Back to Top

Tag Archives: weissburgunder

Champagne: Farmer’s Fizz

 

Winzerchampagner ist ein ganz besondres Elixier. Glanz und Elend liegen hier besonders dicht beieinander. Die erfolgreichsten Winzer eint, dass bei ihnen meisterlicher Umgang mit den natürlichen Vorgaben, Avantgarde und Experimentiersinn eine günstige Liaison eingehen und Champagnerfreunde in ihren Bann ziehen. Daraus entwickeln sich verkürzt gesprochen manchmal Trends, die bei einigen der großen Erzeugern mit Freude aufgenommen werden. Die stellen natürlich nur allgemach ihre Portfolios um, denn in der Champagne entscheidet man nicht von Jahrgang zu Jahrgang, sondern muss immer ein diachrones Moment berücksichtigen: die Hefeverweildauer der Champagner von zum Teil mehreren Jahren. Tuchfühlung bei den richtigen Winzern bedeutet deshalb fast so etwas wie einen Blick in die Zukunft zu werfen, was dem intensiven Verkosten einen zusätzlichen Mehrwert verleiht. 

1.Pehu-Simonet

Der Winzer aus Verzenay hat seine Ausbildung wie zahlreiche Champagnerwinzer-Kollegen seiner Generation und eben wie der unvermeidliche Anselme Selosse in Beaune abgeschlossen und orientiert sich bei der Weinbereitung an den Vorgaben aus Burgund. Der Weinberg (8ha) und speziell der Boden wird schonend,bzw. 'nachhaltig' bewirtschaftet. Auf BSA wird weitestgehend verzichtet. Zur Verfügung stehen Stahltanks, 30 Burgunderfässer und 10 klassische Champagnerfässer mit einem Format von 205l. Flaschenvergoren wird kühl bei ca. 10°C.

1.1 Sélection Grand Cru

70PN 30CH, kein BSA, 30% Reservewein aus den beiden Vorgängerjahren, 15% werden fassvergoren. Mit 8 g/l dosiert.

Sauberer Champagner-Winzerschoppen, bei dem man von der Säure zwar nicht überfahren, aber doch bleibend beeindruckt wird.

1.2 Transparence Grand Cru Extra Brut 2006

Hat im Frühjahr einen BSA durchlaufen, ist dafür nur mit 3 g/l dosiert.

Vom Konzept her ein Sélection Grand Cru mit verlängertem Hefelager. Es gibt nur 3000 Flaschen davon, verkauft werden die exklusiv auf der Domaine. Man merkt einen holzigen Einschlag, eine angenehm hefige Note und ein Quentchen mehr Reife, als beim Sélection Grand Cru.

1.3 Blanc de Blancs

2008er Trauben aus einem jungen Weinberg in Le Mesnil, im Stahltank ausgebaut und mit 9 g/l dosiert.

Gefiel mir gut. Rauh, schlank, dabei leicht amylisch, mit den angenehmen Bonbonnoten kühl vergorener Champagner. Dabei bleibt er zum Glück nicht, eine grantelige mineralische und sehr mesnilige Note setzt sich recht schnell durch.

1.4 Rosé

80PN 20CH, 2007er Basis und 25% Reservewein aus den beiden Vorgängerjahren. Teilweise Biotrauben, ohne BSA. Assemblage aus Blanc de Noirs mit einem Anteil Verzenay Rouge. 15% Fassausbau, sonst Stahltank. Mit 7 g/l dosiert.

Hier merkt man paradoxer Weise am deutlichsten den angestrebten Burgundercharakter. Mandel, Marzipan, gehackte Nüsse, im Mund sehr schlank, aber nicht harmlos, minimal adstringierend, dann wieder stahlig, dicht und in sich geschlossen. Kein Moderosé.

1.5 Blanc de Noirs Grand Cru

2007er Basis, Trauben von alten Reben in Verzenay. Ausbau zu 40% im Stahltank und zu 60% im Holzfass von der Tonnellerie de Champagne, die Eichen dafür stammen aus dem Wald von Verzy, nur wenige Meter entfernt über dem Weinberg. Mit 8 g/l dosiert.

In einem komfortablen Bett aus weichem, ganz gegen die Gewohnheit der Tonnellerie de Champagne schonend getoasteten Eichenholz liegt der unruhige Säurekern, eingebettet in dämpfende Ananas-Mangoaromen. Wirkt unausgeglichen, müsste man beobachten.

1.6 Millésime Grand Cru 2005, dég. Nov. 2010

50PN aus der Lage Les Noues in Verzenay, Ausbau im Barrique; 50CH, davon 40% aus Le Mesnil, 60% aus Verzenay Grand Cru, ganz genau aus Pisses-Renard, einer der wenigen Chardonnaylagen in der Pinothochburg, im Stahltank ausgebaut. Mit 8 g/l dosiert.

Unter dem leichten Böckser präsentiert sich ein exotisches Duftbouquet, das in ein Geflecht aus Birne, Ananas, Pfirsisch, Banane und ein paar Nüssen übergeht. Was dieser Champagner wirklich drauf hat, wird sich erst zeigen, wenn die noch fast alles überdeckenden Primärnoten sich mit zusätzlicher Flaschenreife verzogen haben.

 

2. Die Avantgarde der Biowinzer

Besonders rege und betriebsam sind die Biowinzer. Unter ihnen finden sich alteingesessene Großmeister und die junge Generation von Winzern, die teilweise Stück für Stück Pachtverträge mit den großen Häusern ablaufen lässt, um diesen Teil der Weinberge nach eigenen Vorstellungen selbst – und meistens eben biologisch/nachhaltig/biodynamisch – zu bewirtschaften. In der Champagne, wo sowieso jeder mit jedem verwandt ist, netzwerkeln diese Winzer untereinander meist ebenso erfolgreich, wie sie sich neuer Medien bedienen.So kommt es, dass man Kleinsterzeuger mit gerade einmal 3 ha Rebfläche im New Yorker Cru, im Kopenhagener Noma und in Tokyo sowieso auf jeder besseren Weinkarte findet.  

2.1 Benoît Lahaye, Naturessence, dég. 3. August 2010

50PN 50CH

Phenolisch, aber nicht kränkelnd, mit scharfer Säure, dabei sehr traubig, erinnerte mich schon beim Bioweintasting in Paris an einen besonders süffigen Verjus; hatte hier schon etwas Druck verloren und Temperatur gewonnen, wirkte daher gebändigter und trinkfreundlicher.

2.2 Georges Laval, Cumières Premier Cru Brut Nature

Ein Füllhorn an Zitrusfruchtaromen, mit mentholischem touch, kräuterig, mineralisch, ein Spaziergänger mit sehr strammem Schritt.

2.3 Larmandier-Bernier, La Terre de Vertus Premier Cru, non dosé

Blanc de Blancs auf 2006er Basis aus den Einzellagen Les Barillers und Les Faucherets in Vertus.

Stachelbeere, gelbe Johannisbeere, Quitten, Hagebutten, Limetten, dazu eine feine, mineralische Art, die den Wein aber nicht verschließt, sondern stützt. Wo der Laval marschiert, schreitet der Larmandier-Bernier.

2.4 Tarlant, La Vigne d'Antan, Chardonnay non-greffée, 2000

Zusammen mit dem berühmten Vieilles Vignes Francaises von Bollinger einer der ganz wenigen Champagner von ungepfropften Reben, in diesem Fall Chardonnay. Und genauso schwer zu bekommen, aber wenn, dann für ca. ein Zehntel der VVF. Massives Chardonnaygeschütz aus einer anderen Zeit.

2.5 Jérôme Prevost, La Closerie, fac-simile, Rosé Extra Brut

100PM davon 11% Meunier Stillweinzugabe, 2009er Basis. Ausbau in jungen und alten Barriques.

Helles Rosé und natürlich schmeckt er viel zu jung. Kaum, dass sich übrhaupt aromatische Anlagen ausgebildet haben, noch überwiegen sehr unroséhafte mineralische Noten, Geißblatt, weiße Blüten, Akazie, auch eine ganze Reihe frischer Beeren ist dabei, aber das Aromenkonzert klingt wie durch eine dicke Glasscheibe.

2.6 Olivier Horiot, Cuvée Sève "En Barmont", Blanc de Noirs non dosé 2004, dég. 16. April 2009

Nicht sehr inspirierend war leider der fassvergorene, eher schlichte, wenngleich extraktstarke und dadurch süßlicher wirkende Champagner aus dem für seine Rosés prominenten Aubedörfchen Les Riceys.

2.7 Robert Dufour, Bulles de Comptoir Extra Brut

Pinot Blanc, Pinot Noir, Chardonnay.

Einmal mehr zeigt sich, dass Pinot Blanc keine so wahnsinnig gute Schaumweintraube ist. Nach gut gelungenem Sekt schmeckte dieser Champagner, der reinsortige "Les Instantanés" Blanc Gourmand Extra Brut, bzw. sogar Brut Nature 2003, von Dufour lässt grüßen.

 

3. Penet-Chardonnet

Dieser Familienbetrieb aus Verzy verfügt über sechs Hektar ausschließlich in Grand Crus. In Verzenay, bei Pehu-Simonet begann die kleine Winzerchampagner-Revision und im benachbarten Verzenay schließt sich der Kreis für dieses Mal. Diesen kreglen Betrieb, der zu den größten der Gemeinde gehört und sich gehörig für die Zukunft herausgeputzt hat, muss man ernsthaft im Auge behalten. Schönes Detail: die Rückenetiketten sind mit QR-Codes versehen, wer auf seinem Smartphone eine entsprechende App hat, braucht davon nur ein Bild zu machen und wird dann automatisch auf die website des Erzeugers geführt, wo er die technischen Angaben zum betreffenden Champagner nachlesen kann.

3.1 Extra Brut Millésime 2005

70CH 30PN.

Gelungene Jahrgangsinterpretation, Orangenblüten und Akazienduft, apfelig und mit fröhlicher Säure unterlegt, eine unbeschwert tänzelnde Komposition.

3.2 Réserve Grand Cru Extra Brut, dég. Sep. 2010

2/3PN 1/3CH aus Verzy und Verzenay, Basisjahr 2004, 4 g/l.

Rund, mild, reif, mit toastigen Röstnoten und Lemon Curd. Der Mund wird unversehens zum Nobelplanschbecken, so viel quietschvergnügte Champagnerfreude auf einen Schlag gefiel mir sehr gut.

3.3 Grande Réserve Grand Cru Brut Nature

2/3PN 1/3CH hauptsächlich aus Verzy, Basisjahr 2001

Gesetzter, reifer, etwas strenger war die Grande Reserve. Auch dies ein Champagner, der den Mund schlagartig ausfüllt und lange nachhallt, was man bei Brut Nature Champagnern nur dann erlebt, wenn sie richtig gut gelungen sind – sonst zeigen die sich nämlich gern mal lakritzig, ausgezehrt und streng gegen Ende.

Zu Mantua in Banden . . . Südtiroltasting in der Essener Philharmonie

Weissburgunder:

Schreckbichl "Weisshaus" 2009

Holzloser, fruchtbetonter, gut gelungener Weißburgunder mit Druck, etwas Butter und leichter Bauart. Mehr Säure hätte ihm zu mehr Länge und Struktur verholfen, das Fruchtfleisch dafür hat er jedenfalls (85).

