Gebärde auf, war mit einem sehr gentlemanhaften Parfum angetan und duftete deshalb unaufdringlich nach einer Mischung aus Edelholz, Armagnacpflaumen, rotem Apfel und Blutorange. Mit Luft verfeinerte sich das Gemisch zusehends und unterstütze die ebenso leb- wie gewissenhaft am Gaumen arbeitende, schlanke und unaufdringliche Säure bei ihrem erfrischenden Werk.

 

C. Auswertung

Zwei sehr unterschiedliche Champagner. Herkunft und Alter wirkten trennend, verbindend dagegen der hohe Qualitätsanspruch und die ausdrucksvolle Performance. Bei Delamotte könnten gern noch ein paar Jahre der Reifung hinzukommen, beim Baradon sass jetzt schon alles so gut und präzise, dass man sich nur wünschen kann, es möge möglichst lange so bleiben.

Eröffnung des Champagnerleistungszentrums

Das "Champagnerleistungszentrum" ist eine lose Folge von Verkostungsnotizen, in der die Gastroperformance ausgewählter Champagner etwas genauer beleuchtet wird. Zur Eröffnung des Champagnerleistungszentrums trafen zwei Bewerber aufeinander. Der kleine, wendige Winzerchampagner von Thierry Bourmault und der Jahrgangschardonnay vom Genossenschaftsgiganten:

 

A. Thierry Bourmault Blanc de Blancs Premier Cru "Sylver Class"

Dieser sehr kleine Winzer aus Cuis ist mir nun schon zum wiederholten Male positiv aufgefallen. Der Erzeuger bringt im Jahr weniger als 20000 Flaschen auf den Markt und verkauft einen Teil seiner Trauben an ein namhaftes großes Haus. In einer kleineren Blanc de Blancs Verkostung machte er eine gute Figur neben Dethune und Ruinart und bei meinem letzten Champagnebesuch glänzte er schon wieder.

 

I. St. Jacques provenzalisch, mit Basilikum-Steinpilzpesto und Limette

Die St. Jacques waren sehr gross ausgefallen, trotzdem mit einem gleichmäßig glasigen Innenleben. Genau die richtigen Appetithappen also, zu denen sich die kräftige Basilikum-Aromatik fast schon zu sehr aufdrängte, wenn nicht der Limettenspritzer für etwas Bändigung auf dem Teller gesorgt hätte. Dazu also der Sylver Class. Der Limettenspritzer zu den St. Jacques war gleichzeitig das Bindeglied zu der ausgesucht saftigen, limonenfrischen Natur des Champagners. Der dampfte förmlich im Glas, einen solchen enormen Überdruck bekommt man in deutschen Markensekten scheinbar nur mit zugesetzter Industriekohlensäure hin. Im Mund lebhafter, turbulenter Schaum und eine Aromenkoloratur wie in Mozarts Sonate Nr. 11 in A-Dur, KV 331, vulgo Rondo alla Turca. Ich weiss, sehr viel Metaphernkonfekt und wikipediagesättigte Bildungshuberei. Aber genau so schmeckte das nunmal.

 

II. Foie Gras mit Ratafiagelee und rosiniertem Pain Grillé

Unvermeidlich in Frankreich ist die Foie Gras und ich komme leider nicht dran vorbei. Vor allem nicht, wenn man mir ein Ratafiagelee dazu verspricht, dessen konzentrierte, mostige Süße viel besser zur Foie Gras passt, als Trüffel oder Preiselbeeren. Die Foie Gras war erwartungsgemäß schmelzig, aber mir etwas zu fad, so dass das Ratafiagelee keinen adäquaten Kontrapunkt setzen konnte, sondern etwas mastig wirkte. Der Wirt schien das zu wissen, denn zu dem rosinierten Pain Grillé schmeckte die Foie Gras dann wieder. Das Pain Grillé hatte die Schlüsselrolle auch hinsichtlich des Champagners: der hatte zwar praktisch noch gar keine Röstnoten entwickelt, aber man konnte zusammen mit dem Toastaroma eine Vorstellung davon gewinnen, wie der Champagner sich vielleicht einmal entwickeln würde.

 

III. Avocado mit luftgetrocknetem Schinken und Scheiben vom Parmiggiano Stravecchia

Avocado ist eine ziemlich fette Frucht. Oder Gemüse. Oder Obst. Oder was auch immer. Das macht sie zum Partner für spritzigen Champagner. Obacht ist jedoch geboten und unkritisch zusammengestellte Paarungen werden mit Bitternoten bestraft. Nicht so hier. Der mildsalzige, butterweiche Schinken und der kristalline, körnige Parmesan waren zusammen mit dem reifen, weichen, aber noch nicht matschigen Fleisch der Avocado eine zwar nicht besonders ausgefallene, aber unter Weinkombinationsgesichtspunkten auch nicht leicht zu bewältigende Aufgabe. Hier bewies der Sylver Class Allrounder-Qualitäten und ich konnte mir nicht viele Stillweine vorstellen, die dazu besser gepasst hätten. Etwas indifferent war der Champagner freilich zur Avocado, er gewann aber in der Kombination.

 

IV. Fladenbrot mit geräuchertem Scamorza und Soppressa

Der Scamorza ist ja auch so ein Geselle. Das Raucharoma und die Neigung zum Flocken und Fädenziehen machen ihn etwas schwierig. Deshalb esse ich ihn am liebsten ohne alles, höchstens noch mit einem Stückchen abgerissenen Brots. Oder aber man schneidet den Kollegen in nicht zu dünne Scheiben und steckt ihn in den Ofen. Da kann er sich dann zum Beispiel mit der Schärfe einer gut gewürzten Soppressa vermählen und heraus kommt ein buntgewürzter Spielplatz par excellence, der Tummelplatz für alle Moselkabinette, leichten Pouilly-Fumés, so manchen Chablis und nicht zuletzt die leichteren Champagner. Der Bourmault hatte den Vorteil der sprudelnden Frische, denn nach dem zweiten oder dritten Gang schätze ich die gaumenreinigende Wirkung der Kohlensäure sehr. Vielleicht war die Champagnerfrucht, der Käse und die Soppressa auch einfach etwas zu viel, muss ich im Nachhinein sagen.

