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Bochum kulinarisch

 

Nicht nur Essen hat mit "Essen verwöhnt" eine kulinarische Leistungsschau seiner unternehmungslustigsten Edelgastronomen anzubieten; in Bochum lässt man sich die Butter nicht von der Knifte nehmen und deshalb gibt es seit mittlerweile sogar schon 22 Jahren die allseits beliebte Sommerveranstaltung "Bochum kulinarisch", heuer vom 11. – 15. August. Hummer und Känguruh, Currywurst und Sushi, die insgesamt sechzehn Gastronomen aus Bochum, Herne, Hattingen und Witten bieten auf, was der Frischmarkt eben so hergibt.

Wie immer sollte der Abend an Daniel Birkners Stand, dessen Restaurant seit neuestem unter dem Namen "Herr B." in der Gesellschaft Harmonie firm- und residiert, beginnen und enden.

Als erstes musste Champagner her, an den ich mich der Einfachheit gleich den ganzen Abend hielt. Der Chartogne-Taillet Brut Cuvée Ste. Anne aus 60% Chardonnay, 40% Pinot Noir, Basisjahrgang 2006 mit 20% Reservewein aus 2005 und 2004 machte mir die Entscheidung leicht und war mit 40,00 €/Flasche sehr entgegenkommend kalkuliert. Die freundliche Inka schenkte vorbildlich ein und "Peddas lecker Brötchenmix" hatten vom Start weg eine adäquate Gleithilfe. Peddas Brötchen sind nichts anderes, als kleine Laugenbrötchen, unterschiedlich überbacken und mit einer schlotzigen Crémetunke serviert. Wer die bei Bochum kulinarisch auslässt, ist selbst schuld. Zur Foie Gras von der Gans mit Kartoffelpurée und Honig-Schalottenconfit ließ ich mir als Ausnahme an dem Abend ein Gläschen von Marcus Clauss' 2005er Huxelrebe TBA schmecken. Die schmeckte zum Glück nicht so arg nach Katzenpisse und Unkraut, auch ihr Alter ließ sie sich nicht anmerken.

Mit Kartoffelknoblauchpurée ging es weiter, Michael Hau von der "Orangerie im Stadtpark" war so freundlich, zu den dazu eigentlich vorgesehenen drei noch ein viertes hausgemachtes Lammbratwürstl zu legen. Da ich nur schwer bestechlich bin, liess ich mich davon nicht beeinflussen, sondern aß auch das vierte Würstl mit gutem Appetit auf. Damit war ich am Ende der Fressmeile angekommen und konnte mich nun der Rückrunde widmen.

Dabei stieß ich als erstes auf Entenspezi Helmut Wicherek und sein Restaurant "Oekey", wo es schwerpunktmäßig selbstverständlich um Enten geht. Nicht nur wegen der sommerlichen Temperaturen, sondern auch weil ich Sülze schätze, entschied ich mich für die Entensülze mit Schmorkartoffeln und Schnittlauchcrème. Eine gute Wahl, denn die Entensülze war fest, reichlich fleischhaltig und nicht mit allzuviel Gemüseschnickschnack aufgeladen. Ein paar Erbsen, Karottenschnipsel und einige wenige grüne Pfefferkörner eskortierten das feinfaserige Entenfleisch über den Gaumen und die Pharynx herab. Die Kartoffeln hätten besser nicht sein können, mit milder Schärfe erfrischend war die großzügig beigefügte Schnittlauchcrème.

Der "Livingrom" servierte in Rotwein geschmorte Ochsenbäckchen mit Stampfkartoffeln und Wurzelgemüse. Die Ochsenbäckchen waren in Ordnung, ich habe sie zwar schon zarter gegessen, lasse aber die schwierigeren Bedingungen des Freiluftkochens als notdürftige Rechtfertigung ausreichen. Was mir jedoch nicht gefiel, war die dünne und bitter abgehende Rotweinsauce. Die hätte wesentlich besser, nämlich einem Schmorgericht entsprechend konzentrierter schmecken müssen. Über das geschnipselte Wurzelgemüse konnte ich mich mangels guter Sauce dann auch nicht mehr so recht freuen.

"Diergardts Kühler Grund" bot Original Schweizer Rösti mit hausgebeiztem Wildblüten-Lachs an. Ein Gericht, bei dem man, so meine naive Vermutung, nicht viel verkehrt machen kann. Aber man kann durchaus. Statt krachenden Röstivergnügens gab es einen etwas labberigen Kartoffelpfannkuchen. Der Lachs wenigstens war fehlerfrei, aber auf den war es mir sowieso nicht angekommen.

Vom Hattinger "Gasthaus Weiß" ließ ich mir dann sechs Austern öffnen. Versöhnlich war daran vor allem, dass ich einen lebendigen Beistelltisch, bzw. Tellerhalter in Anbspruch nehmen konnte, dem, bzw. der hiermit mein vorzüglicher Dank gilt. Ausgesprochen wohlschmeckend war überdies der gebackene Ziegenkäsetaler mit Waldblütenhonig und gehackten Walnüssen auf Rucolasalat in Balsamico-Bärlauchdressing. Dieses Dressing hatte den einzigen Nachteil, den gesamten Teller sehr stark zu verölen.

Bei Herrn B. gab es abschließend noch westfälischen Schinken und eine Abschlussbuddel Champagner, bzw. ganz zum Schluß kam noch Johannes Deppisch von fränkischen Oldtimer- und Golf-Weingut gleichen Namens heran und gab eine Lage von seinem für Herrn B. gestalteten Josecco Rosé aus – ein Mix aus Schwarzriesling, Grau- und Weißbrugunder, mit gärungseigener Kohlensäure in Zell verperlt und unmittelbar ready to drink, denn ein kleiner Strohhalm ist bereits in der mit Schraubverschluss verschlossenen Flasche enthalten.

Privat Essen bei Essen-Privat

2010 schwer im Trend: Guerilla-Restaurants. Überall schießen sie angeblich wie Pilze aus dem Boden, aber wie bei den kleinen Eukaryonten ist es auch mit den Restaurants: Pfifferlinge und Steinpilze findet man leider nicht so oft. Umso schöner, dass der Essener Stadtteil Frohnhausen mit Essen-Privat einen solchen Edelpilz vorzuweisen hat. Ein Besuch bei Achim und Conny Lichte lohnt sich immer, am besten mit munterer Truppe. Vorabeindrücke gibt es unter www.essen-privat.de.

Wir hatten uns folgendes Menu zur Schaumparty ausgesucht:

Als opener gab es "Fraenzi" Rotling secco von Castell, sehr fruchtig, von fast leichtsinniger Süße, die nach Erdbeer-Sahne Bonbons von Campino schmeckte, harmonierte aber gut mit dem Amuse:

I. Amuse Gueule: Spinathäppchen, Gravad Lax, Ketakaviar und Crème,

dazu Cava, "A Posteriori" Rosé, Brut (7,5 g/l) von Colet aus dem Penedes, Merlot, ca. 15 Monate Flaschenlager, 11,5% vol. alc.

Wirkte zum Amuse flacher und karger als der Fraenzi, als standalone zeichnete sich em-eukal-Kirsche ab, das war's. Man merkt's: nicht sehr beeindruckend und ziemlich cavauntypisch.

II. Möhren-Chili-Ingwersuppe mit Flusskrebsschwänzen,

dazu Crémant Brut von Ponsot aus Gevrey-Chambertin, dagegen Yarden Brut, Blanc de Blancs Jahrgang 2000, koscher, von den Golan-Höhen, Israel

Der Burgunder fast rosé in der Farbe, anfangs mit überreichlich Schwefelgestank und erst im Mund schmeichelnd-fruchtig, passte sich gut der Suppe an und vertrug sich besser damit als der chardonnayuntypisch schmeckende Yarden, der trocken, fast sandig schmeckte und erst nach etwa einer Stunde und später noch, allerdings nur mit einem gewissen Exotenbonus Trinkfreude bereitete.

