Back to Top

Tag Archives: philipponnat

Bruno Paillard: Jahrgangschampagner-Auswahl 1989 – 2002

Bruno Paillard ist eine der feststehenden Größen der Champagne, auch wenn seine Champagner in Deutschland namentlich noch immer nicht so bekannt zu sein scheinen. Dabei leistet er vom crèmigen Standardbrut bis zum bombastischen N.P.U. seit Beginn seiner Erzeugertätigkeit mit der Beständigkeit einer planetarischen Umlaufbahn nicht nur zuverlässige, sondern hochgradig trinkenswerte Arbeit. Eine kleine Leistungsschau exemplarischer Jahrgänge gab es im Rahmen der ProWein:

1. 2002

47CH 42PN 11PM, extra brut dosiert

Anfänglich eine nicht so wahnsinnig schöne, reduzierte Lakritznase, die aber schnell den Schwanz einzieht und einem gut balancierten Champagner mit feiner Säure, mitttlere Frucht und mesomorphem Körper Platz macht. Der Champagner ist noch sehr jung und läßt Jahrgangsqualitäten mehr ahnen, als dass er sie direkt ausspielt.

2. 1999, dég. März 2008

29CH 42PN 19PM

Groszügiger, wenig säurestarker Champagner, der jetzt ein Reifestadium erreicht hat, in dem er sich meiner Meinung nach optimal präsentiert und sich gern so halten darf. Butter, Hefezopf, wenig medizinale Töne, die ins Kräterige hinüberspielen und an Thymian, Rosmarin, Fenchelsamen denken lassen, außerdem eine reizende Akazien- und Kastanienhonignote.

3. 1995, dég. März 2003

Vollreif, deutlich röstig und merklich weiterentwickelt als der 99er, mit vitaler bis kerniger Säure und einer Grandezza, die man dem dauerunterschätzten Jahrgang blind nicht zugetraut hätte. Besonders erfreulich ist für mich die performance auch deshalb, weil nach dem Dégorgement immerhin schon ein Weilchen vergangen ist und die bei verschiedenen Sommeliers oder im Handel liegenden Flaschen sich sehr ähnlich präsentieren dürften. Ein paar noch vor wenigen Monaten mit Sebastian Bordthäuser in Steinheuers Restaurant weggegurgelte Gläschen vom 95er würden das gern bestätigen, wenn sie es noch könnten. 

4. 1989, dég. Oktober 2002

40CH 60PN

Weiter und runder als 1988 und von seiner Art her dem 1999 ziemlich ähnlich, was mich für diesen beste Perspektiven ahnen lässt. Kaffee, Mokka, Schoki, dabei immer noch sehr viel nüchterne Klarheit und geistige Frische.

Philipponnat Clos des Goisses 1994 – 2004

Jahrgangschampagner aus dem nur mäßig prominenten Champagnerjahr 1994? Da würde ich normalerweise abwinken. Bei Philipponnat nicht. Nicht, nachdem ich mit dem als ähnlich düster bekannten Jahrgang 1991 aus demselben Haus so gute Erfahrungen gemacht habe und Philipponnat sich nach einigen weiteren Proben sogar als regelrechter Spezialist für derartige Schwachjahre (2000, 2001, 2003) in meinem Verkostungshirn verankert hatte. Eine kleine Vertikale drängte sich also förmlich auf und wenn man schonmal in der Champagne ist, sollte man sich einen Besuch in Mareuil-sur-Ay sowieso nicht entgehen lassen. Die Champagner aus dem Clos des Goisses werden mit Anteilen zwischen 30% und 60% im kleinen Fass vergoren und durchlaufen keinen BSA, egal ob im Fass oder im Stahltank vergoren. Ein Chardonnayanteil von meistens zwischen 30% und 40% dient als Frischespielbein, während der dominierende Pinot Festigkeit, Struktur und Würze liefert. Das Geheimnis seiner outperformance in den bekanntermaßen schwachen Jahren ist damit aber noch längst nicht gelüftet. Muss auch nicht, mir reicht es völlig, wenn ich weiß, auf wen ich mich dann verlassen kann.

 

1. Clos des Goisses 2004, dég. Februar 2013

Eine ganze Wiener Feingebäckstube in der Nase, sehr viel Hagelzucker, einige Zimtblätter, Fenchelsamen und Lindenblütenduft. Der Champagner wirkte noch unentschlossen, war reichlich zu jung und wie mitten in der Pubertät erwischt, der uneinheitliche Mundeindruck rührt außerdem vom kürzlich erfolgten Dégorgement her, denke ich. Ein noch unzusammengefügtes Meisterstück, dessen künftige Balance, eingängig-crèmige Art und superbe Balance greifbar im Raum steht und wahrscheinlich durch nichts mehr verhindert werden kann, außer eben durch unglücklich gewählte Dégorgierzeitpunkte.

 

2. Clos des Goisses 2003, dég. August 2012

Hitzige Nase mit Dill, frischen Kräutern und Anis. Im Mund eine kaktusfeigenartige Stacheligkeit, mit hinterlistigen Säurefäden, die fast schon mehr stören, als helfen. Hilfe nämlich braucht man beim Verdauen dieses dicken Champagners, dem in seinen ersten Glasminuten mittlere und hohe Töne völlig abgehen, wie bei einer defekten Lautsprecherbox. Mit Luft entsteht ein etwas teeriger Duft, der mich an den geschätzten, aber schwierigen Duft Palais Jamais von Etro erinnert.

 

3. Clos des Goisses 2002, dég. Februar 2012

Algen, Apfel, Feigenschale, Melone, ein Nasengefühl wie bei einer sehr noblen Seife. Im Mund geheimnisvoll, mit dunkleren Aromatönungen, als die Nase ankündigt, wirkt zähfließend, was aber täuscht, wobei ich nicht unterschlagen will, dass ich eine höhere Säurepräsenz wünschenswert gefunden hätte. Wie der eng verwandte 2004er wirkt auch der 2002er noch unfertig und weitere drei Jahre Flaschenruhe seien ihm herzlich gegönnt.

 

4. Clos des Goisses 2001, dég. Juni 2011

Mein Favorit. Aus einen frostigen Jahr mit später Lese, Richard Juhlin empfiehlt sogar, den Jahrgang gleich komplett zu ignorieren, aber so kann man eben danebenliegen. Wie im Land der Raketenwürmer schießen Säurefontänen durch den Champagner, eine gewaltige und unbändige Kraft will sich hier aus der Flasche und dem Glas befreien, wenn der Champagner nicht so gut wäre, würde ich Alpträume von der Vorstellung bekommen, sowas in den Eingeweiden sitzen zu haben.

