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Tag Archives: riesling

Weinsause in Uwes “Open Wine Garage” mit integrierter Grenache-Rutsche

1. Keller, Riesling trocken "S" 2007

Orangig, zitrusfruchtig und frisch. Am Gaumen noch verhalten mineralisch, wieder mit sehr klarer Zitrusfrucht und nicht zu aggressiver Säure. Beginnt gerade, sich zu entfalten.

2. Coron Père et Fils, Négociants à Beaune, Puligny-Montrachet 1955

Seit zwei Tagen offen. Von der Burgundertypizität war noch ein milchiger Schatten wahrzunehmen, Kaffee, Kakao und ein metallischer Unterton. Berücksichtigt man Alter, Füllstand und Sauerstoffkontakt, dann ist das noch immer ein gute Leistung. Trinkspass klein, Lerneffekt groß.

3. Domaine des Huards – Michel Gendrier, Cheverny, La Haute Pinglerie 2007

Bioanbau seit 1999.

Da hatte wir Wein von der Speerspitze des Romorantin-Weinbaus im Glas, wie mir Jens freundlicherweise verriet. Ausgerechnet hier war natürlich kein Romorantin enthalten, sondern "mehr Sauvignon-Blanc als Chardonnay", wie das Etikett preisgab. Fassausbau, daher wohl die überwiegenden Aromen von Mandeln, Noisette und herbem Tannenhonig. Dazu etwas Grapefruit, wie man sie auch als Mortuacienne-Limonade bekommen kann. Klar strukturierter Wein, der wegen seiner eigenwilligen Aromatik nicht jedem gefallen wird.

4. Sektkellerei Ohlig, Edition Anton Ohlig "Julius Kloss Classic" Assmannshäuser Höllenberg Spätburgunder Extra Trocken Rotsekt 2002 AP-Nr. aus 2004 mit Grundweinen vom Weingut Robert König,

Fruchtige, schlanke, leicht metallische Burgundernase. Merkliche, nur um Haaresbreite noch nicht aufdringliche Süße. Kräftig, würzig, an keinem Punkt zu dick geraten und damit ein schöner Kontrast zu den oft mastigen Sparkling Merlots/Sparkling Shiraz'.

5. Van Volxem Riesling Sekt 2002

Leichte Firne, ölig-konzentriert und etwas anstrengende Nase. Im Mund einesteils saftig, anderenteils mit einer Alterssüße, die sich mit der vorhandenen, wohl auf – gutgemeint – sehr reifes Lesegut gestützte und deshalb für sich schon hervorstechende Süße noch verstärkt. Daher der Eindruck von Pfirsichmus, Quitten- und Aprikosenkonfitüre, die wenige vorhandene Säure war damit heillos überfordert. Manche Sekttrinker wird diese volle und reife Stilistik das Hohelied des deutschen Winzersekts anstimmen lassen, ich meine jedoch, dass es besser, schlanker und rassiger geht.

Nun begann die Grenache-Rutsche. Im Wesentlichen ging es dabei darum, die beiden ambitionerten Spanier von Björn Steinemann gegen zwei bewusst starke Rhônegrenaches antreten zu lassen.

6. Papa Luna 2007

70% Grenache, 25% Shiraz, 5% Mazuela/Monastrell.

Weisspfeffrig, viel rote und grüne Paprika im Vordergrund. Dahinter Backpflaumen, Räucherschinken, Garrigue. Tannin und Säure erschienen mir eher niedrig und ließen die Fruchtaromen etwas breit hervortreten. Im Kontrast dazu standen die Räuchernoten, Kräuter und das im Wein für mich immer etwas ungewohnte Aroma von schwarzer Oliventapenade. Alles in allem schon eine ansprechend komplexe Gemengelage. Diese spezielle Mischung lässt ihn außerdem nicht allzu clichéhaft nach 90-Parkerpunkte-Spanier aussehen, sondern gibt ihm eine eigenständige Existenz.

7. Domaine Charvin, Cote du Rhône 2007

Runder, mit einem aus dem Glas drückenden Veilchenduft, sehr reifer und saftiger schwarzer Beerenmischung, Weichselkirsche, Himbeere, geschliffener Obefläche und einer diskreten Andeutung von Chorizo. Da lag ein etwas stärkerer Akzent auf der Frucht, als beim Papa Luna und vielleicht auch aufgrund des Jahrgangs war bei Charvin alles stimmiger, in sich geschlossener. Denn Mineralität, Struktur und Säure kamen bei diesem Weine ebenfalls nicht zu kurz, wobei der Wein weitestgehend auf Holz und Tannine verzichten konnte, was ihm eine bekömmliche, leicht zugängliche Charakteristik verlieh.

8. El Puno 2007

100% Grenache von alten Reben.

Zuallererst ein Eindruck von Jugendlichkeit und Frische, danach von dunkler, konzentrierter Frucht. Etwas pektinig am Gaumen, wie von nicht ganz ausentwickeltem Tannin. Florale Noten, stärkerer Holzeinsatz, pointiertere Säure und eine aggressivere, paramilitärische Strenge gegenüber den beiden Vorgängern. Insofern ein sehr passendes Etikett und ein Wein, der in das Spanien der 30er Jahre passt.

9. Bosquet des Papes, Châteauneuf-du-Pape, A la gloire de mon grand-père 2007

98% Grenache, 2% Cinsault von ca. 70 Jahre alten Reben.

Gegenüber diesem 94-Parker-Punkte Wein hatte es der El Puno freilich schwer. Der Châteauneuf ließ sich mit einer großväterlichen Überlegenheit am Gaumen nieder, der der junge Wilde nicht viel entgegenzusetzen hatte. Dicht und dunkel, mit Akzenten von schwarzem und weißem Pfeffer, bouquet garni, etwas Aceton und einer beeindruckenden, reifen Frucht. Wie das Fleisch von lange geschmorten Ochsenbäckchen intensiv aromatisch, leicht faserig-mürbe und am Gaumen traumhaft leicht zerdrückbar. Säure und Tannin spielten keine merkliche Rolle, auch Alkohol störte nicht. Ein Wein, der mit der Schlagkraft eines Schwergewichtlers und der Agilität des Mittelgewichts antrat.

Damit war die Grenache-Rutsche auch schon wieder beendet und es konnte munter freihändig weitergehen.

10. Bodegas Nekeas, Vega Sindoa, Garnacha Vinas Viejas “El Chaparral” 2007

Auch hier wieder viel weisser Pfeffer, vermischt mit Paprikadreierlei, moderne Cabernet-Franc-Nase mit Roter Grütze und einem vanilligen, leicht blumenduftigen Abgang, der am Gaumen kleben bleiben will.

11. Pompaelo Semi-Crianza 2008

Sauber, schwarzfruchtig, minimaler Holzeinsatz, etwas einfach, aber mehr als das soll eine Semi-Crianza ja sowieso nur selten sein.

12. Domaine de St. Eugène, Les Trois Tomates, Barrique 2008

Syrah, Grenache, Cabernet-Sauvignon. Handlese, Ertrag von 32 hl/ha. Dreimonatige Maischegärung und 15 Monate Ausbau in Barriques aus französischer Allier- und Limousineiche. Noch sehr ungeduldig kam mir diesmal Günter Hutters Tomatenwein vor. Säuerliche, noch bockige Tannine übertönten die ohnehin zurückhaltende Frucht. Jodige Töne, die sonst auch schonmal Anzeichen für Hitzestress sein können, standen in der ersten Reihe, waren aber nicht Ausdruck eines Weinfehlers sondern aufgrund ihrer Kaviarqualität für mich Merkmal eines gerade stattfindenen Reifeprozesses. Frühestens um Weihnachten nochmal probieren.

13. Château de la Negly, Clos des Truffiers 2003

Noch weniger als Günter Hutter erntet man bei Negly ab. Nur lachhafte 15 hl/ha schaffen es in die Gärtanks. Dieser konzentrierte Saft erlebt als fertiger Wein eine Wiedergeburt von zoroastrischem Ausmass. Labyrinthische Struktur, kaubare Substanz, wilde Aromen, Rosmarin, Thymian, Veilchen, Pfingstrose, extrakt von schwarzen Beeren, glycerinige Süße, funkelndes Tannin, heiße Dachpappe, salzige Lakritzbonbons, Veilchenpastillen, Sternanis, Schattenmorellen, so ließe sich das noch länger fortsetzen und würde dem Wein am Ende doch nicht gerecht. Selber trinken, der Wein ist sein Geld wert!

14. Clos Monlleo Sangenis i Vaque 1998
50% Cariñena von 80 Jahre alten Reben (Ertrag von 500 l/ha), 50% Garnacha von 30 Jahre alten Reben. 18 Monate in neuer Alliereiche, danach zwei Jahre Flaschenreife. Ungeklärt, ungefiltert.

Himbeeraromen, Malzbier, Dunkelbier, belgisches Früchtebier. Wirkt sättigend und mir scheint er trotz seiner gut trinkbaren Art noch nicht die richtige Tiefe zu haben.

15. Château Batailley 1995

Saftig, rosinig, reif, Anklänge von Mandelmilch und Rumrosinen, eine Spur Pfefferschärfe, dagegen nur wenig Tannin, wenig Graphit, wenig Säure und Struktur. Der wird doch nicht schon müde werden? Wirkt auf mich jedenfalls nicht gerade wie ein Bilderbuchpauillac, trinkt sich desungeachtet gut zum Essen.

