Champagne Bollinger hält ein Drittel der Anteile an Delamain, was mal wieder ein schönes Beispiel für die zahlreichen Verbindungen zwischen diesen beiden entgegengesetzten Gegenden, bzw. Getränken ist. Cognac Delamain ist ein altes Haus, das ausschließlich Eaux-de-vie aus der Grande Champagne kauft. Eigene Weinberge werden nicht bewirtschaftet, auch bestehen keine festen Lieferverträge. Die Brenner kommen vielmehr täglich ins Haus und bieten ihre Grande Champagne Brände zur Verkostung an. Dann wird probiert und verhandelt. Neues Eichenholz findet bei der Reifung dann keine Verwendung, die 350-Liter-Fässchen aus französischer Eiche sind im Gegenteil möglichst alt und tanninarm. Auch der feuchte Keller nächst der Charente sorgt für harmonische Reifung. Bei der Cognacvermählung werden Brände aus der gleichen Altersstufe miteinander verbunden, da ein großer Altersunterschied als abträglich betrachtet wird. Die Reduktion der Brände auf Trinkstärke erfolgt nicht schlagartig mit destilliertem Wasser, sondern behutsam über zwei Jahre mit faibles, also mit schwachalkohlischem Cognacwasser aus Solera. Ähnlich der Ruhezeit von frisch degorgiertem Champagner bleiben bei Delamain die fertig vermählten Cognacs nach dem blending für zwei Jahre liegen, um sich in Ruhe integrieren zu können, bevor dann endlich die Vermarktung beginnt. Zuckercouleur wird nicht verwendet, die Farbe ist ganz natürlich, was keine Selbstverständlichkeit ist, denn viele Cognachäuser verwenden Karamell oder Zuckercouleur als Farbgeber für einen einheitlichen oder optisch besonders gewollten Auftritt ihrer Cognacs.
I. Pale & Dry X.O. Grande Champagne
25 Jahre alt. Jugendlich, fein, sehr obstig, nur von Ferne eine Ahnung von Blumen. Mit Luft immer mehr Trockenfruchtaroma, kaum fortgeschrittenes Rancio. Schwebt über die Zunge, Schwerpunkt ist auch mit Luft bei der Frucht. Bei Bollinger entspräche dieser Cognac wohl am ehesten der Special Cuvée.
II. Vesper X.O. Grande Champagne
35 Jahre alt. Mehr Butter als im Pale & Dry, auch ein Hauch von Klebstoff und Duft von Löwenzahnblüten. Einerseits konzentriertere Aromatik mit viel Backpflaume, andererseits leichter und beschwingter, mit diesem bemerkenswert schwebenden Charakter bei ausgeprägter und langanhaltender Süße.
III. Extra X.O. Grande Champagne
Gibt es seit 2006, die verwendeten Brände sind 40 Jahre alt. Erstaunlich schwach entwickeltes Rancioaroma, dafür sehr viel Bittermandel und Feuerstein, beiden gehen nahtlos von der Nase in den Mund über, wo der Cognac wieder mit deutlicher Süße das Regiment führt, wobei ich zusätzlich eine lebhafte und etwas hitzige Alkoholnote vorfand.
IV. Très Vénérable X.O. Grande Champagne
55 Jahre alt. Rosinen, Rancio, Feige, Datteln, Pflaumen, Speck, Neroli. Außerdem Anis, Kümmel, ganz zum Schluß Sternfrucht. Auch im Mund sehr komplex, sehr dick und balsamisch, mit Tanninfinish.
V. Reserve de la Famille No. 342-50,
43% vol. alc., Flaschennr. 47/180, single estate, single barrel. Wuchtig, druckvoll und geradezu unbeherrscht. Durch den – unverdünnt, nur durch Verdunstung erreichten – Alkoholgehalt von 43% wirkt das Rancio etwas hitziger und lebendiger, nicht so abgestorben und unterholzig. Für die delikaten Fruchtaromen jügerer Cognacs oder von Bränden aus den Fins Bois wäre das schon ein Problem, aber davon finden sich naturgemäß hier nicht so viele; dafür sind Kräuter, Süßholz, Leder, Tabak, Jod und Trockenblumen im Spiel, denen die Hitze nicht so viel ausmacht. Für mich nicht zwingend der beste Cognac von Delamain, das kann man bei den Vieilles Vignes Francaises von Bollinger übrigens ähnlich sehen.