 

B. Nicolas Feuillatte Blanc de Blancs 1998

Der Genossenschaftschampagner ist in Frankreich einer der großen Marktteilnehmer und gewinnt auch in Deutschland immer mehr Anteile. Die Basisqualitäten sind in Ordnung, die Spitzencuvée Palmes d'Or ist es ebenfalls (die 96er Palmes d'Or ist sogar herausragend), auch wenn sie kaum einer kennt und wenn sie von Champagnergeeks beinahe furchtsam gemieden wird. Was in Deutschland noch fast unbekannt ist, sind die mittleren Qualitäten von Nicolas Feuillatte. Dazu gehören vor allem die verschiedenen Rebsorten- und Lagenchampagner. Das Klügste, was eine Cooperative machen kann, ist die Vorteile der Mitgliederstruktur auszuspielen. Die Champagnergenossenschaften sind darin alles in allem ziemlich gut. Nun musste also der 98er Blanc de Blancs ran.

 

I. Grüner Salat mit Vinaigrette

Diese Speise, so simpel sie ist, stellt für jeden Wein eine Herausforderung dar. Schuld ist natürlich die Vinagrette. Der Feuillatte gab einen guten Einstand. Gülden und reif stand er im Glas, lockte mit Honigduft und Mandelmilch, Toast, Apfelsaft und Lindenblütentee. Eine wohlgenährte, propere kleine Prinzessin kündigte sich an. Und Frauen können mit Salat sowieso irgendwie besser, als Männer. Ein knüppelharter Chardonnay aus Le Mesnil wäre also vermutlich die falsche Wahl gewesen. Unser Prinzesschen ging die Sache behutsam an. Die milde Nase empfing ausgesucht höflich den forschen Senf aus der Vinaigrette und nahm ihm so ganz unverhofft den Wind aus den Segeln. Im Prinzessinengemach von Apfel, Honig und Mandel hätte aber auch der stänkerndste Saubube noch Manieren an den Tag gelegt. So war der Einstieg schonmal gelungen.

 

II. Pâté de Campagne von der Ente mit Pain Grillé und violettem Senf

Dass der Feuillatte mit Senf kann, hatte er gezeigt. War noch die Eskalationsstufe violetter Senf abzuchecken. Der verhielt sich aber zahm, war selbst eher von der fruchtigen und entgegenkommenden Seite und nicht einer von den um jeden Preis auftrumpfenden Senfen. Damit stand der Senf ganz in der Tradition seines prominentesten Anhängers, Papst Clemens VI., dem man sagenhaftes diplomatisches Geschick nachsagt. Der päpstliche Nuntius und die Champagnerprinzessin vergnügten sich vornehm, die Landpartie wurde von zartem Entenfleisch in einer angemessenen Schmalzhülle begleitet, das bewährte Pain Grillé sorgte für harmonischen Gleichklang mit den schon reiferen, mehr als andeutungsweise toastigen Chardonnaytönen.

 

III. Boeuf Tartare

Auf das diplomatische Zwischenspiel folgte eine sehr weltliche Aufforderung zum Tanz. Das Boeuf Tartare mit seinen Kapern, Anchovis und der Worcestershiresauce ist eine ziemliche Zumutung für den Champagner. Mir schmeckt es aber gelegentlich ganz gut, musste der Champagner also sehen, wo er blieb. Gegen das Tartar war geschmacklich nichts einzuwenden, ich habe lediglich etwas mehr grob gemahlenen Pfeffer dazugefügt und war sehr gespannt auf den Zusammenprall. Der Feuillatte musste die Fähigkeit zeigen, sich schnell an veränderte Bedingungen anpassen zu können, echte Evolutionssiegerqualitäten also. Etwas ungelenk wirkte der Champagner indes, als er auf die Worcestershiresauce traf, auch der aromatische Pfeffer machte es ihm nicht gerade leichter. Die soeben noch hochgeschätzte milde und versöhnliche Art musste einer erhöhten Schrittfolge weichen, das Tartar kitzelte ein paar Säureakzente mehr heraus und die weiche, einlullende Frucht sah sich ummodelliert zu einer Komplizin des Kapernaromas. Insgesamt eine vorhersehbar schwierige Kombination, die den Champagner an seine Grenze brachte.

 

IV. Ziegenkäsetartelett und überbackener Bleu d'Auvergne

Als Abschluss eine leichtere, klassischere Kombination, deren Hürden nicht so hoch waren. Zum Ziegenkäsetartelett konnte das ganze Arsenal des Champagners noch einmal glänzen, eine sowjetrussische Militärparade war nichts dagegen. Schwierig wurde es zum Bleu d'Auvergne. Der verlangte mehr Herzblut und Süße. Dass die Kombination gelang, lag nicht an Reife und dazugehöriger Alterssüße des Chardonnays, sondern nach meinem Dafürhalten bloss am Dosagezucker.

 

C. Auswertung

Beide Champagner waren in guter Form, der youngster Bourmault vielleicht sogar in der Form seines Lebens. Von diesem Talent wird mit Sicherheit noch einiges zu hören sein. Aus dem Stall der Genossen kam ein gut geformter, gediegener und sehr weltläufiger Champagner, der ersichtlich aus einem großen Erfahrungsschatz schöpfen konnte. Einen Hauch mehr an Spontaneität und Originalität hatte am Ende der Winzerchampagner.

Die Champagnerwinzer haben schon wieder gewählt

Das Syndicat Géneral des Vignerons de la Champagne (SGV) kommt nun hoffentlich zur Ruhe. Am neuen Prachtbau des Verbands lässt sich erstmal nicht rütteln, gefragt ist jetzt eine Verbandsführung, die bei den Winzern wieder Ruhe einkehren lässt.

Als Präsident konnte sich gestern Pascal Férat mit 30 von 48 Wählerstimmen (das entspricht 62%) gegen Pierre Cheval und Patrick Le Brun durchsetzen. Der 53-jährige ist Récoltant Cooperateur in Vertus und war Chef der dortigen Genossenschaft "La Goutte d'Or", sowie des Genossenschaftsverbands. Insofern ist ihm vielleicht am ehesten zuzutrauen, oder besser zuzumuten, eine aufgebrachte Winzerschaft zu führen.

Unterstützen werden ihn Dominique Fleury, Joel Falmet und Maxime Toubart als Vizepräsidenten, Generalsekretär wird Remi Durand. Antoine Chiquet, Jocelyne Dravigny, Joël Follet, Michel Furdyna und Hervé Tissier bilden den erweiterten Führungsstab.