16. Vieux Château Bourgneuf 1967

Anfangs flintig, metallisch, blutig, mit Noten von altem Holz. Gewinnt mit Luft, überragt aber nicht. Am Ende ein immer stärker werdender Duft wie von Opas mit Pflaumenmus bekleckerter Pyjamahose. Habe ich vor zwei Wochen – "Brüsseler Spitzen" – wesentlich besser getrunken.

17. Pompaelo Crianza 2005

Frisch, tugendsam und gottesfürchtig trat in dunkler Robe die Crianza von Pompaelo an. Kirschen, Brombeeren, erdige Würze, mildes, nachgiebiges Tannin, verschmitzte, nicht jedoch vorwitzige Säure.

18. Joh. Jos. Prüm Graacher Himmelreich Riesling Auslese 2002

Apfelspaß. Apfelspaß? Apfelspaß! Apfel in jeder Variation und jede zeigt eine andere Facette des Weins. Packender Griff, erfrischende, gesunde Säure, omnipräsente aber unaufdringliche und schwerelose Süße allerfeinster Herkunft, beginnende Reifetöne, spannungsvoll, ein bis zum Rand gefüllter Riesling-Super-Soaker.

19. H. Grafé Lecocq & Fils (belgische Füllung), Ste. Croix du Mont 1973

Bohnerwachs, Honig, Sherry, alter Wischmop. Riecht nach altem Vorhang und Karbol, schmeckt aber nach Kirschkuchen, Mürbeteig, Mandeln und Aprikosenkerne, leicht marzipanig und mit einem schwachen, aus der Ferne grüßenden Orangenschalenconfit. Uneinheitlicher, aber noch überraschend guter Wein, bedenkt man Apellation und Alter.

Brüsseler Spitzen – Champagner- und Weinoldies verkostet

I. Weingut Fritz Allendorf, Winkeler Hasensprung Riesling Cabinet 1969, AP.-Nr. aus 1973

Erdig, etwas muffig und moosig, mit einer aparten Kräuteraromatik und angegorener Maracuja, wirkt exotischer und fetter, weil säurearm, als ein Rheingauer aus dieser Zeit. Außerdem deutliche Firne, die noch Platz für einen letzten mineralischen Druck am Zungenrand lässt. Erkennbar ausgesuchte Qualität aus der Übergangszeit zwischen altem und neuem Weinrecht.

II. Weingut Richard Nägler, Mittelheimer Goldberg Spätburgunder Weißherbst Auslese 1975

Sehr dunkel, wie Amarenakirschlikör. Auch in der Nase intensiver Kirsch-Schokoladen-Duft. Dessertcharakter. Im Mund sanft, samtig, wie feinpüriert und durchgeseiht. Langer, eleganter, ausgewogener, reifer, noch lange nicht am Ende angekommener Trinkgenuss, der weder optisch noch – zunächst – aromatisch den Spätburgunder Weißherbst verrät.

III. Champagne Grongnet, Carpe Diem Extra Brut avec ficelage traditionnelle

70CH 20PN 10PM.

Aus Etoges kommt dieser kleine Erzeuger, der zum Kreis der Special Clubberer gehört. Die Cuvée ist auf Chardonnay fokussiert, dessen schneidige Säure sehr sportlich daherkommt. Die beiden Pinotrebsorten bemänteln diesen flotten Sportler seidig, insgesamt ergibt das eine herbfrische, mittellange und angenehm apfel-zitrusfruchtige Neuinterpretation des Chardonnaythemas.

IV. Laurent-Perrier, Brut, Halbe Flasche aus den späten 60ern oder frühen 70ern

Zweifellos ältlich, mit nur noch ganz verhaltenem, kaum vernehmbarem Seufzer beim Öffnen. Für eine kleine Flasche dennoch überraschend frisch, am Gaumen mit der charmanten Mischung aus damals wie heute üblicher recht hoher Dosage und als pièce de résistance einer gut merklichen Säure.

V. Graves Superieur Ende der 60er

Kraftvoller weißer Charakter von altem Sauvignon-Blanc. Abgelagertes Heu, das noch einen frischen Duft verströmt, weißer Nougat, Kokos, Sahne, englische Crème. Hätte ich bei einem simplen Graves Superieur nicht erwartet.

VI. Château de Madère, Cerons, aus den 60ern

Suesser, grobgemahlener Senf, Kerbel, gebackener Estragon. Nur noch leicht süsslich für einen richtigen Süßewein und schon reichlich alt, aber noch mit etwas Freude trinkbar, z.B. zum Baguette mit eingebackenen Oliven und Chili, wesentlich besser zu eingelegten Oliven mit Anchovis, deren salzige Aromen der Wein sehr gut einbettet.

VII. Coron Père et Fils, Négociants à Beaune, Puligny-Montrachet 1955

Klassischer Chardonnayauftritt mit einer etwas trocknenden Art, aber noch mit viel frischer Zitronenmelisse und minimal medizinalem Unterton, etwas augeblichenem Apfel, vital, aber langsam, d.h. innerhalb der nächsten ca. fünf Jahre an seine Grenze gelangend.

VIII. Château Cheval-Brun, St. Emilion 1964

Ein ordentliches Trinkerlebnis war der Cheval-Brun, langsam überhand nehmende Alterssüße ist mir ja alemal lieber, als knochige, ausgezehrte Weine. Tabak, Pflaumenmus, leicht rauchige, speckige Noten, alles in allem sicher kein sehr eleganter Wein mehr, aber immerhin ein alter Schmusetiger.

IX. Château Recougne, Bordeaux Superieur 1961

Klar überlegen war da der 61er Recougne, obwohl nur ein ordinärer Bordeaux Supérieur. Süß, aber von der noch saftigen Art, reif, alt, dicht, erstaunlich tiefgründig, auch mit viel Tabak und Rauch, aber vor allem einer im Vordergrund stehenden betörenden fruchtig-sämigen Weichheit, Balance und wundervoll gereiften Tanninstruktur.

X. Château Recougne, Bordeaux Superieur 1966

Kein Wunder, dass der 66er aus gleichem Hause dagegen kaum eine Chance hatte. Nach eine korkähnlichen Phase vor allem Ladungen von Erdal Schuhcrème mit Bienenwachs, auch schwarzes Leder. Für mich am ehesten Ähnlichkeit mit einem mittelstarken Lagrein.

XI. Vieux Château Bourgneuf, Pomerol 1967

Schwer war der Vieux Château Bourgneuf. Ein Wein, der den ganzen Rachen verstopft, wie ein zu großer Bissen von einem zu trockenen Kuchen. Dementsprechend gab es Kirsche, Johannisbeere, Schokoladenkuchen, dick gesossten Tabak, Marillenkernöl. Sehr süß kam mir der Wein vor und nicht ganz entschlossen, zwischen einem letzten säuregeladenen Aufbäumen und einer schweren, müden Dichte.

XII. Beaune, Cuvée Reservée, Ende 50er Jahre

Erst Milchschokolade, dann kam mehr und mehr Liebstöckel dazu, meiner Meinung nach entwickelte sich außerdem viel Eau de Vie de Kirsch, am Ende dann eine etwas einfältige Erdnussflipsaromatik.

XIII. Clos des Papes, Schweizer Füllung 1965

Hellroter, süßlicher, griffiger, am Gaumen leicht kühlend wirkender Wein, der wie eine Mischung aus Herta Müller und Gundel Gaukeley auf mich wirkte. Trotz des erkennbar fortgeschrittenen Alters immer noch irgendwie sexy. Reichlich rote Beeren, die mit einer agilen Säure für wohltuende Abwechslung im süßlicher werdenden Aromengemisch sorgen. Der Wein baute sich mit Luft noch etwas auf, bevor er nach einigen Stunden erst abzubauen begann.

Bordeaux 1943 – 2002

Im Obergeschoss der bewährten Gesellschaft Harmonie in Bochum zog Uwe Bende die Flaschen auf und Daniel Birkner lieferte das Menu dazu. Vielen Dank beiden dafür!

Opener: ein 43er Bordeaux mit ausgefallener Farbe und ein Vieille Julienne Côtes-du-Rhône Blanc "Lieu dit Clavin" 2006

Der 43er Bordeaux war nicht nur anstrengend, sondern auch korkig, aber nicht so arg. Und umgekehrt. Ein gewaltiger Vorteil dieses Weins war der, dass nach jedem reinschnuppern dort die Vieille Julienne umso besser duftete. Orangenwässerchen und Verbene, die mich ja beide ziemlich anmachen vermochte ich wahrzunehmen und schnupperte deshalb sehr lang am Glas. Mit dem trinken tat ich mich schwerer. Ziemlich dichtes Zeug, leicht buttrig, eine Handvoll Kräuter, ölig und sämig. Sattmacher und trocken obendrein – wo ich mich eigentlich bei den Weißen nur für Mosel-Kabinettche begeistern kann.

I.1 L'Arrosée 1970, St. Emilion

Malzig, kirschig, erinnert mich an belgisches Kirschbier, mit kaltem Rauch und Speck. Im Mund leider nicht so speckig, sondern eher dünn bis mager. Für mich kein Ausdruck von Eleganz; baute dann zwar nicht wahnsinnig schnell ab, lieferte aber auch nichts mehr, was mich begeistern konnte.