Castell Sallegg 2009

Bonbonig, mit Äpfeln, Blüten und einer sommerlich-frischen, zitronig-sauberen Anmutung. Könnte mehr Säure haben (83).

Kellerei Kaltern "Vial" 2009

Verschlossener, in der Nase wenig interessanter Wein. der auch am Gaumen von allem etwas zu wenig bietet. Etwas Frucht, etwas Frische, wenig Säure, nicht sehr erhebend (79)

Weingut Niklas "Klaser" 2007

Mein Favorit unter den Weißburgundern dieses tastings. Lagerfeuer- und Speckduft, dazu Waldhonig, reife Zitrusfrüchte, angenehme Intensität und ein lebendiger Auftritt am Gaumen, der am Ende mildbuttrig ausgleitet (88).

Elena Walch "Kastelaz" 2009

Nicht ganz auf dieser Höhe spielt Frau Walch mit, auch hier etwas Holz, aber alles femininer, zierlicher, niedlicher, als beim Klaser (86).


Sauvignon-Blancs:

Gumphof "Praesulis" 2008

Mein Favorit unter den Sauvignon-Blancs dieses tastings. Europäische Bauart, zunächst verhalten mineralisch, dann anwachsende Zitrusnoten, die sich zu den typisch grünen Tönen von reifer Paprika, Gras und Stachelbeere verdichten. Herb, reif, gut (88).

Tiefenbrunner "Kirchleiten" 2009

Jodiger, steiniger, bergiger Wein mit trainierten, strammen Waderln. Kommt sofort mit Almwiesenduft und krachend-grüner Paprika zur Sache, am Ende auch etwas kühlend (85).

H. Lun 2009

Gegenüber dem Tiefenbrunner eine Spur mehr Exotik und Komplexität, gleichbleibend hoher mineralischer Druck, merkliche, aber noch am unteren Rand angesiedelte und von reifen, süssen Beerenaromen abgedämpfte Säure (86).

Erste und Neue Kellerei "Stern" 2008

Paprika, Butteröl, Stachelbeere und Kiwi, mäßige, etwas wässrige Säure. Frucht und Säure, Volumen und Struktur sind da und wirken wie ein frisch zubereiteter Salat: alles gut durchgemischt nur noch nicht recht harmonisch (84).


Gewürztraminer:

Loacker Schwarhof "Atagis" 2008

Süß, anstrengend, seltsam. Drachenfrucht und Litschi, sonst stark floral, am Gaumen belagbildend und klebrig, etwas acetonig, mit dennoch gesunder Fruchtsäure; für mich nicht fehlerhaft, bloss komisch (79).

Tiefenbrunner "Castel Turmhof" 2009

Konzentrierter, etwas scharfer Duft. Aprikosenmus, bröckeliger Honig, andeutungsweise nussig, Rosenblüten und Gewürznelken, ohne dass ich den Eindruck habe, der Wein sei schon oxidiert. Am Gaumen sehr frisch, sehr intensiv, floral, druckvoll und lang (87+).

Kellerei Tramin "Nussbaumer" 2008

Zusammen mit dem Gumphof "Praesulis" mein Favorit unter den Gewürztraminern dieses tastings. Mango-Maracuja und eine an fruchtige Relishes erinnernde Würznase, sehr vielschichtig, sehr entwicklungsfreudig und auch am Gaumen zieht er voll mit. Etwas schlankere, dafür focussiertere Säure wäre angesichts der orientalisch und auf die dauer sättigenden Aromenvielfalt nicht schlecht gewesen (89).

Josef Weger "Maso delle Rose" 2009

Mango, Banane und ein etwas holziger Eindruck. Kommt am Gaumen leicht ins schwimmen und fängt sich bis zum Abgang nicht mehr so recht. Vielleicht noch zu jung (84).

Peter Zemmer "Reserve" 2008

Rosenblüten, Mango-Lassi oder sehr stückiger, mit Anis, Minze und Basilikum verfeinerter Fruchtjoghurt. Konzentriert bis leicht hitzig, noch mit freude trinkbar aber kein Kandidat für lange Reife (86)

Gumphof "Praesulis" 2008

Keiner von den ganz barocken, überladenen, mit allzuvielen Soeckröllchen versehenen Weine. Man merkt die Freude am Dekor und an der verschwenderischen Ausstattung und sieht hleichzeitig den Sinn für's Praktische und Lebensnahe. das gibt dem Wein positiven Anschub. Komplex, mit einer Wanne herabregnender Rosenblätter, Honig, Pfirsich und getrockneten Kräutern, dazu kandierte Orangenschalen, eine milde, doch stützende Säure und ein sauberes, glasklares finish (89+).

Josef Brigl "Windegg" 2009

Von gewichtiger Statur, doch geschmacklich gut händelbar. Saftig, gehört zu den körperreichen, aber noch nicht schwergewichtigen Weinen, der mit einer Blütenaromatik am Gaumen kleben bleibt (84).

Eisacktaler Kellerei "Aristos" 2008

Im Gegensatz zum lebenslustigen Windegg wirkt der Aristos wie der Name schon anzudeuten scheint eher wie ein hagerer Aristokrat. Noble, würzige Herkunft, die mir etwas farblos gezeichnet vorkommt. Alle Aromen sind da, verblassen aber schnell (83).

Klaus Lentsch "Fuchslahn" 2008

Kork.

Martin Pohl, Köfelgut 2008

Alles dominierende Bierhefe machte es unmöflich, den Wein zu genießen.


Spätburgunder:

Peter Zemmer "Peter Zemmer" 2007

Frischer, eher einfacher Spätburgunder. Kühle Machart mit Sauerkirsche, einer Handvoll Erde und mittlerer Länge (80)

Elena Walch 2008

Kaum anders Frau Walch. Kirsche, Waldboden, etwas totes Holz. Auch nicht besonders lang und ebenfalls einer der einfacheren Spätburgunder (80).

Erste und Neue Kellerei "Mezzan" 2008

Hier kam erste behutsame Spielfreude auf, neben den obligatorischen roten Früchten mit ihrer frischen, mich auch etwas nervenden Säure scheint der Wein durch Holzeinsatz gewonnen zu haben. Stimmiger Abgang, bei dem Frucht, Säure und Alkohol sich in einem Punkt treffen und gemeinsam verschwinden (82).

Kellerei St. Michael-Eppan "Riserva" 2007

Guter Standardspätburgunder, der mich auch noch nicht begeisterte. Sowas gibt's an jeder kühlen Ecke und wird, wie die drei zuvor, dem Potential der Traube nicht gerecht (85).

H. Lun "Sandbichler" 2007

Ebenfalls ordentlich aber weit davon entfernt, zu beeindrucken war Luns Sandbichler. Guter Standard, der die Anlagen der Rebsorte durchblitzen lässt, aber nicht mehr (85).

Johannes Pfeifer, Pfannenstielhof 2007

Kork.

Weingut Stroblhof "Pigeno" 2007

Mein Favorit unter den Spätburgundern dieses tastings und eindeutig mindestens eine Klasse über den anderen Spätbrugundern anzusiedeln. Hier merkte man, dass Leidenschaft im Spiel war, Verführung, Dichte, Verschleierung und Entschleierung, es galt, ineinandergewobene Aromen zu verfolgen und erstmals hatte ich den Eindruck, in den Wein eintauchen zu können. Eine minimale alkoholische Hitze tat dem keinen Abbruch, sie wurde überwogen von einem Wechselspiel aus rotfruchtiger Spannung, erdiger, mineralischer Gelassenheit, einer mürben, betäubenden Reife und einem alles gediegen einrahmenden, sehr feinkörnigen Tannin (90).

Martin Pohl, Köfelgut "Fleck" 2006

Schwieriger, sehr unruhiger Wein, der irgendwo zwischen Schwefelböckser und extrem reduktivem Stil steht (75).


Lagrein:

Loacker Schwarhof "Gran Lareyn" 2007

Samtig, weich, etwas glänzend, wie ein Poliertuch für Schuhe, das schon reichlich viel Schucrème aufgenommen hat. Merkliches Holz tut ein Übriges, versaut aber nicht den geschmeidigen Eindruck am Gaumen (87).

Stiftskellerei Neustift "Praepositus" 2006

Herb, konzentriert, mir etwas zu eindimensional und dadurch anstrengend (83).

Kellerei Tramin "Urban" 2007

Zusammen mit dem Morus von Lentsch mein Favorit unter den Lagreinern dieses tastings. Sauber ausgeprägtes Holz, das dennoch nicht nach Laubsägearbeit aussieht, dazu eine angemessene menge tiefschwarzer, triefend-saftiger Beeren, Veilchenblüten und ein Unterton von schwarzem Leder; kühlende Minze und merkliche Kraftreserven. Man spürt den unterschwellig drängenden Alkohol und die Frage ist, wie lange Früchte, Holz und Tannine ihn im Zaum halten können. Mit etwas Glück ein Kandidat für die Reifung, mit etwas Pech klappt er bald auseinander. Ich vermute, er hält sich noch eine ganze Weile (90).

Kellerei Bozen, St. Magdalena-Gries "Riserva Prestige" 2007

Schokoladenkuchen mit versenkten Schattenmorellen, noch warm und mit Puderzucker überstreut, im Kern saftig, aussen kross. Außerdem Noten von Jasmintee (88+).

Schmidt-Oberrautner "Villa Schmid" 2007

Nussig, fruchtig, erinnert an einen schwächeren Tawny-Port (82).

H. Lentsch "Morus" 2005

Brombeere, Kirsche, Veilchen, Leder, grüne Kaffeebohnen, Walnüsse, etwas Holz. Weicher, gut gelungener Lagrein mit milder Säure und ungelenkem Tannin. Hat noch Potential nach oben (89+).

Essen… verwöhnt. Ein Zug durch die Gemeinde.

I. Hugenpoet (1* Guide Michelin)

Frau Bergheim habe ich leider nicht selbst am Herd gesehen, aber das Hugenpoet ist mir vor allem wegen der dort verschnabulierbaren Grossbuddeln eine gerngewählte Anlaufstelle.

Weine:

– Van Volxem, Volz 2008 en Magnum – die alte Einzellage aus dem Wiltinger Braunfels grenzt an den Scharzhofberg. Der Wein war noch arg jung, mit Kräuterduft und Apfelnase, reifen Obst, milder, schmeichelhafter und genau richtig platzierter Süße, mineralischem Druck am Gaumen und noch reichlich Potential.

– Fürst, Spätburgunder Centrafenberg R 2003 aus der Doppelmagnum. Der Centgrafenberg hatte von seiner jugendlichen, überaus betörenden Frucht und charmanten Säure etwas zugunsten einer volumigeren Reife eingebüßt. Da war nun eine geschmeidige, reife, mit etwas Graphit angereicherte Burgunderwürze im Vordergrund, außerdem Kirschfrucht und reifes, süßes Tannin. Die unfassbare Leichtigkeit von letztem Jahr habe ich allerdings vergeblich gesucht, der Wein ist deutlich ernster geworden.

