A. Marx-Barbier, Millésime 2002

25% Chardonnay, 35% Pinot-Noir, 40% Meunier.

In einem Nest zwischen Damery und Reuil, am rechten Ufer der Marne, oben am Berg liegt Venteuil. Von dort aus ist es nicht mehr weit bis zur Statue von Kreuzzugspapst Urban II. in Villers-sous-Châtillon. Wir sind in Pinot-Meunier-Country. Diese allenthalben unterschätzte Rebsorte wächst bevorzugt hier und nimmt in den Cuvées der Erzeuger viel Platz ein. Platz, den Marx-Barbier in Form dieses 2002ers genutzt haben. Zu den gedünsteten Jakobsmuscheln passte der Campagner eher zufällig, denn das kurz nach dem Öffnen noch sehr dominante Raucharoma gab der Kombination einen gewissen Reiz, auch vertrug sich die Quittenaromatik gut mit den Schalenbewohnern. Richtig gut schmeckte der Champagner zu dem Zeitpunkt aber trotzdem nicht, vor allem nicht allein. Das änderte sich zum Cassolette vom Flusskrebs. Der hat nämlich ein angenehm süsslich schmeckendes Fleisch, das sich schön mit dem Quittenaroma und der leicht hervortreteden Herbe des Champagner vetrug. Die Gambas in Zitronen-Käse-Sauce schienen mir eine zu große Herausforderung für den Champagner zu sein, so recht ineinanderpassen wollte da nichts. Zu den Tournedos Rossini war mir der Champagner dann zu simpel. Die sehr konzentrierte Sauce bügelte alles weg, was der Champagner an Säure, Frische, Finesse oder Aromatik zu bieten hatte, entsprechend flach schmeckte er zum Trüffel. Allenfalls zur Foie Gras und zum Filet machte die Paarung ansatzweise Spass. Als Dessert gab es Vanilleeis, Crème Brûlée und Schokomousseline, alles keine Speisen, die ich dem Champagner jetzt auch noch hätte zumuten wollen. Ein Test ergab aber, dass er den Schwanz nicht ganz eingekniffen hatte, zur Schokomousseline zeigte er noch etwas gönnerhafte kandierte Aromen und zur Crème brûlée war der Ofen ebenfalls noch nicht ganz aus. Die schöpferische Pause nahm ihr Ende zum Käsegang, die vorher noch von Quitten und kandierten Zitrusfrüchten geprägte Aromatik entwickelte sich zum Ziegenkäsetaler und zum alten Schafsmilchbrie (ein alter, nach Salmiakpastillen riechender Camembert hätte es hier nicht sein dürfen) in Richtung Pomelo, pink Grapefruit und von mir aus auch Blutorange, war jedenfalls wieder sehr alert. Zum Roquefort riss er aber dann nichts mehr.

 

B. Maxime Blin, Blanc de Noirs, Millésime 2002

100PN.

Der Ort Trigny im Massif St. Thierry verfügt über 550 Einwohner (die aber nicht alle Blin heißen). Dort wohnt Jungwinzer Maxime Blin und dort stehen auf 12 ha alle seine durchschnittlich ca. 20 Jahre alten Reben. Das macht ihn zum Monocru-Winzer, eine ziemlich seltene Situation in der Champagne. Blin arbeitet mit biologisch orientiertem Ansatz und hat eine moderne Coquard-Presse mit einem Fassungsvermögen von 6000 kg in der Garage stehen; der Saft läuft allein durch Schwerkraft ab, sein 2002er Blanc de Noirs lag ganze sieben Jahre auf der Hefe, bevor er für den Handel freigegeben wurde. Gute Bedingungen also für einen guten Champagner. Im Glas dick, golden und einladend, mit vorbildlicher Perlage und feinem Schäumchen. In der Nase gelbe Pflaumen, Birne und Johannisbeeren, im Mund wieder saftig, klar, lustvoll und mit einer Säure, die bis hinter den Augen kribbeln verursacht. Sehr gute Arbeit! Ganz getan war die Arbeit indes noch lange nicht, denn im Champagnerleistungszentrum gibt es nichts geschenkt. Die Jakobsmuscheln nahm der Blin großzügig unter seine Aromenfittiche. Das Flusskrebscassolette als Herausforderung für diesen Champagner zu bezeichnen, wäre verkehrt gewesen. Die beiden vertrugen sich nicht nur, sondern waren sogar richtig gute Freunde. Dieses sparring war natürlich nur der Auftakt zu den Gambas, mit denen sich Blin schwertat. Zugegeben, die Sauce war schon in ihrer Anlage recht eigenwillig, so wie Milch und Säure nunmal nicht gern in einem Topf schwimmen, und dann noch die Gambas! Diese spannungsvolle Grundkonstellation traf Maxime Blins 2002er BdN an und er muss sich gefühlt haben, wie Peter Zwegat oder die Supernanny. Dass er das beste daraus zu machen versuchte, ist rühmlich, das Resultat war es nicht so sehr. Der Gentleman stiess hier leider an seine Grenzen und bewies, dass Säuremonster aus der Côte des Blancs durchaus ihre Daseinsberechtigung haben. Mit dem Trüffel von den Tournedos tat sich der Blin nicht so schwer, das war wieder die gewohnte Trainingsgröße. Der zugehörigen Sauce musste er sich unterordnen, was ohne Murren geschah und der Sauce sehr zugute kam. Die konnte auf dem eleganten Blanc de Noirs Teppich ihre Konzentration etwas entzerren und wirkte dadurch gleich doppelt appetitlich. Zu Dessert und Käse trumpfte der Champagner nicht auf, die Süßspeisen waren ihm zu mächtig und beim Käse war mir die Kombination allzu gewöhnlich.

 

C. Auswertung

Zwei unterschiedliche 2002er mit unterschiedlichen Stärken und Schwächen. Solo war der Marx-Barbier der eindeutig unterlegene Champagner, was auch an seinem reduktiven, stinkigen Start gelegen hat. Zum nachfolgenden Essen hatte der Blin schon einen Vorsprung aufgebaut, den einzuholen der Marx-Barbier sich sichtlich schwertat. Zwar schmeckte er nach und nach immer besser, konnte aber nicht Schritt mit der Speisenfolge halten. Das änderte sich erst zum Schluss, wo er den Blin sogar noch überholte. Mein Favorit bleibt wegen seiner überlegenen Solotrinkbarkeit und des tadellosen Starts der Blin.