 

5. Clos des Goisses 2000, dég. Juni 2011

und dég. Oktober 2009 getrunken März 2011; deg juni 11, getr juni 11

Ein alter Bekannter ist mittlerweile der 2000er Clos des Goisses und einer von der Sorte, mit denen der Abend gar nicht schiefgehen kann. Komplex und in jeder Sekunde Neues aus den Tiefen seiner Perlage hervorholend, wie ein in Rausch geratener Verkäufer einer Edelboutique. Das ist nicht immer von Anfang an so, diese Flasche hier fand ich zum Beispiel erst etwas arg reduktiv, als sei sie mit einer dicken Kruste Austernschalen verschlossen, die sich aber schnell als brüchig entpuppte und das Panorama exquisit reifer Röstaromen in Nase und Mund entließ. Natürlich wirkte dieser Champagner nach dem brutaleren 2001er süßer, aber eben nicht unterlegen. Die meisten würden ihn dem 2001er wahrscheinlich deutlich vorziehen.

 

6. Clos des Goisses 1995, dég. Juni 2011 (Long Vieillissement)

Von diesem Champagner mussten drei Flaschen von ihrer Daseinsnot befreit und aus dem irdischen Jammertal entlassen werden; die erste hatte deutlichen Kork, die zweite wurde von heftiger Reduktion gebremst und erst die letzte Flasche dankte für die Erlösung mit körpeweise reifen Äpfeln, Kaffee, Pilzen, crèmiger, rahmiger Textur, Veilchennoten, obszön glitschiger Säure und einem ebensolchen Drang in Richtung Rachen.

 

7. Clos des Goisses 1994, dég. September 2004

Der Scheidebecher in mehrfacher Hinsicht. Für die Verkostung der letzte Champagner und für die meisten Champagnertrinker das Reifestadium, ab dem sie aussteigen. Dabei wirkte der 94er Clos des Goisses nicht überreif, maderisiert, allzu sherryhaft oder gar angeschossen, sondern hat derzeit so viel Reife und Konzentration in sich vereinigt, dass ich ihm gut und gerne noch ein beachtliches Leben in der Flasche prophezeie; was die meisten Trinker hingegen stören dürfte, ist die mit der allgemeinen Konzentration einhergehende Ballung herber, dunkler, kräftig-würziger Aromen, die dem Champagner etwas an Tempo zu nehmen scheinen. Für mich bedeutet das Erreichen dieses Reifestadiums nicht anderes als den Aufstieg in eine andere Klasse, weiter nichts.

 

Fazit:

Paradox, dass der Clos des Goisses, eine der heißesten Weinbergslagen der Champagne überhaupt, in so gegensätzlichen Jahren wie 2001 und 2003 so hochzuschätzende Champagner bringt. Toll, dass der Clos des Goisses so eigene, eigenwillige und reifebereite Weine liefert.      

Die mittelgroßen Häuser: Philipponnat vs. Pol-Roger

 

Zwei starke Erzeuger mit jeweils ausgeprägt eigenem (pinotfreudigem) Stil und treuer Anhängerschaft sind Philipponnat und Pol-Roger. Ein rundherum überzeugendes und selbst beim 2003er Jahrgang bravouröses Programm hat Philipponnat derzeit anzubieten. Pol-Roger sehe ich nicht ganz auf dieser Höhe, dafür sind mir insbesondere Rosé und Winston Churchill zu arg an der Schmerzgrenze dosiert.

1. Philipponnat

1.1 Royale Réserve, dég. Oktober 2010

40-50PN 30-35CH 15-25PM, Vinifikation im Stahltank und zu einem kleinen Teil im Holzfass, dort auch kein BSA. 25-40% Reservewein aus Soleraverfahren (jedoch nicht klassisch in Pyramidenform, sondern durch nachfüllen im Stahltank), teilweise aus Holzfassausbau. Mit 8 g/l dosiert.

Herzhaft hefig, mild nussig, großzügige Weinigkeit, machte einen dem Dégogierdatum entsprechenden jugendlichen Eindruck und war keineswegs zu hoch dosiert.

1.2 Grand Blanc 2004, dég. Februar 2010

Chardonnay stammt zu 70% aus der Côte des Blancs, jeweils 15% stammen aus dem Clos des Goisses und aus Trépail in der Montagne de Reims. Mit 5-6 g/l dosiert.

Der erste große Wurf aus den modernisierten Kellern von Philipponnat und daher – obwohl ich die beiden Jahrgänge sonst auf Augenhöhe sehe und Philipponnat 2002 sogar höher einschätzt als 2004 – dem 2002er trotz seiner Jugend sogar noch überlegen. Mandeln, Nüsse, Honig, elegante Säure, exotische Frucht, also alles, was man von einem großen Chardonnay dieser Provenienz erwarten darf. Die exotische Frucht ist nach meinem Empfinden immer ein deutlicher Marker für die Chardonnays aus dem Marnetal und geht hier wohl auf den Clos des Goisses Anteil zurück. gegenüber dem schon sehr guten 2002er erschien mir der 2004er weniger verträumt, fokussierter, mehr bei der Sache.

1.3 Réserve Mill. 2003, dég. August 2010

70PN 30CH, mit 6 g/l dosiert.

Fein, ausgewogen und für den meist überreifen bis abgeschlafften Jahrgang erstaunlich frisch, ja sogar elegant und mit einer delikaten Säure ausgestattet. Das Mundgefühl von geschmolzener weißer Schokolade war sehr apart, enzückend fand ich dann noch, dass der Champagner im nschluss nicht ins überreif-rosinige weggerutscht ist, sondern mit feiner, wie ein elektronisches Stabilitätsprogramm beim Auto wirkender Säure ausging.

1.4 Cuvée "1522" Grand Cru Mill. 2003, dég. Januar 2009

60PN aus Ay 40CH jeweils zur Hälfte aus Cramant und Le Mesnil, mit 4 g/l dosiert.

Ein Champagner, der nach Auffassung des Hauses vorbildlich zu Schalentieren passt. Doch geht bei dieser Betrachtung ein vergnüglicher Teil verloren: besonderen Spass macht es nämlich zu beobachten, wie die dunklen Pinotaromen langsam in den mineralischen Teil überleiten, der am Ende die Herrschaft übernimmt und verantwortlich für die Meeresfrüchteaffinität des Champagners ist. Ob man die Assemblage auch historisierend nur aus der Vallée de la Marne, bzw. Ay hätte zusammenstellen können, beschäftigt mich schon länger, tut dem Erfolg, bzw. Güte der Cuvée aber natürlich keinen Abbruch.

1.5 Clos des Goisses Blanc 2000, dég. Oktober 2009

65PN 35CH, 30-50% im Fass vergoren. Mit 4 g/l dosiert.