III. Wildkräutersalat mit gebratener Wachtelbrust und gebackenem Ziegenkäse, Nuss-Himbeervinaigrette,

dazu Cava Artesa, Katalonien, "Bocchoris" Brut Nature Reserva aus Xarel.lo, Macabeo, Parellada, dagegen Colet Assemblage Extra Brut, 55% Pinot-Noir, 45% Chardonnay, 36 Monate Hefelager, 90 Parkerpunkte (also Jay Miller Punkte)

Der Bocchoris war geschmacklich dicht am Fraenzi, scheinbar sehr kühl vergoren, mit viel viel Bonbon, Gummibärchen und überhaupt eher Aromen aus der Kindheit als aus dem Geschmacksleben eines Erwachsenen, dafür mit angenehmem Druck ausgestattet und leidlich passend zur Vinaigrette. Der Assemblage dagegen als rechtes Dickschiff etwas klobig, sparsame Aromen und keine zum Salat passende Wendigkeit. Auch mit der Wachtel und dem Käse tat sich der Assemblage schwer. Noch nichtmal allein konnte er so recht überzeugen. Vielleicht fehlte da die nötige Flaschenreife, der wein wirkte jedenfalls allzu verschlossen.

IV. Dorade Royal, Hummer und Jakobsmuschel mit Sepialinguine,

dazu Schloss Vaux Rosé Brut, Pinot Meunier/Portugieser, dagegen Langlois Château Rosé aus Chenin Blanc, Chardonnay + Cabernet Franc

Der Vaux mit einer behenden Leichtigkeit, die Freude bereitet, leider auch mit einem etwas konventionellen, langweiligen Aromenspektrum und muffiger, ältlicher Frucht zum Ende hin. Der Langlois dagegen mit mehr Grandeur, lebhafter Säure und zupackender Art, ein Freund von Cabernet Franc im Schaumwein werde ich aber bis auf weiteres trotzdem nicht. Beide machten sich gut zum Meeregestier, wollten aber allein nicht so recht schmecken.

V. Perlhuhnbrust im Speckmantel, Risoléekartoffeln, Pfirsichsauce,

dazu Schloss Sommerhausen Riesling Brut 1997, dagegen Raumland Weissburgunder Brut 1997

Der Schloss Sommerhausen 97 ist nach wie vor einer meiner erklärten Lieblinge, 2004 degorgiert schmekt er ausgesprochen frisch, glänzt mit attraktiver Säure, einem für Brut-Rieslinge verschwenderisch anmutendem Aromenreichtum, hält sich aber noch im Rahmen einer unverspielten, ernstzunehmenden Stilistik und schmeckt keineswegs nach Robby Bubble o.ä. Der Raumland leider etwas schwächlich daneben, angefirnte Note, merklich gealtert, aber nicht kaputt oder fehlerhaft, sondern gut geeignet für Freunde des kräftigen Schäumers mit herben Aromen; immer noch genügend power, um mit Speckmantel und Pfirsich eine ménage à trois einzugehen.

VI. Tiramisu und Waldbeeren,

dazu Rives-Blanques, Blanquette de Limoux aus 90% Mauzac, 10% Chenin Blanc + Chardonnay, dagegen Marcus Stein, Kinheimer Sekt vom Moselschiefer aus 90% Weissburgunder und 10% Riesling + Müller-Thurgau

Der Blanquette muffig, bäuerlich, herb, klobig und säurearm, ein milder Ausgleiter für den Abend, vom Tiramisu aber erstaunlicherweise nicht überfahren, sondern, wohl weil er ziemlich dickfellig ist, in ganz aparter Weise als sparringspartner aufgenommen, verhielt sich sehr gut zu den Beeren (speziell Himbeere und Blanquette sind eine viel schönere Kombination, als das Cliché Erdbeere und Champagner). Der Stein-Sekt mit würziger Säure und gleichsam das Messer, das durch die Tiramisu glitt, weniger harmonisch mit den Beeren, dafür gut als Fettabbauhilfe und Geschmeidigkeitsverleiher, im übrigen auch keine unedle Kombination mit dem Espresso, aber alles in allem kein überragender Sekt.

Informeller Besuch im Haus Stemberg

A. Die Weine:

I. Calitin, Simply Sunshine Sparkling Shiraz, McLaren Vale, NV

Diesen Wein und den Kuchen gab es vorweg als nachmittäglichen Auftakt.

Schlappe 40 g/l RZ lassen so manches Dessert neben diesem Wein überflüssig erscheinen. Zum Apfel-Weisswein-Kuchen mit Kakaohäubchen war der fruchtig-süsse Shiraz dennoch eine gute Wahl. Ein pH-Wert von 3,48 und mäßige 5,6 g/l Säure, vergleichsweise niedrige 28 g/l freier Schwefel liefern nur eine sehr unzureichende Begründung dafür. In Wirklichkeit braucht es diese Begründung meiner Meinung nach gar nicht und ich habe mir, obwohl allgemein kein Freund von Süßspeisen, die Kombination weitgehend kritiklos schmecken lassen. Solo hätte ich sagen müssen, wäre mir der Sparkling Shiraz zu säurearm und allzu schnell erdrückend bis ermüdend vorgekommen. Zum Kuchen war er herrlich, speziell die grossen Apfelstücke und die andeutungsweise vorhandene Weißweinnote lieferten dem Sparkling Shiraz glänzende Spielpartner.

II. Bernhard Prass, Bacharacher Schloss Stahleck, Riesling halbtrocken, Mittelrhein, 2008

Am Mittelrhein ist es bei vielen Winzern wie in Franken: halbtrocken steht dort bei Weinen auf Etiketten, die anderswo nur mit der Aufschrift "Vorsicht! Ultratrocken, nur für Spezialisten!" verkauft werden würden. Ich glaube, bei Prassens hat man kurz überlegt, ob man den halbtrockenen Stahleck-Riesling nicht sogar als lieblich oder mild deklarieren sollte, doch am Ende scheint der common sense gewonnen zu haben. Der Riesling schwebt zwischen trocken und fruchtig-süß, schlägt je nach Begleitung mal nach oben und mal nach unten aus – was ihn zu einem sehr galanten Essenbegleiter macht. Mir hat er schon allein gemundet, noch besser war er zu den Spargelvariationen des Abends und zum Entenleberpraliné, außerdem kam er überraschend gut mit der Graupensuppe zurecht.

III. Poss, Weissburgunder trocken, Nahe, 2008

Das Weingut Poss macht bekannte und in vielen Situationen bewährte Weißburgunder, die mir stets am besten zu deutscher Küche schmecken. Deshalb lag es nahe, aus Sascha Stembergs klug renovierter Weinkarte den Weißen Burgunder von Poss im Glaserl zu wählen. Es sollte keine Enttäuschung sein. Mit seinem mildschmelzigen, entgegenkommenden Naturell ist der Wein ein adäquater Rahmen für Spargel, Salat und Schnitzel gewesen, für das der Barrua zu machtvoll gewesen wäre. Gerade der leichte, nicht verpampte Kartoffel-Radieschen-Salat zum Schnitzel, sowie eben dieses zarte Kalbfleisch waren zusammen mit dem Wein von besonderer Harmonie.

IV. Agricola Punica, Barrua, Isola dei Nuraghi, 2006

Agripuninca ist ein Joint Venture von zwei sehr geschätzten Weingütern: auf der einen Seite Tenuta San Guido, deren Sassicaia weithin als sehr guter "Bordeaux" bekannt ist und den ich überaus gern trinke, auf der anderen Seite die Genossen der Cantina di Santadi, deren Rocca Rubia bereits ein bemerkenswerter Wein ist und deren Terre Brune zu den standardbildenden Weinen seiner Preisklasse gehört. Der aktuelle Duemilavini 2010 ist vom gemeinsamen Kind der beiden entzückt und gibt 5 Trauben, Gambero Rosso und Guide l'Espresso lassen sich ebenfalls nicht lumpen und Sardinien ist sowieso eine aufregende Insel. Also habe ich mir den Wein aus 85% Carignano, 10% Cabernet Sauvignon und 5% Merlot, 18 Monate Barrique, je hälftig in neuem und gebrauchtem Holz, mal in die Karaffe gefüllt. Ich erwartete einen kräftigen Wein, der sich gut mit der Kost aus Sascha Stembergs Küche vertragen würde und sollte nicht enttäuscht werden. Eine halbe Stunde freischwimmen in der Karaffe brachte einen charaktervollen, sonnenverwöhnten, jugendlichen Athleten hervor, den man sich besser in einem Davidoff-Werbespot vorstellen kann, als bei Dolce & Gabbana. Knackig, sonnengebräunt, mit viel pointierter Brombeere und kühlem Blaubeerjoghurt, schmeichelndem Tannin und leicht glyceriniger Süße zum Schluss.

