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Tag Archives: ruinart

Kleine Champagnerprobe auf Schloss Westerholt

I. Flight
Pierre Peters Perle de Mesnil Blanc de Blancs Grand Cru NV
150000 Fl. p.a.
Liebling der französischen Sternegastronomie. Viel Le-Mesnil-Säure, mit Frucht und Malo abgedämpft. Champagner für Feingeister.

Yves Delozanne Cuvée d’Exception NV (1997)
60000 Fl. p.a.
Je 1/3 PN, CH, PM
Archetypischer Vallée de la Marne Champagner. Mürbe, biscuitig, sehr ausgewogen und schon gut reif, solo besser als mit Begleitung; sympathischer, etwas rustikaler Stil nach Art der Pfalzrieslinge

II. Flight
Michel Gonet Blanc de Blancs Grand Cru 1998, btl. no. 3801
300000 Fl. p.a.
handbemalt
Klassischer Avizechampagner mit einer Perlenkette freundlicher Aromen, von Weissdorn über Nashibirne, Ananas, Weinbergpfirsich hin zu Mandarine, Nektarine und einem Mineralrückgrat, das den Champagner immer aufrecht stehen lässt.

André Clouet Un Jour de 1911 Blanc de Noirs Grand Cru, btl. no. 800, degorgiert am 27. Feb. 2007
65000 Fl. p.a.
25% 1997, 50% 1996, 25% 1995
Grosser Champagner nach Art der Grossväter. Ein Abgrund von Pinot Noir: Erotik im Glas, würzig, weinig, warm, fast schwül, ein richiger Burlesque-Champagner.

III. Flight
Bernard Hatté Rosé NV
40000 Fl. p.a.
100% PN
Winzerrosé aus der östlichen Montagne, Verzenay Grand Cru ist zusammen mit Ay und Ambonnay eines der mächtigsten Pinotterroirs der Champagne – und bernard Hatté macht das Beste draus, je nach Jahr mit Stahltank oder Holzfass, aber immer bis ins Letzte ausgeleuchtete Aromatik, präzise sitzende Säure und ein ruckelfreises Weinvergnügen zum kleinen Preis, leider auch nur in kleiner Menge

Larnaudie-Hirault Rosé Premier Cru NV
30000 Fl. p.a.
20% Rotweinzugabe
Winzerrosé von der westlichen Montagne, Premier Crus aus Trois Puits und Rilly-la-Montagne kommen in diesem Rosé zusammen. Gaumenschmeichler mit viel Rosenblättern, Zitrusschale, Kräuterwürze. Reiner Wein aus dem Stahltank, unverkitscht auf die Flasche gebracht.

IV. Flight
Tarlant Brut Zéro Rosé NV, degorgiert Juni 2006
100000 Fl. p.a.
15% PN, 85% CH
holzfassausgebaut, Rotweinzugabe
Parkers Liebling mit einem innovativen Geschoss. Dass die Tarlants schon seit 50 Jahren mit Extra-Brut hantieren, weiss fast keiner. Deshalb staunt alle Welt immer über diese aus dem Handgelenk geschüttelten Cuvées von Jean-Mary und Benoit Tarlant. Aber diese mühelose entfachte Fruchtexplosion verdankt sich nicht dem Zufall, sondern langer Erfahrung und harter Verkostungsarbeit.

Taittinger Comtes de Champagne Rosé 1997
4,7 Mio. Fl. p.a.
70% PN, 30% CH
Maischekontakt
Der alte Adel unter den grossen Rosés und einer der besten Prestigerosés überhaupt. Trinkt sich hervorragend und kostet im Gegensatz zu den edelrosés der anderen Grosskopfeten nicht die Welt. Taittingertypische Eleganz, sportliche Sehnigkeit, der perfekte Triathlet: gut aussehen, gut duften, gut schmecken.

V. Flight
Regis Fliniaux Cuvée des Signataires NV
20000 Fl. p.a.
50% PN, 50% CH
holzfassausgebaut
Das Genie aus Ay, leider ständig ausverkauft, aber wenn man Regis mal vor dem ersten Hahnenschrei in seiner Heimstätte beim Dégorgieren (alles von Hand!) überrascht, dann darf man auch ein paar Flaschen mitnehmen. Die Signataires sind ein Wahnsinn aus Kirsche, Banane, Ananas, Mango, Passionsfrucht, mit spritziger Säure und gutem Kehlenprofil.

2003 by Bollinger
1,3 Mio. Fl. p.a.
70% PN, 30% CH
holzfassausgebaut
Hommage an ein desaströses Jahr. Einer der merkwürdigsten Champagner der letzten Jahre, hing zuerst wie ein toter Wellensittich im Glas, entwickelt sich aber seit etwa einem jahr immer besser und rollt unaufhaltsam auf seinen wahrscheinlich recht baldigen Reifehöhepunkt zu. Kaffee, Toffee, viel Apfel, wenig Säure, Mürbeteig, mineralisch-jodige Noten. Sicher nicht für jeden ein Genuss, aber auf jeden Fall eine Besonderheit.

VI. Flight
Moet et Chandon – Dom Pérignon 1998
26 Mio. Fl. p.a.
50% PN, 50% CH
Der Mönch und die Mode – von Lagerfeld aufwendig in Szene gesetzt und von den Stars und Sternchen weltweit mehr oder minder besinnungslos weggeschlürft. Dabei verdient dieser Champagner und dieser Jahrgang eine genauere Betrachtung und eingehendere Würdigung; sicher: als überragend werden 98, 99, 00, 01 nicht in die Geschichte der Champagne eingehen – aber das gilt auch für 1987, 1995 und 1997. Und aus diesen Jahren gibt es sensationelle Champagner. Das wiederum zeigt: der Könner im Keller kann was draus machen. Beim Dom hat es geklappt. Kein Dom vom Kaliber eines 90 oder 96, aber einer mit einem eigenständigen, bodennahen Profil, fast ein wenig back to the roots. Mineralisch, sehr viel Toast, Kräuter, die typisch dommige Leichtigkeit und die ständige Verwandlung und weiterentwicklung im Glas machen aus diesem Champagner dann doch noch einen würdigen Dom.

Gosset Celebris 1998
900000Fl. p.a.
36% PN, 64% CH
kein BSA; Holzfassausbau
Champagner vom ältesten Weinhaus der Champagne. Völlig anders als der durchgeistigte Mönch. Von Anfang an präsent, mit starker Stimme, starken Aromen, starker Säure, von allem etwas, ohne dass man das Gefühl des non multa sed multum bekommt. Starke performance dieses etwas aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit gerutschten Hauses.