1. Würzbissen: Gambatartelett mit Gewürzsauerrahm, Lachspumpernickel und geröstetes Baguette mit Tomate und Parmaschinken

Das Tartelett bildete einen guten Einstieg ins Rennen, der Rahm war fest, aber nicht betonhart und wässerte auch nicht. Die Tomate schmeckte erwartungsgemäß tomatig, als hätte sie es drauf angelegt, zu den Würzbissen zu zählen. Der Parmaschinken war ok, ebenso Lachs und Punpernickel. Den Fürst konnte man dazu gut trinken, den Volz besser.

2. Blutwurststrudel mit Gewürzkürbis und Bohnenragout

Ich gehöre zu denen, die gern Weißwein zur Blutwurst trinken, ebensogut konnte man hier den Fürst nehmen, der sich mit dem Strudelteig sehr gut verwob und die Kürbisaromen gekonnt prononcierte.


II. Lucente

Gaspare Maidas und Franco Giannettis Restaurant gehört trotz des Umzugs um einige Meter in der Rü zu den feststehenden Größen in Essen, das weiß nicht nur Otto Rehhagel, der zu den prominenteren der dort immer wieder anzutreffenden Stadtbekannten gehört.

1. Spaghetti Aglio-Olio-Peperoncino mit Wildgambas

Die relativ dünnen, bissfesten Spaghetti waren mit dem Aglio-Olio-Peperoncino sozusagen lasiert, kaum, dass überflüssig herumsuppende Flüssigkeit die Gefahr der völligen Outfitverhunzung barg. Die Gambas dazu waren reichlich, ohne das Gericht zum Meeresfrüchteteller zu machen und hätten einen Wimpernschlag früher aus der Pfanne genommen werden sollen. Trotzdem noch bissig und aromatisch, was gut zur unaufdringlichen, nachhaltigen Schärfe der Nudeln passte.


III. Résidence (2** Guide Michelin)

Henri Bach und Patron Bühler standen auch heute wieder hinter dem gewohnt stilsicheren Auftritt.

Weine:

– Springfontein Sopiensklip White (2/3 Chardonnay, 1/3 Sémillon) 2009

Frischer, lebhafter Weisswein mit einem schönen Gleichgewicht aus bedenkenloser Fruchtigkeit und würdevoller Mineralität, ungebutterte Chardonnayaromatik, reife, botrytisfreie Sémillonwürze.

– Odernheimer Weingut Klostermühle Riesling feinherb 2008

Die Energierechtskanzlei Becker Büttner Held hat einen Namenspartner, der offenbar noch weinfreudiger ist, als man Rechtsanwälten gemeinhin nachsagt. Bei diesem Wein fällt es allerdings nicht schwer, Wein zu mögen. Mittelgewichtig, von schmaler, fast zierlicher Struktur, mit einer leicht überwiegenden Fruchtsüße, gefälliger Säure und bedächtiger Herbe, ganz das, was man sich unter einem feinherben Riesling vorstellen sollte.

1. Geschmortes Bäckchen vom irischen Weideochsen mit Graupenrisotto und Vanillemöhrchen

Dieses geschmorte Bäckchen aus Henri Bachs Küche ist zum Verrücktwerden. Unfassbar zart, von einer Aromenintensität und gediegenen, fleischigen Faserigkeit, wie man sie selten auf den Teller bekommt. Dazu passte bestens das bis in den Kern weiche Graupenrisotto und die behutsam vanillierten Möhrchenwürfel. Der Sopiensklip hatte gegenüber dem Riesling den Vorteil der etwas besseren Durstlöscherfunktion und der dezenteren Aromatik, die sich gegenüber dem Bäckchen wohltuend im Hintergrund aufhielt.

2. Entenbrust in Tandoori-Honig mit gestiftetem Rahmkohlrabi, Süßkartoffelpurée und Sesamjus

Die Entenbrust war auf den Punkt gegart, außen angenehm kross und mit einem für mich etwas zu sparsamen Kleckser Tandoori-Honig versehen, dessen raffinierte Würze ausgezeichnet zum Riesling passte. Kohlrabi und Süßkartoffelpurée gefielen mir sehr gut, obwohl ich kein besonderer Kohlrabiesser bin, dafür Süßkartoffeln umso lieber habe. Verbindendes Glied war der Sesamjus, in dem ich leider einige zu arg geröstete, schwarz gewordene Sesamkörner fand, was dem Geschmack keinen merklichen Abbruch tat, aber vermieden werden muss.


IV. Casino Zollverein

Eine der spektakulärsten Restaurantlocations nicht nur im Ruhrgebiet.

Wein:

Peter-Jakob Kühn, Eine Traube "Jacobus" 2009. Man merkt es gleich, da ist einer von den kleineren Petar-Jakob Kühns im Glas. Der hat noch nicht den Mut, Spontangäraromen öffentlich zur Schau zu stellen und Weinanfänger damit zu vergraulen. Statdessen bietet sich süffiger Rheingauer Rieslingspass mit Mineralität und Zitrusfrische, Apfel, Pfirsichanklängen, etwas in die Breite gehendem Honig und steinigen Noten.

1. Gratinierter Ziegenkäse mit Ingwer-Ahornsirup und Rucola mir Bergamotte-Vinaigrette

Als Earl-Grey-Trinker fand ich die Bergamotte-Vinaigrette sofort überzeugend. Deren Aroma passte zur typischen Rucolaschärfe und schlug einen doppelten Salto zum Riesling, der sich nicht zweimal bitten ließ und den Ziegenkäse anstandslos herunterspülte. Gute Combo.


V. Nelson Müller, Die Schote

Nelson Müller war so freundlich, höchstselbst eine Extraportion Trüffel über Maultasche und Lauchgemüse zu hobeln.

Weine:

– Pinotage 2007

Ohne den ganz dramatischen ape-shit in der Nase, jedoch sehr fordernd, mineralisch, etwas flintig, am Gaumen eher ruhig.

– Reichsrat von Buhl, Weissburgunder aus der Ruhr-Edition 2009

Um ihn kommt man im Kulturhauptstadtjahr nicht herum. Gekonnte Mischung aus Frucht Säure, Blütenaromen und gelbem Obst.

1. Dreierlei von der Blutwurst mit marinierten Linsen

Die Blutwurst gab es einmal kross gebraten, dann im Teigmantel und schließlich noch in Brotwürfelform. Mächtig würzig und typisch für Nelson Müllers soulfood waren die Linsen. Zu denen schmeckte der Pinotage gut, beide auf hohem Niveau aromatisch und in spannungsvollem Kontrast zueienander. Mit der Blutwurst, mein Favorit war die kross gebratene, gefiel mir der Weissburgunder besser, wobei der Pinotage sich respektabel zur Teigversion verhielt.

2. Kalbsmaultasche mit Rahmlauch und Sommertrüffel

Die Kalbsmaultasche war kein gewöhnliches Hergottsb'scheisserle mehr, sondern ein ausgewachsener Klotz von einer saftigen Kalbfleischfüllung in einem starken Rahmlauchbett. Vor dem strengen Blick der göttlichen Obrigkeit getarnt wurde der Teigracker nur durch die sehr reichlich darübergehobelten Trüffelscheiben, was das Vergnügen noch einmal steigerte. Ich habe dazu den Weißburgunder favorisiert, doch letztlich bereut, nicht ein Glas Roséchampagner dazu geordert zu haben.


VI: Kölner Hof (16 Punkte Gault-Millau)

Heinz Furtmann ließ es sich anlässlich der WM und herzlichst belohnt mit dem Schweizer Sieg über die Spanier nicht nehmen, in "Hopp-Schwiz!" T-Shirt und mit Alphorn als Reverenz an seine Frau aufzutreten.

Wein:

Champagne Alfred Gratien Brut Classic

Taufrisch, mit viel Apfel, Kraft, Würze und voller Tatendrang strömte der Champagner ins Glas und aus dem Glas in die Kehle.

1. Rosa Kalbsrücken mit Thunfischsauce, Sommersalat und Baguette mit schwarzer Oliventapenade

Zart, fein und mürbe das Kalbfleisch, sämig, aromatisch und nicht zu mastig die Thuinfischsauce, ein Vitello Tonnato, wie es direkt aus dem Film "Das große Fressen" hätte serviert werden können. Exquisit dazu war der Champagner, dessen klare Säure beim durchschniden der Sauce half, Kapern und Kalb miteinander verband und einen sauberen Gaumen hinterließ.

2. Ziegenfrischkäse mit Trüffelhonig auf Rucola-Melonensalat

Ganz zum Abschluss nochmal Käse, für die schon etwas müden Kiefermuskeln in Frischkäseform und einem wohlig-trüffeligen Honig, der nicht belastete. Rucola und Melone gesellten sich gern dazu, kabbelten sich etwas mit dem Champagner, der deshalb solo nach vollständigem Verzehr auch der letzten Frischkäsekrümel den Heimweg einläutete.

Eröffnunsgfeier „Mashil“ in Düsseldorf

Zwei Jahre haben die Betreiber des Mashil und Andrew Holloway vom Düsseldorfer Weinladen Rotweiss am Konzept geknobelt, nun konnte endlich die Eröffnung gefeiert werden, zu der Andrew Holloway freundlichst einlud. Auf der Karte stehen nicht sehr viele, aber dafür exzellent auf die Speisen abgestimmte Weine. Manche davon kenne und schätze ich, andere waren mir neu. Interessant war, die Weine erst solo zu probieren und dann noch einmal zum Essen. was mir allein ungelenk, überfrachtet, einseitig oder sonstwie seltsam vorkam, fand in Kombination mit den Speisen genau das jeweils fehlende Gegengewicht. Die insofern überaus gut gelungene Weinauswahl ist ein großer Pluspunkt für das noch junge Restaurant in der Düsseldorfer Oststrasse. Dieser Pluspunkt könnte dabei helfen, sich in Düsseldorf, das an asiatischen Restaurants nicht gerade arm ist, von der Konkurrenz abzuheben. Schwierig finde ich immer noch den Balanceakt zwischen authentischer und verwestlichter Küche. Mir war die Küche z.B. in Teilen schon zu stark europäisiert, Kim-Blätter und Myoel-Tzee gab es überhaupt gar keine, obwohl beide als originelles und vielseitiges Knabberzeug für die koreanische Küche unerlässlich sind. Andererseits wird man sich nicht allein auf die koreanische community am Ort stützen können und wollen, daher ist die Entscheidung für eine herabgemilderte Küche taktisch nicht zu bemängeln.

I. Glasnudelsalat (Chap-Che)

Sehr ordentlich waren die Glasnudeln, deren Dicke, Länge, Klebrigkeit und Bissfestigkeit ebenso stimmig war, wie die Mischung aus Sojasauce, Gemüseschnipseln und Pilzen. Dazu gab es scharf eingelegte Rettichwürfel (Kakdugi), die noch sehr frisch waren und gerade erst anfermentiert. Für mich hätten sie ruhig mutiger gesalzen sein können, auch die Schärfe war eher etwas für ein empfindliches Publikum. Der Sauvignon-Blanc von Didier Fenoll aus dem Pays d'Oc war hier richtig am Platz. Das lag wohl daran, dass er für einen Sauvignon-Blanc trotz anfänglicher Mineralität in der Nase und einer animierenden, rebsortentypisch grünen Note etwas breit, unfocussiert und bäuerlich-gemütlich daherkam. Gerade das macht ihn zum geeigneten Partner für den krachenden, scharfen, leicht bizzligen Rettich, dem sonst wohl nur mit asiatischem Lagerbier, oder besser noch richtigem Pils beizukommen gewesen wäre.