I.1 L'Arrosée 1967, St. Emilion

Das war die Aufgabe des famosen 67ers. Nach einer Algenschlammnase kam im Mund ein konzentrierter, griffiger, spielfreudiger, wenn nicht sogar angriffslustiger Wein aus der Deckung und tobte sich mit Luft über bequem zwei bis drei Stunden aus, was nur ich weiss, weil ich mir den Rest der Flasche gesichert hatte. Kirsche, Minze, reifes, süsses Tannin, ganz gegen Ende dann noch frisch gemahlener Kaffee, eine Wucht, dieser Wein und für mich eine enorme Überraschung.

I.1 Pontet-Canet 1964, Pauillac

Dünn, wässrig bis allenfalls noch milchig, eher noch metallisch. Durchgängig, glatt und sauber, aber keineswegs überragend und vom Kultstatus noch weit entfernt.

Zander auf Risotto mit Selleriegemüse, dazu Muscadet 1958. Wer hätte einen Muscadet dieses Alters für so langlebig und dann auch noch gut gehalten? Statt wie eine tote Muschel auseinanderzuklappen war hier noch richtig Zug drin, sekundiert von einer ungewöhnlichen und sehr pikanten Süße. Auch ein Überrascher an diesem Abend und meiner Meinung nach für den schon behrzt gewürzten Zander zu kräftig und intensiv.

II.1 Bel-Air 1952, 1er Cru, Haut-Neac, Pomerol

Dicker, eingekochter Bratenfonds, Liebstöckel, später Graphit. bei diesem Wein waren Nasen- und Mundentwicklung nie in gegenseitiger Sichtweite. Während die Nase immer weiter auftat und sich noch das letzte Quäntchen Duftreiz abzuringen mühte, flachte der Wein im Mund deutlich und in Wellen ab. Gequollener Dinkel, Roggenmehl und Cola in der Nase fanden kaum eine adäquate Entsprechung am Gaumen.

II.2 Thibaut-Maillet 1953, Pomerol, ts
Zu Beginn schüchtern, dünn und leicht milchschokoladig, erst mit Luft kommt Frische und Griffigkeit in den Wein. Das Resultat ist kirschig und eher schlank. Bis dorthin dauerte es eine ganze Weile. Interessant war das Wettrennen zwischen dem Thibaut-Maillet und dem de Sales. Thibaut-Maillet hatte lange die nase leicht vorn und musste sich erst ganz zum Schluss geschlagen geben, als de Sales einfach das breitere Spektrum, mehr reserven offenbarte.

II.3 de Sales 1953, Pomerol, into neck

Auch ein langsamer Wein, dessen intensive, konzentriert karamellige Nase erst gar nicht zeigen wollte, was noch alles unter der Oberfläche sass. Orangeat und Brausepulver konnte ich wahrnehmen, am Ende dann auch eine weiche, runde, noch sehr gut trinkbare Beerenaromatik, die der etwas profanen Kirsche des Flightpartners überlegen war. Auf 90 Punkte hätte ich den ohne schlechtes Gewissen gesetzt.

Grüner Spargel mit Parmaschinken und Salat, dazu Paul Anheuser, Schlossböckelheimer Königsfels Riesling Spätlese 1959. Der Anheuser mit erstaunlich frischer Waschmittelnase, danach verstärken sich die reifetöne. Ließ sich gut trinken und obwohl ich Spargel nicht gern in Verbindung mit Riesling habe, war die Kombination ganz gut.

III.1 Pichon Longueville Comtesse de la Lalande 1989, 2ème Grand Cru Classe, Pauillac
Noch jung, aber schon sehr aufregend. Warm, buttrig, minimal vanillig, mit Luft zunehmend Graphit, vermischt mit Zuckerwatte, Cassis und Schlehe.

III.2 Pichon Longueville Comtesse de la Lalande 1978, 2ème Grand Cru Classe, Pauillac
Zunächst viel rote und grüne Paprika, die sich über Kernseife, Verbene und Zitronenmelisse hin zu einer eleganten, kirschig-minzigen Aromatik mit Graphiteinsprengseln entwickelt und eine saubere Punktlandung hinlegt. Spannungsvoll und sehr dicht.

III.3 Pichon Longueville Comtesse de la Lalande 1950, 2ème Grand Cru Classe, Pauillac

Ätherisch, dabei reif, mit einer etwas nervös vibrierenden, dennoch dichten Aromatik, die vielleicht das langsame auseinanderfallen ankündigt. Noch ist der Wein jedoch stark, glatt und von seidiger Geschmeidigkeit, etwas flüchtige Säure und röstige Noten verbinden sich mit rosinierten Tönen.

Lammcarré mit Ratatouille und Kartoffelroulade, dazu passte die 89er Comtesse sehr gut, sie hatte die meiste Kraft, um gegenüber Lammfleisch und Ratatouille ein adäquates Gegengewicht aufzubauen. Die 78er Comtesse gefiel mir auch noch ganzn gut dazu, die 50er schon nicht mehr.

IV.1 Canon 1986, 1er Cru, Saint Emilion, en Magnum

– Kork –

V.1 Lafite-Rothschild 1943, 1er Grand Cru Classé, Pauillac

Delikat! Maulbeere, Saft, Grillaromen, dunkler Honig, Nüsse und Graphit, im Hintergrund einige lauernde Ketone, aber insgesamt ein vollmundiger, reifer, saftiger, spielfreudiger und lebhafter Wein, der mir wesentlich jugendlicher vorkam, als der Jahrgang vermuten ließ. 94+

V.2 Lafleur-Gazin 1961, Pomerol, ts

Am Anfang standen Waldbeermischung und ein an Kühlschrank erinnernder Duft ziemlich zusammenhanglos neben Pfeffersalami, eingelegtem grünen Pfeffer und Erdbeerdessert. Mit Luft vermählte sich das ganze zu einer sehr frischen, jugendlichen, aromatisch so intensiv schmeckenden Mixtur, wie die einzelnen Zutaten es vermuten lassen. 92 Pkte.

VI.1 La Mission Haut-Brion 1981, Pessac-Leognan

Auf den Punkt genau richtig geöffnet wurde auch LMHB 81. Pfeffer und Graphit, Zigarrenkiste und eine kühlende, balsamische, an Eukalyptus-Menthol-Bonbons erinnernde Note zusammen mit einem runder werdenden Tannin zeigten, dass bei diesem Wein die Entwicklung noch in vollem Gang ist.

VI.2 Léoville las Cases 1983, 2ème Grand Cru Classé, Saint Julien
Wachsige Oberfläche, darunter etwas diffus Kirsche und Cassis. Fest, sehr dicht, aber auch unfreigebig, mir im Ergebnis zu nichtssagend. Daran änderte auch eine später sich entwickelnde Mandelkrokant- und Frankfurter-Kranz-Aromatik nichts.

VI.3 Troplong-Mondot 1983, Grand Cru Classé, St. Emilion

Brombeer-Cassis, Schwarztee und Walnusslikör. Kräftig, zugänglich, warm und mollig. Schlampenwein. Gefiel mir besser als LLC.

VII.1 Cellier des Princes 1967, Châteauneuf du Pape

Sehr weiches, vollreifes, süßes Beerenobst, fein, elegant und schlank mit leicht röstiger Nase. Wirkte bisschen wie ein alter Charles Heidsieck. Ich hielt den Wein schließlich für einen roten Beaumes de Venise und Uwe hat völlig recht, wenn er alte Châteauneufs in Proben mit gleichalten Bordeaux als die Weine mit dem Vorteil überlegener Sexyness ansieht. Aufgrund seiner sehr hellen Rotfärbung klar als odd man im flight zu erkennen.Cantemerle 1989, 5ème Grand Cru Classé, Haut-Medoc

VII.2 Mouton Baronne Philippe (d'Armailhac) 1988, 5ème Grand Cru Classé, Pauillac
Der letzte Baronne Philippe, bevor das Château seinen neuen alten Namen, allerdings ohne das früher übliche 'q' am Ende wiederbekam. Kantig, schrundig, mit rausgebrochenen Ecken.

VII.3 Cantemerle 1989, 5ème Grand Cru Classé, Haut-Medoc

Vollmundig, geschliffen, glanzvoll, rund fein und groß dagegen der 89er Cantemerle. Frisch gesoßter Tabak, dunkles Beerenobst, süßes, schmeichelndes Tannin, minzig, mit herber Schokolade und Kaffee. Es gibt elegantere Weine, aber im Haut-Médoc dürfte es schwer werden, die zu finden.

Dessertvariation: Weiße Schokoladenmousse, Crème brûlée, Pfirsicheis, danach Forstmeister Geltz-Zilliken, Saarburger Rausch Kabinett 2007. Klar, saftig und frisch, nicht sehr schwergewichtig und mit dem Dessert überfordert war der Geltz-Zilliken. Solo ein schöner, klassischer Saar-Riesling.

VIII.1 Leoville Barton 2002, 2ème Grand Cru Classe, St. Julien

Leicht süßer, etwas holziger, noch unfertiger, aber trotzdem schon seltsam schmockiger Wein. Könnte von allem etwas mehr zeigen, wurde neben dem Holz vor allem von Blütentönen und vegetabilen Noten nebst einigen Kräutern geprägt. Derzeit nicht so sehr mein Fall.

VIII.2 Pichon Longueville-Baron 2001, 2ème Grand Cru Classe, Pauillac
Tiefgründig, stoffig und dicht. Speck, Erde, Kräuter, Cassis und Tabak, ein Füllhorn an Aromen, ein buntes Durcheinander von Kraft, Säure, Frucht und Gewicht. Lockere 93 Punkte.