Feiner, schlanker, dabei druckvoller und organischer, fester in sich geschlossen und auch länger, als der "1522". Sehr raffiniert und in sich verschachtelt gebaut, so dass man sich nicht wundert, im Alter die überwältigende und für diesen Champagner typische, nussige, kakaoige, röstige und an Kaffee erinnernde Fülle anzutreffen. Beim 2000er ist das gegenüber seiner spätwienerischen Primärfruchtphase von vor einem Jahr derzeit alles wie in einem Origami verborgen, allenfalls die köstliche Honignote lugt noch hervor und lässt die zutreffende Vermutung zu, dass hier ein starker Champagner schlummert.

 

2. Pol-Roger

Eine Konstante ist Pol-Roger. So zuverlässig wie früher Christian Pol-Roger kümmert sich schon seit einigen Jahren der freundliche und verbindliche Laurent d'Harcourt um die Gäste und Freunde des Hauses.

2.1 White Foil und

2.2 Pure

Ein schönes Duo, das sich noch aufeinander einspielen muss, ist der White Foil zusammen mit dem Pure, dem Brut Majeur von Ayala in der Programmatik nicht unähnlich.

2.3 Vintage 2000

Der Vintage stammt noch immer aus dem Jahrgang 2000 und wirkt auf mich langsam etwas mürbe; nicht altersschwach zwar, aber altersmilde. Ein Heißsporn war er nie, ein Charmeur mit anregenden Qualitäten in seinen besten Zeiten dagegen schon. Das Funkeln ist noch da, was sich verändert hat, ist das bezwingende Element. Dieser Champagner nimmt einen nicht mehr in Beschlag, sondern er bietet sich an.

2.4 Blanc de Blancs 1999

Mittlerweile ist der 1999er Chardonnay von Pol-Roger reifer, aber nicht gesetzter, sondern auf eine beeindruckende Art energischer geworden, in jeder Hinsicht bestimmter, konturierter und vollendeter.

2.5 Rosé 2002

Für mich der kontroverseste Champagner des Programms von Pol-Roger ist im Moment, vielleicht zusammen mit dem Winston Churchill, der sehr scharf an der – für mich – Lästigkeitsgrenze dosierte Rosé. Hier hat gewiss der Jahrgang dem Kellermeister reifemäßig in die Hände gespielt und selbst wenn ich von Pol-Roger zuverlässig gute Arbeit im Umgang mit der Dosage gewöhnt bin, im Rosébereich finde ich die Gefahr immer besonders groß, durch übermäßige Dosage ins Kitschige abzurutschen. Davor schützt in diesem Fall nur die besonders punktgenau eingesetzte Säure. Nun ist natürlich, das weiß ich selbst, mein Gaumen alles andere als maßgeblich für Pol-Roger und das Stammpublikum des Hauses; ich würde aber dazu raten wollen, diesen sehr schmalen Pfad bei den nächsten Jahrgängen wieder zu verlassen.

2.6 Cuvée Sir Winston Churchill 1999

So süß wie nie zuvor kam mir der aktuelle Sir Winston Churchill vor. Frucht spielt unverkennbar eine entscheidende Rolle bei diesem Eindruck, Dosagezucker aber auch. Mir kam der durch den Zucker etwas speckig geratene Champagner nur um ein Haar noch nicht schwabbelig vor, hier gilt, was ich auch beim Rosé meine: noch weiter sollte man es mit der Dosage nicht treiben.

Das schreiben die anderen: Patrick Dussert-Gerber

Der aktive Autor hat sich in der aktuellen Ausgabe von "Millésimes" mit seinem Champagner-Classement für 2010 zu Wort gemeldet. Nicht zur Unzeit, wie ich meine, denn Zeit für Champagner ist bekanntlich immer – nicht nur kurz vor Weihnachten. Also, was schreibt er denn? Zunächst mal muss man seine Classements kennen. Darin unterscheidet er zwischen erst-, zweit- und drittklassifizierten Weinen. Diese Classements stellt er für jede Weinbauregion gesondert auf, d.h. ein erstklassifizierter Champagner unterliegt den Regeln seines Champagner-Classements und ist insofern nicht vergleichbar mit einem von ihm erstklassifizierten Bordeaux. Innerhalb der jeweiligen Classements herrscht nochmal eine Hierarchisierung, wobei Dussert-Gerber im Champagner-Classement jede Klasse nochmal in kräftige und elegante Champagner unterteilt. Dabei fließen Werte wie Reifevermögen, Preis-Leistungs-Verhältnis und Kontinuität der letzten Jahrgänge einer Cuvée ein. Wer also in der Spitze eines Classements steht, dem kommt eine gegenüber den nachfolgenden Weinen herausgehobene Bedeutung zu.

Neu hinzugefügt hat er die folgenden Champagner (A steht jeweils für die Gruppe der körperreichen Champagner, B für die eleganten Champagner):

AVENAY-VAL-D'OR, CHAMPAGNE LAURENT-GABRIEL, 2ème A

AY , CHAMPAGNE GOSSET, 1er B

BOUZY, CHAMPAGNE MAURICE VESSELLE, 2ème A

CHAMERY, CHAMPAGNE PERSEVAL-FARGE, 2ème B

CHIGNY-LES-ROSES, PHILIPPE DUMONT, 2ème A

CHOUILLY, CHAMPAGNE LEGRAS ET HAAS, 2ème B

COURTERON, CHAMPAGNE FLEURY, 2ème A

CRAMANT, CHAMPAGNE P. LANCELOT-ROYER, 3ème A

DAMERY, CHAMPAGNE DANIEL CAILLEZ, 2ème B

DIZY, CHAMPAGNE VAUTRAIN-PAULET, 2ème A

EPERNAY, CHAMPAGNE ELLNER, 1er A

LE BREUIL, CHAMPAGNE PIERRE MIGNON, 2ème B

POUILLON, CHAMPAGNE BOURDAIRE-GALLOIS, 2ème A

RILLY-LA-MONTAGNE, CHAMPAGNE ANDRE DELAUNOIS, 2ème B

Um einen Eindruck von seinem Classement zu bekommen, ist es hilfreich, sich seine erstklassifizierten Champagner anzusehen.