V. Champagne Lanson Black Label (Dank gebührt dafür dem Patron Sascha Stemberg)

Irgendwann zwischen Espresso und dem Abplatzen der letzten verbliebenen Hosenknöpfe überkommt mich der Champagnerdurst anstelle des Verlangens nach Grappa oder anderem Schnaps. Wie gerufen kam deshalb Sascha Stembergs Hauschampagner, der Black Label von Lanson. Der kommt ohne biologischen Säureabbau und infolgedessen mit etwas mehr Säure als andere Champagner seiner Preisklasse ins Glas. Zusammen mit dem herbfrischen Champagnerprickeln ist das für mich der beste Abschluss eines guten Essens und der ideale Übergang zu Kaminfeuer und erotischem Laienschauspiel.

 

B. Das Menu:

I.1 Amuse Gueule: Spargelsüppchen, Nordseekrabben-Happen und Hummersüppchen mit Champagner

Das Spargelsüppchen bildete einen appetitanregenden Einstieg und machte Vorfreude auf den Spargel ganz zum Schluss. Der Happen aus Nordseekrabben und Dill war von einer Bissfestigkeit und Meeresfrische, dass sogar Meeresfrüchteskeptikern Zweifel an ihrer Haltung kommen mussten. Nicht zu vergessen das delikate Hummersüppchen, dessen empfindliche Aromatik völlig frei war von überhitzten Karkassen und angebranntem Hummerfett – ein Aroma, das in manchen gut beleumdeten Küchen wie selbstverständlich zum Krustentiersüppchen dazuzugehören scheint.

I.2 Erster Gruss aus der Küche: Spargelschaum

In der Spargelzeit bietet sich so eine Variation natürlich an. Mir kam sie auf eine fast schon japanische Art schlicht vor: feinstperliger, reinweißer, standfester Schaum, darauf ein paar geröstete Sesamkörner. Schon sehr subtil, um nicht zu sagen: sublim.

II.1 Graupensuppe

Omas Graupensuppe war nicht besser. Das liegt nicht nur daran, dass Oma nach dem Krieg keine nennenswerten Einlagen für die Suppe hatte, sondern das liegt vor allem daran, dass die von Sascha Stemberg einfach überragend gut ist. Früher, als ich noch ein Graupensuppenverächter war, wären mir die Unterschiede gar nicht aufgefallen. Heute dagegen freue ich mich über die herzhafte Wurst, die perfekt gegarten, sämigen, bissfesten, nicht zu matschigen, nicht zu harten Graupen, die richtige Menge an Gemüse und Kräutern, den Salzgrad und die möglichst hohe Serviertemperatur.

II.2 Ziegenkäse mit Rapunzel-Bouquet, Pinienkernen und einer Sauce von Roter Bete, Kümmel und Karamell

Es ist leicht zu erraten, die Sauce gab hier den Ton an, erstklassig sekundiert von den Pinienkernen und in vollendeter Eintracht mit Salat und Ziegenkäse. Ein leichter, gaumenverwöhnender, wegen der großzügigen Menge an Ziegenkäse aber vom Sättigungseffekt her nicht zu unterschätzender Gang.

III. Zweiter Gruss aus der Küche: Entenleberpraliné im Pumpernickelmantel auf Hagebuttenreduktion

Immer wieder ein Vergnügen sind die Pralinés aus Sascha Stembergs Küche. Vor zwei Jahren war seine Blutwurstpraline der Höhepunkt des Abends, nun kam also Entenleber auf den Tisch. Die wirkte etwas rustikaler als die Blutwurstpraline; punkten konnte sie mit ihrer reizvollen Kombination aus Süsse, zartem Schmelz und angenehm vollkörniger Ummantelung. Die Hagebutte hätte etwas konzentrierter oder einfach mehr sein dürfen und gefiel mir zusammen mit Prassens halbtrockenem Riesling ausgezeichnet zu diesem Gruss aus der Küche.

IV.1 1/2 Wiener Schnitzel mit Kartoffel-Radieschen-Salat und Beerensauce

Das Stemberg'sche Wiener Schnitzel ist ebenso wie die Graupensuppe ein Gericht, das durch seine fast obszöne Einfachheit besticht. Die Herausforderung ist dabei nicht, einer altbekannten, täglich millionenfach zubereiteten Speise neue Facetten abzugewinnen. Die Herausforderung liegt vielmehr darin, ein Basisrezept so ungekünstelt und natürlich wie möglich herzustellen. Das gelingt Sascha Stemberg bei beiden jedes Mal aufs Neue. Das Schnitzel profitiert mächtig von der Herkunft nur wenige Meter die Kuhlendahler Strasse bergaufwärts, die Konsistenz, Faserigkeit und Aromatik des geplätteten Kalbfleischs dürfte selbst Schnitzelstrategen vom Rang eines Figlmüller in bodenloses, oder doch zumindest sehr beifälliges Staunen versetzen.

IV.2 Senfrostbraten mit dicken Bohnen, Perlzwiebeln und Kartoffelstampf

Das Rind – und ich darf mich, da ich während des Studiums für das Fleischrinderherdbuch Rheinland gearbeitet habe, in Rinderfragen einiger Kenntnis berühmen – war seiner Bestimmung aus gutem Grunde nicht entgangen. Denn dieses Fleisch war wie geschaffen für den Teller eines passionierten, manche werden sagen: obsessiven Fleischessers, wie ich einer bin. Als Braten zubereitet schätze ich Rindfleisch besonders, wenn es im Kern nurmehr zartrosa und saftig ist, nicht jedoch blutig, respektive quasi-roh, oder, wie mir auch schon vorgeworfen wurde, nur scheintot, namentlich, wenn ich es als Steak auf dem Teller habe. Dieses erlesene Stück Fleisch entsprach also meinen Vorstellungen von einem guten Rostbraten sehr genau. Was allerdings die Senfkruste angeht, war die mir eine Spur zu wenig senfig. Zwiebelchen, dicke Bohnen und Stampf dagegen waren tadellos.

V. Dritter Gruss aus der Küche: Pfirsichsorbet mit hawaiianischem Vulkansalz

Eine kleine, den Appetit raffiniert befeuernde Erfrischung kam nun aus der Küche. Einige wenige Körnchen von dem ziemlich salzigen schwarzen Salz genügten, um aus einer unscheinbaren Pfirsichsorbetkugel eine Delikatesse zu machen, über deren aromatischen Sensationswert man streiten kann, die mir aber ausgezeichnet gefiel, da ich ein großer Salzfreund bin.

VI. Spargel mit Sauce Hollandaise

Der Spargel war einfach traumhaft. Gleichbleibend dick, nicht zu dick, unverholzt, bissfest, unzerfasert, aromatisch, eben so, wie man sich Spargel wünscht. Die Hollandaise dazu hätte ruhig etwas forscher sein dürfen, ich habe sie letztlich weggelassen, weil mir der Spargel pur lieber war.

VII. Käseauswahl: Brin d'Amour, Langres, Fourme d'Ambert, Rochebaron, eingelegte schwarze Nüsse, Birnenmus und Paprikachutney

Rési reloaded – Mit dem Fernseh in der Résidence

Beim Essen gefilmt zu werden ist gar nicht weiter schlimm, wenn man sich seiner Umgangsformen nicht schämen muss, oder wenn es einem sowieso egal ist. Oder aber, wenn das Fernsehteam dank fortgeschrittener Kameratechnik dezent im Hintergrund bleiben und dem sorglosen Schlemmer trotzdem auf die Gabel blicken kann. So war es letzten Dienstag in der Résidence, Essen-Kettwig.