 

 

 

 

 

 

Privat Essen bei Essen-Privat

2010 schwer im Trend: Guerilla-Restaurants. Überall schießen sie angeblich wie Pilze aus dem Boden, aber wie bei den kleinen Eukaryonten ist es auch mit den Restaurants: Pfifferlinge und Steinpilze findet man leider nicht so oft. Umso schöner, dass der Essener Stadtteil Frohnhausen mit Essen-Privat einen solchen Edelpilz vorzuweisen hat. Ein Besuch bei Achim und Conny Lichte lohnt sich immer, am besten mit munterer Truppe. Vorabeindrücke gibt es unter www.essen-privat.de.

Wir hatten uns folgendes Menu zur Schaumparty ausgesucht:

Als opener gab es "Fraenzi" Rotling secco von Castell, sehr fruchtig, von fast leichtsinniger Süße, die nach Erdbeer-Sahne Bonbons von Campino schmeckte, harmonierte aber gut mit dem Amuse:

I. Amuse Gueule: Spinathäppchen, Gravad Lax, Ketakaviar und Crème,

dazu Cava, "A Posteriori" Rosé, Brut (7,5 g/l) von Colet aus dem Penedes, Merlot, ca. 15 Monate Flaschenlager, 11,5% vol. alc.

Wirkte zum Amuse flacher und karger als der Fraenzi, als standalone zeichnete sich em-eukal-Kirsche ab, das war's. Man merkt's: nicht sehr beeindruckend und ziemlich cavauntypisch.

II. Möhren-Chili-Ingwersuppe mit Flusskrebsschwänzen,

dazu Crémant Brut von Ponsot aus Gevrey-Chambertin, dagegen Yarden Brut, Blanc de Blancs Jahrgang 2000, koscher, von den Golan-Höhen, Israel

Der Burgunder fast rosé in der Farbe, anfangs mit überreichlich Schwefelgestank und erst im Mund schmeichelnd-fruchtig, passte sich gut der Suppe an und vertrug sich besser damit als der chardonnayuntypisch schmeckende Yarden, der trocken, fast sandig schmeckte und erst nach etwa einer Stunde und später noch, allerdings nur mit einem gewissen Exotenbonus Trinkfreude bereitete.

III. Wildkräutersalat mit gebratener Wachtelbrust und gebackenem Ziegenkäse, Nuss-Himbeervinaigrette,

dazu Cava Artesa, Katalonien, "Bocchoris" Brut Nature Reserva aus Xarel.lo, Macabeo, Parellada, dagegen Colet Assemblage Extra Brut, 55% Pinot-Noir, 45% Chardonnay, 36 Monate Hefelager, 90 Parkerpunkte (also Jay Miller Punkte)

Der Bocchoris war geschmacklich dicht am Fraenzi, scheinbar sehr kühl vergoren, mit viel viel Bonbon, Gummibärchen und überhaupt eher Aromen aus der Kindheit als aus dem Geschmacksleben eines Erwachsenen, dafür mit angenehmem Druck ausgestattet und leidlich passend zur Vinaigrette. Der Assemblage dagegen als rechtes Dickschiff etwas klobig, sparsame Aromen und keine zum Salat passende Wendigkeit. Auch mit der Wachtel und dem Käse tat sich der Assemblage schwer. Noch nichtmal allein konnte er so recht überzeugen. Vielleicht fehlte da die nötige Flaschenreife, der wein wirkte jedenfalls allzu verschlossen.

IV. Dorade Royal, Hummer und Jakobsmuschel mit Sepialinguine,

dazu Schloss Vaux Rosé Brut, Pinot Meunier/Portugieser, dagegen Langlois Château Rosé aus Chenin Blanc, Chardonnay + Cabernet Franc

Der Vaux mit einer behenden Leichtigkeit, die Freude bereitet, leider auch mit einem etwas konventionellen, langweiligen Aromenspektrum und muffiger, ältlicher Frucht zum Ende hin. Der Langlois dagegen mit mehr Grandeur, lebhafter Säure und zupackender Art, ein Freund von Cabernet Franc im Schaumwein werde ich aber bis auf weiteres trotzdem nicht. Beide machten sich gut zum Meeregestier, wollten aber allein nicht so recht schmecken.

V. Perlhuhnbrust im Speckmantel, Risoléekartoffeln, Pfirsichsauce,

dazu Schloss Sommerhausen Riesling Brut 1997, dagegen Raumland Weissburgunder Brut 1997

Der Schloss Sommerhausen 97 ist nach wie vor einer meiner erklärten Lieblinge, 2004 degorgiert schmekt er ausgesprochen frisch, glänzt mit attraktiver Säure, einem für Brut-Rieslinge verschwenderisch anmutendem Aromenreichtum, hält sich aber noch im Rahmen einer unverspielten, ernstzunehmenden Stilistik und schmeckt keineswegs nach Robby Bubble o.ä. Der Raumland leider etwas schwächlich daneben, angefirnte Note, merklich gealtert, aber nicht kaputt oder fehlerhaft, sondern gut geeignet für Freunde des kräftigen Schäumers mit herben Aromen; immer noch genügend power, um mit Speckmantel und Pfirsich eine ménage à trois einzugehen.

VI. Tiramisu und Waldbeeren,

dazu Rives-Blanques, Blanquette de Limoux aus 90% Mauzac, 10% Chenin Blanc + Chardonnay, dagegen Marcus Stein, Kinheimer Sekt vom Moselschiefer aus 90% Weissburgunder und 10% Riesling + Müller-Thurgau

Der Blanquette muffig, bäuerlich, herb, klobig und säurearm, ein milder Ausgleiter für den Abend, vom Tiramisu aber erstaunlicherweise nicht überfahren, sondern, wohl weil er ziemlich dickfellig ist, in ganz aparter Weise als sparringspartner aufgenommen, verhielt sich sehr gut zu den Beeren (speziell Himbeere und Blanquette sind eine viel schönere Kombination, als das Cliché Erdbeere und Champagner). Der Stein-Sekt mit würziger Säure und gleichsam das Messer, das durch die Tiramisu glitt, weniger harmonisch mit den Beeren, dafür gut als Fettabbauhilfe und Geschmeidigkeitsverleiher, im übrigen auch keine unedle Kombination mit dem Espresso, aber alles in allem kein überragender Sekt.

Belle Epoque und Grande Dame im Champagnerleistungszentrum

Im Champagnerleistungszentrum treffen nicht nur junge Talente aufeinander und messen sich im friedlichen Wettstreit, nein, auch die alten Kämpen müssen zeigen, ob sie noch Dampf haben. Selbst alter Adel wie der einer Grande Dame und einer Belle-Epoque schützt nicht vor dem unerbittlichen Blick unter den Rock.

Veuve Clicquot, Grande Dame 1985: wuchtig, herb und sehr füllig. Im Glas war der Champagner dann weniger alte Witwe, als vielmehr ziemlich knackiges, wenngleich nicht mehr ganz taufrisches Mädel. Ein schicker Twen, was ja auch zum Jahrgang paßt. Verhaltene Säure und sehr viel weinige Würze, Andeutungen von Milchkaffee, Karamell, Buttertoffee und Kakao, aber alles wirklich nur hauchfein und in den nächsten Jahren sicher immer stärker werdend. Dieser elegante, noch herzhaft jugendlich wirkende Champagner spricht sehr für das Haus, bzw. die Kunst des seinerzeitigen Kellermeisters Peters. In der Jugend sind die Champagner immer haarscharf zu hoch dosiert für meinen Geschmack – passen dafür aber zu zahlreichen Speisen sehr gut, dazu gleich mehr -, im Alter zeigt sich dann, was die Réaction Maillard alles vermag. Korrespondierende Speisen waren:
– Brunnenkressesuppe mit pochiertem Wachtelei: definitiv kein dreamteam zur Grande Dame, die beiden standen sich in respektvollem Abstand gegenüber, bzw. einander zur Seite, gingen aber keine harmonische Allianz ein. Getrennt voneinander am besten, zusammen war mir die Mixtur zu spannungsvoll.
– Jakobsmuschel mit hauchdünnem Cräcker auf blanchiertem Kohl: sehr schmackhaft, Jakobsmuschel und Champagner sowieso, in Verbindung mit dem kleingeschnipselten Kohlgemüse und dem Keks dann noch einmal bereichert.
– Kaninchen mit Linsen und Speckschaum: eine Spitzenkonstellation, für Liebhaber von herzhaften Variationen rund um den Speck ein besonders schönes Erlebnis. Dankenswerterweise war das Kaninchenfilet mit einem schützenden und gut harmonisierenden Teigmäntelchen versehen, zusammen mit den reifen Noten der Grande Dame wundervoll.

Es folgte

Perrier-Jouet Belle-Epoque 1983. Ein erstes kleines Stinkerle im Glas wich schnell, mit Zeit und Luft wurde ich dann auf Kosten der von vornherein optisch müden Perlage Zeuge eines kleinen Chardonnaywunders im Glas. Bei älteren Belle Epoques zeigt sich eben immer wieder die grandiose Standfestigkeit der Cramantchardonnays. Die Nase betörend mit kandierten Zitrusschalen, der Mund von stahlharter Säure ausgekleidet, mit langem, feinstprickelndem Nachhall. Dazu gab es:
– Stubenküken mit Knoblauchconfit: Köstlich! Punkt.
– auf der Haut gebratenen Zander samt Fenchelgemüse: ebenfalls eine ausgezeichnete Kombination und ein würdiger Platzhalter für das als Auftakt genossene 2005er Leitz'sche Magdalenenkreuz.