 

Nicolas Joly und die Biodynamie

Der Wein, die Rebe und die biologisch-dynamische Wirtschaftsweise

Nicolas Joly

Verlag Gebrüder Kornmayer, 2. Auflage, Mai 2009

156 Seiten

15,40 €

ISBN: 978-3-938173-46-6

 

Am 19. März 2010 steht die dicke Clos de la Coulée de Serrant-Probe von Uwe Bende an. Nicolas und Virginie Joly stellen ihre Jahrgänge 1977, 1979, 1983, 1986, 1987, 1988, 1989, 1990, 1994, 1995, 1997, 2002, 2003, 2005, 2007, 2008 in der Bochumer Gesellschaft Harmonie von Daniel Birkner vor. Da heißt es, sich vorbereiten. Und das fällt zum Glück nicht schwer, denn Nicolas Joly macht nicht nur Weine, über die man spricht, sondern er spricht auch aus seinen Büchern zum Genießer.

 

Nun kann man von Rudolf Steiner, dem – nicht nur – geistigen Vater der von Joly praktizierten biologisch-dynamischen Wirtschaftsweise halten, was man will; aber was sich nicht ins Lächerliche und Unglaubwürdige ziehen lässt, ist der besondere Charakter der von Nicolas und Virginie Joly erzeugten Loire-Weine. Die Auseinandersetzung mit der Produktionsphilosophie, wie sie von Joly in Buchform gegossen wurde, ist daher vielversprechend. Ans Werk, also!

 

Joly erläutert zunächst die Stellung der Weinrebe in der Landwirtschaft. Dabei wird schon früh deutlich, dass die in seinem Ansatz enthaltene Kritik an der modernen Landwirtschaft immer auch eine Kritik an der heutigen AOC-Praxis in Frankreich ist. Ähnlich wie Victor Hugo seinen Miserables-Helden Jean Valjean unter der Identität des Monsieur Madeleine ein Loblied der Brennessel singen lässt, sieht auch Joly die verborgenen Qualitäten dieser Pflanze. Bei der Brennessel bündele sich die Kraft in der Mitte, weder dringen die Wurzeln nämlich tief ins Erdreich, noch streben ihre äußeren Extremitäten zum Licht. Vielmehr dränge sich alles im mittengelagerten Blatt zusammen. Das wiederum mache die Brennessel zu einem Helfer für äquivalent gelagerte Organe wie in diesem Fall das menschliche Herz und letztlich nehme deshalb auch die Rebe gern Brennesseltee oder -Jauche an. Dieses einführende Beispiel illustriert bereits ganz gut einen Teil der antroposophischen Denkweise. Es verwundert deshalb nicht, wenn Joly auf die Agrochemie einteufelt: die chemische Keule vernichte erst mit dem sogenannten Unkraut, den Schädlingen und Mikroorganismen das Leben im Boden und der dann überhaupt erst notwendige Industriedünger treibe den Teufel mit dem Beelzebub aus, ja noch schlimmer: moderne Pflanzenschutzpräparate setzten sich nicht nur abwaschbar außen auf der Pflanze, sondern in ihrem Saft ab. Eine Entwicklung, die auch von den Vollwertlern wortreich beklagt wird.

 

Der Abschnitt zu den Ortsenergien ist recht knapp gehalten, mündet aber in der programmatischen Aussage, dass der Winzer in der Entbindungsstation Weinkeller die Wahl hat, ob er "wine maker" oder "nature assistant" sein will. Auf den folgenden Seiten gibt sich Joly als Terroirist zu erkennen, wohlwissend, dass der Begriff verwaschen, beinahe anrüchig geworden ist. Nach dem Rundgang durch den Folterkeller der konventionellen Vinifikation geht es pfeilgrad wie in der "Chymischen Hochzeit des Christian Rosenkreutz" in die oberen Etagen der Kraft-, Schwingungs-, Harmonie- und Formenlehre. Dass Joly keine wissenschaftliche Abhandlung, sondern ganz bewusst das genaue Gegenteil davon schreibt, muss einem natürlich klar sein. Da das Werden, Sein und Vergehen des Weins als einer überaus komplexen Chemikalie den vereinigten naturwissenschaftlichen Kräften und Bemühungen bis heute nicht zur Gänze offenliegt, spricht nichts gegen alternative und hier im besten Sinne unkonventionelle Erklärungsversuche. Der einzige Maßstab kann in diesem Fall der Erfolg sein. Und da der Erfolg für Joly spricht, gilt es, seinen Ausführungen aufmerksam zu folgen – auch wenn sie in weiten Teilen schlichtweg unbelegbar sind, was insbesondere wissenschaftsgläubigen Zeitgenossen ein schwer zu entfernender Dorn im Auge sein dürfte, wie Joly freimütig etwa auf S. 105 bekennt.

 

Praktische Ausführungen kommen zum Schluss des Buchs. Joly gibt kurz wieder, was Rudolf Steiner bei den Keyserlings auf Gut Koberwitz anstellte und erklärt die Wirkung der biodynamischen Präparate. Gleichsam augenzwinkernd kommt er dann noch auf das berühmte Kuhhorn und die Dynamisierung zu sprechen, wobei im Ergebnis geht es der Biodynamie darum, den landwirtschaftlichen Betrieb ganzheitlich, als organisches, von Kreisläufen geprägtes und in die Verwebung von Mikro- und Makrokosmos integriertes Wesen zu verstehen, andererseits sind die Methoden, mit denen in der biodynamischen Landwirtschaft Wirkung erzielt werden soll, in der Nähe homöopathischer Ansätze zu Hause.

 

Fazit: So sehr man mit einer Affinität für naturwissenschaftlich geprägtes Denken geneigt ist, die Biodynamie ins Lächerliche zu ziehen und ihre Vertreter verächtlich zu machen, so verkehrt wäre diese Art der Kritik gleichzeitig. Den Konflikt zwischen (dem Nichtvorhandensein von) wissenschaftlichen Erkenntnissen und dem Dafürhalten von Anwendern der Steinermethoden kann Jolys Buch nicht lösen. Überzeugender dürften da schon seine Weine oder die anderer Vertreter der biodynamischen Lehre sein. Joly punktet in seinem Büchlein über den Wein, die Rebe und die biodynamische Wirtschaftsweise vor allem mit seinem leicht wegzulesenden Schreibstil, Abzüge gibt es für das verschwörungstheoretisch anmutende ständige wettern gegen die agrochemische Industrie. Insgesamt ein Buch, das den Einstieg in die Materie erleichtert, aber noch nicht sektiererisch daherkommt.