II. Scampispiesschen

Gelungen waren die Scampispiesschen, die vergleichsweise unasiatisch und pur daherkamen, schön bissfest waren und sich mit dem 2008er Pfalz-Riesling aus der Literpulle von Jürgen Heußler mehr als gut vertrugen.

III. Gebratene Maultaschen (Gun-Mandu)

Außen perfekt gebraten und von der der richtigen Größe, nämlich genau zwei Happen, damit man nach dem ersten reinbeissen die Füllung mit Sojasauce tränken kann. Knusprig. Die Füllung war dagegen leider etwas neutral, das konnte auch die mit frischer Frühlingszwiebel zubereitete Extra-Sojasauce nicht wettmachen. Dreissigackers 2009er Weissburgunder Gutswein schmeckte dazu dennoch bestens und war ein starker Partner für die wirklich gute Sojasauce.

IV. Scharfe Pfannküchlein (Kimchi-Jeon)

Etwas mehlig, gleichzeitig mit Sud vollgesogen und daher leicht pampig waren die relativ grossen, in vorgeschnittenen Vierteln servierten Pfannküchlein. Auch die hätten gerne schärfer sein dürfen, ein höherer Chinakohlanteil hätte den Küchlein etwas mehr Knackigkeit verliehen. Dazu gab es einen Son Prim, Blanc de Merlot, Vi de la Terra Mallorca, den ich solo wegen seines ebenso stark roten wie buttrigen Charakters und seiner üppigen Leibesfülle nicht getrunken hätte, der aber die Pfannkuchenschärfe bestens, nämlich trampolinartig auffing und aushüpfen ließ.

V. Nudeln in schwarzer Bohnensauce (Jajjang-Myeon)

Ausgezeichnet waren die Nudeln mit der Sauce aus schwarzen Bohnen, der typische herbe Muff dieser Bohnen war da, ich hätte ihn auch extrovertierter noch vertragen. Die Nudeln waren abenteuerlich lang, ganz so, wie sie sein müssen. Fast schon eine Verschwendung zu dieser einfach wirkenden Speise war der Douro von der Quinta da Covada, Pinhão Valley aus Touriga Franca, Tinta Barocca und Tinta Roriz. Warm, weich, verführerisch, samtig, aber auch sanft fordernd, verschwenderisch und wärmend, dieser Wein. Zusammen mit dem Heußler für mich Favorit des Abends.

Als side dishes gab es den in Korea sehr beliebten und in seiner Form als Eichelpudding lange Zeit sehr raren, scharfen Muk, scharf eingelegte Gurken (Oesobagi), Sojatofuwürfel (Dubu), eingelegte Spinatblätter mit Sesam (Sigumchi-Namul) und ein geschichtetes Kimchi, die alle sehr schmackhaft waren, vom Muk, das nicht jedermanns und auch nicht meine Sache ist, abgesehen.

VI. Mariniertes Rindfleisch vom Grill (Soe-Bulgogi)

Zart, saftig, mit frischen Zwiebeln, allerdings ohne Salatblätter und ohne, bzw. für mich weder sicht-, noch schmeckbaren frischen Knoblauch kam das dünngeschnittene Fleisch auf den Grill. Ruckzuck war es fertig und schmeckte mir sehr gut mit dem Douro und weniger gut mit dem
Everton Red 2008 Limited Release von Brown Brothers' Milawa Vineyards, Victoria, Australien – Mix aus Cabernet, Shiraz und Malbec. Der war mir nämlich erst zu säuerlich und dann urplötzlich zu rosiniert, letztlich also zu unausgewogen. Auch der von mir sonst sehr geschätzte Oppidom 2006 von der Domaine St. Eugène, Les 3 Tomates, Jahrgang 2006, konnte zum Bulgogi nicht überzeugen . Wenigstens schmeckte er mir aber solo zum Abschluss wieder sehr gut. In der Konkurrenz mit dem beflügelnden Douro hatte er es gleichwohl schwer.

Privat Essen bei Essen-Privat

2010 schwer im Trend: Guerilla-Restaurants. Überall schießen sie angeblich wie Pilze aus dem Boden, aber wie bei den kleinen Eukaryonten ist es auch mit den Restaurants: Pfifferlinge und Steinpilze findet man leider nicht so oft. Umso schöner, dass der Essener Stadtteil Frohnhausen mit Essen-Privat einen solchen Edelpilz vorzuweisen hat. Ein Besuch bei Achim und Conny Lichte lohnt sich immer, am besten mit munterer Truppe. Vorabeindrücke gibt es unter www.essen-privat.de.

Wir hatten uns folgendes Menu zur Schaumparty ausgesucht:

Als opener gab es "Fraenzi" Rotling secco von Castell, sehr fruchtig, von fast leichtsinniger Süße, die nach Erdbeer-Sahne Bonbons von Campino schmeckte, harmonierte aber gut mit dem Amuse:

I. Amuse Gueule: Spinathäppchen, Gravad Lax, Ketakaviar und Crème,

dazu Cava, "A Posteriori" Rosé, Brut (7,5 g/l) von Colet aus dem Penedes, Merlot, ca. 15 Monate Flaschenlager, 11,5% vol. alc.

Wirkte zum Amuse flacher und karger als der Fraenzi, als standalone zeichnete sich em-eukal-Kirsche ab, das war's. Man merkt's: nicht sehr beeindruckend und ziemlich cavauntypisch.

II. Möhren-Chili-Ingwersuppe mit Flusskrebsschwänzen,

dazu Crémant Brut von Ponsot aus Gevrey-Chambertin, dagegen Yarden Brut, Blanc de Blancs Jahrgang 2000, koscher, von den Golan-Höhen, Israel

Der Burgunder fast rosé in der Farbe, anfangs mit überreichlich Schwefelgestank und erst im Mund schmeichelnd-fruchtig, passte sich gut der Suppe an und vertrug sich besser damit als der chardonnayuntypisch schmeckende Yarden, der trocken, fast sandig schmeckte und erst nach etwa einer Stunde und später noch, allerdings nur mit einem gewissen Exotenbonus Trinkfreude bereitete.

III. Wildkräutersalat mit gebratener Wachtelbrust und gebackenem Ziegenkäse, Nuss-Himbeervinaigrette,

dazu Cava Artesa, Katalonien, "Bocchoris" Brut Nature Reserva aus Xarel.lo, Macabeo, Parellada, dagegen Colet Assemblage Extra Brut, 55% Pinot-Noir, 45% Chardonnay, 36 Monate Hefelager, 90 Parkerpunkte (also Jay Miller Punkte)

Der Bocchoris war geschmacklich dicht am Fraenzi, scheinbar sehr kühl vergoren, mit viel viel Bonbon, Gummibärchen und überhaupt eher Aromen aus der Kindheit als aus dem Geschmacksleben eines Erwachsenen, dafür mit angenehmem Druck ausgestattet und leidlich passend zur Vinaigrette. Der Assemblage dagegen als rechtes Dickschiff etwas klobig, sparsame Aromen und keine zum Salat passende Wendigkeit. Auch mit der Wachtel und dem Käse tat sich der Assemblage schwer. Noch nichtmal allein konnte er so recht überzeugen. Vielleicht fehlte da die nötige Flaschenreife, der wein wirkte jedenfalls allzu verschlossen.

IV. Dorade Royal, Hummer und Jakobsmuschel mit Sepialinguine,

dazu Schloss Vaux Rosé Brut, Pinot Meunier/Portugieser, dagegen Langlois Château Rosé aus Chenin Blanc, Chardonnay + Cabernet Franc

Der Vaux mit einer behenden Leichtigkeit, die Freude bereitet, leider auch mit einem etwas konventionellen, langweiligen Aromenspektrum und muffiger, ältlicher Frucht zum Ende hin. Der Langlois dagegen mit mehr Grandeur, lebhafter Säure und zupackender Art, ein Freund von Cabernet Franc im Schaumwein werde ich aber bis auf weiteres trotzdem nicht. Beide machten sich gut zum Meeregestier, wollten aber allein nicht so recht schmecken.

V. Perlhuhnbrust im Speckmantel, Risoléekartoffeln, Pfirsichsauce,

dazu Schloss Sommerhausen Riesling Brut 1997, dagegen Raumland Weissburgunder Brut 1997

Der Schloss Sommerhausen 97 ist nach wie vor einer meiner erklärten Lieblinge, 2004 degorgiert schmekt er ausgesprochen frisch, glänzt mit attraktiver Säure, einem für Brut-Rieslinge verschwenderisch anmutendem Aromenreichtum, hält sich aber noch im Rahmen einer unverspielten, ernstzunehmenden Stilistik und schmeckt keineswegs nach Robby Bubble o.ä. Der Raumland leider etwas schwächlich daneben, angefirnte Note, merklich gealtert, aber nicht kaputt oder fehlerhaft, sondern gut geeignet für Freunde des kräftigen Schäumers mit herben Aromen; immer noch genügend power, um mit Speckmantel und Pfirsich eine ménage à trois einzugehen.

VI. Tiramisu und Waldbeeren,

dazu Rives-Blanques, Blanquette de Limoux aus 90% Mauzac, 10% Chenin Blanc + Chardonnay, dagegen Marcus Stein, Kinheimer Sekt vom Moselschiefer aus 90% Weissburgunder und 10% Riesling + Müller-Thurgau

Der Blanquette muffig, bäuerlich, herb, klobig und säurearm, ein milder Ausgleiter für den Abend, vom Tiramisu aber erstaunlicherweise nicht überfahren, sondern, wohl weil er ziemlich dickfellig ist, in ganz aparter Weise als sparringspartner aufgenommen, verhielt sich sehr gut zu den Beeren (speziell Himbeere und Blanquette sind eine viel schönere Kombination, als das Cliché Erdbeere und Champagner). Der Stein-Sekt mit würziger Säure und gleichsam das Messer, das durch die Tiramisu glitt, weniger harmonisch mit den Beeren, dafür gut als Fettabbauhilfe und Geschmeidigkeitsverleiher, im übrigen auch keine unedle Kombination mit dem Espresso, aber alles in allem kein überragender Sekt.

Informeller Besuch im Haus Stemberg

A. Die Weine:

I. Calitin, Simply Sunshine Sparkling Shiraz, McLaren Vale, NV

Diesen Wein und den Kuchen gab es vorweg als nachmittäglichen Auftakt.