Santadi, Cusumano, Roda

I. Cantina di Santadi
Die Edelgenossen aus Sardinien wandeln mit ihren Weinen auf den Spuren von Tignanello und Sassicaia.

1. Antigua 2007
85% Monica, 15% Carignan. Waldbeeren und Garrigue, Blüten, frische Säure, leicht vegetabil.

2. Grotta Rossa 2007
100% Carignan. Fruchtbetont bis rosinig, vanillig, internationaler, etwas beliebiger Stil.

3. Araja 2006
85% Carignan, 15% Sangiovese. Kirschig, kernige, ansprechende Säure, Früchtebrot.

4. Rocca Rubia 2006
100% Carignan. Deutlich komplexer, als der Grotta Rossa, breiteres, elegant aufgefächertes Aromenspektrum, Kirsche, Pflaumenmus, Röstnoten, Weihrauch, sehr weiche, feine Tannine.

5. Terre Brune 2004
85% Carignan, 15% Bovaldeddu
Orientalische Würze wie auf einem Bazar zu Zeiten der Kreuzfahrer, jede Menge Trockenobst, aber auch viele saftige, noch nicht massivsüsse, sondern lebhafte, herbfrische Säure enthaltende Obstnoten von Kirsche, Cranberry, Brombeer, Cassis. Im Mund genauso komplex. In kleinen Schlucken zeigen sich dann die Aromen in ihrer ganz Pracht und verschenderischen Vielfalt in bunter Folge. Kein Wunder, dass jeder bessere Italiener diesen Wein im Programm hat, der mit knapp 35 EUR/Fl. deutlich unter den vielbeschwafelten Supertoskanern liegt.

II. Cusumano
Was wäre Sizilien ohne Cusumano? Kaum ein anderer Erzeuger versteht sich so gut darauf, die nicht immer ganz einfachen autochthonen Rebsorten einem breiten Publikum verständlich und schmackhaft zu machen. Behilflich sind ihm dabei moderne Kellertechnik, Stahltank, Einellagenvinifikation, gekonnte Rebsortenmixe und gern auch mal das Barrique.

1. Pinot Nero
Leider ein schlechter Einstieg. Kein Wein, den man haben muss. passt überhaupt nicht in das Programm und scheinbar auch nicht zum Klima. Null Rebsortentypizität, schmeckte wie mit Süßstoff verkochte Marmelade.

2. Benuara 2007
Nero d’Avola, Syrah
Den Benuara kennt man. Für mich einer der Prototypen des neuen sizilianischen Weins. Schwungvoll inszeniert, Kraft und Stärke ganz ohne Barrique.

3. Sàgana 2005
Nero d’Avola
Schwarze Beeren über schwarze Beeren. Und nicht in profanen Plastikracks transportiert, sondern mit einem Duft von Zigarrenkiste und Abenteuer. Geordnetes Tannin, das nur milde in der Backe piekst.

4. Noà 2006
Nero d’Avola, Cabernet, Merlot
Medizinaler, gleichzeitig etwas feuriger, hitziger Auftritt in der Nase, verbranntes Bouquet Garni. Natürlich auch wieder sehr viel reifes Beerenobst. Im Mund kraftvoll, leicht spritig, mit sehr viel reifem, süßlichem Tannin, vielleicht aber auch nur Glycerin.

III. Bodegas Roda, Rioja
Liebhaberprojekt in der schon damals (80er Jahre) eigentlich als ausgelutscht geltenden Gegend Rioja.

1. Roda 2003
Tempranillo, Grenache, Graciano
Früher Roda II, jetzt ein eigenständiger Wein, der aus dem Schatten eines nicht ganz so berfiedigenden Zweitweindaseins herausgetreten ist. Eau de Vie de Kirsch mit viel Spiel und ohne störenden Sprit, mit süßem Kakao, weichem Tannin und milder Röstnote.

2. Roda 2004
Tempranillo, Grenache, Graciano
Etwas praller, straffer, vorwärtsdrängender als der 2003er und um eine Nuance kühler wirkend, ebenfalls mit viel Kirsche und Beerenobst, aber noch nicht so fortgeschritten. Ansprechende Säure und mit 14% Vol. Alc. noch keineswegs spritig.

3. Roda I 2004
Tempranillo
Trotz allem die Steigerung zum Roda, konzentrierter, dichter gepackt, da scheint kein Licht durch. Ein ganz besonderes Vergnügen bereitet dieser Wein in Kombination mit frischem Weissbrot + einem fruchtigen Olivenöl (Roda hat auch selbst welches) und einem Bröckchen Milchschokolade.

4. Cirsion 2006
Tempranillo
Die Selektionsselektion oder purster Purismus. Jede der auf den Punkt gereiften Trauben von alten Reben wird handselektiert und ergibt nach sorgfältigem Fassausbau und langer Flaschenruhe die Staatsgaleere unter den Rodaweinen. Vielschichtig wie Damaszenerstahl, messerscharf umrissene Aromen, die von Pflaumenmus über Kirschmarmelade, frisch gerösteten Kaffee und warme Baumrinde, Kräutersträuße und Unterholz reichlich vorhanden sind. Der erste Schluck wirkt wie ein Knebel, so riesig ist die Aromenentfaltung. Einer der wirklich großen Spanier (und sicher keines von diesen weitverbreiteten Preisleistungswundern), allerdings zum großen Preis. Selbst der gegenüber modernen Spaniern oft kritische und mit Punkten geizige Guia Penin zeigte sich angetan.

Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz prämiert deutsche Sekte

Bei der Landesprämierung für Wein und Sekt 2009 wurden 554 Sekte aus den sechs rheinland-pfälzischen Anbaugebieten mit Gold, Silber oder Bronze ausgezeichnet. Mit 268 Prämierungen lag die Pfalz vorne, gefolgt von der Mosel mit 169 und Rheinhessen mit 92. Ein aussagekräftiger Vergleich ist nur in den drei großen Anbaugebieten möglich. Die erfolgreichsten Be­triebe sind:

 

  • an der Mosel das Sekt- und Weingut St. Laurentius in Leiwen mit 10 mal Gold, die Saar-Mosel-Winzersekt GmbH in Trier (3 Gold, 1 Silber, 1 Bronze), die Staatliche Weinbaudomäne in Trier (3 Gold, 2 Silber) und das Weingut Hank in Mehring (3 Gold, 1 Silber),
  • in Rheinhessen das Weingut Kurt Erbeldinger in Bechtheim (7 Gold, 3 Silber, 1 Bronze), das Wein­gut Posthof in Stadecken-Elsheim (5 Gold, 1 Silber)  sowie die Weingüter Gres (Appenheim) und Pitthan (Zotzenheim) mit je 3 Gold,
  • in der Pfalz das Sektgut Martinushof in Niederkirchen (8 Gold, 1 Silber), die Sektkellerei Schloss Wachenheim (7 Gold, 9 Silber), das Wein- und Sektgut Wilhelmshof in Siebeldingen (5 Gold, 2 Sil­ber, 1 Bronze) und Holz-Weisbrodt in Weisenheim am Berg (3 Gold, 3 Silber).

Alle prämierten Sekte und ihre Erzeuger finden sie unter www.praemierung-rlp.de.

Zur Pressemitteilung: http://www.lwk-rlp.de/content.jsp?kontext=lwk_presse&auswahl=6583

Halwart Schrader: Die besten Champagnerlagen

Halwart Schrader: Die besten Champagnerlagen

Hoffmann-Verlag, Gerlingen, 1. Auflage 2005, 328 S. – ISBN: 3935834187

Im praktischen Format und mit champagnerabweisendem Einband kommt dieser kleine Champagnerführer daher. Es gibt eine kurze, aber rundherum zufriedenstellende, pflichtgemäße Einführung in Geschichte, Herstellung und ein wenig darüber hinaus reichendes Nutz-Wissen rund um den Champagner. Schrader erklärt dabei, dass die Auswahl und Beurteilung völlig subjektiv (was nicht heißt: willkürlich) erfolgt ist und Punkte nicht vergeben werden. Das nimmt dem Werk die autoritäre Aura eines großkopfeten, mit apodiktischen Urteilen durchsetzten Standardführers und gibt dem Büchlein einen sympathischen touch. Etwas genauer hätten die Ausführungen zu den zugelassenen Rebsorten sein können, dann wäre die Irritation angesichts der von Robert Dufours Pinot-Blanc Champagner später nicht so groß. Sehr dankenswert sind die Ausführungen zur Arbeit im Weinberg, speziell zum Rebenschnitt, einem großen Mysterium für viele Champagnerfreunde. Die Erläuterungen zu den Analysewerten des Champagners sind auch für Nichtchemiker gut verständlich und ich habe Vergleichbares bei anderen Champagnerbüchern immer vermisst.

 

Dann geht es auf S. 41 auch schon los mit den Champagnerhäusern. Der Autor nimmt uns mit auf eine Tour durch die Champagne, die er kurzerhand in sechs Regionen gliedert. Ob es dabei unbedingt nötig gewesen wäre, die Côte des Bar zwei zuteilen, mag dahin stehen. Die Vorstellung der einzelnen Erzeuger folgt einem bewährten Muster: Adresse und Anfahrtsbeschreibung – was angesichts der zum Teil sehr dörfischen Verhältnisse in der Champagne profonde sehr zu begrüßen ist -, danach Besuch und Degustation, garniert von ein paar mal besseren, mal nicht so überzeugenden Farbaufnahmen und einem Bezugsquellennachweis, soweit möglich. Das ist leider auch schon ein Hauptangriffspunkt für das Werk, denn der Bezugsquellennachweis ist nicht sehr zuverlässig und der interessierte Kunde wird, oft ganz und gar unzutreffend, auf Hawesko verwiesen, manchmal auch an Händler, die den betreffenden Champagner gar nicht führen, zum Teil werden gar keine Bezugsquellen für Deutschland benannt, obwohl es durchaus gut zugängliche Lieferanten gibt. Zwar findet in der Champagnerbranche ein Bäumchen-wechsle-dich-Spiel statt, das den Überblick leicht verlieren lässt, aber gerade deshalb ist ein ambitionierter Weinführer doch in der Regel auch ein Einkaufsführer.

 

Die Degustationsnotizen lesen sich gut und nachvollziehbar, sind nicht von unnötiger Weinansprache durchsetzt und langweilen keineswegs. Lediglich die Reihenfolge der aufgeführten Champagner könnte durchgehend stringenter sein, so ist es z.B. nicht angezeigt, erst die Belle-Epoque Rosé, dann die Belle-Epoque Blanc und danach den Millésime von Perrier-Jouet zu trinken. Die umgekehrte Reihenfolge wäre folgerichtig. Bei Salon entsteht zudem der Eindruck, dass der Autor diesen außergewöhnlichen und legendären Champagner gar nicht verkostet hat. Das ist aber lässlich, denn Schrader besucht neben den sowieso bekannten und berühmten Häusern auch eine ganze Reihe kleiner Erzeuger, an denen man sonst vielleicht vorbeifahren würde, die man niemals aufsuchen würde oder von denen man einfach bis dato zu Unrecht nie gehört hat. Da liegt ein wichtiges Verdienst dieses Entdeckungsreisenden, der dabei nicht selten mit Richard Juhlin über Kreuz liegt. So fand Juhlin Gallimards Rosé fehlerhaft und vergab 30/100 Punkte, was nahezu untrinkbar bedeutet; Schrader lässt den Champagner hingegen mit herben Kräuternoten und Calvados zu jedem Hauptgericht passen. Das muss jedoch nicht beunruhigen, denn Schrader weist den Leser ja schon zu Beginn auf seine Subjektivität hin und als einigermaßen geschulter und interessierter Champagnerfreund kann man durchaus wissen, dass auch ein Richard Juhlin – auf den Schrader in Zusammenhang mit Diebolt-Vallois auch Bezug nimmt – seine Eigenheiten hat.