Champagner-Umfrage: die Ergebnisse

Hier sind die Ergebnisse meiner kleinen Schaumwein-Umfrage

the results of my sparkling-survey

1. bei der Frage nach Champagner oder einem Alternativsprudler war die Tendenz deutlich

the majority went for champagne instead of alternative sparklings

– Champagne 76,47%
– anderer Schäumer/other sparkling 5,88%
– manchen war es auch egal/don't care 17,65%

2. Noch klarer ist die Farbpräferenz

colour preferences were even clearer

– weiss/white 84,31%
– rosé 5,88%
– beides gleich gut fanden/both 9,80%

3. die Liebhaber des Blanc de Blancs überwogen

blanc de blancs rules

– BdB 47,06%
– BdN 29,41%
– beides gleich gut oder egal fanden/both 23,53%

4. auch die Jahrgangsfraktion ist stark

vintage, too

– mit Jahrgang/vintage 66,67%
– jahrgangslos/NV 15,69%
– mal so mal so mögen es/depends 17,65%

5. die jungen Früchtchen kommen nicht so gut an

nolita

– jung und sexy/barely legal 19,61%
– reif und schön/milf 58,82%
– mal hier und mal da naschen wollten/nibble on both 21,57%

6. die Winzer sind beliebt

growers have strong support

– Grande Marque/big house 17,65%
– vigneron indépendant/grower 56,86%
– auch hier gab es viele Wechselwähler/changelings 25,49%

7. knochentrocken lautet die Devise

dosage: the lower the better

– Ultra Brut 88,24%
– zum sugardaddy bekannten sich nur/candy shop's almost closed with a mere5,88%
– und das ganze Spektrum wollten ebenfalls nur/take 'em all no matter how much sugar's in there 5,88%

8. die Einzellagenfreunde waren in der Mehrzahl

single action strikes

– Monocru/single vineyard 49,02%
– Gebietsverschnitt/blend 25,49%
– aus Kosten- oder anderen Gründen nicht festlegen wollten sich/not sure 25,49%

8. Freunde der Kathedralenstadt fanden sich nicht so viele, Krug-Fans dafür um so mehr

looks like the krugists did not support the city of reims

– Reims 19,61%
– Epernay 49,02%
– unentschlossen oder egal/whatever 31,37%

10. trotz des Bekenntnisses zum Winzerchampagner konnten sich nicht so sehr viele zum Starwinzer durchringen. Vielleicht deshalb, weil Krug ja selbst so etwas wie ein grosser Kultwinzer ist

Krug defeats Selosse

– Krug 41,18%
– Selosse 29,41%
– einige konnten zu einem oder beiden Champagnern nicht so viel sagen und blieben deshalb unentschieden/some haven't had enough drinking experience with any or both of the producers 29,41%

Der deutsche Wein und die Globalisierung

Der deutsche Wein und die Globalisierung

– Wismarer Schriften zu Management und Recht, Bd. 31 –

Silke Trick

Europäischer Hochschulverlag, 1. Auflage 2009

185 Seiten

78,00 €

ISBN: 978-3-941482-31-9

 

Jedermann wird leicht einsehen, dass Bildung Geld kostet. Mitunter viel, ja sogar sehr viel. Schon recht viel Geld für ein Büchlein von noch nicht einmal 190 Seiten wäre nach meinem Bauchgefühl ein Betrag von mehr als 30,00 EUR. Sehr viel Geld sind die für das vorliegende Werk aufgerufenen 78,00 EUR. Das leidige Thema Geld soll aber nicht den fachlichen Wert der Ausarbeitung in ein ungünstiges Licht stellen, dazu bedarf es einer genaueren Auseinandersetzung.

 

Die Arbeit ist im Wintersemester 2009/2010 als Master-Thesis eines Marketingstudiengangs eingereicht worden und wird im Vorwort des Herausgebers mit einigem Applaus bedacht. Um eine hervorragende Arbeit handle es sich, die Besonderheiten des interdisziplinären Ansatzes im Sales und Marketing Studiengang würden geradezu vorbildlich miteinander verknüpft. Das schürt erste Erwartungen. Aber ach, wie vermisse ich das in wissenschaftlichen Arbeiten sonst so weit verbreitete executive summary! Lediglich eine kleine Einführung in die Zielsetzung und ein Fazit samt Ausblick geben hier die Eckpfosten ab. Sei's drum, an so etwas scheitert ja eine ambitionierte Arbeit nicht und letztlich ist so ein englisches Thesenpapier längst nicht Ausdruck solider wissenschaftlicher Arbeit. Gleichfalls nicht Ausdruck solider wissenschaftlicher Arbeit, sondern Merkmal fehlender Souveränität ist es, wenn der Verfasser auf den ersten paar Zeilen selbstverständliche Abkürzungen wie "Mio." für Millionen und "hl." für Hektoliter einführt. Ganz und gar unnötig ist außerdem eine Fußnote, die das Wort Hektoliter fürsorglich mit "100 Liter" erklärt. Über die etwas unbedarfte Verwechslung eines Wachstums "um", bzw. "auf" einen bestimmten Prozentsatz kann man noch hinwegsehen. Problematisch wird es allerdings, wenn in den Fussnoten immer wieder populärwissenschaftliche Werke wie Roderick Philips' amüsanter Streifzug durch die Weingeschichte "Die große Geschichte des Weins" oder Jens Priewes – für Weinlaien zweifellos interessantes und verdienstvolles Buch – "Weinwissen" auftauchen. Aber auch das: geschenkt. Wir befinden uns ja noch nur auf den ersten zwanzig Seiten und sind Optimisten.

 

Leider hilft das nicht über den historischen Abriss hinweg, der pflichtgemäss auf dem Fusse folgt. Da wird ohne jeden Beleg von klimatisch günstigen Bedingungen für mittelalterlichen Ostseeweinbau geplaudert und die größte Ausdehnung des Weinbaus für die Zeit um 1600 bestimmt. Folgerichtig sei Wein das Getränk der Deutschen im Mittelater gewesen, erst ein Klimawandel habe den Vorsprung gegenüber dem Bier schrumpfen lassen. Und schwupp kommt die Verfasserin schon auf das Thema Prädikate. Wann die sich entwickelt haben, bleibt zwar unklar, aber dem Leser bleibt damit möglicherweise eine weitere Anekdote um irgendwelche Weinvorräte und Spätlesereiter erspart. Einschieben will ich an dieser Stelle allerdings, dass sich die gesamte Arbeit flüssig lesen lässt, der unkomplizierte Schreibstil versöhnt ein wenig für die sehr unverbindliche Bearbeitung.