O.1 Amuse Gueule: Frühlingsrolle, Selleriecréme auf Pumpernickel und Walnusscrème im Knusperröllchen

– Die Frühlingsrolle war mundgerecht, dicht, aber nicht zu dicht gepackt und daher angenehm bissfest;

– Die Selleriecrème als Würfel mit ca. einem Zentimeter Kantenlänge auf der Pumpernickelscheibe stand aromatisch im richtigen Verhältnis zum Brot, war mir aber als Kontrast zwischen wabbeliger Crème und festem Brot etwas zu weit auseinander;

– Die Walnusscrème im Knusperröllchen lag wieder auf meiner Wellenlänge, fluffige Crème, die intensiv nussig, aber nicht ranciohaft schmeckte, das Knusperröllchen harmonierte gut.

 

O.2 Gruss aus der Küche: Hummer-Fenchel-Variation

– einmal im Wan-Tan gebacken, mir zu sehr an die Frühlingsrolle angelehnt, aber geschmacklich gut;

– mit Fenchel-Tagliatelle, leicht säuerlich, wie beim Sushi-Rettich, als Appetitmacher ausgesprochen gklug platziert;

– als Tartar war mir der Hummer zu unsichtbar, ich habe ihn lieber in größeren Stücken;

– als gestreifte Terrine wiederum gingen Hummer und Fenchelcrème eine überaus schmackhafte einander spielend leicht ergänzende Kombination ein.

 

O.3 Zweiter Gruss aus der Küche: Tomatenessenz mit Gemüserauten

Das war das Signal für die Geschmacksnerven, die nächsten fünf Stunden unter Höchstspannung zu arbeiten. Die Essenz kam sozusagen als Blanc de Noirs, also nur als weiss abgepresster Saft aus den Tomaten, mit einem leicht rötlichen Schillern und war so konzentriert, so aromatisch, dass am Gaumen die schönste Sommersonne schien.

 

Währenddessen gab es Champagne Robert Moncuit Blanc de Blancs Grand Cru 2004. Am besten schmeckte er zur Frühlingsrolle und zum Wan-Tan-Hummer, auch zum Sellerie-Pumpernickel und zu den anderen Variationen mit Fenchel brillierte der Champagner, auch mit der Tomate hatte der champagner keine Mühe und das, obwohl die beiden sonst als geschworene Feinde gelten. An seine Grenze stiess er jedoch sehr klar, als er es mit der leicht süssen Walnusscrème aufnehmen musste, dafür fehlte ihm das nötige Alter und die dann sich langsam herausbildende nussige Aromatik reifer Chardonnays. Anzulasten ist das nicht dem Winzer, nicht dem hervorragenden Sommelier Herrn Voigt, sondern mir, denn ich hatte den Champagner mitgebracht.

 

I. Zweierlei vom geräucherten Chinook-Lachs mit Topinambur und Wildkräutern, dazu ein 2009er Klüsserather Riesling vom Weingut Kirsten, auf Wunsch der Ehefrau Inge von Geldern durchgegoren

Für einen jungen Riesling war der Klüsserather herausfordernd golden, mit aromatisch breiter Schulter und einem herbsüssen Restzuckerschwänzchen. Zum Topinambur mit seiner süsslichen Aromatik passte das schonmal sehr gut. Aber um den Topinambur ging es nicht, der Riesling sollte sich zum Lachs beweisen. Dessen Filet war wahrhaft königlich. Wer sich auf Empfängen und Buffets beim Lachs immer zurückhält, weil er sich vor den Hormonschleudern aus Aquakultur fürchtet, kann beim Chinook beherzt rein- und zubeissen, der Unterschied ist so groß wie der zwischen altem Badeschwamm und Kalbsbries. Dazu der Reisling und die eröffnung des Abends war gesichert.

 

II. Sautierter Skrei im Feldsalatsud, mit Lardo, konfierter Kartoffel und Senfsauce, dazu Rudolf May, Silvaner Spätlese trocken "RECIS" 2007

Kabeljau, bzw. eben Skrei ist und bleibt ein schmackhafter Fisch, den früher nur Kinder, Engländer und arme Leute gegessen haben. Daraus einen schmackhaften Gang zu kreieren, geht so: Den Kabeljau mit guter Butter auf der Haut anbraten, einen nur optisch draufgängerischen, aromatisch dafür umso delikateren Feldsalatsud zubereiten, der sich mit einer nicht zu senfigen Senfsauce optimal für das zarte Skreifleisch eignet, fertig. On top kam dann noch der leicht knusprige Lardo mit der konfierten Kartoffel und ganz on top der Silvaner von Rudolf May, der wie massgeschneidert für diesen Gang war.

 

Z.1 Den Übergang machte ein zartfaseriges, nussig-aromatisches, gesundfleischiges Bäckchen vom Ibericoschweinderl auf gebratener Tomate. Dazu tat der Silvaner weiterhin gut und zeigte bei aller Konzentration und Tiefe willkommene Durstlöscherqualitäten.

 

III. Langostino mit karamellisiertem Blumenkohl und Trüffelscheiben, Frühlingsmorcheln und Dörraprikosen, dazu Domaine de Chatenoy, Menetou-Salon, Cuvée Pierre-Alexandre 2007

Wenn ich Menetou-Salon höre, stelle ich mir unwillkürlich immer eine seltsame Mischung aus dem Sioux-Häuptling von Karl May und dem Spitzenchampagner aus dem Hause Laurent-Perrier vor. Einen champagnerschlürfenden Indianer also, was irgendwie nicht passen will. Was jedoch sehr gut passt, ist Langostino und dieser Wein. Der war nämlich erst ganz sachte pfeffrig und andeutungsweise holzig, entwickelte eine kühl buttrige, ja speckige, auch ein wenig burgundische Stilistik, blieb lang, kühl und ohne Säure im Mund, so dass er mich von seinem ganzen Wesen an ein in dunklen und kühlen Regionen des Meeres herumwanderndes Krustentier erinnerte. Butter, Speck und Pfeffer riefen den Langostino leibhaftig auf den Plan und die zutage getretene Seelenverwandtschaft war das reinste Freudenfest, gekrönt noch von dem konzentrierten Dörraprikosengeleewürfel, von dem ich mir zu jedem Happen vom Langostino eine mikrometerdünne Scheibe herunterschnitt, wenn ich nicht gerade damit beschäftigt war, mich an der Kombination der Geleescheiben mit Blumenkohl und Trüffel zu laben.

 

Z.2 Vor der Jakobsmuschel gab es noch Pulposalat mit Brunnenkresse, die den Gaumen wieder etwas klärten, was vor allem an der reinigenden, auch den Appetit wachhaltenden Schärfe der Brunnenkresse lag.

 

IV. Jakobsmuschel mit Kirschtomate, Kräuterfocaccia und Basilikumkresse, dazu Kruger-Rumpf Blanc de Noirs vom Spätburgunder, Spätlese trocken 2008

Kruger-Rumpfs 2008er Grosse Gewächse gehören zu meinen Lieblingen dieses Jahrgangs. Grosse Freude war deshalb gesichert, als Herr Voigt den Blanc de Noirs von Kruger-Rumpf vorschlug. An diesem Gang gefiel mir am besten die Basiliumkresse, die der Jakobsmuschel zusammen mit der Kirschtomate zu einer lebendigen Aromatik verhalf. Wie erwartet sehr gediegen dazu der Blanc de Noirs, dem es gelang, die entlegeneren Aromen der Kräuterfocaccia herauszukitzeln.

 

V. Medaillon und Tartar von der Gelbflossenmakrele mit Erbsenallerlei, dazu Churchview Estate, Margaret River unoaked Chardonnay 2007

Das Medaillon von der Gelbflossenmakrele war einer der Höhepunkte des Menus. Besser hätte man es nicht zubereiten können, das relativ feste Fleisch hätte schon für sich allein stehen können und genau deshalb habe ich es getrennt von den Beilagen genossen. Der Chardonnay dazu war mir leider zu lasch, ich wüsste aber aus dem Stand auch nicht, was mir ausser Sake oder Pils besser hätte gefallen können.