Schlappe 40 g/l RZ lassen so manches Dessert neben diesem Wein überflüssig erscheinen. Zum Apfel-Weisswein-Kuchen mit Kakaohäubchen war der fruchtig-süsse Shiraz dennoch eine gute Wahl. Ein pH-Wert von 3,48 und mäßige 5,6 g/l Säure, vergleichsweise niedrige 28 g/l freier Schwefel liefern nur eine sehr unzureichende Begründung dafür. In Wirklichkeit braucht es diese Begründung meiner Meinung nach gar nicht und ich habe mir, obwohl allgemein kein Freund von Süßspeisen, die Kombination weitgehend kritiklos schmecken lassen. Solo hätte ich sagen müssen, wäre mir der Sparkling Shiraz zu säurearm und allzu schnell erdrückend bis ermüdend vorgekommen. Zum Kuchen war er herrlich, speziell die grossen Apfelstücke und die andeutungsweise vorhandene Weißweinnote lieferten dem Sparkling Shiraz glänzende Spielpartner.

II. Bernhard Prass, Bacharacher Schloss Stahleck, Riesling halbtrocken, Mittelrhein, 2008

Am Mittelrhein ist es bei vielen Winzern wie in Franken: halbtrocken steht dort bei Weinen auf Etiketten, die anderswo nur mit der Aufschrift "Vorsicht! Ultratrocken, nur für Spezialisten!" verkauft werden würden. Ich glaube, bei Prassens hat man kurz überlegt, ob man den halbtrockenen Stahleck-Riesling nicht sogar als lieblich oder mild deklarieren sollte, doch am Ende scheint der common sense gewonnen zu haben. Der Riesling schwebt zwischen trocken und fruchtig-süß, schlägt je nach Begleitung mal nach oben und mal nach unten aus – was ihn zu einem sehr galanten Essenbegleiter macht. Mir hat er schon allein gemundet, noch besser war er zu den Spargelvariationen des Abends und zum Entenleberpraliné, außerdem kam er überraschend gut mit der Graupensuppe zurecht.

III. Poss, Weissburgunder trocken, Nahe, 2008

Das Weingut Poss macht bekannte und in vielen Situationen bewährte Weißburgunder, die mir stets am besten zu deutscher Küche schmecken. Deshalb lag es nahe, aus Sascha Stembergs klug renovierter Weinkarte den Weißen Burgunder von Poss im Glaserl zu wählen. Es sollte keine Enttäuschung sein. Mit seinem mildschmelzigen, entgegenkommenden Naturell ist der Wein ein adäquater Rahmen für Spargel, Salat und Schnitzel gewesen, für das der Barrua zu machtvoll gewesen wäre. Gerade der leichte, nicht verpampte Kartoffel-Radieschen-Salat zum Schnitzel, sowie eben dieses zarte Kalbfleisch waren zusammen mit dem Wein von besonderer Harmonie.

IV. Agricola Punica, Barrua, Isola dei Nuraghi, 2006

Agripuninca ist ein Joint Venture von zwei sehr geschätzten Weingütern: auf der einen Seite Tenuta San Guido, deren Sassicaia weithin als sehr guter "Bordeaux" bekannt ist und den ich überaus gern trinke, auf der anderen Seite die Genossen der Cantina di Santadi, deren Rocca Rubia bereits ein bemerkenswerter Wein ist und deren Terre Brune zu den standardbildenden Weinen seiner Preisklasse gehört. Der aktuelle Duemilavini 2010 ist vom gemeinsamen Kind der beiden entzückt und gibt 5 Trauben, Gambero Rosso und Guide l'Espresso lassen sich ebenfalls nicht lumpen und Sardinien ist sowieso eine aufregende Insel. Also habe ich mir den Wein aus 85% Carignano, 10% Cabernet Sauvignon und 5% Merlot, 18 Monate Barrique, je hälftig in neuem und gebrauchtem Holz, mal in die Karaffe gefüllt. Ich erwartete einen kräftigen Wein, der sich gut mit der Kost aus Sascha Stembergs Küche vertragen würde und sollte nicht enttäuscht werden. Eine halbe Stunde freischwimmen in der Karaffe brachte einen charaktervollen, sonnenverwöhnten, jugendlichen Athleten hervor, den man sich besser in einem Davidoff-Werbespot vorstellen kann, als bei Dolce & Gabbana. Knackig, sonnengebräunt, mit viel pointierter Brombeere und kühlem Blaubeerjoghurt, schmeichelndem Tannin und leicht glyceriniger Süße zum Schluss.

V. Champagne Lanson Black Label (Dank gebührt dafür dem Patron Sascha Stemberg)

Irgendwann zwischen Espresso und dem Abplatzen der letzten verbliebenen Hosenknöpfe überkommt mich der Champagnerdurst anstelle des Verlangens nach Grappa oder anderem Schnaps. Wie gerufen kam deshalb Sascha Stembergs Hauschampagner, der Black Label von Lanson. Der kommt ohne biologischen Säureabbau und infolgedessen mit etwas mehr Säure als andere Champagner seiner Preisklasse ins Glas. Zusammen mit dem herbfrischen Champagnerprickeln ist das für mich der beste Abschluss eines guten Essens und der ideale Übergang zu Kaminfeuer und erotischem Laienschauspiel.

 

B. Das Menu:

I.1 Amuse Gueule: Spargelsüppchen, Nordseekrabben-Happen und Hummersüppchen mit Champagner

Das Spargelsüppchen bildete einen appetitanregenden Einstieg und machte Vorfreude auf den Spargel ganz zum Schluss. Der Happen aus Nordseekrabben und Dill war von einer Bissfestigkeit und Meeresfrische, dass sogar Meeresfrüchteskeptikern Zweifel an ihrer Haltung kommen mussten. Nicht zu vergessen das delikate Hummersüppchen, dessen empfindliche Aromatik völlig frei war von überhitzten Karkassen und angebranntem Hummerfett – ein Aroma, das in manchen gut beleumdeten Küchen wie selbstverständlich zum Krustentiersüppchen dazuzugehören scheint.

I.2 Erster Gruss aus der Küche: Spargelschaum

In der Spargelzeit bietet sich so eine Variation natürlich an. Mir kam sie auf eine fast schon japanische Art schlicht vor: feinstperliger, reinweißer, standfester Schaum, darauf ein paar geröstete Sesamkörner. Schon sehr subtil, um nicht zu sagen: sublim.

II.1 Graupensuppe

Omas Graupensuppe war nicht besser. Das liegt nicht nur daran, dass Oma nach dem Krieg keine nennenswerten Einlagen für die Suppe hatte, sondern das liegt vor allem daran, dass die von Sascha Stemberg einfach überragend gut ist. Früher, als ich noch ein Graupensuppenverächter war, wären mir die Unterschiede gar nicht aufgefallen. Heute dagegen freue ich mich über die herzhafte Wurst, die perfekt gegarten, sämigen, bissfesten, nicht zu matschigen, nicht zu harten Graupen, die richtige Menge an Gemüse und Kräutern, den Salzgrad und die möglichst hohe Serviertemperatur.

II.2 Ziegenkäse mit Rapunzel-Bouquet, Pinienkernen und einer Sauce von Roter Bete, Kümmel und Karamell

Es ist leicht zu erraten, die Sauce gab hier den Ton an, erstklassig sekundiert von den Pinienkernen und in vollendeter Eintracht mit Salat und Ziegenkäse. Ein leichter, gaumenverwöhnender, wegen der großzügigen Menge an Ziegenkäse aber vom Sättigungseffekt her nicht zu unterschätzender Gang.

III. Zweiter Gruss aus der Küche: Entenleberpraliné im Pumpernickelmantel auf Hagebuttenreduktion

Immer wieder ein Vergnügen sind die Pralinés aus Sascha Stembergs Küche. Vor zwei Jahren war seine Blutwurstpraline der Höhepunkt des Abends, nun kam also Entenleber auf den Tisch. Die wirkte etwas rustikaler als die Blutwurstpraline; punkten konnte sie mit ihrer reizvollen Kombination aus Süsse, zartem Schmelz und angenehm vollkörniger Ummantelung. Die Hagebutte hätte etwas konzentrierter oder einfach mehr sein dürfen und gefiel mir zusammen mit Prassens halbtrockenem Riesling ausgezeichnet zu diesem Gruss aus der Küche.

IV.1 1/2 Wiener Schnitzel mit Kartoffel-Radieschen-Salat und Beerensauce

Das Stemberg'sche Wiener Schnitzel ist ebenso wie die Graupensuppe ein Gericht, das durch seine fast obszöne Einfachheit besticht. Die Herausforderung ist dabei nicht, einer altbekannten, täglich millionenfach zubereiteten Speise neue Facetten abzugewinnen. Die Herausforderung liegt vielmehr darin, ein Basisrezept so ungekünstelt und natürlich wie möglich herzustellen. Das gelingt Sascha Stemberg bei beiden jedes Mal aufs Neue. Das Schnitzel profitiert mächtig von der Herkunft nur wenige Meter die Kuhlendahler Strasse bergaufwärts, die Konsistenz, Faserigkeit und Aromatik des geplätteten Kalbfleischs dürfte selbst Schnitzelstrategen vom Rang eines Figlmüller in bodenloses, oder doch zumindest sehr beifälliges Staunen versetzen.

IV.2 Senfrostbraten mit dicken Bohnen, Perlzwiebeln und Kartoffelstampf

Das Rind – und ich darf mich, da ich während des Studiums für das Fleischrinderherdbuch Rheinland gearbeitet habe, in Rinderfragen einiger Kenntnis berühmen – war seiner Bestimmung aus gutem Grunde nicht entgangen. Denn dieses Fleisch war wie geschaffen für den Teller eines passionierten, manche werden sagen: obsessiven Fleischessers, wie ich einer bin. Als Braten zubereitet schätze ich Rindfleisch besonders, wenn es im Kern nurmehr zartrosa und saftig ist, nicht jedoch blutig, respektive quasi-roh, oder, wie mir auch schon vorgeworfen wurde, nur scheintot, namentlich, wenn ich es als Steak auf dem Teller habe. Dieses erlesene Stück Fleisch entsprach also meinen Vorstellungen von einem guten Rostbraten sehr genau. Was allerdings die Senfkruste angeht, war die mir eine Spur zu wenig senfig. Zwiebelchen, dicke Bohnen und Stampf dagegen waren tadellos.

V. Dritter Gruss aus der Küche: Pfirsichsorbet mit hawaiianischem Vulkansalz

Eine kleine, den Appetit raffiniert befeuernde Erfrischung kam nun aus der Küche. Einige wenige Körnchen von dem ziemlich salzigen schwarzen Salz genügten, um aus einer unscheinbaren Pfirsichsorbetkugel eine Delikatesse zu machen, über deren aromatischen Sensationswert man streiten kann, die mir aber ausgezeichnet gefiel, da ich ein großer Salzfreund bin.

VI. Spargel mit Sauce Hollandaise

Der Spargel war einfach traumhaft. Gleichbleibend dick, nicht zu dick, unverholzt, bissfest, unzerfasert, aromatisch, eben so, wie man sich Spargel wünscht. Die Hollandaise dazu hätte ruhig etwas forscher sein dürfen, ich habe sie letztlich weggelassen, weil mir der Spargel pur lieber war.