Die crème brûlée hatte mit den Champagnern nichts mehr zu tun und vertrug sich dementsprechend bestens mit Barbeitos 1978 Madeira Verdelho, nach dem Käffchen gab es dann Reisetbauers Elsbeere, ein Brand den man am liebsten inhalieren will, bis das Glas leer ist. Schmeckt aber auch so ganz gut, wenn man Schnaps mag.

Fazit: Beide Prestigechampagner verwöhntem auf sehr hohem Niveau, zeigten sich den Speisen überwiegend gewachsen, wobei die Grande Dame in der Konfliktsituation mit dem Ei weniger gut abschnitt, als die Belle-Epoque mit dem Knoblauch.

Informeller Besuch im Haus Stemberg

A. Die Weine:

I. Calitin, Simply Sunshine Sparkling Shiraz, McLaren Vale, NV

Diesen Wein und den Kuchen gab es vorweg als nachmittäglichen Auftakt.

Schlappe 40 g/l RZ lassen so manches Dessert neben diesem Wein überflüssig erscheinen. Zum Apfel-Weisswein-Kuchen mit Kakaohäubchen war der fruchtig-süsse Shiraz dennoch eine gute Wahl. Ein pH-Wert von 3,48 und mäßige 5,6 g/l Säure, vergleichsweise niedrige 28 g/l freier Schwefel liefern nur eine sehr unzureichende Begründung dafür. In Wirklichkeit braucht es diese Begründung meiner Meinung nach gar nicht und ich habe mir, obwohl allgemein kein Freund von Süßspeisen, die Kombination weitgehend kritiklos schmecken lassen. Solo hätte ich sagen müssen, wäre mir der Sparkling Shiraz zu säurearm und allzu schnell erdrückend bis ermüdend vorgekommen. Zum Kuchen war er herrlich, speziell die grossen Apfelstücke und die andeutungsweise vorhandene Weißweinnote lieferten dem Sparkling Shiraz glänzende Spielpartner.

II. Bernhard Prass, Bacharacher Schloss Stahleck, Riesling halbtrocken, Mittelrhein, 2008

Am Mittelrhein ist es bei vielen Winzern wie in Franken: halbtrocken steht dort bei Weinen auf Etiketten, die anderswo nur mit der Aufschrift "Vorsicht! Ultratrocken, nur für Spezialisten!" verkauft werden würden. Ich glaube, bei Prassens hat man kurz überlegt, ob man den halbtrockenen Stahleck-Riesling nicht sogar als lieblich oder mild deklarieren sollte, doch am Ende scheint der common sense gewonnen zu haben. Der Riesling schwebt zwischen trocken und fruchtig-süß, schlägt je nach Begleitung mal nach oben und mal nach unten aus – was ihn zu einem sehr galanten Essenbegleiter macht. Mir hat er schon allein gemundet, noch besser war er zu den Spargelvariationen des Abends und zum Entenleberpraliné, außerdem kam er überraschend gut mit der Graupensuppe zurecht.

III. Poss, Weissburgunder trocken, Nahe, 2008

Das Weingut Poss macht bekannte und in vielen Situationen bewährte Weißburgunder, die mir stets am besten zu deutscher Küche schmecken. Deshalb lag es nahe, aus Sascha Stembergs klug renovierter Weinkarte den Weißen Burgunder von Poss im Glaserl zu wählen. Es sollte keine Enttäuschung sein. Mit seinem mildschmelzigen, entgegenkommenden Naturell ist der Wein ein adäquater Rahmen für Spargel, Salat und Schnitzel gewesen, für das der Barrua zu machtvoll gewesen wäre. Gerade der leichte, nicht verpampte Kartoffel-Radieschen-Salat zum Schnitzel, sowie eben dieses zarte Kalbfleisch waren zusammen mit dem Wein von besonderer Harmonie.

IV. Agricola Punica, Barrua, Isola dei Nuraghi, 2006

Agripuninca ist ein Joint Venture von zwei sehr geschätzten Weingütern: auf der einen Seite Tenuta San Guido, deren Sassicaia weithin als sehr guter "Bordeaux" bekannt ist und den ich überaus gern trinke, auf der anderen Seite die Genossen der Cantina di Santadi, deren Rocca Rubia bereits ein bemerkenswerter Wein ist und deren Terre Brune zu den standardbildenden Weinen seiner Preisklasse gehört. Der aktuelle Duemilavini 2010 ist vom gemeinsamen Kind der beiden entzückt und gibt 5 Trauben, Gambero Rosso und Guide l'Espresso lassen sich ebenfalls nicht lumpen und Sardinien ist sowieso eine aufregende Insel. Also habe ich mir den Wein aus 85% Carignano, 10% Cabernet Sauvignon und 5% Merlot, 18 Monate Barrique, je hälftig in neuem und gebrauchtem Holz, mal in die Karaffe gefüllt. Ich erwartete einen kräftigen Wein, der sich gut mit der Kost aus Sascha Stembergs Küche vertragen würde und sollte nicht enttäuscht werden. Eine halbe Stunde freischwimmen in der Karaffe brachte einen charaktervollen, sonnenverwöhnten, jugendlichen Athleten hervor, den man sich besser in einem Davidoff-Werbespot vorstellen kann, als bei Dolce & Gabbana. Knackig, sonnengebräunt, mit viel pointierter Brombeere und kühlem Blaubeerjoghurt, schmeichelndem Tannin und leicht glyceriniger Süße zum Schluss.

V. Champagne Lanson Black Label (Dank gebührt dafür dem Patron Sascha Stemberg)

Irgendwann zwischen Espresso und dem Abplatzen der letzten verbliebenen Hosenknöpfe überkommt mich der Champagnerdurst anstelle des Verlangens nach Grappa oder anderem Schnaps. Wie gerufen kam deshalb Sascha Stembergs Hauschampagner, der Black Label von Lanson. Der kommt ohne biologischen Säureabbau und infolgedessen mit etwas mehr Säure als andere Champagner seiner Preisklasse ins Glas. Zusammen mit dem herbfrischen Champagnerprickeln ist das für mich der beste Abschluss eines guten Essens und der ideale Übergang zu Kaminfeuer und erotischem Laienschauspiel.

 

B. Das Menu:

I.1 Amuse Gueule: Spargelsüppchen, Nordseekrabben-Happen und Hummersüppchen mit Champagner

Das Spargelsüppchen bildete einen appetitanregenden Einstieg und machte Vorfreude auf den Spargel ganz zum Schluss. Der Happen aus Nordseekrabben und Dill war von einer Bissfestigkeit und Meeresfrische, dass sogar Meeresfrüchteskeptikern Zweifel an ihrer Haltung kommen mussten. Nicht zu vergessen das delikate Hummersüppchen, dessen empfindliche Aromatik völlig frei war von überhitzten Karkassen und angebranntem Hummerfett – ein Aroma, das in manchen gut beleumdeten Küchen wie selbstverständlich zum Krustentiersüppchen dazuzugehören scheint.

I.2 Erster Gruss aus der Küche: Spargelschaum

In der Spargelzeit bietet sich so eine Variation natürlich an. Mir kam sie auf eine fast schon japanische Art schlicht vor: feinstperliger, reinweißer, standfester Schaum, darauf ein paar geröstete Sesamkörner. Schon sehr subtil, um nicht zu sagen: sublim.

II.1 Graupensuppe

Omas Graupensuppe war nicht besser. Das liegt nicht nur daran, dass Oma nach dem Krieg keine nennenswerten Einlagen für die Suppe hatte, sondern das liegt vor allem daran, dass die von Sascha Stemberg einfach überragend gut ist. Früher, als ich noch ein Graupensuppenverächter war, wären mir die Unterschiede gar nicht aufgefallen. Heute dagegen freue ich mich über die herzhafte Wurst, die perfekt gegarten, sämigen, bissfesten, nicht zu matschigen, nicht zu harten Graupen, die richtige Menge an Gemüse und Kräutern, den Salzgrad und die möglichst hohe Serviertemperatur.

II.2 Ziegenkäse mit Rapunzel-Bouquet, Pinienkernen und einer Sauce von Roter Bete, Kümmel und Karamell

Es ist leicht zu erraten, die Sauce gab hier den Ton an, erstklassig sekundiert von den Pinienkernen und in vollendeter Eintracht mit Salat und Ziegenkäse. Ein leichter, gaumenverwöhnender, wegen der großzügigen Menge an Ziegenkäse aber vom Sättigungseffekt her nicht zu unterschätzender Gang.

III. Zweiter Gruss aus der Küche: Entenleberpraliné im Pumpernickelmantel auf Hagebuttenreduktion

Immer wieder ein Vergnügen sind die Pralinés aus Sascha Stembergs Küche. Vor zwei Jahren war seine Blutwurstpraline der Höhepunkt des Abends, nun kam also Entenleber auf den Tisch. Die wirkte etwas rustikaler als die Blutwurstpraline; punkten konnte sie mit ihrer reizvollen Kombination aus Süsse, zartem Schmelz und angenehm vollkörniger Ummantelung. Die Hagebutte hätte etwas konzentrierter oder einfach mehr sein dürfen und gefiel mir zusammen mit Prassens halbtrockenem Riesling ausgezeichnet zu diesem Gruss aus der Küche.