 

Irritiert war ich dann, als ohne Vorwarnung die Begrifflichtkeit "Alte Welt" einer zumindest diskussionswürdigen Definition einverleibt wurde. Erst später stellt sich heraus, woher die definitorische Abgrenzung der Begriffe "Neue Welt" und "Alte Welt" stammt, auf S. 35 wird auf eine Arbeit von Hall/Mitchell verwiesen. "Alte Welt" sei demnach gleichbedeutend mit: "Wein gehört zum täglichen Bedarf", "Neue Welt" hingegen mit "Wein ist Statussymbol". Für die Ausarbeitung durch die Verfasserin mag eine Auseinandersetzung mit verschiedenen anderen Differenzierungskriterien nicht entscheidend gewesen sein. Ich bin aber der Ansicht, dass ein einseitiges Abstellen auf Trinkgewohnheiten der Arbeit bedeutende Entwicklungsmöglichkeiten und methodische Ansätze abgeschnitten hat. Darüber hinaus habe ich durchgehend saubere Quellenarbeit vermisst. Nicht nur, dass Hinweise auf nationale und europarechtliche Vorgaben lapidar damit abgetan werden, es sei sowieso schon alles sehr kompliziert geregelt; es fehlen auch die Bezeichnungen der einzelnen, den Regelungsrahmen der Materie bildenden Gesetze selbst. Gerade bei einer Arbeit, die einen internationalen Vergleich anstellt, wäre zumindest eine Darstellung der wesentlichen Aspekte von Normenhierarchien, etwaigen Normenkollisionen und den sich daraus abzeichnenden praktischen Problemen beim Markteintritt in ein Land wie die USA geboten gewesen – ohne dass das zwingend zu einer Schwerpunktverlagerung in den Bereich des internationalen Privat- und insbesondere des Wirtschaftsrechts hätte führen müssen. Jedenfalls wäre zumindest ein Hinweis auf die Normtexte wünschenswert gewesen, wofür gibt es schliesslich das Bundesgesetzblatt und das Amtsblatt der Europäischen Union?

 

Eine andere unschöne Angewohnheit der Autorin ist es, z.B. den Pro-Kopf-Konsum der Italiener in den Siebzigern angeben zu wollen, dafür aber nicht auf amtliche Quellen, sondern in diesem Fall den Wein-Brockhaus zurückzugreifen. Das entspricht, ohne dass ich die Arbeit der Brockhausredakteure damit angreifen will, einem auch nur semiakademischen Wissenschaftsverständnis so sehr, wie der Glaube, Strom komme aus der Steckdose. Selbst solche Patzer wären aber noch mit mildem Blick zu übersehen, wenn nicht in den Kernbereichen so gepfuscht werden würde. Da werden theoretische Grundlagen von Kravis, Posner oder Porter in den Raumn gestellt, wogegen noch nichts zu wollen ist. Aber anstelle einer Arbeit mit den theoretischen Grundlagen selbst gibt es nur aufgewärmtes Dosenfutter, sprich: die Reproduktion der Reproduktion. Denn die Autorin macht sich weder in der jeweiligen Fussnote noch im schmalen Literaturverzeichnis die Mühe und stellt den Urheber des von ihr verwendeten geistigen Werkzeugs vor, sondern nimmt die Belege ohne weiteres aus der Sekundärliteratur. Spätestens an dieser Stelle hätte der Betreuer der Arbeit sich aufbäumen müssen. Hat er aber offensichtlich nicht. Aus demselben geheimnisvollen Grund hat er die Verfasserin auch nicht dazu angehalten, ein paar erklärende Worte zu der Wahl des von ihr jeweils favorisierten Modells im Rahmen der Situationsanalyse zu verlieren. Diese zerfällt nämlich ausweislich der Inhaltsangabe des Buchs in Umwelt-, Unternehmens- und SWOT-Analyse. Der verblüffte Leser muss bei der Lektüre davon ausgehen, dass es weder zu Porters Branchenstrukturanalyse, noch zum SWOT-Modell nennenswerten Alternativmethoden gibt. Ebensowenig wird klar, warum sich die Autorin bei der Unternehmensanalyse für den Ansatz von Meffert/Burmann/Kirchgeorg und nicht den von Bea/Haas entscheidet.

 

Besser gelungen ist die Herausarbeitung der Thesen, auch wenn die deutlicher hätten hervorgehoben werden können. Wegen der vielen Übernahmen aus der Literatur ist nämlich keineswegs immer eindeutig, ob es sich um eine von der Autorin selbstverfasste These, eine Selbstverständlichkeit oder eben um eine wissenschaftliche Anleihe bei einem der zitierten Lehrwerke handelt. Zumindest aber kommt die Verfasserin darauf, dass ein ethnisch sehr heterogener Markt wie der amerikanische auch nach einem Marketingansatz ruft, der das berücksichtigt. Dass es nicht die Aufgabe des Buches ist, diesen Ansatz zu formulieren, ist klar, deshalb wird man es auch nicht übelnehmen, wenn die weiteren Ausführungen dazu gewohnt knapp gehalten werden. Eine weitere These der Autorin ist, dass es bei der Marktselektion keine idealtypische Strategie gibt. Das ist freilich dicht an der Platitüde, macht aber auch dem Letzten klar, dass erfolgreiches Marketing eben nicht mit Schablonen funktioniert. Zu bemängeln ist in dem Zusammenhang wieder die methodisch nicht überzeugende Arbeitsweise. So wird zwar auf die Arbeit von Grabner/Kräuter verwiesen, die zugehörige Fussnote bringt aber nur ein Werk von Kutschker/Schmid. Insgesamt ist der Abschnitt zu den Markteintrittstrategien und die Darstellung der Vorteile und Risiken aber gelungen. Die rechtliche Differenzierung der verschiedenen Exportformen wird einfach nachvollziehbar dargestellt und die prinzipiellen Überlegungen z.B. zur Preis- und Markenpolitik sind ebenfalls gut verständlich. Wermutstropfen beim Thema Incoterms ist wieder einmal die quellenscheue Arbeitsweise. Statt auf die ICC hinzuweisen, von der die jeweils gültigen Incoterms schließlich verabschiedet werden, findet sich nur ein erneuter Hinweis auf eines der Standardlehrwerke zum Marketing.