 

Ausgesprochen engagiert ist es, dass der Autor offensichtlich den Weg bis in das doch recht abgelegene Serzy-et-Prin auf sich nahm, um den Winzer Yves Delozanne aufzusuchen – einen der zahlreichen Winzer in dieser sehr weit westlich gelegenen Region der Champagne, die mit einem hohen Anteil Meunier arbeiten und dabei mehr als nur vorzeigbare Resultate erzielen. Dass Jacky Charpentiers leider überraschend knapp beschriebene Cuvée Pierre-Henri überwiegend aus Pinot Noir besteht, ist richtig, die im Buch ausgewiesenen 30% Chardonnay dürften jedoch falsch sein. Bei Laurent-Perriers Spitzencuvée hätte ich mir gewünscht, dass der Autor etwas stärker auf das Multi-Vintage Konzept eingeht, was er schon bei Krugs Grande Cuvée versäumt. Bei Bollinger hätte ein Hinweis auf die Vieilles Vignes Francaises nicht fehlen dürfen, auch verwundert es, dass Schrader den relativ bekannten Stillwein Côtes aux Enfants mit keinem Wort würdigt. Dem Buch hätte letztlich eine sorgfältigere Fehlerkorrektur gut zu Gesicht gestanden, denn der Lesespass wird durch die übermäßig vielen Rechtschreibfehler getrübt – das ist vor allem deshalb schade, weil Schrader einen angenehm lesbaren, leichtfüßigen Schreibstil hat, der den Leser förmlich mit in die Probierstube des Winzers nimmt.

 

Abgeschlossen wird das Buch von einem kleinen Französisch-Deutschen Wörterbuch, das als Kommunikationshilfe beim Champagnerkauf dienen soll und auf gerade einmal dreieinhalb Seiten die wichtigsten Vokabeln dazu versammelt. Daran schließt sich ein nach Regionen gegliederter Suchbereich an, in dem noch einmal alle besprochenen Champagnerhäuser jeweils alphabetisch gegliedert aufgeführt werden.

 

Alles in allem eine gelungene Erstauflage, der hoffentlich noch zahlreiche weitere folgen werden. Die zahlreichen Fehler sind nicht fachlicher Natur, sondern dem Verlag anzulasten, der nicht beim Lektorat sparen darf. Abschließend hervorzuheben ist noch die beigefügte DIN A4 große Faltkarte, auf der die wichtigsten Ortschaften gekennzeichnet sind, was die Reiseplanung enorm erleichtert. Für gerade einmal 22,00 EUR ist "Die besten Champagnerlagen" ein ausgesprochen empfehlenswerter, lesenswerter und unverkrampft ambitionierter Führer, der nicht nur Champagneranfängern, sondern auch Fortgeschrittenen echten Nutzen beschert.

Junglas/Knoll: Das große Buch vom Sekt

Das große Buch vom Sekt

Wolfgang Junglas, Rudolf Knoll

Societäts-Verlag, 2008

152 Seiten, leinengebunden mit Schutzumschlag

€ 24,90

ISBN: 978-3-7973-1098

Das wertig ausgestatte Buch erweckt auf Anhieb gar nicht den Eindruck, als sei es das große Buch vom Sekt. Sicher, die impressionistische Umschlagabbildung mit den ausgelassenen Schaumweinschlürfern wirkt animierend, stellt einen historischen Bezug her und lässt Ambition ebenso ahnen, wie der Titel. Aber auf gerade einmal 150 Seiten? Nun, um es kurz zu machen: es ist ein gutes Buch vom Sekt und es trägt den Besonderheiten des Markts Rechnung.

Ein obligatorischer Geschichtsabriss vorweg, die drei großen Sekthersteller als Starter und an dieser Stelle fällt bereits auf, dass das Buch zwar einiges über Verkaufszahlen und Sekt-Geschichte(n) nebst ansprechenden Photographien preisgibt, aber leider nur wenige Verkostungsnotizen. Es mag ja durchaus sein, dass die Sekte der zu Henkell & Co. gehörigen Kurpfalz Sektkellerei Speyer vor Ort gut eingeführt sind, ob es aber auch Beweisanzeichen für besondere oder zumindest nennenswerte Güte dieser Produkte gibt, ist für den außerpfälzischen Leser ohne direkten Zugriff auf diese Sekte gleichwohl nicht uninteressant. Die Autoren werden sich ja der Verkostung nicht entzogen haben, wie die Zeilen zum Fürst von Metternich zeigen, aber gerade wenn man sich mit dem Phänomen der im Supermarkt verkauften Sekte auseinandersetzt, sollte man seine Leser etwas an der Probenarbeit teilhaben lassen.

Es folgen in alphabetischer Reihe die kleineren, feinen Produzenten, regionale Sektkellereien und Winzersekte, bevor ein Sektlexikon den Abschluss macht. Sehr erfreulich ist dabei, dass zu Beginn eines jeden Kapitels gleichsam ein Obersatz vorangestellt wird, der erklärt, welches die Kriterien für die Aufnahme eines Erzeugers in eben dieses und nicht ein anderes Kapitel sind. Über die konkrete Einordnungmag man streiten, die Methode an sich ist gut.

Neben den – eigentlich in der Vergangenheit mit höherer Berechtigung als heute – vielbeschriebenen Wundertieren von Andres & Mugler (Pfalz) finden sich so exzellente Erzeuger wie Norbert Bardong (Rheingau – der Geisenheimer Schlossgarten, spät degorgiert, kann regelrecht traumhaft sein, wenn er nicht zu viel Schwefel abbekommen hat) und die Sektmanufaktur Lergenmüller aus der Pfalz (deren Stärke nicht nur beim Rotwein liegt, sondern, nach intensiver Erforschung des Sprudelns nicht nur der Champagne, durchaus und gerade beim vollmundigen, speiseaffinen Sekt). Natürlich fehlen Menger-Krug und Ohlig genauso wenig, wie die jeweils recht unterschiedlichen Raumland, Reinecker, Schloss Vaux, Schloss Wackerbarth oder der Wilhelmshof. Jeder Erzeuger wird mit ein paar salongastgeberhaften Worten vorgestellt und es entsteht flott der Eindruck, dass Autoren und Erzeuger einander persönlich und zum Teil schon lange kennen. Dem Lesespass kommt das zugute; auch das Gefühl, die Informationen gleichsam wie bei einem Kamingespräch mit dem Winzer selbst zu erlangen, fördert den Eindruck, hier den richtigen Griff getan zu haben.

Die regionalen Sektkellereien prunken nicht mit Namen, die sich Sektliebhaber mit dem Hinweis zuflüstern, einen absoluten Wahnsinnserzeuger ausfindig gemacht zu haben, aber es wird solider Mittelstand geboten. Mehr dürfte auch kaum möglich sein. Affaltrach, Bernard-Massard, Brogsitter und Herr von Canal geben sich unter anderem die Ehre, die älteste badische Sektkellerei Schweickert kann ebenfalls aufwarten und wird richtigerweise wohlwollend besprochen.