IV.1 1/2 Wiener Schnitzel mit Kartoffel-Radieschen-Salat und Beerensauce

Das Stemberg'sche Wiener Schnitzel ist ebenso wie die Graupensuppe ein Gericht, das durch seine fast obszöne Einfachheit besticht. Die Herausforderung ist dabei nicht, einer altbekannten, täglich millionenfach zubereiteten Speise neue Facetten abzugewinnen. Die Herausforderung liegt vielmehr darin, ein Basisrezept so ungekünstelt und natürlich wie möglich herzustellen. Das gelingt Sascha Stemberg bei beiden jedes Mal aufs Neue. Das Schnitzel profitiert mächtig von der Herkunft nur wenige Meter die Kuhlendahler Strasse bergaufwärts, die Konsistenz, Faserigkeit und Aromatik des geplätteten Kalbfleischs dürfte selbst Schnitzelstrategen vom Rang eines Figlmüller in bodenloses, oder doch zumindest sehr beifälliges Staunen versetzen.

IV.2 Senfrostbraten mit dicken Bohnen, Perlzwiebeln und Kartoffelstampf

Das Rind – und ich darf mich, da ich während des Studiums für das Fleischrinderherdbuch Rheinland gearbeitet habe, in Rinderfragen einiger Kenntnis berühmen – war seiner Bestimmung aus gutem Grunde nicht entgangen. Denn dieses Fleisch war wie geschaffen für den Teller eines passionierten, manche werden sagen: obsessiven Fleischessers, wie ich einer bin. Als Braten zubereitet schätze ich Rindfleisch besonders, wenn es im Kern nurmehr zartrosa und saftig ist, nicht jedoch blutig, respektive quasi-roh, oder, wie mir auch schon vorgeworfen wurde, nur scheintot, namentlich, wenn ich es als Steak auf dem Teller habe. Dieses erlesene Stück Fleisch entsprach also meinen Vorstellungen von einem guten Rostbraten sehr genau. Was allerdings die Senfkruste angeht, war die mir eine Spur zu wenig senfig. Zwiebelchen, dicke Bohnen und Stampf dagegen waren tadellos.

V. Dritter Gruss aus der Küche: Pfirsichsorbet mit hawaiianischem Vulkansalz

Eine kleine, den Appetit raffiniert befeuernde Erfrischung kam nun aus der Küche. Einige wenige Körnchen von dem ziemlich salzigen schwarzen Salz genügten, um aus einer unscheinbaren Pfirsichsorbetkugel eine Delikatesse zu machen, über deren aromatischen Sensationswert man streiten kann, die mir aber ausgezeichnet gefiel, da ich ein großer Salzfreund bin.

VI. Spargel mit Sauce Hollandaise

Der Spargel war einfach traumhaft. Gleichbleibend dick, nicht zu dick, unverholzt, bissfest, unzerfasert, aromatisch, eben so, wie man sich Spargel wünscht. Die Hollandaise dazu hätte ruhig etwas forscher sein dürfen, ich habe sie letztlich weggelassen, weil mir der Spargel pur lieber war.

VII. Käseauswahl: Brin d'Amour, Langres, Fourme d'Ambert, Rochebaron, eingelegte schwarze Nüsse, Birnenmus und Paprikachutney

Wein vom Würzburger Stein

Die Weine aus dem Würzburger Stein, vorgestellt von Robert Haller (Bürgerspital), Michael Jansen (Staatlicher Hofkeller) und Horst Kolesch (Juliusspital).

I.1 Bürgerspital, Silvaner Kabinett trocken 2009

Der Wein ist holzfassausgebaut, trumpft damit jedoch nicht unangemessen auf. Abklingende bananige Primärnoten gehen in eine weinige, pfeffrig unterlegte Blumigkeit über, mit gelinder Salzigkeit, leicht wärmendem Alkohol und gemäßigter Kraft.

I.2 Juliusspital, Silvaner Kabinett trocken 2009

Holzfassausbau und ein leichtes Prickeln. Apfel, Melone, Limette, Crèmigkeit und Schmelz wollten sich mir nicht so mühelos offenbaren, wie von Horst Kolesch vorgegeben. Den salzigen Zungenrand und eine gewisse rauchige Flintigkeit habe ich durchaus wahrgenommen. Mit sehr viel Luft zeigte sich dann crèmiger Schmelz, die Früchtearie blieb dennoch aus.

I.3 Staatlicher Hofkeller, Silvaner Kabinett trocken 2009

Dafür legte der Staatliche Hofkeller los. Stahltankausbau war der präzisen Frucht förderlich, Apfelmus und Rhabarebr, Passionsfrucht und Litschi, Buttercrèmetorte und Melone, also im Grunde das, was beim Juliusspitäler nicht recht aus den Startlöchern kam, verbunden noch mit einer feinen Würze und langem, mineralischem Nachhall. Mein Liebling in diesem flight.

II.1 Bürgerspital, Riesling Kabinett trocken 2009

Mineralisch, dicht, dunkel und eng, schwer entzifferbar und irgendwie moosig, später dann mit etwas mehr Saft war der Riesling. Der insgesamt sumpfige Charakter wurde von der rundlichen und weichen Säure noch verstärkt.

II.2 Juliusspital, Riesling Kabinett trocken 2009

Als filigran, jugendlich, förmlich aus dem Glas herausspringend, mit Weinbergspfirsich, Grapefruit und Blutorange wurde dieser kontinentaltypische Riesling vorgestellt. Salzig natürlich mal wieder, und mit einer rauchigen Note, dem Steincharakter eben. Ich fand den Wein von Apfel- und Quittenmus geprägt, von leichter, sportlicher Bauart, mit reifer Zitrusfrucht und leichter Herbe.

II.3 Staatlicher Hofkeller, Riesling Kabinett trocken 2008

Würzig, pfeffrig, mit ausbalancierter Süße/Säure und einer in Richtung Spätlese weisenden Nachhaltigkeit, so Michael Jansen. Auch ich fand den Wein sehr ausdrucksvoll, mit einer reliefartig herausgearbeiteten, sehr plastischen Aromatik von Limettensaft und Honigwaffeln, mit Puffreis und langem, mit Vibrato verklingendem Abgang.

III.1 Bürgerspital, Weißer Burgunder Kabinett trocken 2009

Ein sehr homogener flight von Weißen Burgundern kam sodann ins Glas. Würzig und leicht salzig, mit aprikosiger, sämiger, nicht klebriger Süße. Rund und fein, saftig und weich.

III.2 Juliusspital, Weißer Burgunder Kabinett trocken 2009

In der Nase erstmal eine ordentliche Ladung Bienenwachs. Am Gaumen geringfügig griffiger als das Bürgerspital, leicht prickeln, vielleicht auch minimal hitzig, paraffinig und herb.

III.3 Staatlicher Hofkeller, Weißer Burgunder Kabinett trocken 2009

Nach dem Bienenwachspfropfen nun fast gar keine merkliche Nase, was ich nicht als Eleganz missdeuten möchte. Im Mund allerdings schon eine leichte, sehr delikate Frucht mit massgeschneiderter Fruchtsäure.

IV.1  Bürgerspital, Silvaner Spätlese trocken 2008

Mineralisch, wie es die speisefreudigen Silvaner aus dem Stein offenkundig sind. In der Nase noch nicht sehr begeisternd, dann aber vollmundig, mit mehligen Äpfeln, weiniger, runder als der Kabinett.

IV.2 Juliusspital, Silvaner Grosses Gewächs trocken 2008

Natürlich war das Grosse Gewächs mineralisch, interessanter noch war hierbei die Balance zwischen pfeffriger Schärfe, dem Anflug alkoholischer Hitze und dichtgepackter Frucht. Wenn sich dieses Knäuel kunstvoll entfaltet, wird der Wein in den nächsten Jahren eine Referenz erster Güte für den Würzburger Stein abgeben.

IV.3 Staatlicher Hofkeller, Silvaner Grosses Gewächs trocken 2008

Feingliedrig, dicht, voll, saftig und schmelzig sollte das GG vom Hofkeller sein. Ich fand zunächst nur Kräuter und Suppengemüse in der Nase. Darunter versteckte sich ein schlanker, aber sehr schüchterner Wein, dessen leichte Herbe sich mit Luft positiv entwickelte und dem Wein eine mühelose, wenngleich geordnete, crèmig-samtige Eleganz verlieh. Daher mit einer Nasenspitze Vorsprung vor dem Juliusspital mein Favorit im flight

V.1 Bürgerspital, "Hagemann" Riesling Grosses Gewächs trocken 2007

Riesling mit understatement. Bescheidene gelbe Frucht, sparsame Litschi. Dafür sehr viel Druck und langer Nachhall. In so dürren Worten lässt sich der Wein gewiss beschreiben, leider geht dabei völlig verloren, wie viel bei diesem Wein unter der betont glatten Oberfläche brodelt. Ich kann nicht sagen, ob der Wein in eine Transformationsphase geht oder bald aus einer herauskommt, aber ich fand den Wein sehr unruhig und kurz vor dem aufplatzen, unter Freisetzung aller aufgestauten Lebenslust und Früchteopulenz. Sehr vielversprechend!

V.2 Juliusspital, Riesling Grosses Gewächs trocken 2008

Fruchtbalance, Zitrus, Blutorange, Grapefruit, stahlig, fordernd, lang, frisch und druckvoll. In allen Facetten etwas ruppig und trotz einer sich ankündigenden Popreisnase, die nach meinem Eindruck immer mit einer gewissen Beruhigung und Arrondierung einhergeht, noch ein junger, wilder, etwas hitziger, auch süffiger Wein mit weichem Kern.