In der Gruppe A, bei den körperreichen Champagnern, finden wir:

CHARLES HEIDSIECK (Millénaire)
KRUG (Grande Cuvée) (r)
MOËT ET CHANDON (Dom Pérignon)
POL ROGER (Sir Winston Churchill) (r)
TAITTINGER (Comtes de Champagne) (r)
ALAIN THIÉNOT (Grande Cuvée)
DEVAUX (D) (r)
ELLNER (Réserve) (r)
PHILIPPONNAT (Clos des Goisses)
(BOLLINGER (RD))
CANARD-DUCHÊNE (Charles VII)
RENÉ GEOFFROY (Volupté)
LAURENT-PERRIER (Grand Siècle)

In Gruppe B, bei den eleganten Champagnern, finden wir:

GOSSET (Grand millésime) (r)
PIPER-HEIDSIECK (Rare)
ROEDERER (Cristal)
DE SOUSA (Caudalies)
DE TELMONT (O.R.1735)
Pierre ARNOULD (Aurore)
PAUL BARA (Réserve) (r)
Pierre PETERS (Spéciale Millésime)
RUINART (Dom Ruinart) (r)
DE VENOGE (Princes)

Was sagt uns das? Das sagt uns, dass Monsieur Dussert-Gerber einen, sagen wir mal: sehr eigenständigen Gaumen hat. Wie sonst ist es zu erklären, dass er Dom Pérignon, den Inbegriff der Leichtigkeit und des schwerelosen Genusses in die Gruppe der körperreichen Champagner einordnet? Liegt es vielleicht daran, dass er nur die klobigeren, angestrengteren Jahrgänge aus den späten Neunzigern getrunken hat? Wir wissen es nicht. Auch eine Erklärung über die Jahrgangschampagner aus dem Hause Krug bleibt der Meister schuldig. Doch der Seltsamkeiten noch nicht genug, finden wir unter den erstklassifizierten Champagnern Häuser wie Devaux, Ellner und Canard-Duchêne, nicht jedoch die Grande Dame von Veuve Clicquot, keine Champagner aus dem Haus Perrier-Jouet, Delamotte, Salon oder Besserat de Bellefon, die alle wahrlich keine Geheimtips mehr sind und es mit einigen der erstklassifizierten Champagner ohne weiteres aufnehmen könnten.

Sehr seltsam ist auch, dass sich im gesamten Classement Winzer finden, die gut und gerne trinkbare Champagner machen, Erzeuger wie Selosse, Prevost, Ulysse Collin, David Leclapart, Jacques Lassaigne, Tarlant, Cedric Bouchard, Vouette et Sorbee, Georges Laval, Diebolt-Vallois jedoch noch nicht einmal unter den drittklassifizierten auftauchen. So ist doch ausgesprochen fraglich, ob die süffigen, aber nicht besonders inspirierten Champagner beispielsweise vom Château de Boursault und Abel-Jobart einen Platz im Classement halten könnten, wenn die anderen genannten Winzer dort ebenfalls vertreten wären.

Will man Monsieur Dussert-Gerbers Gaumen kein voreiliges Unrecht antun, so kann man nur vermuten, dass er einige sehr wichtige Champagner noch gar nicht getrunken hat. Dann aber, so meine ich, muss man sich mit der Herausgabe eines Classements zurückhalten und artig gedulden, bis die Datenbasis dafür groß genug ist.

Dass er einige sehr gute Champagner auf dem Schirm, resp. im Glas hatte, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass er Champagne Aspasie von Ariston Père et Fils hoch einstuft. Franck Bonville, Pascal Agrapart und Jacky Charpentier haben sich ihren Platz gewiss ebenfalls verdient, wenngleich ich ihre Champagner nicht zu den körperreichen zählen würde. In der Kategorie ist richtigerweise der "Comète" von Francis Boulard gut aufgehoben – auch wenn dieser Champagner ultrarar ist und die anderen Champagner von Francis scheinbar keine Berücksichtigung gefunden haben. Bei den eleganten Zweitklassifizierten stoßen wir sodann auf Gaston Chiquet, Leclerc-Briant, Legras et Haas, Bonnaire, Comte Audoin de Dampierre, Drappier und Gimonnet, sowie auf andere alte Bekannte: Blin, Bedel, Tixier, Brice, Chapuy, Robert Charlemagne und Michel Turgy. Wieder könnte man darüber streiten, ob die Champagner z.B. von Dampierre zu den allerelegantesten gehören, oder ob sie nicht wegen ihrer reichlichen Dosage bei den körperreichen Champagnern anzusiedeln wären.

Lässt man die Frage nach der Notwendigkeit eines Champagner-Classements offen, so kann man sich fruchtbar nur noch mit der tatsächlich erfolgten Umsetzung eines solchen Classements befassen. Das von Dussert-Gerber ist gut gewollt, doch unübersichtlich und die vergleichsweise umfangreichen Beschreibungen der Erzeuger wiegen nicht seine allzu kurz geratenen Weinbeschreibungen auf. Wichtige Champagner fehlen völlig, mancher nur leicht überdurchschnittliche oder gerademal durchschnittliche Erzeuger erhält durch die viel zu dünne Datenbasis ein unproportional hohes Gewicht. Das mag den betroffenen kleinen Winzer freuen und mit Sicherheit werden einige Winzer nach der Publikation des jeweils aktuellen Classements ein verdientes Maß erhöhter Aufmerksamkeit erhalten. In diesem Punkt erweist sich Dussert-Gerber nämlich als fleißiger Verkoster – was letztlich dem Verbaucher nur willkommen sein kann. Meiner Ansicht nach leidet das Classement aber noch zu sehr unter seiner Unausgewogenheit.

Nachgespürt: Premier Cru und Grand Cru

I.1 Domaine Déliance Ruban Mauve Crémant de Bourgogne: die kleine, ziemlich unbekannte Domaine erzeugt für etwa ebenso kleines Geld bildhübsche Weine und eben auch Crémants. Dieser ist ein Blanc de Pinot-Noirs, der durch seine helle, freundliche, etwas frische und manchem etwas hoch dosierte Art auffiel. Sanft, etwas säureschwach, gleichwohl vor allem kühl charmant zu trinken. Wird u.a von Tom Stevenson heiß empfohlen und ist in USA sehr gesucht.

I.2 Milazzo Federico II. Rex Sicilie 1993, dég. Herbst 1997: drei Chardonnayklone und etwas Weißburgunder konnten nicht verhindern, daß dieser Wein nun sehr deutliche Reifetöne, strenggenommen sogar eine gewisse Müdigkeit zeigte. Trotzdem ansprechend, mürbe, morbid, von Honignoten geprägt, ließ er Raffinesse vergangener Tage ahnen.

Da es sich nicht um Champagner, sondern nur um eine Einstimmrunde handelte, ergab sich natürlich keine bemerkenswerte Erkenntnis über PC/GC.