VII. Käseauswahl: Brin d'Amour, Langres, Fourme d'Ambert, Rochebaron, eingelegte schwarze Nüsse, Birnenmus und Paprikachutney

Wein vom Würzburger Stein

Die Weine aus dem Würzburger Stein, vorgestellt von Robert Haller (Bürgerspital), Michael Jansen (Staatlicher Hofkeller) und Horst Kolesch (Juliusspital).

I.1 Bürgerspital, Silvaner Kabinett trocken 2009

Der Wein ist holzfassausgebaut, trumpft damit jedoch nicht unangemessen auf. Abklingende bananige Primärnoten gehen in eine weinige, pfeffrig unterlegte Blumigkeit über, mit gelinder Salzigkeit, leicht wärmendem Alkohol und gemäßigter Kraft.

I.2 Juliusspital, Silvaner Kabinett trocken 2009

Holzfassausbau und ein leichtes Prickeln. Apfel, Melone, Limette, Crèmigkeit und Schmelz wollten sich mir nicht so mühelos offenbaren, wie von Horst Kolesch vorgegeben. Den salzigen Zungenrand und eine gewisse rauchige Flintigkeit habe ich durchaus wahrgenommen. Mit sehr viel Luft zeigte sich dann crèmiger Schmelz, die Früchtearie blieb dennoch aus.

I.3 Staatlicher Hofkeller, Silvaner Kabinett trocken 2009

Dafür legte der Staatliche Hofkeller los. Stahltankausbau war der präzisen Frucht förderlich, Apfelmus und Rhabarebr, Passionsfrucht und Litschi, Buttercrèmetorte und Melone, also im Grunde das, was beim Juliusspitäler nicht recht aus den Startlöchern kam, verbunden noch mit einer feinen Würze und langem, mineralischem Nachhall. Mein Liebling in diesem flight.

II.1 Bürgerspital, Riesling Kabinett trocken 2009

Mineralisch, dicht, dunkel und eng, schwer entzifferbar und irgendwie moosig, später dann mit etwas mehr Saft war der Riesling. Der insgesamt sumpfige Charakter wurde von der rundlichen und weichen Säure noch verstärkt.

II.2 Juliusspital, Riesling Kabinett trocken 2009

Als filigran, jugendlich, förmlich aus dem Glas herausspringend, mit Weinbergspfirsich, Grapefruit und Blutorange wurde dieser kontinentaltypische Riesling vorgestellt. Salzig natürlich mal wieder, und mit einer rauchigen Note, dem Steincharakter eben. Ich fand den Wein von Apfel- und Quittenmus geprägt, von leichter, sportlicher Bauart, mit reifer Zitrusfrucht und leichter Herbe.

II.3 Staatlicher Hofkeller, Riesling Kabinett trocken 2008

Würzig, pfeffrig, mit ausbalancierter Süße/Säure und einer in Richtung Spätlese weisenden Nachhaltigkeit, so Michael Jansen. Auch ich fand den Wein sehr ausdrucksvoll, mit einer reliefartig herausgearbeiteten, sehr plastischen Aromatik von Limettensaft und Honigwaffeln, mit Puffreis und langem, mit Vibrato verklingendem Abgang.

III.1 Bürgerspital, Weißer Burgunder Kabinett trocken 2009

Ein sehr homogener flight von Weißen Burgundern kam sodann ins Glas. Würzig und leicht salzig, mit aprikosiger, sämiger, nicht klebriger Süße. Rund und fein, saftig und weich.

III.2 Juliusspital, Weißer Burgunder Kabinett trocken 2009

In der Nase erstmal eine ordentliche Ladung Bienenwachs. Am Gaumen geringfügig griffiger als das Bürgerspital, leicht prickeln, vielleicht auch minimal hitzig, paraffinig und herb.

III.3 Staatlicher Hofkeller, Weißer Burgunder Kabinett trocken 2009

Nach dem Bienenwachspfropfen nun fast gar keine merkliche Nase, was ich nicht als Eleganz missdeuten möchte. Im Mund allerdings schon eine leichte, sehr delikate Frucht mit massgeschneiderter Fruchtsäure.

IV.1  Bürgerspital, Silvaner Spätlese trocken 2008

Mineralisch, wie es die speisefreudigen Silvaner aus dem Stein offenkundig sind. In der Nase noch nicht sehr begeisternd, dann aber vollmundig, mit mehligen Äpfeln, weiniger, runder als der Kabinett.

IV.2 Juliusspital, Silvaner Grosses Gewächs trocken 2008

Natürlich war das Grosse Gewächs mineralisch, interessanter noch war hierbei die Balance zwischen pfeffriger Schärfe, dem Anflug alkoholischer Hitze und dichtgepackter Frucht. Wenn sich dieses Knäuel kunstvoll entfaltet, wird der Wein in den nächsten Jahren eine Referenz erster Güte für den Würzburger Stein abgeben.

IV.3 Staatlicher Hofkeller, Silvaner Grosses Gewächs trocken 2008

Feingliedrig, dicht, voll, saftig und schmelzig sollte das GG vom Hofkeller sein. Ich fand zunächst nur Kräuter und Suppengemüse in der Nase. Darunter versteckte sich ein schlanker, aber sehr schüchterner Wein, dessen leichte Herbe sich mit Luft positiv entwickelte und dem Wein eine mühelose, wenngleich geordnete, crèmig-samtige Eleganz verlieh. Daher mit einer Nasenspitze Vorsprung vor dem Juliusspital mein Favorit im flight

V.1 Bürgerspital, "Hagemann" Riesling Grosses Gewächs trocken 2007

Riesling mit understatement. Bescheidene gelbe Frucht, sparsame Litschi. Dafür sehr viel Druck und langer Nachhall. In so dürren Worten lässt sich der Wein gewiss beschreiben, leider geht dabei völlig verloren, wie viel bei diesem Wein unter der betont glatten Oberfläche brodelt. Ich kann nicht sagen, ob der Wein in eine Transformationsphase geht oder bald aus einer herauskommt, aber ich fand den Wein sehr unruhig und kurz vor dem aufplatzen, unter Freisetzung aller aufgestauten Lebenslust und Früchteopulenz. Sehr vielversprechend!

V.2 Juliusspital, Riesling Grosses Gewächs trocken 2008

Fruchtbalance, Zitrus, Blutorange, Grapefruit, stahlig, fordernd, lang, frisch und druckvoll. In allen Facetten etwas ruppig und trotz einer sich ankündigenden Popreisnase, die nach meinem Eindruck immer mit einer gewissen Beruhigung und Arrondierung einhergeht, noch ein junger, wilder, etwas hitziger, auch süffiger Wein mit weichem Kern.

V.3 Staatlicher Hofkeller, Weißer Burgunder Grosses Gewächs trocken 2008

Etwas ungünstig war der Weiße Burgunder nach den Rieslingen platziert. Hiervon werden nur 1200 Fl./ha gewonnen und teils im Stahltank, teils im Bordelaiser Barrique ausgebaut, um dann rückverschnitten zu werden. Mit seiner milden, flachen Säure und der glatten, geschmeidigen Art konnte er sich nicht mehr gegen die Rieslinge durchsetzen.

Weinsause bei Essen-Privat

A. Als Menu gab es

I. Lachsterrine und Variation vom Wildlachs

II. Flusskrebssuppe mit Zitronenbutter-Croûtons

III. Wiesenkräuter an Rinderfiletspitzen

IV. Lammhüfte vom Grill mit Haricots verts, Fenchelgemüse und Trüffelkartoffelpurée

V. Dessertvariation mit Erdbeersorbet

 

B. Dazu die folgenden Weine

Opener:

Champagne Eric Isselée, Blanc de Blancs Grand Cru 2002 en Magnum

Schon wieder der Isselée. Weil er immer noch gut ist, der Isselée. Zusammen mit Voirin-Jumels Blanc de Blancs Grand Cru ist das bis auf weiteres mein favorisierter Partychampagner aus der Magnum. Saftig, wohlgerundet, mittellang, ein echter Appetitanreger, der aus der Magnum immer genauso schnell verschwindet, wie aus Normalflaschen.

Weiss:

I. Reichsrat von Buhl, Weissburgunder "Ruhr-Edition" 2009

Dieser Wein wird nicht ohne Grund den Sommer an Rhein und Ruhr beherrschen. Fruchtig, mit kerniger, für Weissburgunder schon sehr stattlicher Säure, zur Seite hin mit hellen Blüten und weissem Pfirsich abgepolstert. Der typische crowd pleaser.

II. Pompaelo Blanco 2009

Auf der ProWein erstmals probiert und als Muster mitgenommen. Wenn ich das richtig erinnere, ein Mix aus Viura und Chardonnay mit Muscat Gros Grains, es kann aber auch alles ganz anders sein. Das wohlige, reichhaltige Bouquet spricht für den von mir jetzt einfach mal unterstellten Rebsortenmix, im Mund fiel er leider nach dem Buhl deutlich im Säurewert ab und wirkte laff. Doch nochmal solo nachprobieren.

III. Badet, Clement & Cie., Révelation 2008

Chardonnay und Viognier verpartnern sich in diesem Wein ganz köstlich. Durch den Fassausbau kommt eine leicht speckige Note dazu, die sich mit dem Duft aus Opas Zigarrenkiste vermengt. Im Mund kühlend, mittelgewichtig, mit einer etwas breiten, aber liebenswerten Säure.

IV. Bodegas Piedemonte Garnacha Rosado 2008

Rosé gekelterte Grenache aus Navarra. Erdbeerig, himbeerig, auch schokoladig. Trotz der klaren und allgegenwärtigen roten Aromatik hat man nicht den Eindruck, einen roten Wein im Mund zu haben, dafür ist er dann wieder zu frisch und leicht. Einen transsexuellen Eindruck machte der Wein auf mich aber auch nicht. Gut gelungener Balanceakt in einer immer wieder bespöttelten Kategorie.

V. Reichsrat von Buhl, Forster Pechstein Großes Gewächs 2008

Nach dem jüngsten GG-Performance-Check hatte dieser Pechstein nur wenige Pflichtaufgaben zu erfüllen. Aromatisch war alles da, was junger, ungestümer Pfalzriesling haben darf, Apfel, Melone, Aprikose und Pfirsich, sehr viel Schmiss und eine mitreissende Offenherzigkeit.

VI. Elena Walch, Beyond the Clouds 2007

Aus den Traminer Steillagen Castel Ringberg und Kastelaz stammen die Trauben für diesen eigenwilligen Wein. Chardonnay soll vorwiegend drin sein, aber auch Traminer und am Ende noch Sauvignon Blanc. Aber genaue Angaben fehlen leider. Sie hätten auch nichts an meinem Verdikt geändert: kein Wein, der mir geschmeckt hat. So filigran und einfallsreich wie eine Sonnenblume, so aromatisch wie Sonnenblumenöl. Von Säure keine Spur, dafür ein seltsam verlorenes Zuckerl. Vielleicht in fünf Jahren nochmal trinken, aber im Moment würde ich die Finger davon lassen.

