I. 1. St. Antony Pettenthal 2006
Angenehm reif, würzig und gewichtig, mit unbeschwerter Säure.
I. 2. J.B. Becker Wallufer Walkenberg Spätlese trocken 1990
Reif, aber fast ganz ohne Petrol und Firne. Kernige, präsente Säure, saftiges Mundgefühl, wirkte unfassbar jung und sehr dynamisch, entwickelte sich über Stunden hinweg positiv.
II. Dom Pérignon 2003
Nachdem ich den neuen Dom Pérignon 2003 erst kürzlich einer Nagelprobe im Umfeld anderer Prestigecuvées unterzogen hatte, musste er nun in einem völlig anderen Kontext ran. Statt einer abgestimmten Speisenbegleitung gab es ein Stahlbad roter, weißer, stiller und sprudeliger Weine mal mit mehr, mal mit weniger Berührungspunkten zu unserem jungen Helden. Dabei bestätigte sich der beim ersten Test festgestellte Mangel an Säure. Wenn man den 2003er Dom in der Tradition von ebenfalls hitzigen Jahrgängen wie 1947, 1959, 1971, 1976 sehen will, wofür natürlich vor allem die besondere Hitze des Jahrgangs spricht, relativiert sich die skeptische Einschätzung etwas. Aber selbst große englischsprachige Stimmen sprechen beim Reifepotential "nur" von einem Zeitraum um 2020, das ist gerade einmal die erste plénitude, für einen regulär dégorgierten Dom Pérignon also das früheste Kindesalter.
III.1. Clos du Bourdieu Bordeaux Mousseux Blanc Brut Méthode Champenoise
Farbe von schleieriger Cola mit Fanta, nicht sehr schön anzusehen, für einen ca. 60 Jahre alten Schaumwein aber ok. Prickeln Fehlanzeige – auch das ok. In der Nase viel Pilz und Boden, auch Milch, Milchschokolade und Rahm – sehr ok. Im Mund volle Granate karamellisierte Mandelsplitter, ein lang und sauber nachklingender Pilzgeschmack und keine Spur von Metall, das bei so alten Weinen gerne mal die Tertiärschau zunichte macht. Exquisites Stöffchen für Altsprudeltrinker (bei denen kein Sprudel mehr drin ist).
III.2. Clos du Bourdieu Bordeaux Mousseux Rosé Sec (?) Méthode Champenoise
Knallrosarot, transparent, strahlend schön im Glas, und das bei dem Alter (ebenfalls ca. 60 Jahre plusminus)! In der Nase reife, pilzige Aromen, aber vor allem noch eine faszinierende Fruchtnote. Im Mund jugendlich, frisch, fruchtig, sogar noch ganz leicht prickelnd und mit einer ausgeprägten Süße, wie ein nicht genügend stark verdünntes Himbeersirupschörlchen. Gegenüber dem weißen Mousseux objektiv der lebhaftere, wahrscheinlich sogar bessere Wein, mir war er nur leider zu süß.
IV.1. Beaune 1949
Erdig, viel asiatische Schwarze-Bohnen Sauce und für mich zu viel flüchtige Säure, um ihn noch gut zu finden.
IV.2. Chambolle-Musigny 1949
Mähler-Besse Füllung. Ähnlich dem 49er Beaune sehr viel Erde, schwarze Bohnen, Sojasauce, dafür eine längere Aromenentfaltung und eine gesündere, obwohl schon leicht aggressiv wirkende Säure.
IV.3. Chambolle-Musigny 1947
Nochmal eine Steigerung, die Säure wirkt nicht so alleingelassen und aggressiv wie beim 49er Chambolle-Musigny, dafür gesellen sich salzige Aromen hinzu und geben dem Wein ausgewogenere Würze.
IV.4. Vosne-Romanée 1947
Mähler-Besse Füllung. In diesem Burgunderoldieflight mein Liebling, da er zusätzlich zu den bekannten und geschätzten Komponenten seiner Vorgänger eine seidenweiche, animierende und nicht vom Todeskampf herrührende Süße offenbart und damit von allen Flightpartnern der dichteste, feinstgewirkte Wein ist.
V. Jurade de St. Emilion Vinée Eleonore d'Aquitaine 1952
Reife Süße von roter Paprika, gerösteter Sellerie und Liebstöckel, wirkt aber noch nicht annähernd so alt, wie er ist. Sehr flotter Wein, elegant, lang und sehr gut. Für mich ein echter Brecher.
VI.1. Dupard Ainé Charmes-Chambertin 1962
Seltsam floraler Duft wie in einem mit Blumen überladenen Krankenzimmer. Klebstoff. Kratzige bis beissende Säure, aber auch besänftigendes Graphit. Im Mund salé-sucré. Wirkt auf mich noch nicht oder nicht mehr richtig gefasst. Entweder jetzt trinken oder in drei bis fünf Jahren nochmal probieren, dann ist er entweder tot oder genesen.
VI.2. Latricière-Chambertin 1979
Dünner, flacher, pfeffriger Wein.
VII. Vieux Château Certan 1976
Gegenüber meinen ersten drei Begegnungen mit diesem Wein war er jetzt labberig weich und milchschokoladig. So wie es aussieht leider schon zu lange geöffnet.
VIII.1. Châteauneuf-du-Pape Vieux Donjon 1979
Der Jungfernjahrgang der Domaine schmeckt wie altes Moncherie mit einem Hauch Lavendel. Kann man sich noch gut gefallen lassen.
VIII.2. Châteauneuf-du-Pape Les Cailloux 1979
Ebenfalls reif, aber vollmundiger, mit komplexerer Süße, kesser Saftigkeit und einem breiteren Aromenfächer als der Vieux Donjon. Mit einigem Abstand mein Lieblingswein in diesem flight.
