Die Alliance Champagne gehört zu den größeren Neu-Zusammenschlüssen von Champagnerproduzenten innerhalb der letzten Jahre. Drei Genossenschaftsgruppen mit den wichtigsten Marken Pannier, Devaux und Jacquart agieren jetzt unter diesem Dach und haben eine gewaltige Menge Trauben aus allen Regionen der Champagne zu ihrer Verfügung. Jacquart als am nördlichsten angesiedelter Produzent hat sich seit 2010 die Kellermeister-Dienste der energiereichen Floriane Eznack gesichert, die in den letzten zehn Jahren eine steile Karriere, u.a. bei Moet und Veuve Clicquot, hingelegt hat. Von ihr werden wir noch einiges hören, bzw. trinken.

Die Alliance sorgt für ein eigenständiges und hochwertiges Auftreten ihrer Marken; so repräsentiert Veuve Devaux sehr herrschaftlich in einem großzügigen Manoir in Villeneuve und Jacquart hat sich das Hotel de Brimond am Boulevard Lundy in Reims gesichert, direkt gegenüber von Louis Roederer. Wohl aus gutem Grund. Denn Straßen haben für Jacquart eine historische Bedeutung. Eine Gründerpersönlichkeit gibt es schließlich nicht, mehr ein Gründerkollektiv. Das residierte in der rue Jacquart, die folglich als Firmenname adaptiert wurde.

Heute ist Jacquart weltweit heimisch, vor allem in USA sehr präsent. In Deutschland war der Start 1997 aus meiner Sicht nicht ganz so glücklich, die Trennung zwischen Supermarktware und Fachhandelslinie wollte mir nie gefallen, die undiffrenzierte Vielzahl verschiedener Spitzencuvées war nie recht begreiflich zu machen und ehrlich gesagt schmeckten die auch nicht so gut, dass davon viel bei mir haften geblieben wäre – glücklicherweise wurde das Chaos an der Spitze zusammengestrichen und durch eine wiederum neue Cuvée Alpha ersetzt. An einige Magnums der Cuvée Nominée 1988 kann ich mich von Ferne noch erinnern, das war's aber auch. Dabei war der Champagner von Jacquart wenn man wusste, was und wann man zu kaufen hatte, immer zuverlässig, sei es der Brut Mosaique oder der hemmungslos durch fast alle Jahre durchproduzierte Jahrgangs-Blanc de Blancs. Dolles Reifepotential hatten die nicht, aber frisch nach Freigabe verzehrt war das immer eine gute Sache und ist es bis heute, zum Beispiel im von mir geschätzten Londoner Sushi Samba (obwohl ich das Duck & Waffles noch besser finde, weil man da rund um die Uhr sein kann), wo Jacquart seinen 50. Geburtstag gefeiert hat, bezeichnenderweise nicht mit einer seiner Spitzencuvées oder etwas sonstwie neuartigem, sondern mit dem ganz normalen Rosé, den es eigens für diesen Anlass erstmals aus Magnums gab, wo er sich bestens hält – dieser Rosé wird auf Basis des Brut Mosaique Blanc hergestellt und bekommt etwas Rotwein, der regelmäßig aus Riceys, Neuville, Vertus, Cumières und Ay stammt.

Nun also hat Jacquart seine vor wenigen Jahren begonnene Workshopreihe fortgesetzt und Interessierten die Möglichkeit eröffnet, Grundweine aus wirklich berufenem Munde erklärt zu bekommen. Floriane Eznack hatte eine kleine Terroir- und Rebsortenrundreise vorbereitet, war aber um spontane Ausflüge in die Bibliothek nicht verlegen und bot so ein wirklich lehrreiches Programm, bei dem ich einmal mehr festgestellt habe, wie es denn so um meine sensorischen Fähigkeiten bestellt ist.