 

VI. Cherry Valley Entenbrust mit Rote-Bete-Ravioli, Pak-Choi und Belugalinsen, dazu Domaine de la Martinelle (Beaumes de Venise) Rouge 2008

Ein anderer Höhepunkt des Mahls war der Entengang. Auf die Garkunst von Henri Bach ist Verlass, so dass ich das Entenfleisch nicht noch weiter belobhudeln will. Worauf es mir hier im Gegensatz zur Makrele ankommt, ist die Kunst der Beilage. Das Türmchen von der Roten Bete und der kleine Ravioli mit Roter-Bete-Füllung waren trotz ihrer ja eigentlich erdnahen natur zusammen mit der Ente dem Himmel schon sehr nah. Die Reise wäre aber nicht anzutreten gewesen ohne den roten Beaumes de Venise, eine Gegend, aus der ich bis dahin nur Süssweine getruinken habe. Allein hätte mir dieser Rotwein auch gar nicht geschmeckt, fruchtig war er, erdig, trocken, nicht uncharmant, etwas mehlig, sehr bodennah. Flügel wuchsen ihm erst, als er der Kombination von Ente und Roter Bete den letzten Schliff gab.

 

Wenn mir in einem Restaurant die Sauce besonders gelungen erscheint, dann nehme ich davon gern ein Espressotässchen für den Sologenuss. Hier musste ich ein Tässchen mit dem sensationellen Sesamjus haben, das ich in winzigen Schlückchen zusammen mit dem schon ganz irrational gut dazu passenden Beaumes de Venise wegschlürfte. Perfekt war an dieser Sauce alles, hervorheben muss ich die einzigartige Konsistenz der Sesamkerne. Die waren exakt bissfest, nicht mehr mehlig oder hart, aber auch noch nicht durchgeweicht und matschig, auch keine Abstufung irgendwo dazwischen, sondern exakt auf den Punkt. Sowas macht mich als Sesamfreund glücklich.

 

VII. Geschmorte und kurzgebratene Short Rib vom Angus-Rind mit Poweraden und Perlzwiebelpurée, dazu Côtes de Bourg, Château Falfas "Le Chevalier" 2005 ca. 2/3 Cabernet-Sauvignon und 1/3 Merlot von achtzig Jahre alten Reben, biodynamisch erzeugt

Dieser Wein scheint mir nicht geeignet, im Alleingang den Ruf einer in Vergessenheit geratenen Appellation zu restaurieren. Dazu erscheint er mir zu außergewöhnlich und untypisch für die Region, die ich aber – im Vertrauen – gar nicht besonders gut kenne. Zum geschmorten Rind, das ich mühelos noch Stunden lang hätte essen können, machte sich das Perlzwiebelpurée besonders gut, zum gebratenen Stück gefiel mir die Babyartischocke, deren Name so frappierend an ein isotonisches Getränk erinnert, besser.

 

VIII. Wölkchen von der Passionsfrucht, Sesamkrokant, Kokosnusseis und Zuckerblüte, dazu eine 2006er Riesling Beerenauslese von der Disibodenberger Klostermühle

Zum Passionsfruchtwölkchen hätte ich zu gerne und ganz gegen meine Gewohnheit und Vorliebe eine ältere Fleur de Passion von Diebolt-Vallois getrunken. Herr Voigt hatte aber eine – wahrscheinlich – bessere Idee. Er trug den Hauswein der großen deutschen Energierechtskanzlei Becker Büttner Held auf, deren Namenspartner Christian Held steht hinter diesem Weingut. Dass die Kollegen nicht nur etwas von Energie- und Infrastrukturrecht verstehen, wird schnell klar. Sonntägliches Toastbrot mit dick Butter und Honig drauf, dazu ein schöner Ceylon-Tee – oder ein Schluck vom Disibodenberger, dessen galoppierende Säure nach einem längeren Mahl jeden Schnaps ersetzt. Für das Passionsfruchtwölkchen war das schon eine Herausforderung, Sesamkrokant und Kokoseis dagegen verstanden sich auf Anhieb blendend mit dem Wein.

 

IX. Pitahayacrème mit Knallbrause, weißem Kaffeeeis und Schokobecher

Peta Zeta heisst die Knallbrause. Nun weiss ich es endlich, werde es mir aber wiederum nicht merken können, fürchte ich. Zur Pitahaya, die zu meinen Lieblingsfrüchten gehört, passte sie, so wie sie zu fast allen Desserts gut passen mag. Die Pitahayacrème war indes sehr delikat, mir wäre sie ohne Knalleffekt lieber gewesen. Auch Wein mochte ich dazu nicht kombinieren. Das konnte man schon eher mit dem weissen Kafeeeis machen, das sich ebensogut allein schön wegschlotzen liess. Der Schokobecher, so winzig er letztlich war, kam mir zu dem Zeitpunkt schon sehr mächtig vor. Zur BA passte er besser, als Pitahaya und Kaffeeeis.

 

X. Himbeertörtchen, Orangen-Brombeer-Törtchen, Physalistörtchen und Chilipraliné

Die Törtchen wollte ich eigentlich gar nicht mehr. Zwei Dinge brachten mich dennoch dazu, davon zu probieren. Einerseits: die völlig absurde Überlegung, wenn ich etwas frisches, fruchtiges nehmen würde, hätte das vielleicht eine erfrischende Wirkung und ich könnte mich danach noch dem Käse zuwenden. Andererseits: ausgerechnet die angebotenen Sorten gefielen mir alle sehr gut, einzig die Schokotrüffeltorte liess ich aus. Vielleicht hätte ich davon ein Stückchen nehmen sollen, die Törtchen waren überzeugend. Himbeere, wie ich sie aus meiner Kindheit in Erinnerung habe, Brombeeraroma wie von den Sträuchern die damals direkt neben den Himbeeren standen, Physalis und Orange, die gute Laune verbreiten. Völlig überrumpelt vom plötzlichen Ende meiner gastrointestinalen Aufnahmefähigkeit musste ich auf den Käse dann leider verzichten und trollte mich rüber in den Club B. Und was sich dort noch ergab, darüber bald mehr an dieser Stelle und in der Champagnerdepesche!

Antrittsbesuch in Nelson Müllers Schote

 

 

I.Blutwurststrudel mit Linsen und Kartoffelschaum, dazu Champagne Forget-Brimont Brut Premier Cru

Gute Blutwurst esse ich gerne. Die solide Kombination mit Linsen und/oder Kartoffeln wird dabei für mich immer ein Klassiker bleiben, zu dem ich gern zurückkehre. Gut zum Blutwurststrudel passte der oxidative, hauptsächlich von Reserveweinen getragene und sehr apfelige Stil des Champagners aus Ludes, einer ziemlich zugigen Ecke in der Montagne de Reims, wo sich ein wenig Chardonnaydiaspora befindet, die den Champagnern dieser Region eine frische, glatte, kühle Stilistik verleiht.

 

II. Snickers von Foie Gras mit Cox Orange, dazu Selbach-Oster Bernkasteler Badstube Spätlese 2001

Foie Gras mit Apfel ist auch immer eine sichere Bank. Item die Weine von Johannes Selbach. In der Bernkasteler Badstube wachsen die Äpfel förmlich aus dem Glas und das Cox-Orange Aroma mit den dahin- und wegschmelzenden Toffee- und Nougatnoten vom Snickers vermählt sich in einer chymischen Hochzeit, die derjenigen des Christia Rosencreutz zur Ehre gereicht hätte.

 

III. Curry-Zitronengrascrèmesuppe mit Hummercroustillon, dazu Bott-Geyl, Crémant d'Alsace

Der Bott-Geyl ist ein ziemlich grober Bursche mit einem weichen Herz, so eine Art Manfred Krüger als Franz Meersdonk in der Serie Auf Achse, bloss dass er im Glas sprudelt. Passte daher gut zur reichlich sättigenden, sämigen, aber nicht fetten oder zu dick geratenen Crèmesuppe. Auflockernd und gut abgestimmt zum Crémant war auch das Zitronengras. Das Hummercroustillonbäcclhen machte auch keine Probleme. Gelungener Gang.