VIII.3. Châteauneuf-du-Pape Les Marcoux 1979
Noch süßer als die beiden Vorgänger, dabei weicher und weniger profiliert, fällt er für mich gegen den Les Cailloux klar ab.
IX. Grand Puy Lacoste 1995
Sehr süß, sehr reife, dick geballte Früchte, dabei immer noch sehr gediegen. Verführt mit seiner einladenden Art zum achtungslosen Trinken, wäre mir aber in seiner jetzigen Phase nach mehr als zwei Gläsern schon wieder langweilig; die 95 PP kann ich verstehen, würde den Wein aber erst in frühestens zehn Jahren nochmal trinken wollen.
X.1. Albert Bichot Château de Dracy Ratafia Comte d'Espiès Monopole de la Maison 1929
Nach dem süßreiffruchtigen GPL war der aromatisch von starken Châteauneufs vorbereitete Sprung zum burgundischen Ratafia trotz der räumlichen und zeitlichen Entfernung nicht mehr groß. Trockenbeerenaroma, sowie eine für alten Ratafia und Très Vieux Pineau de Charente typische, mildbalsamische, von Pilzrahmsauce und Mehlbutter flankierte Alkoholnote.
X.2. Château Géneste Villenave d'Ornon Eau de Vie de Bordeaux 1899
Sanddorn, rote Beeren, Safran und Curry, die mich an alten Eau de Vie aus Cognac denken ließen, aber auch ein leichter Pflaumenduft, der mich dann wieder auf alten Armagnac tippen ließ. Im Mund etwas gezehrt und wässrig, wahrscheinlich wegen des Alkoholverlusts im kaltnassen Keller (dort verfliegt der Alkohol schneller, während sich in trockenheissen Kellern das Wasser schneller verabschiedet und einen hitzigeren, alkoholischeren Brand zurücklässt). Die Wahrheit lag buchstäblich in der Mitte: Eau de Vie aus Bordeaux, der tatsächlich einige typische Eigenschaften der nördlich und südlich gelegenen Destillatsregionen Cognac und Armagnac in sich vereint.
XI. Calon-Ségur Premier Cru de St. Estèphe 1962
W.H. Bauly Füllung. Hohl, mit Zitrusspülmittelnote. Nicht besonders inspirierend, für meine Begriffe war der Wein um.
XII. Faiveley Morey-St.-Denis, aus den 70ern (?)
Alte Walnuss, Kräuter, Sauerkirsche. Außerdem Speck und Zedernholz. Im Mund dann sogar noch charmanter, als die schon recht angenehmen Nase vorab wissen lässt. Gefiel mir sehr gut.
XIII.1. Châteauneuf-du-Pape Chante-Perdrix 2009
Dunkle Siebenfruchtmarmelade, Rosmarin, Thymian. Sehr jung, deshalb nur in leicht angekühlter Form zu trinken. Mit so einem Wein verführt man Weinnovizinnen.
XIII.2. Châteauneuf-du-Pape Domaine Pierre Usseglio 2001
Reif und süß, dabei griffig, mit vielenvielen Kräutern. Mit diesem Wein verführt man Frauen, die von Hause aus sehr verwöhnt sind und zu leichten Pölsterchen neigen.
XIV.1. Nicolas Potel Volnay Vieilles Vignes 2005
Anfangs Pillenbox und Plastiknote, nach deren verfliegen kommen schwarzer Pfeffer und Schattenmorelle zum Einsatz. Entwickelt sich über Stunden sehr konzentriert weiter und hätte so früh gar nicht geöffnet oder zumindest dekantiert werden müssen. Bestätigt den guten, in den letzten Jahren wegen seiner vernünftigen Preise sogar immer besser gewordenen Ruf, den Volnay als Rotweinappellation genießt.
XIV.2. Friedrich Becker Spätburgunder Schweigener Sonenberg, Einzellage Kammerberg 2005
Leichter, unbeschwerter als der Volnay, mit mehr Sonne im Herzen. Der französischste deutsche Burgunder, den ich kenne, gleichzeitig ein völlig eigenständiges Weinprofil und mit mehr Reife ein Garant für erfreuliche Überraschung in französischen Burgunderproben.
XIV.3. André Guy Volnay 1964
Liebstöckel unter einer Käseglocke. Obwohl gut trinkbar, reißt dieser Volnay nicht mit, dafür ist er etwas zu kurz angebunden und immer stört der an zu lange im Kühlschrank gelagerten Käse erinnernde Oberton.
XV. Robert Chassaing Hermitage Cru Classé 1947 oder 1955
Brombeere, Maulbeere, Blaubeerjoghurt. Obwohl deutlich älter als der ihm von Norden quasi entgegenkommende Volnay, wirkt dieser Wein viele Jahrzehnte jünger, dynamischer, kerniger und so pumperlgsund wie noch selten ein Wein dieser Herkunft und dieses Alters sich mir präsentiert hat – wobei sich der Jurade de St. Emilion 1952 in ähnlich splendider Form gezeigt hat. Stoffreich und übervoll mit Aromen, so dass er zu platzen droht, wenn man ihn nicht leicht gekühlt trinkt. Ein phantastischer Abschluss.
XVI. Eric Isselée Cuvée Clement Blanc de Blancs Grand Cru élevé en fûts de chêne 2004
Boskoop-Apfeltarte, etwas roter Apfel, Vanillekipferl, Crème brûlée. Herbfrisch und um 3.50 Uhr mit sehr belebender Wirkung, nach den vielen Roten mit einem auch gaumenklärenden Charakter.