Meuniers:

Der Wein aus Trelou steht auf sandig-kalkigem Boden und zeichnet sich durch seine milde Rauchnote aus, auf mich wirkte er etwas breit und alkig, aber nicht ausgefranselt, bei vergleichsweise wenig Säure. In Villedomange sind die Meuniers gleich viel strukturierter was an der abhärtenden, jedes unnötige Fett wegschmelzenden Lage in der Montagne liegen kann, ähnlich wie bei den athletischen Chardonnays von dort. der Meunier war gleich viel schlanker, fruchtiger, frecher, mit einer prickligen Attacke auch am Gaumen, eine lange stehende Säure blieb dennoch aus. Festigny, wo einige der besten Meuniers herkommen, hat sandigen eisenoxiddurchsetzen Boden mit nur wenig Kreide, dort hat der Meunier eine ruhige und gelassene Nase, im Mund hingegen eine ausgeprägte, lange und gesunde Säure, also genau das, was den anderen beiden gefehlt hat, so dass sich das dreiteilige Puzzle doch noch zusammensetzen ließ.

Taille:

Zu Ausbildungszwecken gab es dazwischengeschoben zwei Tailles, also den Saft der zweiten Pressung. Einmal vom Chardonnay, einmal vom Pinot Noir. Beide wirkten, selbst nach den an sich harmlosen Meuniers, weichlicher, zugleich grober, alkoholischer, wenig komplex, insgesamt kurz, und mit Zeitablauf immer langweiliger. Kein Wunder, dass alle immer von sich behaupten, keine Taille zu verwenden, sondern die immer nur an andere weiterzuverkaufen.

Pinot Noir:

Der Pinot von der Aube ist das Spezialgebiet von Monsieur Parisot aus dem Schwesterhaus Devaux. Floriane Eznack versteht sich aber auch darauf. Sie mag vor allem die eleganten Pinots aus Urville, Landreville und Neuville sur Seine, deren letzterer schlank, stahlig, mit feiner Rotfrucht, Crème und nur andeutungsweise etwas guter Butter zu gefallen wusste. Die allererste Pressung des ersten Pressdurchgangs der Trauben aus dem Grand Cru Mailly toppten den Aube-Pinot mühelos. Feingebäck, Shortbread Fingers und ein Auftrete wie frisch gewaschen, mit extrem viel Kraftreserve, die immer erst mit sehr viel Zeit zum tragen kommt und sich niemals aufdrängt, wie man es zB aus Orten wie Verzenay kennt, wo von vornherein alle Kraft, der ganze Schub und Vortrieb losgelassen wird. Bei Jacquart passt das nicht in die Konzeption, hier soll der Pinot als gediegener Hintergrund für guten Chardonnay nützen, und nicht als dominierende Rebsorte. Deshalb ist der Pinoit aus Ambonnay gerade auf der Grenze für solche Zwecke. Die Linienführung ist härter, energischer, nicht nur der Butterkeks bekommt hier eine Salzkruste, auch die zwanglos drapierten Früchtchen müssen sich nun strenger ausrichten, reife Schalenaromen von Melone und Gurke kommen dazu, die Säure ist trotzdem noch sehr rund und mit Mühe zurückhaltend. 

Chardonnay:

Aus Villers-Marmery gab es nochmal eine allererste und feinste Pressung, die leichte Exotik versprühte und keine Neigung zum gelegentlich auch hier auftretenden Vegetabilitätsproblem erkennen ließ; Wachs, weisser Pfeffer, Reinheit und Säure waren schön vereint und schon jetzt gut trinkbar. Montguex zeigte sich viel meloniger, mit viel weissem Pfirsich, merklih höherer Reife bei ausgeprägter Delikatesse und ließ mich mal wieder stark beeindruckt zurück. Für eine Cuvée, so erkannte ich ebenfalls mal wieder, ist das nur schwer zu verarbeitendes Material. In altem Holz und solo ausgebaut, ohne BSA, mit wenig Dosage könnte das aber ganz aufregend sein. Man wird sehen, ob Jacquart ein Wagnis dieser Art irgendwann einmal eingehen wird. Aufregend war als nächstes der Chardonnay aus Avize. Salzige Mandel, Süßholz, Trockenblumen, viel versteckte Säure und eine Kraftkontrolle, wie man sie nur in richtig guten Grundweinen findet, kündeten vom Ruf des Grand Cru und bestätigten ihn im selben Arbeitsgang.