 

IV. Crepinette von Wachtel und Stubenküken mit Perlgraupen und Pfifferlingen, dazu Weingut Fritzen, Wintricher Großer Herrgott Spätlese 1988 und Siegrist, Riesling GG Sonnenberg, 2007

Fritzen zeigte etwas Firne und Petrol, war aber sonst in sehr guter Form. Nicht so schwer, dass er das kleine Geflügel erdrückt hätte und mit seiner leicht pilzigen Art auch zwischen perlgraupen und Pfifferlingen sehr gut angesiedelt. Siegrist dagegen hätte deutlich frischer sein dürfen und verlor mit Luft immer mehr von seiner anfangs so schönen, sympathischen Pfälzer Art, vor allem ging mir das erfrischend zitrusfruchtige Element viel zu schnell verloren und übrig blieben nur Aprikosenpampe, eine leichte Bitternote und Alkohol.

 

V. Entenbrust, gefüllt mir Rahmkohlrabi und Trompetenpilzen, dazu Friedrich Becker, Laisser-faire, 2007

Zum kröftigen Entenfleisch gibt es doch fast nichts besseres, als einen in der Gärung steckengebliebenen Pfalzriesling. Der von Friedrich Becker bestätigte das nachdrücklich, bodennahe Wärme, mit würzigen, auch mineralischen Noten und eine sehr selbstbewusste Fruchtsüsse waren hier der Flipperautomat für die Geschmackskugel, die zwischen der vorbildlich rosa gebratenen Ente, dem aromatisch für Wein immer etwas schwierigen Kohlrabi und den delikaten Pilzen hin- und herballerte.

 

VI. Gekühlter Mäusespeck, Schokokrossi und Tonkabohnentaler in Kokosstaub, dazu Château de Rouquette, Loupiac, 2006

Der Loupiac passte am besten zur Tonkabohne, deren stets etwas muffige, mit Kokos aber sehr charmante Aromatik gut zum Wein passte und daher überzeugen konnte. Der milchschokoladie Krokant war mir so schon fast zu süss und schien sich mit dem Weine auch noch zu potenzieren, was eine schwierige Kombination ergab. Der kühle Mäusespeck dagegen entwickelte sogar minzige Noten und war zwar vom Beissgefühl her etwas gewöhnungsbedürftig, aber keineswegs schlecht.

flying buffet und passende Champagner

Vorspeisen

 

I.1 Brioche mit Foie Gras, dazu Ralf Peter Schauf Rieslingsekt (ecovin) trocken 2007

Die daumenkuppengrossen Hamburger hatten einen Tupfer zartschmelzender Foie Gras als Belag. Fast schon banal, aber wenn Burgerbrötchen und Foie Gras im richtigen Verhältnis (der Foie Gras Klacks muss ca 2/3 der größe des Miniburgers haben) zueinander stehen, ein willkommener Snack.

Dazu passt sehr gut der mit 7,50 EUR gar nicht teure Winzersekt aus Ernst an der Mosel. Gerade weil er trocken dosiert ist, paaren sich die Süße von der Foie Gras und die durch den Dosagezucker herausgehobene Rieslingfrucht optimal.

 

I.2 Rinder-Carpacchio mit Rucola, dazu Jean Moreau Brut Tradition Grand Cru NV

Etwas faseriges Rucola und extrem dünn geschnittenes Carpacchio, das bevorzugt am Teller kleben blieb oder sich nur durch Zusammenmatschen auf ein Essgerät bringen ließ. Dazu Schnipsel von irgendeinem viel zu jungen Hartkäse. Schmeckte zwar, machte aber keine Freude. Freude machte dagegen der hälftig aus Chardonnay und Pinot vinifizierte Champagner von Moreau aus Ambonnay. Für einen Brut denkbar hoch dosiert und für mich schon extra dry, aber wegen seiner gediegenen, zwischen sportlicher Chardonnayfrische und gemütlicher Pinot-Ruhe angesiedelten Art mit einem Schwenker über Butterscotchtoffee sehr sympathisch. Gut zu Rucola, zu großzügiger geschnittenem Carpacchio sicher auch.

 

I.3 Steinpilz-Tiramisu, dazu Rene James Lallier Brut Zéro Grand Cru NV

Intensives Steinpilzaroma und angenehm feste, nicht zu fluffige Konsistenz. Mir aber selbst als kleine Portion zu viel und zu einseitig. Nicht ganz glücklich dazu der "einfache" Grand Cru von Lallier aus 70% Pinot (Ambonnay) und 30% Chardonnay (Avize) als Zéro-Dosage, jedenfalls dann nicht, wenn das Dégorgement noch nicht so weit zurückliegt. Das Hauptproblem beim Zéro ist, dass er kurz nach dem Dégorgement zu frisch ist und dann nicht so konstant und zuverlässig reift, wie der leicht dosierte Champagner. Gerade die reifen Lalliers bestechen aber durch pilzige Noten und Unterholz, Kaffee- und röstige Komponenten.

 

Hauptspeisen

 

II.1 Maispoularden-Variation am Lollystick, dazu Taittinger Brut Prestige Rosé NV

Zartes, warmes Fleisch am Stiel, eine gute Sache. Mal mit Spinat, mal mit Pumpernickel, teilweise mit einer Karottencrème, jede Variante war gut zu essen. Wieder 70PN/30CH, hier in einer ganz leichten, fruchtigen Mischung, die nach Art der großen Häuser auf Massengeschmack getrimmt ist – das aber so gut, dass es schwer fällt, zu widerstehen. Etwas schwierig mit gemüsigen Speisen, aber sehr schön zur Maispoularde und zum Pumpernickel. Indifferent zu Karotte.

 

II.2 Seeteufelmedaillons auf Pestonudeln mit Lauch-Tomaten-Gemüse, dazu Duval-Leroy Femme de Champagne 1996

Gegen Seeteufel kann man ja nicht viel haben. Die Pestonudeln waren leider etwas hart, das Lauchgemüse nervte und hätte viel dezenter und in kleinerer Menge serviert werden sollen. Entschieden gut und ein großartiger partner zum Fisch die Femme de Champagne. Reife, kräftige Säure und ein zupackender Stil, eine Cuvée aus ca. 25% Pinot und ca. 75% Chardonnay, die eins zu eins dem emanzipierten Führungsstil von Carol Duval entspricht. Nichts für Schleckermäuler und mit Sicherheit kein Champagner fürs Schäferstündchen, sondern ernste Unterhaltung.

 

II.3 Hummerpraline im Kanakiteig auf Mango-Limonen-Ragout, dazu Baron Fuenté Blanc de Meuniers NV

Schöne Kombination aus zurückhaltendem, sehr dünnem Teig, gut wahrnehmbarem Hummer und auflockernder Frucht. Die originelle Flasche birgt einen nicht minder originellen Inhalt, 100% Pinot Meunier, weiß gekeltert. Eigentlich eine sehr naheliegende Cuvée für ein Haus aus Charly sur Marne, denn es handelt sich um die beherrschende Traube im Marnetal. Richtig ausgebaut kann man mit diesem underdog überraschende Ergebnisse erzielen und manche Meuniers bringen es gar zu Kultstatus. Das ist hier gar nicht gewollt, dieser Champagner ist mehr eine Hommage an das Fruchtfleisch auf den mineralischen Rippen vieler "normaler" Cuvées, denn das eine ohne das andere kann nicht sein und nur allzuoft wird mehr Wert auf das Skelett gelegt, als auf die Figur. Fortgeschrittene Reifetöne versprechen eine zum Hummer passende dekadente Üppigkeit, die sich im Mund als konzentrierte, rosinige, auch schon überreife Fruchtdominanz äußert. Säurearm und von Honigtönen umspielt, passt dieser Champagner gut zu den Säurespitzen vom Mango-Limonen-Ragout. Solo geht er mir dagegen zu schnell aus dem Leim.

