Sankt Martin in der Pfalz. Im denkmalgeschützten Ortskern reiht sich Hotel an Gaststätte an Weingut. Wenn die Schranken runter sind, kommt man mit dem Auto nicht hinein. Das ist nicht schlimm, weil selbst Fußfaule sich den Ort schnell per pedes erschließen können. Und wenn gerade Véritable ist, sollte man das Auto sowieso stehen lassen.
Véritable, das ist der Name der Weinfachmesse von Philipp Kiefer und Uwe Warnecke. Diese Weinfachmesse ist wie eine Essenz der ProWein. Alle Aussteller, die auf der ProWein Pflichtbesuch sind, sind nämlich auch auf der Véritable. Man spart sich also das ganze Drumherum und den Zeitverlust, außerdem gibts ganz nebenbei gutes Essen.
Um alle 91 Aussteller der diesjährigen Véritable zu besuchen, reichte bei mir leider die Zeit nicht. Ich habe deshalb eine auf Herzenslust beschränkte Auswahl vorgenommen, wobei ich schweren Herzens internationale rote Knaller wie Ornellaia, Sassicaia, Gaja, Penfolds, Vega Sicilia Unico, Hermitage La Chapelle ausgelassen habe.
Egon Müller gefiel mir mit seinen 2015ern nicht durchgehend. Der Scharzhof Riesling hatte nur viel Säure und Aggressivität zu bieten, der Scharzhofberger Kabinett Alte Reben befand sich noch im Tiefschlaf und die opulentere Wiltinger Braune Kupp Auslese gefiel mir auch nicht uneingeschränkt, von den gezeigten Weinen allerdings am besten. 2015 vom Egon Müller ist meiner Meinung nach zum Weglegen bestimmt.
An der Saar brillierte von Othegraven mit einem altmodisch geratenen Bockstein Riesling Kabinett 2015, etwas fülliger trat der Altenberger Riesling Kabinett 2015 auf, der auch als Spätelese Alte Reben eine gute Figur machte. Am besten allerdings gefiel mir der Altenberg Alte Reben in der Auslesenvariante, die überbordend, groß und von vorn bis hinten gelungen war. Ein Tiptopwein.
In Mertesdorf befindet sich die Schlosskellerei C. von Schubert, Weingut Maximin Grünhaus, gerade frisch in den VDP aufgenommen, der sich mit Neuaufnahmen ja manchmal ganz schön anstellt. Einen größeren Überblick werde ich mir bei diesem ja nun wirklich sehr traditionsreichen Weingut im November verschaffen, zwar nicht bis zum Jahrgang 633 zurück, aber fast. Für dieses Mal reichte es völlig, Bruderberg Kabinett 2015 und die beiden Abtsberge Spätlese, bzw. Auslese 2015 zu probieren und gut zu finden. Den schmutzigen Mix aus Käsecracker, kalter Asche und Kokain mit Apfelaroma muss man einfach faszinerend finden.
Das Weinhut Joh. Jos. Prüm liefert einige meiner liebsten drinks und wenn ich Termine in Berkastel-Jues wahrzunehmen habe, lasse ich mir nur selten im Anschluss den Besuch im Weinhaus Porn mit der dort wartenden Fünferreihung feiner Prümweine entgehen. Die Graacher Himmelreich Spätlese 2014 war schön teeig, mit krachender Säure, die 2012er Version etwas fetter und weicher. Aus 2012 gab es noch eine Wehlener Sonnenuhr Spätlese, deren druckvoll abgelieferte Frucht und kristallzuckrige Süße fast schon wieder anstrengend waren. Aber dann kam die 2009er Wehlener Sonnenuhr Spätlese ins Glas und die zeigte, vielleicht dem warmen Jahr geschuldet, vielleicht dem reifefortschritt insgesamt, beginnendes Petrol und zwar genau in der Dosierung, die ich liebe. Feiner Stoff, der sich nach oben hin klar von der Benrkasteler Badstube Auslese 2007 absetzte, die etwas prickliger, etwas dicklicher, mit ausgeprägterem petrol und buttrigen Noten ins Glas kam. Ganz besonders stark war zum Schluss dann noch die große, fordernde, 2007er Wehlener Sonnenuhr Auslese.
Ein anderer Moselfavorit ist ja immer Fritz Haag, so auch diesmal. Der Brauneberger Riesling Kabinett 2015 war ein schöner, sehr eleganter Einstieg und eine perfekt abgezirkelte Pyramidenbasis, auf der Braunenberger Juffer Sonnenuhr Spätlese und Auslese Goldkapsel, jeweils aus 2015, architektonisch ideal aufbauten.
Aus dem Hause Grans-Fassian gefiel mir der VDP.Ortswein Trittenheimer Riesling Kabinett 2015 ganz gut, auch wenn ich nicht unbedingt ein Fan von blumigen Noten im Riesling bin, die sich hier etwas stärker breitmachten, aber noch tolerabel blieben und von einem leicht kalkigen Eindruck gut eingefasst wurden. Die Dhronhofberger Riesling Spätlese VDP. Große Lage 2003 hatte viel Lemon Curd und Eierpfannkuchen und damit meine volle Sympathie.
An August Kesseler habe ich mich erstmals beim Fest in der Hattenheimer Winebank so richtig herangetastet, die neue Begegnung mit dem Erzeuger aus Assmannshausen verlief noch erfreulicher, der Lorcher Schlossberg Kabinett VDP.Erste Lage 2012 war ein herrliches Apfelkonzentrat und köstlicher Rieslingspaß.