Der vielleicht spannendste, individuellste Teil des Buchs ist dann der mit den Winzersekten. Dass das Kapitel mit der Winzergenossenschaft Alde Gott beginnt, ist nicht recht einzusehen, aber im Gegenzug findet sich der Spitzensekt des Weinguts Georg Breuer ebenso wieder, wie das sprudelnde Dorsheimer Goldloch von Diel. Schade ist indes, dass der ausgezeichnete Forster Pechstein Brut vom Reichsrat von Buhl im Buch nicht aufzufinden ist. Ebenfalls reizvoll wäre es für den Leser gewesen, etwas mehr über den Nobling-Sekt der WG Britzingen zu erfahren. Das Weingut Heid aus Fellbach hat die lobende Erwähnung sicher verdient, die immer wieder eingeflochtenen Verweise auf die für sich betrachtet ja keineswegs schlechte Zeitschrift Vinum sind hingegen meiner Ansicht nach entbehrlich. Klar, dass das Weingut Kirsten aus Klüsserath nicht fehlt; ich bedauere aber aus- und nachdrücklich, dass die überragenden Sekte von Schloss Sommerhausen (etwa der nach 6 – 7 Jahren degorgierte Riesling Brut) ganz und gar nicht besprochen werden, da hilft auch die sehr kurze Besprechung des Weinguts Köwerich nicht weiter. Im Übrigen sind natürlich auch die Battenfeld-Spanier, Ratzenberger, Rebholz und Geheimrat J. Wegeler enthalten, schmerzlich vermisst werden hingegen Sekte von Produzenten wie Alfons Stoffel aus Leiwen oder vom Obermenniger Weingut Rausch.

Das grosse Buch vom Sekt hat also erstaunlich viel zu bieten. Große Namen, in persönlichen Gesprächen gesammeltes Hintergrundwissen und einen angenehm lesbaren Schreibstil. Schwächen sehe ich beim Herausarbeiten der Eigenschaften einzelner Sekte, auch fehlen technische Werte, die über die Rebsortenzusammensetzung hinausgehen, fast völlig. Echte Geheimtips finden sich eigentlich nicht und auch mancher bekannte und in der Trinkpraxis bewährte Name hätte sicher noch hineingepasst. Um also dem Anspruch eines großen Buchs vom Sekt gerecht zu werden, müsste noch einiges nachgefüttert werden. Das Konzept, vielleicht um ein paar Werbeaussagen erleichtert, gefällt aber. Es ist deshalb ein gutes Buch vom Sekt.

Jean-Mary Tarlant ist Chef der Champagnerwinzer

Mit 26 von 43 Stimmen wurde Jean-Mary Tarlant am 8. Dezember zum Präsidenten der Vereinigung der Champagnerwinzer gewählt. Der 58-jährige ist gleichzeitig Seniorchef des gleichnamigen Champagnerguts aus Oeuilly.

Sohn Benoit hat mit Champagnern wie Cuvée Louis (bei Parker hoch bepunktet), QV Discobitch (website: http://champagne.typepad.com/discobitch/) und den Spezialeditionen Vignes  d’Antan (ungepfropfter Chardonnay) und Vignes d’Or (100% Pinot Meunier) in den unterschiedlichsten Bereichen für Furore gesorgt.

zu Champagne Tarlant: www.tarlant.com

peek-a-boo: Neue Welt

Roadshow Freund/Pacific Wine im Interconti, Düsseldorf, 08. Sep. 2009

I. Schug

Walter Schugs Carneros Estate liegt in der kühleren Sonoma-Küstenzone, daher die Konzentration auf Pinotrebsorten. Morgendlicher Nebel hüllt die Trauben im Sommer oft bis zur Mittagszeit ein, bevor Sonne und der ständig fächelnde, mitunter heftig pustende Wind ihn auflösen.

1. Pinot-Noir Sonoma Coast 2007

Europäisch anmutender, holzarmer Stil, Konzentration auf schlanke Mineralität und rotes Beerenobst

2. Pinot Noir Carneros 2007

Griffig, stärker holzgeprägt (neun Monate in frz. Barriques, davon 30% neues Holz), bei gleichbleibend kühler Stilistik

3. Pinot Noir Heritage Reserve Carneros 2006

40% neues französisches Barrique, bissig, mit viel Kirsche und einer leicht dropsigen Art

II. Shafer

Im Stag’s Leap zu Hause und prominent vor allem wegen des Hillside Select Cabernet. Der Relentless ist praktisch das Rhônegegenstück dazu.

1. Relentless 2004

80% Syrah, 20% Petit Syrah, satte 30 Monate im Barrique, dunkelst, dickflüssig, wälzt sich der Wein wie Lava ins Glas. Opulente, schwarzbeerige, etwas rosinige Nase mit Zedernholz und Muskatnuss, im Mund weich, dicht, amaronig mit einem Veilchenblütenbelag am Gaumen, sehr lang

III. Francis Ford Coppola

1. Pinot Noir Silver Label Diamond Collection 2007

Eukalyptus-Mentholnase, Erdbeer-Himbeermix, gut strukturierter, ganz munterer Wein

2. Cabernet-Sauvignon Ivory Label Diamond Collection 2006

Weiche an Kirschjoghurt erinnernde, milde Neuweltnase, mit einer Spur Graphit. Im Mund leicht, flauschig, wie Trinkjoghurt, süssliche Art. Nicht mein Fall.

3. Director’s Cut Pinot Noir 2007

Zwölf Monate in 60% neuen Barriques lassen Veilchen, Lavendel und Kräuter im Wein zum Vorschein kommen. Auch eine etwas herb-muffelige Note ist darunter, gefällt mir nicht so kolossal und ist auch nicht besonders lang, Sonoma geht auch besser.

4. Director’s Cut Cabernet-Sauvignon Alexander Valley 2006

24 Monate in 60% neuen Barriques, duftet aber nicht vollgeholzt; kraftvoll, saftig, ziemlich konzentriert, im Mund kühlend, balsamisch. Cassis und Kräuteraromen.

IV. Rubicon Estate (früher: Niebaum-Coppola Estate)

Das Weingut im Weingut. Von Gustav Niebaum als Inglenook-Winery gegründet und von Francis Ford Coppola wiederbelebt.