V.3 Staatlicher Hofkeller, Weißer Burgunder Grosses Gewächs trocken 2008

Etwas ungünstig war der Weiße Burgunder nach den Rieslingen platziert. Hiervon werden nur 1200 Fl./ha gewonnen und teils im Stahltank, teils im Bordelaiser Barrique ausgebaut, um dann rückverschnitten zu werden. Mit seiner milden, flachen Säure und der glatten, geschmeidigen Art konnte er sich nicht mehr gegen die Rieslinge durchsetzen.

Bundesgartenschau 2011 in Koblenz

Als alter Koblenzer will ich nicht versäumt haben, auf die bevorstehende Bundesgartenschau im stets etwas verschlafen wirkenden Oberzentrum hinzuweisen:

Bundesgartenschau 2011 Koblenz

Hering: BUGA-Weine aus Rheinland-Pfalz gesucht

Bei der ersten Bundesgartenschau in Rheinland-Pfalz im kommenden Jahr in Koblenz wird sich Deutschlands Weinland Nummer 1 eindrucksvoll und selbstbewusst präsentieren. Das hat der rheinland-pfälzische Weinbauminister Hendrik Hering angekündigt.

„Mit einer Vinothek und einer Aquathek in der „Langen Linie“ auf der Festung Ehrenbreitstein sowie einer multimedialen Ausstellung zu Weinreisen, Wandern, Radwandern und Gesundheit, den Schwerpunktthemen unserer Tourismusstrategie, wollen wir den vielen Besuchern der BUGA 2011 Lust und Appetit auf die vielfältigen Weine und die hochwertigen Urlaubsangebote im Land machen“, erklärte Hering.

Sehr erfreut zeigte sich der Minister darüber, dass die BUGA GmbH das Thema „Wein“ in ihre eigenen konzeptionellen Überlegungen eingebunden hat und es ermöglicht, dass in der BUGA-Gastronomie ausschließlich Weine aus Rheinland-Pfalz angeboten werden. Gemeinsam mit den Gebietsweinwerbungen des Landes und der BUGA GmbH ruft der Minister Weingüter und Winzergenossenschaften auf, sich an der Ausschreibung für die BUGA-Weine zu beteiligen.

Gesucht werden rheinland-pfälzische Weine, die folgenden Kriterien entsprechen:

Probe A

Im Offen-Ausschank der BUGA-Gastronomie werden präsentiert:

·   Silvaner trocken (Rheinhessen),
    Grauburgunder trocken (Pfalz),
    Riesling halbtrocken/feinherb (Mosel),
    Riesling trocken (Mittelrhein),
    Dornfelder trocken (Nahe),
    Früh- oder Spätburgunder trocken (Ahr).

·   Weißweine des Jahrgangs 2009, Rotwein der Jahrgänge 2007 bis 2009

·   Qualitätswein, Kabinett oder Spätlese bzw. Spätlesequalität

·   0,75-Liter-Flasche

·   Mindestmenge je1.500 Flaschen

Probe B

Für den Bereich der Selbstbedienungsrestaurants ist der Verkauf von 0,25-Liter-Flaschen geplant.

  • Silvaner trocken (Rheinhessen),
    Dornfelder trocken (Pfalz),
    Riesling halbtrocken/feinherb (Mosel),
    Portugieser oder Spätburgunder Rosé oder Weißherbst (Nahe)
  • Weißweine/Rosé des Jahrgangs 2009, Rotwein der Jahrgänge 2007 bis 2009
  • Qualitätswein
  • 0,25-Liter-Flasche
  • Mindestmenge je 2.000 Flaschen

In der Auswahlprobe werden 2009er Weißweine verkostet. Zum Ausschank bei der BUGA 2011 soll der dann aktuelle Jahrgang 2010 kommen.

Die Angebotsformulare mit den detaillierten Lieferkonditionen können unter www.weinmarketing.rlp.de (Themen/Vertrieb/BUGA 2011 Ausschreibung) beim Kompetenzzentrum Weinmarkt und Weinmarketing in Oppenheim abgerufen werden.

Alle bis 4. Juni 2010 angemeldeten und eingeschickten Weine nehmen an der verdeckten Auswahlprobe teil.

Die Probenweine (je 2 Flaschen) bitte zusammen mit dem Produktpass an folgende Anschrift senden:

DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück
Kellerei – Herr Eller
Wormser Str. 111
55276 Oppenheim

Rési reloaded – Mit dem Fernseh in der Résidence

Beim Essen gefilmt zu werden ist gar nicht weiter schlimm, wenn man sich seiner Umgangsformen nicht schämen muss, oder wenn es einem sowieso egal ist. Oder aber, wenn das Fernsehteam dank fortgeschrittener Kameratechnik dezent im Hintergrund bleiben und dem sorglosen Schlemmer trotzdem auf die Gabel blicken kann. So war es letzten Dienstag in der Résidence, Essen-Kettwig.

O.1 Amuse Gueule: Frühlingsrolle, Selleriecréme auf Pumpernickel und Walnusscrème im Knusperröllchen

– Die Frühlingsrolle war mundgerecht, dicht, aber nicht zu dicht gepackt und daher angenehm bissfest;

– Die Selleriecrème als Würfel mit ca. einem Zentimeter Kantenlänge auf der Pumpernickelscheibe stand aromatisch im richtigen Verhältnis zum Brot, war mir aber als Kontrast zwischen wabbeliger Crème und festem Brot etwas zu weit auseinander;

– Die Walnusscrème im Knusperröllchen lag wieder auf meiner Wellenlänge, fluffige Crème, die intensiv nussig, aber nicht ranciohaft schmeckte, das Knusperröllchen harmonierte gut.

 

O.2 Gruss aus der Küche: Hummer-Fenchel-Variation

– einmal im Wan-Tan gebacken, mir zu sehr an die Frühlingsrolle angelehnt, aber geschmacklich gut;

– mit Fenchel-Tagliatelle, leicht säuerlich, wie beim Sushi-Rettich, als Appetitmacher ausgesprochen gklug platziert;

– als Tartar war mir der Hummer zu unsichtbar, ich habe ihn lieber in größeren Stücken;

– als gestreifte Terrine wiederum gingen Hummer und Fenchelcrème eine überaus schmackhafte einander spielend leicht ergänzende Kombination ein.

 

O.3 Zweiter Gruss aus der Küche: Tomatenessenz mit Gemüserauten

Das war das Signal für die Geschmacksnerven, die nächsten fünf Stunden unter Höchstspannung zu arbeiten. Die Essenz kam sozusagen als Blanc de Noirs, also nur als weiss abgepresster Saft aus den Tomaten, mit einem leicht rötlichen Schillern und war so konzentriert, so aromatisch, dass am Gaumen die schönste Sommersonne schien.

 

Währenddessen gab es Champagne Robert Moncuit Blanc de Blancs Grand Cru 2004. Am besten schmeckte er zur Frühlingsrolle und zum Wan-Tan-Hummer, auch zum Sellerie-Pumpernickel und zu den anderen Variationen mit Fenchel brillierte der Champagner, auch mit der Tomate hatte der champagner keine Mühe und das, obwohl die beiden sonst als geschworene Feinde gelten. An seine Grenze stiess er jedoch sehr klar, als er es mit der leicht süssen Walnusscrème aufnehmen musste, dafür fehlte ihm das nötige Alter und die dann sich langsam herausbildende nussige Aromatik reifer Chardonnays. Anzulasten ist das nicht dem Winzer, nicht dem hervorragenden Sommelier Herrn Voigt, sondern mir, denn ich hatte den Champagner mitgebracht.

 

I. Zweierlei vom geräucherten Chinook-Lachs mit Topinambur und Wildkräutern, dazu ein 2009er Klüsserather Riesling vom Weingut Kirsten, auf Wunsch der Ehefrau Inge von Geldern durchgegoren

Für einen jungen Riesling war der Klüsserather herausfordernd golden, mit aromatisch breiter Schulter und einem herbsüssen Restzuckerschwänzchen. Zum Topinambur mit seiner süsslichen Aromatik passte das schonmal sehr gut. Aber um den Topinambur ging es nicht, der Riesling sollte sich zum Lachs beweisen. Dessen Filet war wahrhaft königlich. Wer sich auf Empfängen und Buffets beim Lachs immer zurückhält, weil er sich vor den Hormonschleudern aus Aquakultur fürchtet, kann beim Chinook beherzt rein- und zubeissen, der Unterschied ist so groß wie der zwischen altem Badeschwamm und Kalbsbries. Dazu der Reisling und die eröffnung des Abends war gesichert.

 

II. Sautierter Skrei im Feldsalatsud, mit Lardo, konfierter Kartoffel und Senfsauce, dazu Rudolf May, Silvaner Spätlese trocken "RECIS" 2007

Kabeljau, bzw. eben Skrei ist und bleibt ein schmackhafter Fisch, den früher nur Kinder, Engländer und arme Leute gegessen haben. Daraus einen schmackhaften Gang zu kreieren, geht so: Den Kabeljau mit guter Butter auf der Haut anbraten, einen nur optisch draufgängerischen, aromatisch dafür umso delikateren Feldsalatsud zubereiten, der sich mit einer nicht zu senfigen Senfsauce optimal für das zarte Skreifleisch eignet, fertig. On top kam dann noch der leicht knusprige Lardo mit der konfierten Kartoffel und ganz on top der Silvaner von Rudolf May, der wie massgeschneidert für diesen Gang war.