Beim Weingut Künstler aus dem sonst nicht sehr meldenswerten Hochheim am Main habe ich mehr oder weniger meine einzigen trockenen Stillweine der Véritable gekostet und mal wieder die Weiss Erd GG 2014 am besten gefunden. Warum? Weil sie einer der champagnerigsten Rieslinge überhaupt ist, schon dem sprechenden (Kalk, Löss, Mergel sind für die Weiss Erd verantwortlich) Namen nach.
In Rheinhessen wimmelt es von guten Winzern, am besten sind die meisten von ihnen nach meinem Empfinden im trockenen Bereich, also jenseits meines Horizonts. Von Kühling-Gillot gibt es aber im süßen Bereich eine Pettenthal Spätlese 2015 von solcher Pracht und Wucht, dass der Griff in die Geldbörse sicher lohnt, bei ca. 19,50 €/Flasche.
Sehr gut sah es auch bei Dönnhoff aus, dessen Oberhäuser Leistenberg Riesling Kabinett 2015 ist jetzt schon sowas von da, dass ich mich in ihn verbissen habe, die schmeichelhafte Säure förderte das natürlich noch.
Nicht unerwähnt lassen will ich den munter verspielten Cinqueterre von Elio Altare, der so gutgelaunt und farbenfroh ist, wie das Dörflein selbst. Vermentino, Bosco, Albarola sind dafür verantwortlich und wenn ich Vermentino höre, denke ich sowieso immer an meine erste Erfahrung mit der Rebsorte, aus dem Hause Argiolas, lang ists her.
Billecart-Salmon wurde von Eric Calzolari in gewohnte Manier ausgeschenkt und weil Eric Calzolari weiss, wie man’s macht, natürlich in Magnums. Davon hat am meisten der Blanc de Blancs profitiert, der sonst gern mal etwas beliebig wirken kann, wenn er noch sehr jung und voller Babyspeck ist. In der Magnum hat er einfach mehr Präzison und Würde. Réserve und Rosé fuhren wie Nicolas Francois Billecart in ihren Umlaufbahnen, durch nichts zu erschüttern. Stark war dann noch der 2006 Extra Brut, der würzig und dunkel wirkte, so geheimnisvoll wie noch nie ein Billecart-Salmon zuvor, würde ich sagen.
Louis Roederer war mit dem Brut Premier vertreten, den ich nicht immer nur gut fand, jetzt aber schon. Schön röstig, ein bissele süß, was mir zuletzt beim 2007er Cristal wieder sehr charakteristisch und irgendwie ja auch historisch korrekt vorkam. Blanc de Blancs Brut Millésime 2009 war mal wieder eine sichere Bank, schlank, nicht mager, griffig, trainiert, gut. Die Edition Starck Brut Nature 2006 zeigte sich wiederholt von einer guten, wenn auch nicht von ihrer besten Seite, das blieb im Vergleich dem Brut Millésime 2008 überlassen.
Pol-Roger wartete mit einer so geschlossen gute Serie auf, dass ich mich ein wenig für die stiefmütterliche Behandlung geschämt habe, die das Haus durch mich erfahren hat. Was andererseits schon wieder ein gutes Zeichen ist, weil dann ja alles gut läuft und es nichts zu bekritteln gibt. Wobei das auch schon wieder nicht ganz stimmt, die Tendenz von Pol-Roger zur beharrlich hohen Dosage hatte ich vor Jahren schon erwähnt und der Eindruck ist nicht gewichen, aber bei Pol-Roger sehe ich das am Ende doch immer wieder nach, weil die Weine so langlebig sind und die Dosage wie eine kultische Wegzehrung mit in ihre zweite und dritte Transformation in der Flasche nehmen. Der White Foil war also so schmatzig wie eh und je, der Pure immer noch gut und langsam gewöhne ich mich auch an ihn, der 2006er Vintage war nicht so schön wie der von Billecart, aber sei’s drum, dafür war der 2006er Rosé verdammt gut und in meinen Augen ein echter Geheimtip, noch vor dem 2008er Blanc de Blancs, den ich für sehr gut, im Vergleich mit dem von Roederer allerdings nicht überlegen fand. Sir Winston Churchill 2004 war britische Bulldogge vom Feinsten, jetzt schon prima, wenn man mit der Süße klarkommt, aber in einigen vielen Jahren sicher noch mal um Längen besser.
Volker Raumland stellte den Rosé Prestige Brut (Nature) 2012, den Blanc de Blancs Brut 2009, den Chardonnay 2009, das IX. Triumvirat (2009), den Riesling Prestige Brut 2008 und den Pinot Prestige 2007 en Magnum vor, vielleicht schon ahnend, dass er damit wenige Tage später wenige Ortschaften weiter, in Neustadt beim Meininger Verlag, beim Sektpreis punktemäßig nochmal dick abräumen würde, für mich ein doppelt und dreifach freudiges Wiedersehen. Der Chardonnay 2009 gehört zu den starken deutschen Chardonnaysekten und somit zu einer winzigen Partition innerhalb der Sektfraktion. Röstnote, Laktizität und Brotrindigkeit sind jedenfalls für meinen Geschmack vorbildlich. Das IX. Triumvirat hatte mit dem Chardonnay sehr starke Konkurrenz aus dem eigenen Haus und wusste sich dagegen nur knapp durchzusetzen. Überaus stark kam mir auch der Riesling Prestige vor, während der Pinot Prestige ruhig noch etwas vor sich hindämmern kann.