1. Rubicon Estate Rutherford Cask C-S 2005

22 Monate in amerikanischen 500-Liter-Fässern, Trauben aus den Lagen Cohn und Chateau, Biozertifizierung. Bordeauxansatz, mit Graphit und feinem Sauerkirsch-Cassiston, unaufdringliche Vanille, im Mund mit einer gewissen Schärfe, pfeffrig, mit roter, süsser Paprika, wenig Säure, etwas frühreifes Tannin.

2. Rubicon Estate Garden Vineyard 2005

Genetisch ist Klon 29 identisch mit den Bordeauxklonen, die Niebaum in den 1880er Jahren aus Frankreich mitbrachte, weinhistorisch eine Besonderheit, die nur bei Rubicon wächst. 22 Monate in neuen französischen Barriques, 98,5% Cabernet-Sauvignon und 1,5% Petit Verdot. In der Nase Veilchen, Lavendel, Bitterschokolade, rosinierte Aromen, Trockenobst, von allem etwas, für meinen Geschmack too much.

V. Parducci Wine Cellars, Mendocino

Weingut mit ausgeglichener CO2-Bilanz.

1. Cabernet-Sauvignon Mendocino 2005

Schöner, fülliger Anfang, dann ist der Wein leider sehr schnell weg und hinterlässt lediglich einen milchigen Belag auf der Zunge.

VI. Stag’s Leap Wine Cellars

Berühmt wurde das Weingut durch das Spurrier-Tasting 1976 in Paris, als es namhafte Großgewächse aus Bordeaux auf die Plätze verwies. Seither hat sich das Gut mit seinen rebsortenreinen Weinen unter den Spitzenerzeugern der Welt fest etabliert. Die Stilistik orientiert sich an dem Motto „eiserne Faust im Samthandschuh“.

1. Hawk Crest C-S 2004

Einsteigerwein mit etwas zu viel ladybird taint, reichlich Tannin, kraftvoller, massiger Statur und mittlerer Länge.

2. Artemis 2005

18 Monate in 33% neuem französischem Holz. 92% Cabernet-Sauvignon, 8% Merlot, minimale Anteile Cabernet Franc und Petit Verdot. Cassis, Räuchernoten, Kirsche, Zigarrenkiste, Paprika, viel gebändigte Kraft, ein feiner, dicht an Bordeaux angelehnter Wein.

3. Fay Vineyard 2005

Zusammen mit der benachbarten SLV Parzelle das Kernstück des Weinguts. 24 Monat in 70% neuem französischem Holz. Milchschokolade, Graphit, Schwarzkirsche, erstaunlich dezentes Holz, florale Noten, seidiges Tannin, einer meiner absoluten Favoriten.

4. Stag’s Leap Vineyard (SLV) 2005

24 Monate in 43% neuem französischem Holz, das hier aber wesentlich stärker durchkommt, als beim Fay. Auch ein sehr schöner Cabernet, konzentriert, erinnert an Muscovadozucker, beinahe feurig, gleichzeitig mit kühlen mineralischen Noten und Graphit, gleichzeitig komplexe Kräuteraromatik, warmes, samtiges Mundgefühl.

5. Cask 23, 2004

24 Monate in 58% neuem französischem Holz. Elegante Kombination aus Fay und SLV, bewegt sich von der Leichtigkeit und Eleganz her genau in der Mitte zwischen beiden. Ein Pott voll dunkler Brombeeren, der aber dank einer kühlen mineralischen Note nicht pampig, breitgelatscht oder marmeladig wirkt. Herbes, gesundes Tannin zähmt die überbordende Frucht und macht den Wein zum Kraftsportler. Lagerwein.

Nochmal reingespitzt in Nelson Müllers Schote

I. Amuse Gueule: Thunfisch Teriyaki mit Melonenkügelchen, dazu: Champagne Lanson Rosé

Der Thunfischhappen war fest, aromatisch und mit unaufdringlich angeröstetem Sesam ummantelt, beide verschmolzen mit dem kräftigen Lannson Rosé. Die angenehm reifsüssen Melonenkügelchen passetn sehr gut zum hun, weniger gut zum Champagner.

***

II. Trio vom Bachsaibling in Gewürzorangen gebeizt, mit marinierten Schwarzwurzeln, dazu: weiterhin Champagne Lanson Rosé

Festes Fleisch vom Bachsaibling in der geräucherten und in der gravad Variante, dezentes Aroma in der Schäumchenvariante mit Pumpernickel, zu jeder Variante passte der Champagner ganz exzellent.

***

III. Borschtsch von Flusskrebsen mit Sauerrahm, dazu Caspary, Riesling feinherb 2007

Klare, minimalistische, mit großzügiger Flusskrebsfleischgarnitur versehene Rote-Bete-Suppe, auf den Punkt gegartes, Karotten- und Zucchini-Gemüse drin, dazu der feinherbe Riesling, wunderbar. Allein war mir der Riesling etwas zu platt, zum Borschtsch dagegen eine willkommene Ergänzung.

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IV. Heilbutt im Kartoffelmantel mit Steinpilzen, dazu: Cloudy Bay Sauvignon-Blanc 2006

Auch der Heilbutt war gekonnt zubereitet, mit festem, aber leicht zu trennendem Fleisch und einem hauchdünnen Kartoffelscheibenmantel, der das fischeigene Aroma verfeinert bzur Geltung kommen ließ. Das charakteristische Cloudy-Bay-Aromenspiel trat hier insbesondere mit roten Johannisbeeren hervor, im übrigen wäre der Cloudy Bay mir als Solist etwas zu lahm und kurz gewesen.

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V. Pochiertes Kalbsfilet mit Ziegenfrischkäse und Piemonteser Spinat und weissem Alba Trüffel, dazu: Tempranillo Rioja Crianza

Zartes Milchkalbfleisch mit grosszügig getrüffeltem Spinat ist schon eine schöne Kombination. Ebenso milchig und zart wie das Fleisch waren die Ziegenfrischkäsewürfelchen, die sich bestens mit dem Spinat vertrugen. Sehr recht war mir dazu der jugendliche 100% Tempranillo aus Rioja, dessen Namen ich allerdings nicht notiert habe.

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VI. Hirschkalbrücken mit Selleriemousseline, Quittenkompott, und Holunderjus, dazu: Bove Indio Montepulciano d’Abruzzo 2005

Auch für sehr kritische Fleischesser ein Vergnügen war der perfekt gegarte Hirsch. Eine Millimeter dicke braune Umrandung, im Kern gleichmäßig zartrosa, aber nicht mehr blutig-roh. Kontrastierend dazu die Selleriemousseline, vermittelnd die fruchtigen Aromen von Quittenkompott und dem kräftigen Holunderjus, das ganze in einer sehr würzigen Natursauce, da kam der kraftvoll kirschige Montepulciano gerade recht. Mit seiner konzentrierten, fast passitohaften Würze ein starker Partner für den Hirsch.