 

Die Ausführungen zu produktpolitischen Strategien sind überzeugend, wenngleich in nuce gefasst, wesentlich ausführlicher werden die wichtigen Punkte Kommunikationsstrategie und Distributionspolitik abgehandelt. Anschließend folgt der Kern der Untersuchung: die Marketingstrategie für den Absatz deutschen Weins in den USA. Die Abhandlung beginnt mit einer umfassenden Betrachtung des Markts, die nur durch wenige Redundanzen zu den Handelshemmnissen gestört wird; interessant sind die Ausführungen zum sich wandelnden Ernährungsverhalten in USA. Bei der im Ansatz weit gefassten Unternehmensanalyse der deutschen Weingüter legt die Autorin schonungslos den Finger in die Wunde: die finanziellen Möglichkeiten der einzelnen deutschen Erzeuger sind mittelmäßig bis schlecht. Hier zahlt sich dann auch die Vorarbeit aus dem theoretischen Teil aus, denn die ausgefüllte SWOT-Matrix führt leicht zu den sinnvollsten Handlungsalternativen. Ob nun ausgerechnet die Bildung von Winzergenossenschaften zur Vermarktung von Premiumweinen das Mittel der Wahl ist, sei dahingestellt; jedenfalls erweist sich die hier gewählte Kombination aus Theorie und konkreter Umsetzungsüberlegung als taugliches Instrument. Auch die Umsetzung der theoretischen Vorarbeit zum Markteintritt profitiert von den grundsätzlichen Darlegungen zum direkten und indirekten Export und wird gut durch Praxisbeispiele unterfüttert. Die Marktbearbeitungsstrategien wirken etwas grob gestrickt, sind aber im Grundsatz sicher nicht abzulehnen. Lediglich die sehr dünne Quellenlage wirkt auf den Leser verunsichernd, denn festgemacht werden die einzelnen Vorschläge an Einzelfällen, deren Verallgemeinerbarkeit doch höchst fraglich ist. Sehr unbefriedigend wird die Terroirfrage behandelt, eigentlich sogar übergangen. So muss für die Definition ein Artikel in der Vinum herhalten, obwohl selbst im Mutterland des Begriffs die Definition hochgradig umstritten ist. Nach einer Empfehlung der INRA/INAO ist unter dem Begriff Terroir

 

"un espace géographique délimité défini à partir d’une communauté humaine qui construit au cours de son histoire un ensemble de traits culturels distinctifs, de savoirs, et de pratiques fondés sur un système d’interactions entre le milieu naturel et les facteurs humains. Les savoir-faire mis en jeu révèlent une originalité, confèrent une typicité et permettent une reconnaissance pour les produits ou services originaires de cet espace et donc pour les hommes qui y vivent. Les terroirs sont des espaces vivants et innovants qui ne peuvent être assimilés à la seule tradition"

 

zu verstehen. Auch das ist immer noch nicht befriedigend, aber wenn man das Terroirfass aufmacht, muss man damit rechnen, Schwierigkeiten zu bekommen. Frau Trick scheint das zu ahnen und wechselt zum nächsten Kriegsschauplatz: die fehlende Massenidentität des deutschen Weins auf einem von einheitlich auftretenden und koordinierten Marken beherrschten Markt. Individualitäten kleiner deutscher Erzeuger stünden einem effektiven Gruppenmarketing im Wege. Fraglich ist bloss, ob denn Gruppenmarketing überhaupt sinnvoll ist – die zu dem Zeitpunkt bereits rechtshängige Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Abgaben zum Deutschen Weinfonds, der ja als Topf für die Marketingaktivitäten des deutschen Weins im Ausland anzusehen ist, hätte hier gewinnbringend angesprochen werden können. Ein weiterer Punkt, die Servicepolitik wird meines Erachtens schief dargestellt. Die Verfasserin erweckt den Eindruck, als würde ausgeprägter Service rund um den Wein bereits einen Vorteil auf dem amerikanischen Markt schaffen können. Dass es sich dabei allenfalls um eine Angleichung an das besonders stark ausgeprägte amerikanische Dienstleistungsverständnis handelt, geht dabei unter.

 

Bei der Preisstrategie neigt die Verfasserin zum skimming, was sie mit guten Gründen vertritt. Die Ausführungen zur Preisfindung und Markenkommunikation sind ordentlich, zur Distributionspolitik wird es wieder etwas redundant und schwammig, aber nicht notgedrungen falsch. Damit gelangt die Verfasserin auch schon zum Ende. Dabei ist sie sich der konzeptuell bedingt offenen Fragen bewusst. Ihr Fazit und Ausblick ist klar: internationaler Vertrieb deutschen Weins ist sinnvoll, aber schwierig, strategisches Vorgehen deshalb erforderlich. Der amerikanische Markt birgt ganz eigene Chancen und Risiken, die berücksichtigt werden müssen. Exportierende deutsche Weingüter stehen vor dem großen Problem, dass eine Marke "Deutscher Wein" nicht existiert und die Bezeichnunsgregeln für amerikanische Weintrinker unverständlich sind. Letztlich hängt wieder alles am Geld und es zeigt sich außerdem: wine is a people business.

 

Fazit: das Buch ist mit Einschränkungen empfehlenswert. Die hohen Erwartungen, die an eine wissenschaftliche Arbeit geknüpft werden dürfen, kann die Verfasserin nicht erfüllen. Wer auf einen umfangreichen Literaturnachweis und saubere Quellenarbeit verzichten kann, wird sich dennoch gut beraten fühlen. Die klare Sprache und der sehr lobenswerte, folgerichtige Aufbau der Arbeit machen das Buch zu einem guten Leitfaden für den Entwurf einer internationalen Marketingstrategie für deutsche Weinerzeuger.

Ruhr-Karussell Teil II

Zweite Station war der Kölner Hof in Frohnhausen

 

Amuse Gueule: Strammer Max mit Wachtel-Spiegelei und Grubensalz, Meerrettichschaum, roter Bete und Brikett von der Schweinskopfsülze, dazu Champagne Alfred Gratien Brut Classique NV

Eine sehr schöne Eröffnung mit einem perfekten, trotz seiner geringen Größe ungeheuer aromatischen Spiegelei. Der Meerrettichschaum mit der roten Bete war auch schön abgestimmt, vertrug sich aber mit dem Champagner nicht so wundervoll harmonisch, wie der stramme Max. Die Sülze wiederum war einwandfrei abgestimmt mit der knusprigen Ummantelung und passte sehr gut zum Champagner.