 

II.4 Vanillierte rote Linsensuppe mit St. Jacques, dazu Deutz Cuvée Brut Classic NV

Sämige, gut gelungene Komposition und bissiges Muschelfleisch, da kann man nicht meckern.

Passend dazu die renovierte Bilderbuchcuvée von Deutz. Drittelmix aus gleichen Teilen Chardonnay, Pinot-Noir und Pinot Meunier, keine zu hohe Dosage und eine von dezent animierender Säure getragene Mineralität, dazu pürierte Früchte und krosser, leicht gebuterter Toast.

 

II.5 Canneloni mit Garnelenfüllung auf Zitrusspinat und Pinienkernen, dazu Franck Bonville Les Belles Voyes Blanc de Blancs Grand Cru (2004)

Bissfeste Canneloni mit etwas müder Garnele, dafür ein aromatischer, grossblättriger, gleichzeitig zartfester Spinat, die Pininekerne dazu sanft angeröstet und aromatisch aber nicht zwingend nötig.

Kein offizielle deklarierter Jahrgangschampagner, aber fakisch ein 2004er aus dem Herzne von Oger, wo die Chardonnays so tiefgründig mineralisch und von strenger Säure sind, wie im benachbarten Le-Mesnil. Die Einzellage Belles Voyes ist mit steinaltem Chardonnay – um die 80 bis 90 Jahre – bepflanzt; Franck Bonville zwingt die Reben zum Glück und lässt sie fast wie im Märchen vom tapferen Schneiderlein die letzten Tropfen aus dem Gestein pressen. Dementsprechend sagenhaft schmeckt der im alten Holzfass gereifte Wein. Großartig und wie verwandt mit Pinienkernen, gut zu den Cannelloni, auch zu den Garnelen, etwas schwierig mit dem Spinat und am besten eigentlich solo.

 

Nachspeisen

 

III.1 Kakaowürfel mit flüssigem Mangokern, dazu Pol-Roger Rich (demi-sec) NV

Ziemlich mastiger kleiner Kakaoklotz, der an Eiskonfekt erinnert, die Mangofüllung hätte mehr Biss und Säure benötigt. Nicht völlig unproblematisch aber mit etwas gutem Willen dazu der Demi-Sec von Pol-Roger. Der ins Zitrusfruchtige neigende Champagner ist gar nicht so arg süss und daher ein heikler Partner für Desserts. Mit dieser eher bitterschokoladigen und ziemlich buttrigen Kreation kommt er, wenn man nicht partout in den Diabetikerhimmel will, gerade noch zurecht.

 

III.2 Quittenmousse mit Lakritzreduktion, dazu Charles Heidsieck Blanc de Millenaires 1995

Feine, sehr saubere Quittenaromen, angenehm samtige Textur, dezente Süßholzaromen, die auch nicht stärker hätten sein dürfen. Diesen Blanc de Blancs muss man allein deshalb zur Quittenmousse trinken, weil er die Quittenaromen so völlig auf Augenhöhe wiedergibt. Da die Quittenmousse nicht zu süss ist, wirken die Aromen prachtvoll und holzschnittartig vergröbert, aber immer noch sehr kunstvoll.

Essen verwöhnt

1. 1/2 hummer, dazu bruno paillard première cuvée

der hummer schwamm leider im dressing und war auch arg klein. daher war es schwer, an das scherenfleisch zu kommen, zumal mit messer und gabel. bruno paillards arbeit überzeugte da schon mehr. reife, leicht oxidative art mit viel apfel und spritz.

2. tortelloni al tartufo (schwarz), dazu wieder den bruno paillard

die tortelloni waren gut, eine war am rand einen tick zu hart, es gab reichlich sauce, die ich auch gern in einer kleinen tasse ordere, wenn sie mir schmeckt, beim trüffel wurde nicht gegeizt. gut dazu wieder der paillard, dessen reife art eine schöne kombination gerade mit dem trüffel ergab

3. crespelle mit spinat-ricotta-füllung in trüffelsauce und mit frischem schwarzem trüffel, dazu van volxem volz 2006 en magnum

die crespelle hatten eher calzonecharakter und spinat-ricotta-füllung ist nun wahrlich nicht der gipfel ambitionierten küchenschaffens, aber ich hatte es sowieso nur auf den van volxem abgesehen und brauchte nur die begleitspeise dazu. die kombination war mehr, als ich erwartet hatte: der saarrielsing zeigte sich gegenüber dem spinat souverän und konnte wegen der übriggebliebenen knapp 4 g restzucker wohl besonderen charme im umgang mit diesen nicht gerade weinfreundlichen gemüse entfalten

4. tatar à la harry’s bar, dazu rudolf fürst, spärburgunder centgrafenberg „r“ 2003 en magnum, außerdem ornellaia 2000 und sassicaia 2002

das tatar war mir zu süss und zu matschig. den fürst dagegen hätte ich küssen können, so gut war der. betörende, frucht, feinstziselierte säure, von störendem holz keine spur, der wein war so drahtig und so beweglich wie ein erster solist im weltklasseballett. dolle vorstellung. völlig andere schiene der ornellaia, wobei der eine überbordenede frucht hatte, die sich mit dem fürst sehr gut vertrug. diese beiden weine waren ein bisschen wie fritz wunderlich (fürst) und, auch wenn es vom land her nicht passt, rolando villazon. fürst mit einer unglaublichen leichtigkeit und geschmeidigkeit, die mühelos klippen und aromentechniosch allzu simple verlockungen umschifft, ein wunderlich eben, der spielend leicht grosse oper und leichte muse verbindet, der andere mit einer präzisen wucht und kunstfertig geschliffenen ungeschliffenheit, vielleicht einer der weine, die too much bieten und sich am ende verzetteln – aber ich habe heute davon nichts mitbekommen, der wein war in top-form. schließlich noch der für meine begriffe bordeauigste supertoskaner, ein konzentrierter sud von schwarzer johannisbeere, brombeere, holunder und einer noch keineswegs ruhigen, aber sehr vertrauenerweckenden tanninladung

5. gratinierter ziegenkäse mit rosmarinhonig, radicchio-rucola und himbeervinaigrette, dazu taittinger brut réserve

beim schließer stimmte wieder alles, die balance von ziege, gewürz und honig passte, auch die vinaigrette war weder bonbonig noch zu sauer und der taittinger leistete solide begleitarbeit.

Menu im Jardin des Crayères, Reims

Begleitweine:

1. Henri Giraud, L'Esprit de Giraud

Klassischer 70PN-30CH Mix vom Starwinzer aus Ay. Gediegener Tischchampagner, der mit seinem sehr breiten, aber nicht beliebigen Aromenspektrum zu den meisten Gängen passt. Milde, birnige Noten und rotbackige Äpfel stehen da neben floralen Aromen, die in Richtung Akazie, Weißdorn zeigen. Dem Champagner fehlt es auch nicht an gesunder, alles lebhaft untermalender Säure.

2. Egly-Ouriet, Premier Cru Les Vignes de Vrigny, Blanc de Meuniers, dég. 12/08

Weicher, runder, sehr kräuteriger Champagner mit kühler Stilisitik vom Starwinzer aus Ambonnay. In der Nase erst crèmig, hefig, dann zeigen sich Toastaromen und die ersten Äpfel. Im Mund weich, sämig, mit einem flaumigen Gaumengefühl.

 

Menu:

I. Amuse Gueule, Hummerhappen

ordentliches, festes, sehr aromatisches Hummerfleisch. Dazu passten beide Champagner gut, ich gebe dem Egly den Vorzug, weil seine Kräuteraromen sich einen Hauch besser zum Hummer verhielten

II. Sardinen mit Limettenmarinade auf pain perdu

Eine große Küche zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass sie vermeintlich einfache Gerichte perfekt zubereiten kann. Ich kann mir fast nichts simpleres, ebenso köstliches vorstellen, wie dieses mit Ei angebackenen Brotreste und diese wahnsinnigen Sardinen drauf, bloss mit ein paar Spritzern Limette auf der Knusperhaut. Hier zeigte sich der Giraud leicht überlegen, was an seiner stimmigen Säure gelegen haben wird.