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VII. Lauwarmer Lebkuchen mit Portweinbuttereis und Bratapfel, dazu: Banyuls 1998

Der Bratapfel mit Marzipanfüllung als Bindeglied zwischen dem erdig-weihnachtlich-würzigen Lebkuchen und dem fruchtigen, erfrischenden Portweineis war eine sehr gute Idee, das selbe kann man vom Banyuls sagen, der sich wie ein Tawny Port ausnahm und mit seiner minimal malzigen, vielleicht auch ganz mild zimtigen Note jede Komponente des Desserts umschmeichelte.

Bordeauxsause in der Gesellschaft Harmonie

A. Bordeaux

Opener: Jakob Neumer, Riesling, Uelversheimer Tafelstein 2005

I.1 1986 Beau-Séjour Bécot

Entwickelte, rotbeerige, mit Pflaumenmus angereicherte Nase, im Mund crèmig, leicht, mittellang, wenig, aber milde, reife Säure (85)

I.2 1989 Grand Puy Ducasse
Dunkel, würzig, cassis- und graphitdurchsetzte Nase mit grtrocknetem Kräutersträußchen. Im Mund kühl, gegenüber dem Beauséjour länger und entwicklungsfreudiger (86)

II.1 1987 La Mission Haut Brion
Von Beginn an starke, sehr präsente Nase, erinnert vom Grundton an den heißen Fettrand vom T-Bone Steak, dazu Eau de Vie de Kirsch und Preiselbeersauce, zwischen Rosenblüten und Minzblättern, später auch mit Nivea eingecremtes Wildleder, etwas balsamisch; im Mund dann eine passgenaue Struktur, entwickelt, dabei butterweiches Tannin (92)

II.2 1991 La Mission Haut Brion
Zunächst eine etwas angebrannte Liebstöckelnase und Brombeeren, wirkt ganz stattlich, im Mund dennoch etwas flacher, dünner, gleichzeitig seidiger als der 87er, entwickelt sich mit Luft noch ganz erfreulich und macht in fünf Jahren vielleicht sogar noch mehr Spass (89+)

III.1 1991 Talbot

Reisgebäcknase, Schmoraromen, Spuren von Liebstöckel, kirschfruchtige Nase, Mandelkerne. Etwas enggeschnürt, aber zum Roastbeef genau richtig (83)

III.2 1986 Clos du Marquis
Mein erster Gedanke: Opas letzter Ständer, dafür aber ganz schön hart. Griffig, stahlig, etwas hartes Tannin, im Mund eher mehlig, wie angetrockneter Cassis de Dijon. Vielleicht totdekantiert?

IV.1 1990 Cissac
Offene, freundliche Nase mürbe und weich, aber eher kühl. Auch im Mund Kühl, mineralisch, mit etwas Luft rund, weich und mit seinem kräftigen Tannin auch nicht ungefällig. Gegen Ende etwas breit und alkoholisch (84)

IV.2 1988 Les Forts de Latour
Maskuliner Wein, der trotz Kokos und Schokospuren viel Graphit und Härte zeigt, mit Luft entwickelt sich bisschen Beerenfrucht. Im Mund gezehrt, dabei unfokussiert wie ein Marshmallow, auf dem letzten Viertel noch etwas griffiges Tannin (83)

V.1 1989 Cantemerle
Unter dem Duft von Pillenbox Pflaume und Brombeere, Maulbeere, im Mund jugendlich, glatt und regelrecht smart. klassische Schönheit, auf den Punkt gebrachter Wein, sehr erfreulich, der sich mit und ohne Begelitung in Höchtsform zeigt (91+)

V.2 1989 Rausan-Segla
Nase von Sauce Griottine, Limetten-Pfeffer-Himbeer-Mix, feine Noten von Eukalyptus und Menthol und Wacholder. Im Mund saftig, der reinste Rollbraten, kräftige Struktur, voll ausgerollter roter Teppich. (92-93)

VI.1 1988 Pape Clement
Minzige, balsamische Nase, bei beiden Weinen des flights nur verschwindende Unebenheiten und Unterschiede in der Nase, beim Pape Clement etwas mehr Schokolade oder After Eight. Im Mund Voll, komplex, lang und mit noch einem winzigen Schäufelchen mehr Potential (94+)

VI.2 1988 La Mission Haut Brion
Hier wieder Minze, After Eight, aber auch ein wenig Pilzduft. Im Mund kraftvoll, mit einer minimal metallischen Art. Beide Weine habe ich praktisch genau auf Augenhöhe gesehen, wobei der LMHB vielleicht schon einen Hauch weiter entwickelt ist (94)

VII.1 1987 Leoville las Cases
Grüne Paprika, Cassis und Moschus, im Mund strukturiert und klar, dabei nicht unkompliziert (89)

VII.2 1990 Beychevelle
Rote Paprika, Pilzduft, Johannisbeermarmelade, schwarzer Tee, frisch gesoßter Tabak. Komplexere Aromatik und ein etwas besseres Mundgefühl als der LLC (90)

VIII.1 1982 Calon Segur
Gemüsebouillon und Zündhölzchen, nicht so sehr flüchtige Säure. Im Mund wie Plumpudding und Rumkandis (ohne Wertung)

VIII.2 1985 Chasse Spleen

Erde, Humus, Schwarzkirsche, im Mund noch überraschend druckvoll, mit sauberen, gesunden Tanninen (89)

B. Das Essen:

I. Roastbeef | Salat | Kräuter-Crème dazu:

2006 Domaine Chanssaud Châteauneuf-du-Pape

2006 Domaine Santa Duc, Gigondas, Cuvée des Hautes Garrigues

Der Châteauneuf war fruchtig, aufgelockert, beerig, fein, elegant und lang, der Gigondas in allem etwas dichter, konzentrierter, aber nicht so beweglich.

II. Wildschinken | Jakobsmuschel | Gamba dazu:

2006 Domaine Chanssaud Châteauneuf-du-Pape

2006 Domaine Santa Duc, Gigondas, Cuvée des Hautes Garrigues

III. Lammnüsschen | Kaiserschoten | Kartoffeln dazu:

2006 Domaine Chanssaud Châteauneuf-du-Pape

2006 Domaine Santa Duc, Gigondas, Cuvée des Hautes Garrigues

IV. Schokoladenfondant | Eiscrème dazu:

1985 Esteve Désiré, Maurydoré, Grenache élevé en fûts de chêne

Malzig, schokoladig, reif und süß, genau richtig zum Schokofondant.