 

I. Kaninchenfilet und Aal mit gebackener Schwarzwurzel, dazu Markgraf von Baden, Müller-Thurgau, Birnauer Kirchhalde 2008

Aromatischer, nicht zu fetter und schön festfleischiger Aal, sehr schön dazu die Karottencrème und auch die nussige Würze des fesch-eleganten Müllers machte sich gut dazu. Wenn ich ehrlich bin, habe ich ja für Müller-Turgau nichts übrig. Aber es gibt immer wieder Kombinationen, in denen er sich gut macht, so wie hier. Das Kaninchenfilet als zweiter Prüfstein für den Müller erwies sich eenfalls als nicht zu abgehoben. Insbesondere mit der bissigen, aussen krossen Schwarzwurzel ein schöner Partner für den Müller.

 

II. Taubenwürstl und Blutwurst mit Himmel und Erd, dazu Blankenhorns Spätburgunder aus der Ruhr-Edition

Das Taubenwürstl war im Grunde eine aufgeschnittene Boudin Blanc mit einem Taubenkern. Was eine pikante, auch sehr sättigende Kombination war. Die weiche, feinteigige Blutwurst war nicht zu salzig und arrangierte sich glänzend mit dem Kartoffelpurée und dem roten, kirschtomatenförmigen Apfelgelee. Der fruchtige Spätburgunder wirkte eine Spur metallisch mit der Blutwurst, bettete aber das taubenwürstl schön ein.

 

Entr'acte: Limetten-Basilikum-Sorbet mit Minzpesto

Ein Traum! Das Basilikumaroma passte perfekt zu der herbfrischen Limette, das Sorbet war nicht zu fest, aber auch nicht an den Rändern schon wässrig geworden, das Minzpesto brachte einen zusätzlichen, nicht erdrückenden oder gar an Krankenhaustee erinnernden Kick. Könnte ich kiloweise essen.

 

III. Hecht und Lachsforelle mit Graupeneintopf und Steckrüben-Roulade auf Kressesauce, dazu Weissburgunder von Buhl aus der Ruhredition

Die Forelle war von etwas weicher Konsistenz, auch die Graupen waren schon eine Spur zu weich. Die Roulade hingegen war etwas innen etwas musig, schmeckte aber sehr vollmundig; die Kressesauce war insgesamt von einer frischen, dezenten Kresseschärfe, die gut zu Hechtklössen und Forelle passte, aber ruhig etwas stärker hätte ausgeprägt sein können. Der betont fruchtige Weissburgunder zeigte sich sehr konziliant, alles in allem war das aber der schwächste Gang.

 

IV. Rücken und Keule vom Lamm mit Schnibbelbohnen und Eierkohlen-Kartoffeln, dazu Lestage-Simon Cru Bourgeois Supérieur 2005

Hier zeigte Heinz Furtmann wieder die volle Breitseite, speziell die Sauce war die reinste Lämmchenessenz. Die Rückenstücke waren in einer kräuterigen Kruste, innen war das Lamm von hellstem Rosa. Die Stücke aus der Keule profitierten besonders von dem kraftvollen Sud und entfalteten eine herbkräftige Aromatik, die gut zu den mundgerechten, leicht mürben Happen passte. Der Bordeaux war zur Keule die bessere Kombination und brachte mit feinen Graphitstrichen, Mandel und Kirscharoma noch eine weiter Komplexitätseben ins Spiel. Als Solist wäre er indes nicht geeignet gewesen, für mich eher der klassische Speisenbeleiter.

 

V. Törtchen und Mousse von der Quitte mit Steckrübeneis, dazu Guntrum, Penguin Silvaner Icewine 2007 aus der amerikanischen Broadbent Selection

Der Eiswein zunächst mit viel Reiswaffel, Aprikose und Pfirsich in der Nase im Mund praktisch null Säure, aber eine smoothe, loungige Atmosphäre. Passte sehr gut zu den Quittenaromen und auch zum nur dezent süßen Steckrübeneis; besonders gut meiner Meinung nach zu dem herrlichen kleinen Quittentörtchen.

Klimafreundlicher Champagner durch produktionsintegrierten Umweltschutz

Champagner in der heutigen Form wäre nicht denkbar ohne das gute bruchfeste Glas aus England. Dessen augenfälliger Vorzug liegt darin, dem hohen inwändigen Druck standhalten zu können und Champagner auch über längere Strecken transportfähig zu machen. Aber den schweren Buddeln droht Ungemach: ihre CO2-Bilanz ist ungünstig. Kein Wunder, bei einem Gewicht von 900 Gramm pro Flasche (Stillweinflaschen wiegen ca. die Hälfte) – und selbst das ist schon ein Fortschritt gegenüber den ca. 1200 Gramm vom Beginn des 20. Jahrhunderts.

Das Comité Interprofessionnel du Vin de Champagne (auch kurz Comité Champagne oder CIVC genannt) hat sich nun veranlasst gesehen, ab 2011 eine neue Flaschenform zu normieren. Nachdem Versuche bei Mumm und Veuve Clicquot zufriedenstellend verlaufen sind und Pommery mit dem POP Earth bereits einen klimafreundlichen Champagner nach den Regeln des produktionsintegrierten Umweltschutzes auf den Markt gebracht hat, soll die neue Standardflasche nur noch fliegengewichtige 840 Gramm wiegen, Spezialflaschen sind vorerst nicht betroffen.

Ein wichtiger Vorteil der neuen Flaschen ist der Raumgewinn bei Lagerung und Transport: volle 24 Paletten statt bisher nur 22 passen jetzt auf die Ladefläche eines LKW. Und für Veuve Clicquot liegt bei Verwendung des neuen Formats die CO2-Reduktion bei 450 Tonnen pro Jahr. Probleme gibt es allerdings bei der maschinellen Verarbeitung der Flaschen: die Degorgier-, Dosier-, Etikettier- und Versandmaschinen sind nämlich alle auf das alte Flaschenformat eingerichtet. Dennoch dürfte das Umsteigen angesichts der Energiekostenersparnis bei der Glasproduktion mittelfristig nicht schwerfallen.