II.1 Poul-Justine Premier Cru: der hierzulande nicht sehr bekannte Winzer aus dem auch in der Champagne nicht so berühmten Avenay Val d'Or hat einen schönen, relativ hoch dosierten Champagner von süffiger Art, mit stabiler Frucht und charmanter Säure auf die Flasche gebracht. Der Champagner wurde im Soleraverfahren hergestellt (machen sonst nicht sehr viele: Selosse gehört dazu, Francis Boulards Petraea, Aurelien Laherte experimentiert damit, R. Dumont et Fils aus Champignol-lez-Mondeville an der Aube hat einen Solera-Champagner, die Royal Reserve von Philipponnat profitiert von dieser Methode, die Mis en Caves von Charles-Heidsieck und eine Handvoll weiterer Erzeuger arbeiten ebenfalls noch damit), eine etwas niedrigere Dosage hätte die Feinheiten etwas besser heraustreten lassen können, daß Poul-Justine das gelang, weiß ich von seinem in gleicher Weise hergestellten Jahrgangs-Premier Cru. Der Winzer ist vor einem Jahr leider ohne Nachfolger verstorben.

II.2 Boulard Mailly Grand Cru: gekonnt anoxidierter Apfelsaft vom – für diese Lage ungewöhnlichen – 10%igen Chardonnayanteil, leckere Fruchtnoten, rotfruchtkompottig, saftig, dabei von feiner, leichter Art, mit einem durchgehend präsenten Säuregerüst, das mußte der Grand Cru sein und war es auch.

Der Poul-Justine wirkte etwas naiv-süß neben dem Grand Cru. De mortuis nil nisi bene, doch nicht ganz zu Unrecht sparen viele terroirbedachte Winzer am Dosagezucker.

III.1 Lassalle Cuvée Angeline 1999 Premier Cru: in sich geschlossener, runder, gesunder Wegschlotzchampagner, der ebenfalls mit hoher Dosage daherkam, die aber aufgrund seines insgesamt femininen Art durchaus glaubhaft und stimmig war. Ob die in der Runde gefallene Bezeichnung "kleine Schlam*e" unbedingt zutrifft, kann dahingestellt bleiben, wenn man jedenfalls zugesteht, daß der Champagner eine verführerische, zum beschleunigten Trinken einladende Art hat.

III.2 Bonnaire Cramant Grand Cru Blanc de Blancs NV, en Magnum: fleischig, saftig, aber auch nasse Schafwolle und Sauerkraut. Toastige Noten und chardonnayige Säure, dieser Champagner konnte nicht überzeugen, sondern zeigte eher einen übetriebenen BSA oder sonstigen Weinfehler, der dafür sehr schön, fast vorbildlich gereift war. Ließ sich trinken, war aber leider kein großer Genuß, sehr schade.

Der Premier Cru konnte punkten, während der Grand Cru fehlerhaft im Keller blieb. Insofern leider kein guter Vergleich.

IV.1 Duval-Leroy Authentis 100% Chardonnay, Trépail Premier Cru 1999: Flotter, g'schmackiger, von Feuerstein und anderen steinig-mineralischen Tönen geprägter Champagner. Kontrastreich, voller Schwung und Abwechslung, bescheidener dosiert als die Vorgänger und vom Gesamteindruck auf Grand Cru Niveau.

IV.2 Pierre Peters Cuvée Speciale 1999 100% Chardonnay, Grand Cru Monocru (Chétillons), Vieilles Vignes (72 Jahre Durchschnittsalter): sperrig, eckig, scharfkantig, ein Champagner, der erst gekaut werden will. Wirkte mit seiner etwas ungelenken Art noch etwas zu jung, war aber von beeindruckender Vielfalt und überraschender Fülle, die viel erahnen ließ. Ein Champagner, der irgendwie beeindruckend schmeckte, ohne daß sich das an der Frucht, an der Ausgewogenheit oder an etwas anderem Konkreten festmachen ließ. Ein würdiger Vertreter der Grand Cru Fraktion.

Als Schließer gab es noch einmal den

V.1 Deliance vom Anfang, der gut und gerne als Champagner hätte durchgehen können und

V.2 Duval-Leroy Authentis Petit Meslier 1998. Der holzgeprägte Wein war auf Anhiebüberzeugend und gut, von Fremdartigkeit keine Spur (und das, obwohl die Meslier eine der "verschollenen" Rebsorten ist), wie ein langer ruhiger Fluß zog sich die Aromenprozession über den Gaumen. Ein gelungener Champagner und eine gelungene Überraschung zum Ende des Abends.

Einladung zur I. Champagne Master Class

Liebe Champagnerfreunde,
bei Gelegenheit zahlreicher Champagnerverkostungen wurde ich immer wieder mit der Idee konfrontiert, doch endlich eine Champagne Master Class zu etablieren. Dieser Gedanke hat mittlerweile Form angenommen. Im Laufe der Planung musste ich mich mit mehreren Aspekten auseinandersetzen, die das Wesen einer Wine Master Class ausmachen.

Die Zusammensetzung der Teilnehmer einer Master Class spielte dabei eine wichtige Rolle. Ich habe mich dafür entschieden, die Veranstaltung allen Champagnerinteressierten zugänglich zu machen. Ausschlaggebend war dabei, dass die Verkostungserfahrung von professionellen und privaten Champagnerliebhabern nach meinem Eindruck in der Praxis nicht so weit auseinanderklafft, wie bei Bordeaux, Burgund und anderen Stillweinen. Es erscheint mir deshalb gerechtfertigt, Angehörige beider Gruppen an dem "Exotenthema" Champagner teilhaben zu lassen. Eine weitere wichtige Überlegung war der Probenaufstellung selbst gewidmet. Schon eine kurze Beschäftigung mit der Materie reicht, um festzustellen, wie höchst heterogen selbst ein so überschaubares Gebiet wie die Champagne ist. Dem sollte die Probenzusammenstellung Rechnung tragen, ohne jedoch ein Unschärfe in das didaktische Konzept zu bringen. Ohne vorzugreifen hoffe ich, dass mir der Mix gelungen ist. Schließlich musste ich mich noch mit der Frage befassen, ob und welche Speisen die Verkostung begleiten sollen.

Nach langem Ringen und weil ich weiss, wie anstrengend eine intensive Probe mit zwanzig Champagnern sein kann, habe ich mich für eine Menubegleitung entschieden. Damit fiel gleichzeitig die Entscheidung gegen eine labormäßige, allzu verschulte Verkostung. Bei allem Bildungsmehrwert, den eine Master Class haben soll, steht für mich bei dieser Veranstaltung doch die champagnertypische Lebenslust und ungehemmt hedonistische Begeisterung im Vordergrund.

Ich freue mich, Sie

am Samstag, 21. August 2010 zur I. Champagne Master Class in der Résidence, Essen-Kettwig einladen zu dürfen.

