A. Umtrunk bei Uwe

Ob es eine Prä-Umzugs- und Kellererleichterungsrunde hatte werden sollen, oder ob es allein darum ging, in freundlicher Runde ein paar schöne Flaschen zu leeren, ist bis zuletzt nicht ganz klar geworden, mein Verstand wurde es aber auch nicht. Klar wurde jedoch, dass es mal wieder eine höchst unterhaltsame und kurzweilige Zusammenkunft war, nicht nur, weil aus Thomas das "Andra moi ennepe Mousa, polytropon hos mala polla planchthe epei Troies hieron ptoliethron eperse" herausbrach, das unverkennbar Absolventen humanistischer Gymnasien kennzeichnet, sondern weil er praktisch alle weichenstellenden Reden amerikanischer Präsidenten des 20. Jahrhunderts überzeugend im Tonfall und mit kongenialem Gestus wiederzugeben vermochte und auch sonst. Vom liebenswerten Christoph gab es sogar noch ein nachträgliches Weihnachtsgeschenk, für das ich ihm tiefen Dank schulde, den herrlichen Rieslaner von Ruck, der seinerzeit für mich vor Ort in Iphofen der Wein des Tages war.

Getrunken wurde u.a.:

I. Didinger, Bopparder Hamm Gedeonseck, Kabinett, 2007

Weich, rund, saftig, milde Würze, wenig Säure.

II. Georg Mosbacher, Forster Freundstück, Spätlese, 2001

Tannennadelduft und aparte Firne, schlanke Säure, buttrig, dabei durchweg frisch.

III. Raymond Berschy, Cave des Remparts, Gewürztraminer, Vendanges Tardives, 1998

Dunkel; herb, kräftig, röstig, Rancio, auch leicht spritig.

IV. Huber, Spätburgunder, Alte Reben, 2004

Seidig, federnd, dichtgewirkt, am Rand beschwingt, obwohl schon leicht ältlich.

V. Friedrich Becker, Schweigener Sonnenberg St. Paul, Monopollage, Spätburgunder, 2006

Kirschig, üppig, mit Wacholderblatt, Lorbeer, Eau de Vie. Balsamisch, buttercrèmig.

VI. Philippi, Spätburgunder, 2001

Lakritzig, gezehrt, um. Wohl schon zu lange offen.

VII. Jerôme Bressy, Rasteau, Gourt de Mautens, 2006

Kaffee, Kirsche und Sahne. Flüssige Schwarzwälder Kirschtorte mit einem Hauch Tonkabohne. Brombeertraubenzucker, Weingummi, Cassis, Kräuter. Schmeckt schon clichéhaft gut, wird aber aufgrund seiner enormen Konzentration und Süße auf die Dauer anstrengend.

VIII. Les Cailloux, Châteauneuf-du-Pape, 2000

Johannisbeere, Holunderbeere. Weich, reif, mit wenig aber bestimmter Säure. Sojasauce, schwarzes Bohnenmus, später mentholisch. Rassiger, schnittiger als der Rasteau.

IX. Léoville-Poyferré 1975

In der Nase erstmal Brett. Außerdem Lakritz und Champignon. Im Mund jugendhafte Himbeere und ein unverschämt frischer, dabei tanninarmer Eindruck.

X. R.L. Legras, Cuvée Présidence Vieilles Vignes, Millésime 2002

Apfel, Rosine, Butter; oxidativ, mit einem nicht ganz einwandfreien Luftton. Leider fehlt es ein wenig am erforderlichen Säuregegengewicht, für Freunde dieser Stilistik dennoch empfehlenswert.

XI. Piper-Heidsieck, Rare NV

Reif, leicht röstig und toastig, mit Luft auch andeutungsweise Kaffeetöne, ganz der Stil des Hauses – ein Champagner, den man hier zu Unrecht viel zu wenig kennt.