 

Z.1 Den Übergang machte ein zartfaseriges, nussig-aromatisches, gesundfleischiges Bäckchen vom Ibericoschweinderl auf gebratener Tomate. Dazu tat der Silvaner weiterhin gut und zeigte bei aller Konzentration und Tiefe willkommene Durstlöscherqualitäten.

 

III. Langostino mit karamellisiertem Blumenkohl und Trüffelscheiben, Frühlingsmorcheln und Dörraprikosen, dazu Domaine de Chatenoy, Menetou-Salon, Cuvée Pierre-Alexandre 2007

Wenn ich Menetou-Salon höre, stelle ich mir unwillkürlich immer eine seltsame Mischung aus dem Sioux-Häuptling von Karl May und dem Spitzenchampagner aus dem Hause Laurent-Perrier vor. Einen champagnerschlürfenden Indianer also, was irgendwie nicht passen will. Was jedoch sehr gut passt, ist Langostino und dieser Wein. Der war nämlich erst ganz sachte pfeffrig und andeutungsweise holzig, entwickelte eine kühl buttrige, ja speckige, auch ein wenig burgundische Stilistik, blieb lang, kühl und ohne Säure im Mund, so dass er mich von seinem ganzen Wesen an ein in dunklen und kühlen Regionen des Meeres herumwanderndes Krustentier erinnerte. Butter, Speck und Pfeffer riefen den Langostino leibhaftig auf den Plan und die zutage getretene Seelenverwandtschaft war das reinste Freudenfest, gekrönt noch von dem konzentrierten Dörraprikosengeleewürfel, von dem ich mir zu jedem Happen vom Langostino eine mikrometerdünne Scheibe herunterschnitt, wenn ich nicht gerade damit beschäftigt war, mich an der Kombination der Geleescheiben mit Blumenkohl und Trüffel zu laben.

 

Z.2 Vor der Jakobsmuschel gab es noch Pulposalat mit Brunnenkresse, die den Gaumen wieder etwas klärten, was vor allem an der reinigenden, auch den Appetit wachhaltenden Schärfe der Brunnenkresse lag.

 

IV. Jakobsmuschel mit Kirschtomate, Kräuterfocaccia und Basilikumkresse, dazu Kruger-Rumpf Blanc de Noirs vom Spätburgunder, Spätlese trocken 2008

Kruger-Rumpfs 2008er Grosse Gewächse gehören zu meinen Lieblingen dieses Jahrgangs. Grosse Freude war deshalb gesichert, als Herr Voigt den Blanc de Noirs von Kruger-Rumpf vorschlug. An diesem Gang gefiel mir am besten die Basiliumkresse, die der Jakobsmuschel zusammen mit der Kirschtomate zu einer lebendigen Aromatik verhalf. Wie erwartet sehr gediegen dazu der Blanc de Noirs, dem es gelang, die entlegeneren Aromen der Kräuterfocaccia herauszukitzeln.

 

V. Medaillon und Tartar von der Gelbflossenmakrele mit Erbsenallerlei, dazu Churchview Estate, Margaret River unoaked Chardonnay 2007

Das Medaillon von der Gelbflossenmakrele war einer der Höhepunkte des Menus. Besser hätte man es nicht zubereiten können, das relativ feste Fleisch hätte schon für sich allein stehen können und genau deshalb habe ich es getrennt von den Beilagen genossen. Der Chardonnay dazu war mir leider zu lasch, ich wüsste aber aus dem Stand auch nicht, was mir ausser Sake oder Pils besser hätte gefallen können.

 

VI. Cherry Valley Entenbrust mit Rote-Bete-Ravioli, Pak-Choi und Belugalinsen, dazu Domaine de la Martinelle (Beaumes de Venise) Rouge 2008

Ein anderer Höhepunkt des Mahls war der Entengang. Auf die Garkunst von Henri Bach ist Verlass, so dass ich das Entenfleisch nicht noch weiter belobhudeln will. Worauf es mir hier im Gegensatz zur Makrele ankommt, ist die Kunst der Beilage. Das Türmchen von der Roten Bete und der kleine Ravioli mit Roter-Bete-Füllung waren trotz ihrer ja eigentlich erdnahen natur zusammen mit der Ente dem Himmel schon sehr nah. Die Reise wäre aber nicht anzutreten gewesen ohne den roten Beaumes de Venise, eine Gegend, aus der ich bis dahin nur Süssweine getruinken habe. Allein hätte mir dieser Rotwein auch gar nicht geschmeckt, fruchtig war er, erdig, trocken, nicht uncharmant, etwas mehlig, sehr bodennah. Flügel wuchsen ihm erst, als er der Kombination von Ente und Roter Bete den letzten Schliff gab.

 

Wenn mir in einem Restaurant die Sauce besonders gelungen erscheint, dann nehme ich davon gern ein Espressotässchen für den Sologenuss. Hier musste ich ein Tässchen mit dem sensationellen Sesamjus haben, das ich in winzigen Schlückchen zusammen mit dem schon ganz irrational gut dazu passenden Beaumes de Venise wegschlürfte. Perfekt war an dieser Sauce alles, hervorheben muss ich die einzigartige Konsistenz der Sesamkerne. Die waren exakt bissfest, nicht mehr mehlig oder hart, aber auch noch nicht durchgeweicht und matschig, auch keine Abstufung irgendwo dazwischen, sondern exakt auf den Punkt. Sowas macht mich als Sesamfreund glücklich.

 

VII. Geschmorte und kurzgebratene Short Rib vom Angus-Rind mit Poweraden und Perlzwiebelpurée, dazu Côtes de Bourg, Château Falfas "Le Chevalier" 2005 ca. 2/3 Cabernet-Sauvignon und 1/3 Merlot von achtzig Jahre alten Reben, biodynamisch erzeugt

Dieser Wein scheint mir nicht geeignet, im Alleingang den Ruf einer in Vergessenheit geratenen Appellation zu restaurieren. Dazu erscheint er mir zu außergewöhnlich und untypisch für die Region, die ich aber – im Vertrauen – gar nicht besonders gut kenne. Zum geschmorten Rind, das ich mühelos noch Stunden lang hätte essen können, machte sich das Perlzwiebelpurée besonders gut, zum gebratenen Stück gefiel mir die Babyartischocke, deren Name so frappierend an ein isotonisches Getränk erinnert, besser.

 

VIII. Wölkchen von der Passionsfrucht, Sesamkrokant, Kokosnusseis und Zuckerblüte, dazu eine 2006er Riesling Beerenauslese von der Disibodenberger Klostermühle

Zum Passionsfruchtwölkchen hätte ich zu gerne und ganz gegen meine Gewohnheit und Vorliebe eine ältere Fleur de Passion von Diebolt-Vallois getrunken. Herr Voigt hatte aber eine – wahrscheinlich – bessere Idee. Er trug den Hauswein der großen deutschen Energierechtskanzlei Becker Büttner Held auf, deren Namenspartner Christian Held steht hinter diesem Weingut. Dass die Kollegen nicht nur etwas von Energie- und Infrastrukturrecht verstehen, wird schnell klar. Sonntägliches Toastbrot mit dick Butter und Honig drauf, dazu ein schöner Ceylon-Tee – oder ein Schluck vom Disibodenberger, dessen galoppierende Säure nach einem längeren Mahl jeden Schnaps ersetzt. Für das Passionsfruchtwölkchen war das schon eine Herausforderung, Sesamkrokant und Kokoseis dagegen verstanden sich auf Anhieb blendend mit dem Wein.

 

IX. Pitahayacrème mit Knallbrause, weißem Kaffeeeis und Schokobecher

Peta Zeta heisst die Knallbrause. Nun weiss ich es endlich, werde es mir aber wiederum nicht merken können, fürchte ich. Zur Pitahaya, die zu meinen Lieblingsfrüchten gehört, passte sie, so wie sie zu fast allen Desserts gut passen mag. Die Pitahayacrème war indes sehr delikat, mir wäre sie ohne Knalleffekt lieber gewesen. Auch Wein mochte ich dazu nicht kombinieren. Das konnte man schon eher mit dem weissen Kafeeeis machen, das sich ebensogut allein schön wegschlotzen liess. Der Schokobecher, so winzig er letztlich war, kam mir zu dem Zeitpunkt schon sehr mächtig vor. Zur BA passte er besser, als Pitahaya und Kaffeeeis.

 

X. Himbeertörtchen, Orangen-Brombeer-Törtchen, Physalistörtchen und Chilipraliné

Die Törtchen wollte ich eigentlich gar nicht mehr. Zwei Dinge brachten mich dennoch dazu, davon zu probieren. Einerseits: die völlig absurde Überlegung, wenn ich etwas frisches, fruchtiges nehmen würde, hätte das vielleicht eine erfrischende Wirkung und ich könnte mich danach noch dem Käse zuwenden. Andererseits: ausgerechnet die angebotenen Sorten gefielen mir alle sehr gut, einzig die Schokotrüffeltorte liess ich aus. Vielleicht hätte ich davon ein Stückchen nehmen sollen, die Törtchen waren überzeugend. Himbeere, wie ich sie aus meiner Kindheit in Erinnerung habe, Brombeeraroma wie von den Sträuchern die damals direkt neben den Himbeeren standen, Physalis und Orange, die gute Laune verbreiten. Völlig überrumpelt vom plötzlichen Ende meiner gastrointestinalen Aufnahmefähigkeit musste ich auf den Käse dann leider verzichten und trollte mich rüber in den Club B. Und was sich dort noch ergab, darüber bald mehr an dieser Stelle und in der Champagnerdepesche!