Reserveweine:

Der Chardonnay aus Vaudemange 2012, hatte schon klare Toastaromen entwickelt und viel Orange, wirkte gesund und komplex, locker noch mit einem Potential für fünf Jahre, wobei ich ihn dann schon an der Höchstgrenze sehe und meine langjährige Einschätzung bestätigt finde, dass nämlich Jacquart keinen Champagner für die Ewigkeit macht. Der Chardonnay aus Oger 2008, hatte auch Toast, wich dann dann in Richtung Kastanie aus, gab etwas Phenol preis, das sich in guter Balance mit Butter und Nuss hielt, was für eine bislang positiv verlaufene Entwicklung spricht, in der die jahrgangstypisch präsente, aber nicht nervtötende Säure sich hohe Meriten verdient. 

Die Cuvées:

Mosaique auf Basis 2009 trat mit einer entfernt holzigen Empfindung an mich heran, es zeigten sich bald medizinale Töne und Kastanie, im Kern dann eine sanfte Röstnote, die von etwas mehr als notwendigem Alkohol in der Nase umwabert wurde, auf mich wirkte der Champagner schon leicht ausgebreitet und sollte bis Ende des Jahres getrunken werden. Der 2010er Mosaique, hatte deutlich mehr Frische, Honigmelone und Zitrusfrucht, im Kern frisches brot und unaufdringliche, noch wie in sich zusammengerollte Röstnoten, so dass er wirkte, als sei er mit noch angelegten Flügeln unterwegs.

Zu Essen gab es in der ganzen Zeit natürlich auch, das Essen bei Jérôme Gangneux am ersten Abend in Paris hatte es dabei nicht leicht. Sein Pressé de chair de tourteau war durch eine Überfülle an Kräutern gar nicht recht erkennbar, das wenig intensive coulis d'avocat und sein huile légère de curry halfen dem Umstand nicht ab, sondern stifteten nur Verwirrung, die weder vom schmackhaften, allerdings auch schon reif wirkenden 2006er Blanc de Blancs noch vom kräftigen Brut geklärt werden konnte. Beim Klassiker Coquillettes façon risotto, coppa et jambon blanc, à la brisure de truffe vermisste ich vor allem das Trüffelaroma, das sich bestimmt gut zum Blanc de Blancs gemacht hätte, Schinken und Coquilettes hingegen waren völlig in Ordnung, die Portion sogar sehr üppig, so dass ich gleich zwei Gründe hatte, das Duo de ris de veau et rognon de veau rôti entier, déclinaison de céleri, jus de vinaigre nicht genommen zu haben, mit dem ich anfangs geliebäugelt hatte, das aber trotz seiner hohen Warenqualität und Zubereitung (Gangneux hat immerhin bei Jean-Pierre Vigato vom Zweisterner Apicius in Paris gelernt) am Tisch keine breite Zustimmung erhielt (Röhren und Sehnen in der Niere waren nicht entfernt worden). Zufrieden war ich mit der citron dans tous ces états, dem natürlichen Trainingspartner für ambitionierten Chardonnay. Im Hotel de Brimont gab es am nächsten Tag Seebrassentartar mit Babyleaf-Salat, beides zusammen mit dem 2006er Chardonnay eine ganze Klasse besser als der Taschenkrebs am Abend zuvor, noch gesteigert von einer Hummerminestrone mit Fenchelschaum, zu der Cuvée Alpha 2006 und Charonnay 2006 sich gegenseitig hochschaukelten. Das Tenderloin Beef mit Foie-Gras Timbale und kleinem Gemüse lasse ich außer Betrachtung, obwohl es dazu einen schmackhaften Rotwein gab (Domaine Mas des Armes Cuvée Perspectives), denn die Champagner wollten dazu nicht recht passen, am ehesten ging noch der Rosé. Zum Comté mit Mesclun war der Jacquart 2002 en Magnum eine gute, aber keine zwingende Wahl, solo machte er mir mehr Spaß und nicht nur vielleicht wäre der danach zur Poire Bavarois eingeschenkte demi-sec zum Käse besser gewesen, aber um mir darüber vertiefte Gedanken zu machen reichte die Zeit einfach nicht mehr, denn ich musste schon wieder weiter.