Einen geeigneteren Zeitpunkt als das Kulturhauptstadtjahr kann ich mir für die erste Champagne Master Class in Essen nicht vorstellen. Und es gibt keinen geeigneteren Ort für diese erste Veranstaltung, als das erste Haus am Platz – den exklusiven Club B in der Résidence (2 Sterne im Gault-Millau und 18 Punkte im Guide Michelin). Diese von Patron Berthold Bühlers freundlicher Präsenz gekennzeichnete Chambre Séparée bietet Platz für maximal zwanzig Schlemmer und Geniesser. Werfen Sie hier schonmal einen Blick hinein: http://www.hotel-residence.de/page16/page16.html.

Was es geben wird:
Henri Bach wird zu den insgesamt acht Flights mit zusammen zwanzig Champagnern ein exklusives Sieben-Gang-Menu auf die Teller bringen. Für alle, die sich danach nicht mehr in ein Taxi setzen wollen, hat Berthold Bühler zum Preis von 50 statt 95 Euro pro Person im Doppelzimmer inklusive Frühstückschlemmerbuffet ein kleines Zimmerkontingent reserviert (Einzelzimmer sind für nur 75 statt der sonst fälligen 125 Euro verfügbar).
Zimmerbuchungen können über mich oder direkt in der Résidence vorgenommen werden. Verkostet werden Champagner von 1979 bis 2005, darunter Magnums, Spätdégorgements, Bio-Champagner, Rebsortenraritäten, Starwinzer und renommierte Prestigecuvées, kurz: es wird eine tour d'horizon durch die Champagne.

Die Anmeldung:
Der Preis für Champagner und Menu beträgt 200,00 EUR. Sommeliers und Restaurantfachleute, die an der Champagne Master Class teilnehmen, erhalten auf Wunsch ein Zertifikat. Um den reibungslosen Ablauf zu gewährleisten und allen Interessierten eine faire Chance zur Teilnahme zu geben, ist die Teilnahme nur gegen Vorkasse möglich. Anmeldungen nehme ich per mail und auf den üblichen Kommunikationswegen bis zum 30. Juni 2010 entgegen. Unmittelbar nach Eingang der Anmeldung verschicke ich jeweils eine vorläufige Anmeldebestätigung mit der Bitte um Zahlung des Teilnehmerbeitrags. Die endgültige Anmeldebestätigung versende ich dann in der Reihenfolge der Zahlungseingänge. Es gilt wie immer: wer zuerst kommt, trinkt zuerst.

Ich freue mich auf eine hervorragende Veranstaltung in herrlichem Ambiente mit einer Runde von Champagnerbegeisterten,

Boris Maskow

ProWein-Champagner: Nachlese Teil II

IX. Besserat de Bellefon

Auch hier selbst zu später Stunde noch freundlich Bewillkommnung und Vorführung der neuen, superschicken Lackholzkiste, in der sich die gamme stilgerecht präsentieren lässt.

1. Cuvée des Moines Blanc de Blancs

Ein zuverlässiger und immer wieder auf sehr hohem Niveau angesiedelter Champagner ist der Blanc de Blancs von Besserat de Bellefon. Schafgarbe als Hinweis auf eine flüchtige Säure vermochte ich darin weniger wahrzunehmen, als mir im Gespräch angekündigt wurde. Dafür reife Aprikosen und weisse Pfirsiche, mit Luft entfalteten sich tatsächlich noch ein paar gebrannte Mandeln und kandierte Früchte, der Säurewert blieb auf dem Teppich.

2. Cuvée des Moines Millésime 2002

Sahnig, stoffig, lockend, mit einer an Bienenwachs erinnernden Nase und sehr milder Textur. Wie schon der Blanc de Blancs war dieser Champagner kein Säuregigant. Tarurig hat mich das nicht gemacht, denn für Säure ist der Jahrgang sowieso nicht berühmt. Eher schon für eine lange, balancierte, sehr elegante Art. Die war hier etwas gehemmt und wirkte schüchtern, erholt sich aber bestimmt in den nächsten Jahren.


X. Francoise Bedel

Vincent Bedel nahm sich sehr viel Zeit, um die außergewöhnlichen Champagner seiner Mutter vorzustellen. Die Biodyn-Zertifizierung erfolgte 2001, nachdem Francoise und Vincent 1996 ein dramatisches Schlüsselerlebnis hatten. Dabei wurde vor allem Francoise klar, dass Leben und Arbeit bei ihr aus der Blanace geraten waren. Der Arzt Robert Winer, dem die Familie einen Hommage-Champagner widmet, ist der Impulsgeber für die vollkommene Umstellung von Lebensstil und Arbeitsweise gewesen.

1. Origin'elle 2004

78PM 13CH 9PN. Saftig und glatt, in der Nase hagebuttig, apfelpektinig, auch Fenchel, mit Kräutern und etwas exotischer Frucht. Machte einen warmen, wohligen Eindruck von altgewordenem Apfel. Am Gaumen wenig Angriffsfläche meiner Meinung nach der morbideste von allen Bedel-Champagnern

2. Dis, Vin Secret 2003 Brut Nature

86PM 8PN 6CH. Klassischer und schöner dagegen der Dis, Vin Secret, trotz des schwierigen Jahres. Aufgrund der hohen Reifegrade war bei diesem Champagner keine Dosage nötig, wie sich nachher beim dosierten Dis, Vin Secret zeigen würde. Merklich waren die fortgeschrittenen, reifen Aromen von Trockenobst und eine leicht alkoholische Note.

3. Entre Ciel et Terre 2002 Brut Nature

100% Pinot Meunier. Sehr spielfreudig zeigte sich der Entre Ciel et Terre. Hinter dem pudrigen Make-Up versteckte sich eine überraschend hervorschnellende Säure, die man einem reinen Meunier nicht ohne weiteres zutraut. Apfel, Hefezopf und allererste Anlagen für eine toastige Röstigkeit, dazu etwas Lemon Curd. Stattlicher Champagner.

4. Entre Ciel et Terre 2002 Brut

Erwartungsgemäss etwas gedämpfter, ich will nicht sagen verwaschener, waren die Aromen beim brut dosierten Entre Ciel et Terre. Immer noch ein schöner Champagner, der viele Champagnerfreunde sehr positiv überraschen dürfte, aber wenn man ihn als brut nature getrunken hat, wird man den dosagelosen Champagner bevorzugen. Wirkte am Tag davor und in einem anderen Kontext (nämlich gegenüber dem Dis, Vin Secret 2000 und 2003) besser.

5. Dis, Vin Secret 2003 Brut

Hier dasselbe. Gegenüber der dosagelosen Ausgabe einfach ein Haufen mehr an reifen, teilweise überreifen Aromen und kein bisschen übriggebliebener Säure. Lässt den Champagner langsam, fad und müde wirken, was schade ist.