C. Schließer:

I. 1995 Le Petit Cheval
Hart, kraftvoll, noch nicht ausentwickelt, Graphit, Metall, Mineral und Frucht stehen noch ein bisschen nebeneinander und müssen nach meinem Geschmack erst noch zueinander finden.

II. 1966 Tertre d‘ Augay

Schon ein ziemlich abgefahrener Reifen mit wenig Restgrip und einem Duft nach leerer Weinflasche.

D. Kellerparty bei Uwe:

I. 2007 K.-P. Keller, Scheurebe (Morstein) trocken

Toll, was trockene Scheurebe aus Toplage so schaffen kann. Und das für kleines Geld.

II. Chartogne-Taillet, Cuvée Sainte Anne, 50CH 40PN 10 PM, 2004er Basis, 20% 2000er Reservewein

Süffiger Champagner mit gutem Säuregerüst, darüber ein Mantel von warmem Apfelkuchen, Mandeln und vor allem Quitten.

III. 2006 K.-P. Keller, Grauburgunder -S- trocken

Schmelziger, säurearmer Grauburgunder mit viel Butter und weissen Blüten.

IV. 1978 Domaine Baron Chenard, Givry

Speckduft und erdige Pinotnatur in voller Ausprägung.

V. 1988 Château Musar

Erdiger, von Cassis und Holundersirup geprägter Duft, wie ein sehr eigenwilliger Bordeaux. Durch seine ständig präsente, aber irgendwei gar nicht so sehr störende flüchtige Säure wirkt er etwas exotisch; im Mund dagegen alte Schule, mit kräftigem, noch nicht ganz eingebundenem Tannin, das sich erst langsam ins süssliche dreht, an Kardamom, Zimt und Süßholz erinnernde Würze und eine leicht hitzige Art von erkaltendem Kompott.

Antrittsbesuch in Nelson Müllers Schote

 

 

I.Blutwurststrudel mit Linsen und Kartoffelschaum, dazu Champagne Forget-Brimont Brut Premier Cru

Gute Blutwurst esse ich gerne. Die solide Kombination mit Linsen und/oder Kartoffeln wird dabei für mich immer ein Klassiker bleiben, zu dem ich gern zurückkehre. Gut zum Blutwurststrudel passte der oxidative, hauptsächlich von Reserveweinen getragene und sehr apfelige Stil des Champagners aus Ludes, einer ziemlich zugigen Ecke in der Montagne de Reims, wo sich ein wenig Chardonnaydiaspora befindet, die den Champagnern dieser Region eine frische, glatte, kühle Stilistik verleiht.

 

II. Snickers von Foie Gras mit Cox Orange, dazu Selbach-Oster Bernkasteler Badstube Spätlese 2001

Foie Gras mit Apfel ist auch immer eine sichere Bank. Item die Weine von Johannes Selbach. In der Bernkasteler Badstube wachsen die Äpfel förmlich aus dem Glas und das Cox-Orange Aroma mit den dahin- und wegschmelzenden Toffee- und Nougatnoten vom Snickers vermählt sich in einer chymischen Hochzeit, die derjenigen des Christia Rosencreutz zur Ehre gereicht hätte.

 

III. Curry-Zitronengrascrèmesuppe mit Hummercroustillon, dazu Bott-Geyl, Crémant d'Alsace

Der Bott-Geyl ist ein ziemlich grober Bursche mit einem weichen Herz, so eine Art Manfred Krüger als Franz Meersdonk in der Serie Auf Achse, bloss dass er im Glas sprudelt. Passte daher gut zur reichlich sättigenden, sämigen, aber nicht fetten oder zu dick geratenen Crèmesuppe. Auflockernd und gut abgestimmt zum Crémant war auch das Zitronengras. Das Hummercroustillonbäcclhen machte auch keine Probleme. Gelungener Gang.

 

IV. Crepinette von Wachtel und Stubenküken mit Perlgraupen und Pfifferlingen, dazu Weingut Fritzen, Wintricher Großer Herrgott Spätlese 1988 und Siegrist, Riesling GG Sonnenberg, 2007

Fritzen zeigte etwas Firne und Petrol, war aber sonst in sehr guter Form. Nicht so schwer, dass er das kleine Geflügel erdrückt hätte und mit seiner leicht pilzigen Art auch zwischen perlgraupen und Pfifferlingen sehr gut angesiedelt. Siegrist dagegen hätte deutlich frischer sein dürfen und verlor mit Luft immer mehr von seiner anfangs so schönen, sympathischen Pfälzer Art, vor allem ging mir das erfrischend zitrusfruchtige Element viel zu schnell verloren und übrig blieben nur Aprikosenpampe, eine leichte Bitternote und Alkohol.

 

V. Entenbrust, gefüllt mir Rahmkohlrabi und Trompetenpilzen, dazu Friedrich Becker, Laisser-faire, 2007

Zum kröftigen Entenfleisch gibt es doch fast nichts besseres, als einen in der Gärung steckengebliebenen Pfalzriesling. Der von Friedrich Becker bestätigte das nachdrücklich, bodennahe Wärme, mit würzigen, auch mineralischen Noten und eine sehr selbstbewusste Fruchtsüsse waren hier der Flipperautomat für die Geschmackskugel, die zwischen der vorbildlich rosa gebratenen Ente, dem aromatisch für Wein immer etwas schwierigen Kohlrabi und den delikaten Pilzen hin- und herballerte.

 

VI. Gekühlter Mäusespeck, Schokokrossi und Tonkabohnentaler in Kokosstaub, dazu Château de Rouquette, Loupiac, 2006

Der Loupiac passte am besten zur Tonkabohne, deren stets etwas muffige, mit Kokos aber sehr charmante Aromatik gut zum Wein passte und daher überzeugen konnte. Der milchschokoladie Krokant war mir so schon fast zu süss und schien sich mit dem Weine auch noch zu potenzieren, was eine schwierige Kombination ergab. Der kühle Mäusespeck dagegen entwickelte sogar minzige Noten und war zwar vom Beissgefühl her etwas gewöhnungsbedürftig, aber keineswegs schlecht.