Rot:

I. Château Citran 1996 Mise du Château de Preuilhé, en Magnum

Jedes Mal, wenn er auf den Tisch kommt, überrascht dieser Wein. Diesmal hatte ich mir als allerersten, sich mir sofort in der Nase auffälligen Ton getrockneten, mit Sesamöl eingepinselten und mild gesalzenem See-Lattich notiert, wegen der jodigen Note und weil er tatsächlich danach duftete – und ich bin ein großer Vertilger von getrocknetem, mit Sesamöl eingepinseltem und mild gesalzenem See-Lattich. Eine etwas scharfe Beerenfrucht kam noch dazu, wie ein Dessert aus Erdbeeren, Orangensaft und Pfefferkörnern. Obwohl ich nie ein Fan von Citran war, mit diesem Wein könnte ich es mir vorstellen.

II. Würtz-Weinmann Pinot-Noir 2005

Der Wärtz in rot, was ja gut passt. Knackig war er, die Runde rief sehr schnell und überwiegend "deutsch", vielleicht wegen dieser kühles Klima vermuten lassenden Knackigkeit, vielleicht wegen des für deutschen Spätburgunder typischen, hier aber nicht stereotypischen Charakters von Einmachobst und einer freundlich-warmen Waldboden- oder Humusnote. Verhaltene Kraft und einen süsslichen, entfernt an Weihrauch erinnernden Abgang hatte er ausserdem.

III. August Kesseler, Assmannshäuser Höllenberg Pinot-Noir 1990

Erdig, waldbodig und pilzig duftete dieser Wein. Mit Luft wuchsen die ersten roten Beeren aus dem Glas und lieferten sich einen Wettlauf mit der nicht unbeträchtlichen Säure. Das griffige Tannin spielte daneben keine grosse Rolle, viel spannender war es, den beiden Komponente bei ihrer Entwicklung beizuwohnen. Fast muss man sagen, dass der Wein mit seinen nunmehr zwanzig Jahren noch nicht am Ende der Fahnenstange angekommen ist, so wandlungsfreudig wie er sich zeigte.

IV. Warrenmang Estate Grand Pyrenées 1998

Dieser Bordeaux-Blend passte so gut zum Fleisch, wie nur dasselbe Fleisch selbst noch einmal gepasst hätte. Brombeer und Cassis waren so selbstverständlich da, als wären sie meine direkten Tischnachbarn, dazu kam noch ein neuweltliches, etwas minziges Tannin, das dem Wein ein schlankes, raffiniertes Gewand lieh. So soll Wein zum Fleisch schmecken.

V. Grand Puy Lacoste 1997

Meiner Meinung nach Kork. Wirkte aber unabhängig davon als sei er noch gut beisammen.

VI. Torbreck Juveniles 2001

Über David Powells Weine kann man viel philosophieren. Man wird aber immer auf die Person zurückkommen, die diesen Wein macht. Und ein Stück seiner Persönlichkeit, mehr als nur eine persönliche Randnotiz, steckt in jedem seiner Weine. Holzfäller und Weinmacher, Grobe Kraft und kunstsinniger Feingeist, das sind einige der Stichworte zur Person, an die man sich erinnert, wenn man seine Weine trinkt. Dieser Juveniles kam leider nicht in Höchstform ins Glas, zeigte aber die typischen tiefdunklen, aus den Wäldern der schottischen Highlands stammenden Beerenaromen. Aus 60% Grenache und jeweils 20% Mourvédre/Mataro und Shiraz gekeltert, im Stahltank vinifiziert.

VII. Pikes Merlot 2000

Hier zeigte ein Wein ab der ersten Sekunde, was er kann. Dem Assmannshäuser in der Beziehung verwandt. Mich erinnerte der Wein zunächst an Thymian und medizinische Präparate, dann trat aus dem dichten Schleier langsam der fruchtige, beerige Charakter hervor. Von seiner Art her kühl, hatte der Wein ein durchaus hanseatisches Auftreten. Mit diesem Wein werden in Hamburg-Pöseldorf die künftigen Schwiegersöhne bewirtet, bevor es ans Heiraten geht.

VIII. Robert Groffier Chambertin Clos de Bèzes 1995

Das folgende Gewächs kam von Groffier, der zu den Spitzenwinzern der Region zählt. Ich wusste nicht recht, ob sich der Wein hauptsächlich gegenüber meinem Gaumen, oder seinem eigenen fortschreitenden Alter so angriffslustig zeigte. Die Bewegung tat ihm jedenfalls gut. Eine mürbe, etwas mehlige, nussige Art konnte er nicht verhehlen, verkaufte das aber sehr gut als Esskastanie. Die vereinigte sich ausgesprochen glücklich mit gewissen Kirsch- und Beerenaromen, umspielt, oder besser gesagt umlaufen von einer sehr agilen Säure, die wie ein Schäferhund die Herde an noch frischen Aromen hütete.

IX. Fox Creek Reserve 1998

Sehr viel getrocknete Sellerieschnipsel und Brühwürfel. Unter diesem Konzentrat eine sehr dicht ineinandergewobene Mischung aus allem, was man in der Küche verwenden kann und dunkel ist. Schokolade, Crema di Balsamico, schwarzer Pfeffer, Morcheln, Nelken. Nicht leixcht zu trinken.

X. Léoville Poyferré 1996

Starker Wein für starke Männer. Hat aber auch den Frauen geschmeckt, soweit ich das beobachten konnte. Denn überwiegend habe ich entweder ins Glas geschaut, oder die Augen beim Trinken geschlossen. Nach kurzer Aufwärmphase schiessen saftige Frucht, seidenweiches, reifes Tannin und eine beides sehr dezent umklammernde Mineralität aus dem Glas. Rund und gut, ein Wein, für den man sich ohne falsche Scham prostituieren darf.

Schließer:

I. Horst Sauer, Escherndorfer Lump Riesling Auslese 2009 Fassprobe

Einen guten Riesling hat der Horst Sauer da ins Glas gebracht. Genauso topfit, wie er selbst. Nun bin ich kein großer Kenner der Frankenrieslinge und schon gar keiner der edelsüssen Frankenrieslinge. Das mag erklären, warum mir der Wein so schwer identifizierbar vorkam. Trotz vorhandener, junger, leider noch arg hefiger Frucht wirkte der reichlich massige Wein gebremst und nicht ganz balanicert. Ich hoffe, das renkt sich demnächst ein.

II. Dr. Crusius, Schlossböckelheimer Felsenberg Riesling Auslese 2008

Altersbedingt eine ganze Stufe weiter war der Riesling von Crusius. Quietschlebendig, mit einem pumucklhaften Übermut und Lust an der Komplementärfarbe. Grüne Aromen von Apfel, Kiwi und Stachelbeere standen knallroten Aromen von Johannisbeere und Cranberry gegenüber. Dazu kam Mirabelle, gelbe Pflaumen nicht zu vergessen. Also letztlich genau die Hausfarben vom bayrischen Kobold. Feiner Wein!

III. Fox Creek Vixen Sparkling Shiraz

Schoko und Kirsche in prickelnd. Wenn man ganz genau auf seine Geschmacksknospen horcht, hört man auch, wie sie "grüne Paprika" oder "ladybird taint" rufen. Darüber bin ich mir selbst nicht ganz sicher, aber je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr glaube ich, das vernommen zu haben. Schliesslich passt es sogar ganz gut zu diesem in Deutschland völlig exotischen Wein.


Ruhr-Karussell Teil IV

 

 

Was wäre ein Ruhrmenu-Check ohne einen Blick auf die Teller der Résidence? Eben. Unvollständig. Deshalb musste Essens gastronomischer Leuchtturm mal die Lampen anmachen.

 

O.1 Erster Gruß aus der Küche: Dreierlei Appetizer

 

O.2 Amuse Gueule: Variationen vom Ochsenbäckchen, mal knusprig, mal mit Erbsenespuma

 

O.3 dazwischen: Walnussbrot mit mildgesalzener Butter

 

O.4 Zweiter Gruß aus der Küche: Karotten-Chili-Süppchen mit Bananenchip und Karotten-Kokos-Kraut

 

zu alledem: Champagne Perrier-Jouet Belle Epoque 1988;

beim Öffnen noch sehr zurückhaltend, zeigte sich im Glas doch eine altersgerecht verfeinert Perlage in einem sattgoldenen Rahmen. Die anfangs etwas metallische Nase war der Auftakt zu einem reifen, aromatischen Wechselspiel, das hauptsächlich aus frisch eingekochter Kondensmilch, Milchschokoladen- und Haselnussaromen bestand. Im Mund ein quietschfideles Säuregerüst, das immer noch mehr als großzügig mit Apfel, Toffee und Nüssen behängt war. Daher war meine Lieblingskombination die zum gebutterten Walnussbrot. Ebenfalls sehr gut vertrug sich dieser Champagner mit dem knusprigen Ochsenbäckchen und dem exquisit luftigen Erbsenespuma. Auch zum Noriröllchen war der Champagner schön, wobei der Reis noch etwas länger hätte gegart werden müssen, denn mehlig bröckeln dürfen einzelne Körner nicht. Zum zweiten Gruß aus der Küche war die Kombination am schwierigsten, denn insbesondere das Kraut hatte, vor allem zusammen mit dem Bananenchip, einen starken Einfluss auf die Geschmackswahrnehmung. Zum Süppchen allein passte diese entgegen im Vorfeld gehabter Befürchtung schön gereifte Belle Epoque allerdings durchaus.

 

I.1 Klümpken von geräucherten Aal & Sternenrenette, dazu Weingut Münzberg, Weissburgunder "Schlangenpfiff" Großes Gewächs 2007;

das Klümpken war ein dreischichtiger Würfel aus Gänseleber, einer Mittellage Ruhraal und einer oberen Schicht aus beidem. Eine gut durchdachte Komposition mit einem bissfesten Aal in der Mitte, der sich schön zur Leber machte. Ebenfalls sehr schön war der Schlangenpfiff dazu, klugerweise vom lobenswerten Sommelier Alfred Voigt im passenden Kelch serviert. Der Tupfer Gänselebereis war mir geringfügig zu kalt, um ihn gemeinsam mit dem Wein zu geniessen, was ich etwas bedaure. Die vanillierte Rote Bete hingegen setzte wieder einen schönen Akzent neben den Weißburgunder.

 

I.2 Involtini von Jakobsmuscheln & Brunnenkresse mit Rote-Bete-Chutney, dazu Künstler, Riesling Spätlese Alte Reben, Hochheimer Stielweg 2008

Eine überzeugende aromatische Zusammenstellung war auch die Brunnenkresse mit der Roten Bete. Typische milde Kresse-Schärfe und erdig, saftig, animierend, fruchtig das Chutney. Ein farbenfroher Rahmen für die Jakobsmuschel und genau der richtige Ort für Künstlers Alte Reben, die mir solo noch ein wenig zu jung vorkamen.