Troost/Bach/Rhein – Sekt, Schaumwein, Perlwein

Sekt, Schaumwein, Perlwein

Troost/Bach/Rhein

Ulmer, 2. A. 1995

620 Seiten

99,00 €

ISBN: 3-8001-5818-3

 

Es gibt Bücher, die einen besonderen Stellenwert haben. Vom Autor signierte Erstausgaben großer Klassiker zum Beispiel, möglichst bibliophil ausgestattet natürlich. Zu den Büchern mit herausgehobenem Stellenwert gehören auch Fachbücher, die sich über lange Jahre am Lehrbuchmarkt etabliert haben. Juristen werden Brox und Medicus, ältere Semester Flume rufen, aus der Medizinerecke schallt es laut Harms, Silbernagl und Pschyrembel, die Physiker pochen auf Demtröder, Bergmann/Schäfer oder Tipler. Unter den religiösen Werken sind die führenden Klassiker-Bestseller unter anderem Talmud, Koran und Bibel. Und so haben wir es hier auch mit einem Buch von ganz besonderem Wert, ja einer Art Bibel zu tun: es handelt sich um die deutschsprachige Bibel der Schaumweinbereitung.

 

Die – noch – aktuelle zweite Auflage aus dem Jahr 1995 (Neuauflage mit Schwerpunktbildung beim Winzersekt ist für April 2010 geplant) ist eine önologisch-technische Aufbereitung der Schaumweinherstellung, wie man sie sich umfassender und kompakter zugleich nicht wünschen kann. Es handelt sich freilich weniger um ein Wein-Lesebuch für den ambitionslosen Weinfreund, vielmehr sind einigermaßen belastbare Kenntnisse rund um die chemischen, biologischen, physikalischen und technischen Aspekte der Sekterzeugung für ein gewinnbringendes Lesevergnügen unabdingbar – und auch dann wird sich das gewichtige Werk nicht in einen Schmöker verwandeln, den man in der Grabbelkiste großer Buchhandelsketten wiederfinden könnte. Dafür bürgen bereits die Verfassernamen, große Namen der deutschen Schaumweinforschung- und Lehre. Gerhard Troost ist als uralter Geisenheimer quasi von Amts wegen bekannt, Hans-Peter Bach ist als Leiter der staatlichen Lehr- und Versuchskellerei in Trier durch seine zahlreichen, man könnte versucht sein zu sagen: zahllosen Veröffentlichungen bestens eingeführt und zusammen mit Otto Rhein, der langjähriges Mitglied im technischen Ausschuss des Sektverbands war, ein Praktiker erster Güte.

 

Das Lehrbuch wendet sich dementsprechend ausdrücklich an die Praktiker in den Kellern und beantwortet in glasklaren, unverquasten Ausführungen alle erdenklichen Fragen, die sich im Rahmen der Schaumweinbereitung stellen können. Nachdem gerade erst wieder ein offenbar mäßig gut recherchierter Bericht über zugesetzte Industriekohlensäure in deutschen Schaumweinen an die TV-Öffentlichkeit gelangt ist, beruhigt es sehr, über das Problem des Minderdrucks bei deutschen Markensekten in nüchternen Worten bereits bei Troost/Bach/Rhein lesen zu können.

 

Im Übrigen folgt das Buch einem übersichtlich gegliederten Aufbau. Es zerfällt in sechs Teile, auf die Einführung in das Thema schäumende Weine folgt bereits der umfangreiche herstellungsbezogene Teil, wiederum gefolgt von den theoretischen Grundlagen der Kohlensäurebildung und einem Teil über die Mittel zur Lenkung der Herstellung. Nach einer Vorstellung der Geräte, Maschinen und Apparate schließt das Buch mit dem sechsten Teil, der leider nur sehr knapp das Umfeld der Herstellung beleuchtet und insbesondere Abwasser/Abwasseraufbereitung, Unfallschutz und die Produktionsplanung näher erfasst. Angesichts der zahlreichen Änderungen vor allem der rechtlichen Rahmenbedingungen (man denke nur an die gemeinsame Marktordnung und die Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie) und der an Fahrt aufnehmenden biodynamischen Wirtschaftsweise wäre eine vertiefte Bearbeitung dieser Themen in der Neuauflage sehr wünschenswert.

 

Die Ausführungen zur Cuvéebildung sind knapp, aber was soll ein Lehrbuch auch konkrete Angaben zur Zusammenstellung einer bestimmten Cuvée enthalten? So gesehen ist die Beschränkung auf die wesentlichen technischen Vorgänge völlig richtig, so mancher junge Sekterzeuger dürfte sowieso eher auf die Angaben zur kellertechnischen Stabilität angewiesen sein, als auf Dosierbeispiele fiktiver oder existierender fremder Cuvées.

 

Der Verfasser eines Lehrbuchs das in einem Wirtschaftsbereich angesiedelt ist, der von nationalen und europarechtlichen Vorgaben nur so strotzt, steht immer vor der Frage, ob er gerade noch ausreichend auf die gesetzlichen Grundlagen hingewiesen hat, oder ober schon damit übertreibt. Troost/Bach/Rhein haben hier ihre Hausaufgaben gemacht. Der Bezug auf Verordnungen, Richtlinien und Gesetze geschieht wohldosiert und unaufdringlich, im Gegenteil: er ist oft genug hilfreich – denn nicht selten schweigen sich andere Lehrbücher über den gesetzlichen Regelrahmen aus oder zitieren ungenau, was lästige Recherche provoziert.

 

Gute Hilfe bietet das Buch bei der Mengenberechnung z.B. von Dosagezucker und Schwefelgehalten, ein besonderer Schwerpunkt liegt auch bei den Ausführungen zur Tankgärung, bzw. Großraumgärverfahren; dass in der Neuauflage die Schwerpunktsetzung beim Winzersekt und damit bei der Flaschengärung erfolgen wird, ist sehr zu begrüßen. Zwar dürfte die deutsche Sektproduktion auch weiterhin mengenmäßig hauptsächlich durch Tankgärung erfolgen; aber Winzersekt erfreut sich immer größerer Beliebtheit. Und mit steigendem Interesse der Verbraucher an diesem qualitativ hochwertigen Produkt dürfte auch die Nachfrage der Winzer nach entsprechender Literatur steigen. Was das für einen auf wenige tausen Exemplare begrenzten Fachbuchmarkt bedeutet, kann sich jeder leicht ausmalen.

 

Schon in der jetzigen Auflage nimmt übrigens die Besprechung der Verschlussarten für Schaumweinflaschen einen erfreulich großen Raum ein, allerdings dürfte angesichts der Entwicklung neuer Verschlussmethoden und der sich verschärfenden Korkproblematik in der Neuauflage noch einiges an Erkenntnissen hinzugekommen sein.

 

Fazit: Das Werk von Troost/Bach/Rhein kann getrost als die Bibel der Schaumweinbereitung und demnächst wohl auch der Winzersektbereitung bezeichnet werden.