6. Robert Winer 1996, dégorgiert im Oktober 2008

88PM 6CH 6PN. Einer Gesamtsäure von 8,01 g/l stehen hier 6,9 g/l Restzucker gegenüber, freies SO2 lässt sich mit lächerlichen 13 mg/l nachweisen. Das Öffnen der hanfstrickverschlossenen Flasche mit dem eigenwilligen Etikett lässt die Reise beginnen. Die fernöstliche Reisgebäcknase deutet noch nichts von der ungeheueren Kraft dieses Champagners an. Die kommt erst im Mund voll zur Geltung. Das ist kein harmloses tackling mehr, sondern ein rabiater bodycheck. Wie ein mittlerer Sekiwake verstopft der Champagner erstmal den Mund, bevor er mit einiger Anstrengung der Geschmacksnerven sinnvoll getrunken werden kann. Grapefruit, Pitahaya, Granatapfel, Kumqat und Physalis rumpeln erbarmungslos in den Schlund und lassen einen aufgerührten Trinker zurück.

Am Tag zuvor hatte ich auf der Renaissance des Appellations bereits folgende Champagner von Bedel probiert:

7. Dis, Vin Secret 2000

Fortgeschrittene, aber nicht unangemessene Reife. Mit Kandiszucker lackierter Apfel trifft es wohl ganz gut. Unter der knusprigen Karamellzuckerschicht lag ein warmer, mürber Apfel mit einem sehr appetitlichen Fruchtfleisch.

8. Âme de la Terre 1998, dég. Juni 2008

24PM, 35PN 41CH. Mit 11,9 g/l dosiert, bei 4,55 g/l Säure. Was war zu erwarten? Dass der Champagner fruchtig sein würde, weil leicht pinotdominiert und weil die Chardonnays von Bedel keine besonders fordernde Säure entfalten. Was noch? Dass die Frucht mir zu plakativ sein würde und der Dosagezucker mir zu hoch vorkommen würde. Und dann noch, dass das späte Dégorgement dem Wein etwas zusätzliches Leben einhauchen würde, worüber ich mir aber noch nicht ganz sicher war. Genau so war der Champagner am Ende. Eigentlich schade, denn in der langen Lagerphase hätte doch etwas viel besseres draus werden können – die Cuvée Robert Winer hatte es vorgemacht.


XI. Fleury

Fleury ist mit revolutionären Methoden vertraut. 1901 gehörte Fleury (gegründet 1895) zu den ersten Winzern der Region, die gepfropfte, reblausresistente Pinot-Noirs pflanzten. Während der Wirtschaftskrise von 1929 gehörte Fleury dann zu den ersten Erzeugern, die ihre Trauben wieder selbst vinifizierten und nicht mehr zu Schleuderpreisen an die großen Häuser verkauften. Im Jahr 1970 war Fleury einer der ersten ökologisch arbeitenden Winzer. Die Umstellung auf biodynamisch erfolgte schrittweise seit 1989, damit ist Fleury wiederum einer der ersten biodynamisch arbeitenden Winzer in Frankreich. Schon am Vortag auf der Renaissance des Appellations probiert.

1. Brut Tradition Blanc de Noirs

Vollmundiger, gutmütiger Champagner.

2. Brut Prestige Fleur de l'Europe

Gewöhnungsbedürftiges Etikett. 85% Pinot-Noir und 15% Chardonnay. In Nase und Mund dann nicht ganz so gewöhnungsbedürftiger, kräftiger, dichter, nicht sehr komplexer Champagner.

3. Rosé de Saignée Brut

Nach den beiden behäbigen, ordentlichen weissen Champagnern kommt beim Rosé eine kleine Überraschung, der Champagner ist von einer gewissen Eleganz und Leichtigkeit, die man gemeinhin mit Rosé-Champagner verbindet, vom Hausstil aber nicht unbedingt erwartet.

4. Millésime 1995, dég. 2009

Wie praktisch immer bei Fleurys Jahrgängen 80% Pinot-Noir 20% Chardonnay. Deutlich ist das Pinotübergewicht, aber der Chardonnay setzt sich mannhaft zur Wehr. Unterstützung erhält er vom späten Dégorgierzeitpunkt, das gibt ihm einen Frischeturbo. Im Moment sehr schön zu trinken, vielleicht die nächsten drei Jahre noch auf diesem Niveau, dann dürfte der Champagner abbauen. Interessanter Kandidat für eine Gegenüberstellung normaler Dégorgierzeitpunkt ./. spätes Dégorgement.


XII. Franck Pascal

Monsieur Pascal war wieder selbst am Stand und erklärte seine Champagner, die es demnächst mit neuen Etiketten zu kaufen gibt. Zur Biodynamie kam er über das Militär. Dort lernte er chemische Kampfstoffe kennen und war später ganz frappiert, als er auf der Weinbauschule eine ähnliche Wirkweise von Pestiziden, Herbiziden und allen möglichen anderen -ziden auf lebende Organismen kennenlernte. Folgerichtig beendete er 1998 den Einsatz von Chemikalien und Düngemitteln im Weinberg.

1. Cuvée Prestige Equilibre 2003

Drittelmix, der mit backenzusammenziehendem Süssholz anfängt und die schwarze, von Holunderbeersaft, Brombeeren und Cassis geprägte Aromatik durchhält. Wirkt bereits ganz zugänglich.

2. Cuvée Prestige Equilibre 2002

Drittelmix, mit 4,5 g/l dosiert. Viel enger, verschlossener, mineralischer als der 2003er. Kein Champagner, der jetzt oder innerhalb der nächsten zwei, drei Jahre viel Freude bereitet und im Moment nur sehr trainierten Champagnerfreunden gefallen dürfte. Wenn alles gutgeht, ändert sich das demnächst, der Champagner ist einfach noch viel zu sehr in sich selbst verdreht.

3. Cuvée Tolérance Rosé

Nach den beiden Jahrgängen wirkte der Rosé fruchtig, unausgezehrt, ausgeruht und wie zu Scherzen aufgelegt. War er in Wirklichkeit natürlich nicht, da war sein vom Sagesse ererbtes Naturell und die schwer entzifferbare Handschrift des Winzers davor. Unter den Rosés unserer Zeit sicher einer der interessantesten. Nichts für Hedonisten.


XII. Philipponnat

Die Champagner von Charles Philipponnat sind immer ein Gläschen wert, waren am Stand leider sehr sehr kalt.