 

dazwischen gab es die beliebten selbstgebackenen Brötchen, von denen mir das mit Tomatenpesto noch besser gefiel, als das ebenfalls sehr gute Laugenbrötchen

 

II.1 Stulle von Kaninchen mit gebackenen Schalen & Stampf von Erdäppeln in Honig-Senf-Sauce, dazu Deutzerhof Cossmann-Hehle Spätburgunder Caspar C. 2006

Dieser Spätburgunder gehört zu den trotz Holzeinsatzes zurückhaltenden Vertretern mit kühler, mineralischer, von etwas apfelpektinigem, tanninigem grip unterstützter Stilistik. Zum weichen, aber nicht labberigen Kaninchen passte das sehr gut, während ich dem Wein solo nicht viel abgewinnen konnte. Aber zum Essen ein wahrer Prachtbursche, dessen ganze Stärke sich noch zeigen sollte: in Verbindung mit dem reichlichen Trüffelaroma einerseits, als Komplize der konzentrierten, aber nicht überladenen Sauce und schließlich noch zum Zwiebelconfit. Jede Komponente entlockte diesem allein etwas schüchtern dastehenden Burgunder eine neue treffende und schlagfertige Äußerung, so dass ich den Gang letztlich als den schönsten angesehen habe.

 

II.2 Sautierter Langostino mit Pimentofregola, Auberginentasche und Paprikaperlen, dazu Gerard Boulay Sancerre Chavignol 2007

Wenn man diesen Wein getrunken hat, fragt man sich, warum die verschiedenen Meeresbewohner nicht lieber in Sauvignon-Blanc schwimmen. Mineralisch, gravitätisch, aber nicht schwülstig, mit frischen, an Verbene und Trockenkräuter erinnerndem Duft, im Mund schlank, lang und wendig. Dem Langustino merkte man an, dass er sich in dieser Begleitung wohlfühlte und das Auberginentäschchen fügte einen raffinierten touch hinzu. Besonders gelungen waren aber die Paprikaperlen, deren Aroma sich im Wein gespiegelt fand.

 

III.1 Lachsforellenstollen mit Blutwurst und lauwarmem Kappessalat, dazu Knipser, Mandelberg "Steinbuckel" Großes Gewächs 2007

Der Stollen als Edel-Dürüm angerichtet, auf der einen Seite mit der Lachsforelle, auf der anderen mit der groben Blutwurst, war in einem krossen Teigmantel untergebracht. Den zu zerschneiden, bedeutete leider immer auch, etwas von der Füllung herauszuquetschen, was bei mir nicht sehr schön aussah, aber gut schmeckte. Eine gute Sache waren die luftigen, sehr krossen Kartoffelkissen, aber eine gute Sache war auch der Steinbuckel zur Blutwurst. Die hat bekanntlich eine durstfördernde Eigenschaft, das Große Gewächs in diesem Fall eine dankenswerte und überaus hilfreiche Feuerwehrfunktion.

 

III.2 Strudel vom Saibling mit Spitzkohlsalat und Birnen-Ingwerrelish, dazu Peter und Brigitte Pligers Kuenhof, Grüner Veltliner aus dem Eisacktal 2007

Wenn sich je einer fragen sollte, welche Daseinsberechtigung der Sommelierberuf eigentlich hat, dann ist die Antwort einfach: um dem Gast solche Weine zu empfehlen. Zunächst ein mörderischer Stinker, dann erstmal lange nichts als Mineralstaub und eine konzentrierte, zehrende Säure, nach spannungsvollem Warten kippt der Wein dann nicht tot um oder wird gar brandig, sondern entlässt den Gaumen aus seinem Würgegriff und heraus fallen Blumen, Kräuter und beinahe zufällig noch das Pfefferl. Zum Saibling war das ein extrem guter Griff und zum Birnen-Ingwerrelish hätte ich mir gar nichts anderes wünschen können.

 

IV.1 Taubenbrust und Keule aus dem Henkelmann mit karamellisierten Schwarzwurzeln, Pancettachip und Graupenallerlei, dazu Springfontein Ulumbaza Syrah 2006

Der Henkelmann war ungewohnt minimalistisch, einfach nur ein Knusperbogen, der sich über die saftig lockende Taube spannte. Das Taubenfleisch wunderbar zart, mit einer dichtwürzigen, unverfälschten Sauce, die einwandfrei mit dem beschwingten, leichten Syrah harmonierte. Dem gelang es, einerseits der Sauce, andererseits den Rote-Bete-Würfeln und den Schafspilzen Gewürznoten zu entlocken, die das Menu auch in Afrika hätten heimisch erscheinen lassen können. Schöne Randnotiz: Die Macher von Springfontein kommen sogar aus Essen.

 

IV.2 Steinbutt mit Bianchettotrüffeln, Spaghetti und Canelloni vom Muskatkürbis und Zitrusfrüchtesugo, dazu Springfontein Sauvignon/Sémillon 2007

Zum Steinbutt machte sich der Bianchettotrüffel bestens, schließlich hat er ja jetzt auch Saison. Mir war der Wein etwas zu fruchtig dazu und auch zum Zitrusfrüchtesugo, das wiederum grossartig gelungen war, passte er besser in der Nase als im Mund. Schön dagegen war die Kombination mit dem Muskatkürbis.

 

V. Schnuckelige Quitte mit Ziegenkäseeis, dazu Martin Pasler, Welschriesling Beerenauslese 2006

Die Quittenvariation bestand aus einem Ragout von der Quitte, dem Ziegenkäseeis mit Quitte und einer Lilienblüte, einem Karamell und einem Schokegel mit Apfelfüllung. Die Beerenauslese von Pasler machte alles davon mit. Gegenüber der Quittenvariation spielte sie ihre softe, musige Seite aus, zur Lilienblüte konterte sie mit geballter Süße, die gekonnt zum kräftigen Ziegenkäse überleitete, die vom Apfel aufgelockerten Schokoaromen erwiderte sie mit einem Rest an fruchtiger Säure.

 

Patron Bühler, ließ zur Strafe für den versäumten Schluck vom mitgebrachten 88er Belle Epoque schwarze Gläser auffahren, deren Inhalt bestimmt werden musste. Listigerweise hatte er Champagne Lenoble Rosé 2004 eingeschenkt; dessen fruchtige, nicht sehr säurebetonte Art liess mich auf einen noch jungen Winzerchampagner mit mindestens 70% Chardonnay tippen. Ob weiß oder Rosé, da war ich mir nicht sicher, wobei die ausgeprägte Frucht sehr für Rosé sprach, ebensogut hätte es aber auch ein hoher Chardonnayanteil aus Ay oder Mareuil sein können.

 

Abschließend gab es noch eine umfangreiche Auswahl vom gut sortierten Käsewagen, ganz zum Schluss Pralinés.

 

Die zwei Sterne sind verdient, die Küchenleistung muss ich gegen Anwürfe, sie sei allzu unbeweglich in Schutz nehmen. Der Service ist über jeden Zweifel erhaben, ausgesprochen aufmerksam und niemals aufdringlich, gleichzeitig von einer unaufgesetzt fröhlichen Freundlichkeit, die man andernorts vermisst. Auch entstand in dem nicht sehr großen Speiseraum in keinem Moment der Eindruck von Enge oder Überfülltheit. Glückliches Essen!

Frankensekt

0. Opener
Sektkellerei Höfer, Würzburg: Pinot Prestige Cuvée (Pinot Noir, Pinot Meunier und Chardonnay) Brut, AP aus 05
15,00 €
feinfruchtig, blütenblättrig, animierende Säure, konziliante Butternote, rund und gelungen

I.1
Juliusspital, Würzburg, 170 ha: Cuvée Pinot (Weiß- und Grauburgunder) Extra Brut 2006
17,90 €
amylisch, bonbonig, buttrig, Sauerampferbeimischung, Campher, leichte Herbe zum Schluss

I.2
Weingut am Stein, Ludwig Knoll, Würzburg, 21 ha: Grauburgunder Brut 2006
15,00 €
schlanker, spritziger, leichter als der Juliusspitäler, auch mit einer leichten Campherherbe am Schluss

II.1
Fürst Löwenstein (TRIAS), Kreuzwertheim, 30 ha, Grundweine im Barrique, RZ 3 g/l: Weißer Burgunder Satzenstein Extra Brut 2006
20,00 €
Gummireifen und Talkumpuder, entwickelt sich dann aber beträchtlich im Glas, später mit Blüten und obstigen Aromen

II.2
Graf Schönborn, Volkach, 30 ha: Weißer Burgunder Extra Brut 2005, 24 Monate Hefelager
19,50 €
rassig, fruchtig, mild, mit ausgeprägter, eleganter Beeren-/Birnenaromatik

III.1
Schäffer, Volkach-Escherndorf, 3,4 ha: Riesling Extra Brut 1999, 50 mon. Hefelager
12,95 €
Petrol und Zitrusfrüchte, kalkpudrig, wirkt keineswegs ältlich

III.2
Störrlein (TRIAS), Randersacker, 8 ha im Marsberg und Sonnenstuhl: Riesling Extra Brut 2004
13,00 €
wieder Petrol und Zitrusfrüchte, eine Spur fokussierter, mit mehr innerer Struktur

IV.1
Schmitt's Kinder (TRIAS), Randersacker, 19 ha: Schreurebe Brut, AP 07
13,90 €
pink-grapefruchtig, beerig, sauber, kalkig, pudrig, als Scheurebe zu erkennen, aber ohne aufdringliche Katzenpisse, sondern überwiegend exotische Aromen mit allenfalls einer Spur Salmiak, die sich aber im Aromenkonzert gut eingliedert; keine dominanten Aromenausreisser, sondern gediegener Sektgenuss

IV.2
Weltner, Rödelsee, 7,5 ha: Scheurebe Brut 2006
11,00 €
etwas kräftigere Aromatik und ausgeprägtere Salmiaknote, die sich mit etwas nachprickeln langsam verliert, aber noch nicht unangenehm wirkt, hier auch wieder Grapefruit und Cassis

– für beide Scheureben fiel die Bezeichnung (sympathisch-)dümmlich, zu verstehen im Sinne sorgloser und unbeschwerter Weinunterhaltung, was im Zusammenhang mit gut gemachter Scheurebe sowieso nicht fernliegt –

V. außer der Reihe
Jacquart: Mosaique Blanc de Blancs 1992
-,– €
dunkel, oxidiert, in der Nase ladungsweise Butterscotch und Toffee, für mich der Überrascher des Abends, weil ich den 92er angesichts der Vorstellung der BdB Jahrgänge 1997, 1998, 1999 (die sich alle vielleicht zwei, allerhöchstens drei Jahre mit Genuss trinken ließen) von Jacquart für längst hinüber gehalten hätte; stattdessen diese appetitlichen Toffeearomen und ein hauchdünnes Täfelchen feinster Milchschokolade, verspielte Reste einer ohnehin nie dominanten Säure und der Eindruck, als habe eine äußerst wohlriechende Frau gerade erst das Kaminzimmer verlassen

IV. Schließer
Sektkellerei Höfer, Würzburg: Rieslaner Extra Trocken, AP aus 04
12,30 €
Litschi, Drachenfrucht, pudrig und kalkig, trotz der hohen Dosierung mit präsenter Säure, im Mund eine Spur Ammoniak

Fazit: die Extra Bruts hätten gut und gerne auch Brut dosiert sein dürfen, auffällig war eine – beim Sekt leider of beobachtete – Herbe im Abgang, die den Wein nicht seriöser erscheinen lässt, sondern das ansonsten gute Mundgefühl eher beeinträchtigt