III. Foie Gras von der Entenleber, natur

Foie Gras esse ich selten, aber wenn, dann fast immer in guten französischen Restaurants. So auch hier. Die Foie Gras schmolz auf der Zunge und ich dahin. Fast hätte ich in der dadurch ausgelösten meditativen Stimmung vergessen, den Champagner zu probieren; dabei hätte es auch Spülwasser sein können, zu der perfekten Foie Gras hätte ich alles getrunken.

IV. Caesar's Croq mit Geflügel, Krabben und pochiertem Ei

Ein leichter Zwischengang und eine Herausforderung für den Champagner, Jod, Ei, Salat, Worcestershirevinaigrette sind immer heikle Partner. Der Salat war aber zum Glück so behutsam und auf den Punkt genau präpariert, dass die schwierigen Worcesteraromen sogar eine überaus schmackhafte Kombination mit dem Egly-Ouriet eingingen. Der Giraud bleib demgegenüber etwas zurück.

V. Steinbutt in Chardonnaysauce

Zu diesem Fisch gehört eine unaufdringliche, möglichst nur mit Wein abgeschmeckte Sauce. Deshalb habe ich mich über die Chardonnaysauce sehr gefreut und die Abweichung von der Faustformel Saucenwein = Begleitwein gern in Kauf genommen. Für mich war der Fisch dann zwar einen Tick zu lange in der Röhre; beide Champagner haben aber sehr gut gepasst. Der Giraud bestach mit fein abgestimmter, zusammen mit dem Fisch an weissen Pfeffer erinnernder Aromatik, beim Egly kam auch die würzige, kräuterige Komponente stärker zum Vorschein.

V. Boudin blanc im Backpapier, dazu gebackene Apfel-Zwiebel-Spalten und grober Senf

Der Abschluss nach dem Fischgang sollte ein sanftes Ausgleiten mit langem Nachhall werden. Dafür bot sich die französische Weisswurst an, für den Nachgeschmack schienen mir Apfel. Zwiebel und der in Frankreich sehr geachtete Senf ideal. In Temperatur, Konsistenz und Würze war die Boudin erstklassig, lediglich die Haut war mir etwas zu fest. Separat gab es die dicken, abwechselnd gelegten und zusammen gebackenen Apfel-Zwiebel-Scheiben und den hausgemachten groben Senf. Auch das wieder eine vergleichsweise einfache Beilage, aber wiederum so gut gewürzt, dass ich gern noch einen kleinen Bräter voll bestellt hätte. Die Champagner waren zu dieser mitteldeftigen Speise voll in ihrem Element, da ich schon ziemlich satt war, fand ich die frische Art des Giraud sympathischer, als vorher, ehrlicherweise hat aber wahrscheinlich der Egly den Vorzug verdient, weil er sich so unnachahmlich gut in das Aromengefüge einpasste.

Herbstliches Champagnermenu


I. Jakobsmuscheln im Lardomantel auf Balsamico-Schmorzwiebeln

dazu: Voirin-Jumel Blanc de Blancs Grand Cru en Magnum

Der saftige, sehr fruchtige und nur ein wenig mineralische Chardonnaychampagner zeigt sich aus der Magnum mit seiner ganzen Pracht und verschwenderischen Aromenfülle. Er ist vergleichsweise hoch dosiert und verträgt sich bestens zu den süsslichen Aromen von der geschmorten Zwiebeln. Das Lardofett steckt er ebenfalls gut weg, ohne die Jakobsmuschel zu übertrumpfen.

II. Halber Hummer, in der Röhre gratiniert

dazu: Alfred Gratien Brut Classique

Zum Hummer gehört Champagner und zum gratinierten Hummer mit ausgelöstem Scherenfleisch macht sich stets ein Champagner gut, der keinen BSA durchlaufen hat, dabei aber nicht schmallippig wirkt, kurz: Alfred Gratien Standardbrut. Der profitiert bei dieser Paarung nämlich von seinem Holzfassausbau und umschmeichelt den Hummer so natürlich, als wäre der noch am Meeresboden.

III. Pappardelle mit Ragout von der Barbarienetenbrust

dazu: Larnaudie-Hirault Blanc de Noirs Premier Cru

Das würzige, kräftige Entenfleischaroma braucht einen Champagner, der sich nicht in den Vordergrund drängt, sondern die herb-wilden Aromen abfedert und um leichte, weinige Aromen angereichert an den Gaumen weitergibt. Eine gute Wahl ist deshalb der Blanc de Noirs von Larnaudie-Hirault. Kühle Stilistik, feines, aber nicht zu sahniges Prickeln, dezente traubige Aromen und Entenfleisch fügen sich hier wie Lego ineinander.

IV. Kurzgegrillter Sashimi-Thunfisch mit Steinpilzen in Baroloreduktion

dazu: Veuve Devaux Rosé Intense de Saignée

Der dunkle, sehr burgundige Rosé von Devaux passt zum Lammcarée ebenso wie zum kurzgegrillten Sashimi-Thunfisch, dessen rotes Fleisch dem Champagner verblüffend ähnelt. Im Mund ergibt sich dann die ideale Mélange aus Jod, Meer, Waldboden, pilzigen Aromen und behender Rotfrucht.

V. Zimteis mit Mango-Limetten-Sauce

dazu: Vranken Demoiselle Ratafia

Schon im Auge glänzt der Ratafia altgolden bis bernsteinfarben, in der Nase eine Nussorgie mit Bratäpfeln, Nelken, Pomeranze, Datteln, Feigen und Rosinen. Im Mund entwickelt sich eine sanfte Glut, die das Zimteis an den Gaumen kondensieren lässt, die exotischen Komponenten der Nachspeise gehen gleichzeitig eine Hochzeit mit den getrockneten Obstaromen des Likörs ein, besser könnten es Madeira, Malaga, Port & Co. auch nicht.

Ruhrmenu im Kölner Hof

I.1 Ballontine von der Wildente mit Eisweingelee und Aprikosen-Rosmarinbrioche
dazu: Caspari, Riesling feinherb 2007
Die kleine Wildentenspirale mit dem petersiliengefärbten Gänseklein sehnte sich nach genau diesem einfach gestrickten, robusten, aber als Moselaner erkennbaren Riesling und seiner schon andeutugnsweise würzigen Petrolnote.Weniger gut zum Eisweingelee, aber ausgezeichnet mit dem obstig-medizinalen Brioche.

I.2 Dreierlei vom Hummer (Hummer-Velouté, Hummercrème, Hummereis mit Knoblauchbrunoise) und Jakobsmuscheln
dazu: Champagne Regis Fliniaux Blanc de Blancs Grand Cru
Der Verführer aus Ay war zum haargenau zubereiteten Velouté fast nicht zu schlagen, die sämige, aber bei weitem noch nicht mehlige Konsistenz des Hummersäftchens trug röstige, nussige und keineswegs angebrannt schmeckende Aromen und war damit ein sehr guter Partner für den seinerseits mit feiner Nusswürze, Öligkeit und crémiger Textur reagierenden Chardonnay, der aber vollends brillierte, indem er die Ay-typische exotische Fruchtkomponente freigab

I.3 Rücken und Bäckchen vom Kalb mit Pfifferlingen, Pastinakenpüree und Hokkaido-Kürbis
dazu: Elio Altare, L'Insieme VdT (Mix aus Barbera, Cabernet Sauvignon, Dolcetto, Nebbiolo, Syrah) 2004
Kräftiger, von jungem Cabernet dominierter Wein aus dem offenen, karitativen Gemeinschaftsprojekt von acht Winzern – jeder macht seinen eigenen, als Insieme verkauften Mix in einer Auflage von jeweils knapp 1000 und insgesamt max. 5000 Flaschen. Würzig, mit dynamischer Säure und sehr positiver ntwicklung mit Luft. Braucht noch ein paar Jahre, um als Solist zu überzeugen, kam aber mit dem kräftig gewürzten Kalbsbäckchen schon gut zurecht und vertrug sich auch mit den Pastinaken.