1. Royal Reserve

Jugendlich, unbekümmert, frisch und fruchtig plätscherte der Standardbrut ins Glas. Dahinter steckt überwiegend Pinot-Noir, ca. ein Drittel Chardonnay und ca. ein Viertel Pinot Meunier. Der Reserveweinanteil kann auf bis zu 40% klettern und wird im Soleraverfahren gewonnen. Biologischer Säureabbau ist für diejenigen Grundweine, die bei Philipponnat ins Holz dürfen, kein Thema. Unter anderem deshalb stecken sie die 9 g/l Dosagezucker gut weg. Für ein großes Haus wäre das übrigens nicht besonders viel, doch ist Philipponnat kein grosses Haus, sondern eher ein großer Winzer. Das sieht man allenthalben an der sehr sorgfältigen, am Detail orientierten Vinifikation. Wie es sich für gute Winzer gehört, trägt jede Flasche das Dégorgierdatum auf dem Rückenetikett. Immer wieder eine Freude und in Deutschland ein noch immer viel zu unbekanntes Haus.

2. Grand Blanc Millésime 2002

Dieser Champagner ist in Teilen ein Clos des Goisses. Dort stehen nämlich ein paar Chardonnayreben, die nachher einen Teil der Wirkmacht des Clos des Goisses ausmachen. Zu 15% stammen die Chardonnays dieses Weins ebenfalls aus dem Clos des Goisses. Der Rest kommt überwiegend aus der Côte des Blancs. Im Stahltank bekommen diese Weine ihren Schliff und ihre chablismässige Statur, wobei es auch in diesem Champagner Anteile gibt, die im Holzfass waren und keinen BSA mitgemacht haben. In der mit 5 g/l dosierten Cuvée merkt man von alledem nicht viel. Ich war zum Beispiel viel mehr damit beschäftigt, über den Chardonnay aus dem Clos des Goisses nachzudenken und ob ich den beim nächsten Besuch mal als Grundwein probieren könnte. Denn irgendwas haben diese Trauben, was dem Champagner einen besonders weichen twist verleiht, eine träumerische Unschärfe nach der Art wie sie David Hamiltons Bilder berühmt gemacht hat.

3. Réserve Millésimé 2002

70% Pinot-Noir aus Ay und Mareuil, 30% Chardonnay aus der Côte des Blancs. Trotz seiner Dosage von 9 g/l ein lebhafter, frischer Champagner, der mir aus der Kollektion am gefälligsten vorkam. Datteln, Feigen, Aprikosen, weisse Schokolade und Limette halten sich hier spannungsvoll die Waage.

4. Cuvée 1522 Blanc Grand Cru 2002

Gedächtniscuvée anlässlich der Niederlassung der Familie in Ay. Folglich muss Pinot-Noir aus Ay mit 60% den Löwenanteil in der Cuvée bekommen. Warum der Rest Chardonnay aus Oger stammt, ist mir nicht klar. Ich finde das nicht konsequent; Philipponnat hätte viel lieber Chardonnay Grand Cru aus Ay nehmen sollen, das hätte viel authentischer zu der Cuvée gewirkt und außerdem traue ich Philipponnat ohne weiteres zu, mit den Trauben vernünftige Resultate zu erzielen. Im Bereich der von diesem Champagner bereits preislich anvisierten Kundschaft wäre das sicher auf große Entzückung gestossen. Mit 4 g/l dosiert und langem Hefelager ist der 1522 so etwas wie eine kleine Prestigecuvée. Schmeckt balanciert, pendelt sich aromatisch beim Khakisüppchen mit Pinienkernen und Ingwer ein.

5. Clos des Goisses Blanc 2000

70% Pinot-Noir und 30% Chardonnay. Wie bei allen Philipponnat-Champagnern geht es auch hier um Frische, Klarheit, Rasse und Stil, daher der bewährte Mix aus Stahltank und BSAlosem Fassausbau. Obwohl mit nur 4 g/l dosiert und zu kalt serviert, entfaltete der Clos des Goisses mühelos seine ganze Pracht. Kakao und Kirsche, Toastbrot und Powidl-Palatschinken, Kaisermelange, Germ- und Marillenknödel, die ganze Wiener Kaffeehauskultur in einem Champagner! Ein schöner Beleg dafür, dass der Clos des Goisses besonders in schwachen Champagnerjahren großartige Champagner liefern kann.

6. Royal Reserve Rosé

Ein Assemblage-Rosé mit 7-8% Coteaux Champenois. So leicht und lebensbejahend wie das zarthelle Rosa des Champagners schmeckt er, Erdbeer-Himbeeraromen werden von 9 g/l Dosagezucker recht vorteilhaft herausgehoben, eine hauchdünn unterlegte Tanninstruktur erinnert daran, dass der Champagner aus einem sehr distinguierten Haus kommt. Alles in allem dennoch kein besonders komplizierter Champagner.


XIII. Paul Goerg

Monsieur Moulin, den die Genossen bei Ruinart herausgekauft haben, stellte die Cooperativenchampagner und die neue, 2004 als Handelshaus gegründete Marke Prieur vor. Die Goutte d'Or aus Vertus stand bis vor kurzem unter der Leitung von Pascal Férat, der nach den jüngsten Querelen in der Winzerschaft die Führung des Winzerverbands übernommen hat. Unter dem Namen Paul Goerg treten die Genossen seit 1982 eigenständig am Markt auf, vorher teilten sie das Schicksal des unbekannten Saftlieferanten mit zahllosen anderen Kooperativen der Region.

1. Brut Tradition

60CH 40PN. Sehr leichter, mit seinen 8 g/l nicht hoch dosierter Champagner. Weinig und angenehm, etwas kurz.

2. Blanc de Blancs

Dem Tradition eng verwandt, mit mehr Dampf, mehr campheriger Säure und einem Beigeschmack von geschwenkter Butter. Nicht besonders groß.

3. Blanc de Blancs Millésime 2002

Stärker hervortretende Chardonnayeigenschaften, voluminöser Apfel, bei mäßigen Säuregraden. Wenn die Mitgliedsbetriebe ihre Lagen in den Premier und Grand Crus der Côte des Blancs haben – so scheint hier doch überwiegend das leichte, fruchtige Element verarbeitet zu werden. Geht beim 2002er in Ordnung.

4. Cuvée Lady Millésime 2000

85CH 15PN. Acht Jahre Hefelager. Ziemlich proper, dabei fast ein wenig divenhaft schwankend zwischen fruchtiger Herzlichkeit und spröder Mineralität präsentiert sich die Prestigecuvée der Genossen. So stellen sich die Mitglieder die perfekte Champagner-Winzerehefrau vor, geschäftlich diamanthart, aber reinen Herzens, rund, facettenreich, nach innen ausgeglichen und harmonisch. Gelungen.