XII. Charles Heidsieck, Finest Extra Quality Brut aus den 1970ern

Butter, Schokoladenkeks. Reif und frisch zugleich, minimales Feinstrestprickeln. Hat sich sehr gut gehalten!

B. Champagnerimbiss

Der erste Termin im neuen Jahr war dann, bzw. ebenfalls so weit von einem offiziellen oder gar offiziösen Termin entfernt, wie Dorsten von Essen, resp. Essen von Bochum. Also ganz schön. Mehr als ganz schön schön war der von den vorbildlichen und rundum fürsorglichen Gastgebern Katja und Jens veranstaltete Champagnerimbiss, den es in dieser Form häufiger und zum Beispiel auch mal in Bochum geben sollte.

I. Safranmuscheln, dazu Eric Isselée Grande Sélection

Diesen Champagner habe ich immer stiefmütterlich behandelt, weil mir der Blanc de Blancs Grand Cru Millésime 2002 von Eric so gut gefiel. Nachdem ich die Grande Sélection dann aber mal ganz bewusst und nicht nur als Verlegenheitswarteschlückchen im Glas hatte, begann ich, mich dafür einnehmen zu lassen. Der Champagner ist ein kontrastreicher, gekonnt verklammerter Mix aus Chardonnay und Pinot Noir zu gleichen Teilen. Das merkt man und ist angetan. Sehr gut gefiel mir das Zusammenspiel von Champagnerwürze und Safransud, den ich mit erheblichen Brotmengen wegtunkte.

II. Foie Gras mit Confit d'Oignon, dazu

1. Diebolt-Vallois Prestige

Apfel und Limette, Kraft und Eleganz, seidenglatt und meisterhaft. Solo würdevoller, als in Kombination mit der Foie Gras. Immer wieder Hut ab vor Meister Jacques.

 

2. Schloss Saarstein Kabinett feinherb 2009

Apfel, Birne, gelbes Obst, leicht wässrige Süße und ansprechend milde Herbe, zur Foie Gras bestens geeignet.

 

III. Quiche Lorraine, dazu

1. Brenneis-Koch, Dürkheimer Feuerberg, Syrah, 2007

Von sehr viel Pfeffer übertönte Zwetschge, fruchtig, beerig, für einen Syrah sehr leicht geraten, aber noch gut als solcher erkennbar. Derzeit wohl nicht in Topform, doch ein schöner Begleiter zur Quiche.

2. Marie-Noelle Ledru Grand Cru Brut Nature Millésime 2002

Für einen 2002er ungewohnt eckig, abweisend und sperrig, aber das nicht, weil der Champagner nicht gelungen wäre, sondern weil das dem Stil von Viticultrice Ledru entspricht. Mit sehr viel Luft entwickeln sich harmonische Haselnuss- und Quittentöne, wirklich zugänglich wird er aber nicht. Da er nach Art der Schöpferin nur sehr langsam auftaut, hat wahrscheinlich ebenso wie Madame Ledru ein goldenes Herz. Wir werden sehen. Ich bin jedenfalls guter Dinge, dass dieser Champagner noch eine lange und gute Zukunft hat. Als Speisenbegleiter ist er gleichwohl zu ungehobelt.

IV. Käseauswahl; Beaufort, Mimolette, Maroilles u.a., dazu André Clouet Millésime 2000

Bouzy-Champagner, der weit über das von den meisten Winzern dort gekonnt inszenierte leichtherzige Haselnussthema hinausreicht und selbst in dem gemeinhin für schwach gehaltenen Jahr glänzt. Genau das macht für mich starke Erzeuger aus und ich fühlte mich spontan an den hervorragenden Coeur de Cuvée 2001 von Vilmart erinnert, oder an die Kreationen von Philipponnat aus Jahren wie beispielsweise 1991: wer unter widrigen Umständen solche Champagner in die Flasche bringt, hat's einfach drauf.

V. Crème Brûlée, davor, dazu und danach erst ein korkiger, dann ein etwas angeschlagener Bordeaux.